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Europareise Fundraising: Russland "Der internationale Dialog ist wichtiger als je zuvor"

/ 5 Minuten zu lesen

Zoya Lukyanova (© Zoya Lukyanova)

Zoya Lukyanova ist Repräsentantin für Russland und Osteuropa bei Externer Link: MitOst e.V. und koordiniert die Partnerschaften und Programme im Bereich Soziale Innovationen in Kooperation mit der Robert Bosch Stiftung und BMW Stiftung Herbert Quandt. Vorher hatte sie die Nichtregierungsorganisation "Civic Engagement Institute" in Russland gegründet, die sie fünf Jahre lang als Geschäftsführerin leitete. Sie war darüber hinaus Stipendiatin im Kulturmanagerprogramm der Robert Bosch Stiftung.

Akquisos: Welche Nichtregierungsorganisationen sind in Russland im Feld der politischen oder bürgerschaftlichen Bildung engagiert?

In Russland gibt es seit den 1990er-Jahren viele Non-Profit-Organisationen wie etwa Memorial, Zentrum für Entwicklung der Nicht-Regierungsorganisationen, Agentur für Soziale Informationen, oder Bellona. Diese arbeiten regional, überregional sowie international und setzen sich für Qualifizierung und Professionalisierung der Nicht-Regierungsorganisationen, Menschenrechte, Citizenship Education, Bildung, Jugendarbeit oder auch Umweltschutz ein. Ein Trend des letzten Jahrzehnts ist die Etablierung verschiedener Arten cross-sektoraler Partnerschaften und neuer Wirtschaftsstrukturen.

Zu den klassischen drei Sektoren Wirtschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft ist vor etwa sieben Jahren ein neuer Sektor hinzugekommen, das Soziale Unternehmertum. Das sind hybride Organisationen, die gleichzeitig nachhaltig sein und soziale Probleme lösen möchten. Sie kombinieren Dienstleistungen mit Förderung.

Akquisos: Wie finanzieren die Organisationen ihre Arbeit?

Die Finanzierungsmodelle der meisten Nicht-Regierungs-Organisationen waren früher eine Mischung aus staatlichen und ausländischen Fördermitteln. Hinzu kamen noch je nach Rechtsgrundlage Spenden der Mitglieder, Sponsorengelder, oder ein Teil des Einkommens wurde durch Dienstleistungen erwirtschaftet. Seitdem das Gesetz über "ausländische Agenten" im Jahr 2012 in Kraft getreten ist, ist es schwierig geworden, mit ausländischen Partnern zu kooperieren und Fördermittel bei internationalen Stiftungen zu beantragen.

Akquisos: Wie sehen die Arbeitsbedingungen für NGOs im Bereich bürgerschaftliche bzw. politische Bildung in Russland momentan aus?

Die Lage derjenigen, die in der Vergangenheit Projekte im Bereich politische Bildung mit internationalen Stiftungen umgesetzt haben, ist bedeutend schwieriger geworden. Diese Organisationen waren unter den ersten, die auf die Liste der "ausländischen Agenten" gesetzt wurden. Dadurch hat einerseits ihr Image sehr stark gelitten, weil in der breiten Öffentlichkeit das Wort "ausländischer Agent" sehr negativ besetzt ist. Dies macht die Suche nach neuen Partnern und Fördermöglichkeiten vor allem im öffentlichen Bereich fast unmöglich. Zudem hat man als ausländischer Agent einen hohen Arbeitsaufwand durch zusätzliche Prüfungen durch die Steuerorgane.

Es ist daher noch wichtiger als je zuvor, den internationalen Dialog zu fördern. Ein Abbruch des Austausches über einen längeren Zeitraum wäre fatal und könnte zu einem gänzlichen Stillstand führen.

Akquisos: Gibt es Wege, diese Behinderungen zu umgehen?

Wirklich "umgehen" kann man diese Schwierigkeiten wahrscheinlich nicht, denn das Gesetz über ausländische Agenten ist nur ein Teil der Problematik und der allgemein verschlechterten Bedingungen für die Arbeit der zivilgesellschaftlichen Akteure.

Umso wichtiger ist es, transparent zu arbeiten und zu kommunizieren und nach den thematischen Anknüpfungspunkten zu suchen, um die Arbeit fortzusetzen. Wenn man die aktuelle Situation in Russland genauer betrachtet, so sieht man Themen und Bereiche, in denen Dialog und internationale Zusammenarbeit erwünscht und gefördert werden. Dazu gehören z.B. Soziale Innovationen, Stadtentwicklung, Soziales Unternehmertum, Social Investment und neue Formen des bürgerlichen Engagements.

Akquisos: Wie sieht es mit bürgerschaftlichem Engagement in Russland aus?

Grundsätzlich muss man sagen, dass viele Bürger in Russland sich im Leben ihrer Communities, Städte und Regionen aktiv engagieren. Es gibt viele Freiwilligenverbände und Bewegungen, die auch national aktiv sind. Es handelt sich dabei nicht um politisches Engagement, dazu halten viele lieber Distanz. Dieses gesellschaftliche Engagement ist auf der internationalen Ebene unsichtbar und deswegen auch unbekannt. Dabei sind einige Beispiele recht beeindruckend, wie z.B. StreetJournal – eine Plattform, die von einer Initiativgruppe junger Unternehmer gegründet wurde. Sie ermöglicht Bürgern, den Kommunalverwaltungen Probleme, die auf den Straßen entstehen, online zu melden und deren Beseitigung zu verfolgen (wie z.B. kaputte Ampeln oder Abwasserleitungen, umgefallene Bäume).

Akquisos: Welchen Stellenwert haben Fundraising-Aktivitäten wie Spendeneinnahmen, Mitgliedsbeiträge oder ehrenamtliches Engagement im Finanzierungsmix gemeinnütziger Organisationen in Russland? Wie ist die Spendenbereitschaft ausgeprägt?

In letzter Zeit entstanden in Russland einige neue Crowdfunding-Plattformen. Spenden ist ziemlich "in", gerade auch bei jungen Leuten. Bekannte Plattformen sind Externer Link: planeta.ru oder Externer Link: boomstarter.ru. Gespendet wird vor allem für Projekte im Bereich Soziales Unternehmertum, aber auch für Projekte mit starker gesellschaftlicher Relevanz. So ist es z.B. dem Regisseur Sergei Kachkin gelungen, das Geld für seinen Film "Perm 36: Wiederspiegelung" über das Gulag-Museum in der Permer Region über Crowdfunding zu akquirieren. Ein anders Beispiel ist fbk.info – die Internetseite der Stiftung des Oppositionspolitikers Alexei Nawalny, auf der er und seine Anhänger die Gesetzesbrüche und Machenschaften der russischen Politiker untersuchen. Für diese Aktionen spendeten die Menschen in den vergangenen Jahren viel, da sie von seiner Arbeit überzeugt waren. Vieles passiert dabei über Mundpropaganda: Freunde haben Freunde haben Freunde…da spendet man gerne mal 200 Rubel. Werbung und Spendenaufrufe auf facebook werden zusätzlich eingesetzt.

Es herrscht ein gewisses Vertrauen in konkrete und nachhaltige Dinge und auch in Crowdinvestment, weniger in abstrakte Schlagwörter wie "internationaler Jugendaustausch", wo bei aller Wichtigkeit die konkrete soziale Wirkung schwieriger zu beschreiben ist. Eine große Anzahl an Aktionen ist auf bestimmte Regionen begrenzt. In Perm gab es zum Beispiel ein tolles Projekt, als ein junger Geschäftsmann vor einigen Jahren Spenden für Weihnachtsgeschenke für Kinder in Krankenhäusern der Permer Region sammelte. In der Bevölkerung fand die Idee so großen Anklang, dass das Projekt jetzt eine eigene Website hat und seine Spendenaktionen erweitern konnte. Es entstand sogar ein kleines Team, das sich um die Arbeit kümmert (Externer Link: dedmorozim.ru).

Mitgliederbeiträge sind in Russland eher symbolische Beträge. Die meisten Mitgliederorganisationen wandeln sich jedoch gerade zu sogenannten Bewegungen, "movements", die sich dann wiederum durch Spenden finanzieren.

Akquisos: Vielen Dank für das Gespräch.