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"Bei Experimenten sind private Förderer sehr wichtig" Im Interview: Barbara Meyer, Schlesische 27

/ 6 Minuten zu lesen

Barbara Meyer vom internationalen Jugend-Kunst- und Kulturhaus "Schlesische27" in Berlin. (© S27)

Die Schlesische27 ist ein internationales Jugend-Kunst- und Kulturhaus mit offenen Werkstätten im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Jugendliche treffen hier mit Künstlerinnen und Künstlern aus allen Sparten zusammen und erkunden gemeinsam in kreativen und handwerklichen Projekten verschiedene Orte und Themen, von der eigenen Lebenswelt bis hin zu gesellschaftspolitischen Fragen. Akquisos sprach mit der Geschäftsführerin Barbara Meyer über ihre Arbeit und die Finanzierung der vielfältigen Projekte.

Mehr unter: Externer Link: www.schlesische27.de

Akquisos: Frau Meyer, was passiert in der Schlesischen 27?
In der Schlesischen 27 – oder kurz "S27"– bieten wir verschiedene Formate außerschulischer kultureller und ästhetischer Bildung an, meist in Form kontinuierlicher Vollzeit-Angebote für Jugendliche und junge Erwachsene. Das Ganze hat den Charakter von einer Art offen zugänglicher Schule mit Werkstätten für junge Menschen, die sich in Übergangssituationen befinden und die nach Strukturen suchen. Bei uns können sie in Kunst- und Design-Produktionen in Kombination mit Bildung etwas von dem aufholen, was sie – zum Beispiel durch Zeiten, in denen sie auf der Flucht oder ohne Beschäftigung oder Schule waren – verpasst haben. Wir möchten die jungen Leute auf den Alltag in einer Ausbildung oder Berufsschule vorbereiten. Neben Künstlerinnen und Künstlern, Designern und Handwerkern arbeitet ein großes Team von Sozialpädagogen individuell mit den Teilnehmenden und unterstützt sie darin, ihren weiteren Weg zu finden.

Es ist eine wuselige Hofatmosphäre hier. Kurse und Projekte finden nicht getrennt voneinander statt, sie sind sehr miteinander verwoben. Das unterscheidet uns von vielen anderen Kulturhäusern. Wir haben keine abgetrennten Programmblöcke, sondern vieles ergibt sich.

Akquisos: Wie planen Sie die Finanzierung Ihrer Projekte?
Insgesamt ist die Finanzierung unserer Arbeit sehr komplex und hängt von der Zielrichtung und den Inhalten der Programme und Projekte ab. Wenn es eine konkrete Projektidee gibt, fangen wir an, im Team zu brüten, wie man das umsetzen kann und zu schauen, wieviel Geld wir brauchen würden und wer so etwas fördern würde. Dann strecken wir die Fühler aus, führen Gespräche und stellen Anträge bei Behörden, Fonds und Stiftungen oder bitten private Förderer um Unterstützung.

Akquisos: Wer sind Ihre Geldgeber?
Von Anfang an wurde die S27 vom Berliner Senat unterstützt. Einige unserer insgesamt 45 festen Stellen werden über die Jugendsenatsverwaltung des Landes Berlin finanziert, alle anderen über Projektmittel. Es gibt Programme und Projekte, die von der Arbeitsverwaltung unterstützt werden, andere von der Jugendsenatsverwaltung. Die Landesmittel müssen wir immer wieder beantragen, doch wir können relativ sicher damit rechnen. Dazu kommen weitere Förderer wie Stiftungen oder öffentliche Zuwendungsgeber.

Wenn ein Vorhaben sehr neu, wacklig oder riskant ist, dann sind private Förderer wie Familienstiftungen für uns sehr wichtig. Bei unserem CUCULA Projekt zum Beispiel, einer Möbel-Manufaktur von Geflüchteten, die aus Lampedusa nach Berlin gekommen sind, galt es erst, die Situation ausländerrechtlich zu klären. Bei diesem Experiment haben uns am Anfang zwei private Familienstiftungen unterstützt. Solche privaten Förderer haben nicht so aufwändige Controlling-Strukturen und enge Förderprofile, die sagen auch mal: Probiert das ruhig aus!

Ansonsten werden wir zum Beispiel gefördert und arbeiten gut zusammen mit dem Berliner Projektfonds Kulturelle Bildung, der Stiftung Deutsche Jugendmarke, der Bundeskulturstiftung, dem Demokratiefonds in Berlin, der Bundeszentrale für politische Bildung und anderen. Eine amerikanische Stiftung fördert unseren Lebensmittel- und Kochworkshop. Denn das gemeinsame Mittagessen als wichtigen Teil des Tagesablaufs der S27 zahlt hierzulande niemand. Umgeben von Düften, in einladender Atmosphäre eines gemeinsamen Essens kommt jedoch der Austausch unter den internationalen Trainees besser zustande, als wenn sie mit hungrigem Bauch den ganzen Tag durchhalten müssten.

Akquisos: Kommt es auch vor, dass es eine Ausschreibung für ein öffentliches Förderprogramm gibt, mit bestimmten inhaltlichen und formalen Vorgaben, und Sie dazu passend ein Projekt entwickeln?
Wenn zum Beispiel eine Idee in den Köpfen schwirrt, dass wir mal etwas in diese oder jene Richtung machen möchten, und dann lesen wir von einer aktuellen Ausschreibung, gucken wir schon, ob es möglich ist, etwas zu entwickeln. Ausschreibungen selbst haben uns bisher allerdings nicht motiviert, einen Antrag zu schreiben. Aber manchmal passt es zusammen.

Viele Anträge sind eine Summe von soziopolitischen Begriffen wie "niedrigschwellig“, "Partizipation"etc., die gerade en vogue sind und die man versucht – möglichst bunt – zu erfüllen. Das finde ich schrecklich. Es muss aus meiner Sicht genau andersherum sein: Wir müssen etwas vorhaben, was wichtig ist und es kann egal sein, ob es Integration genannt wird oder Antirassismus oder Demokratieförderung. Wir müssen die Lupe setzen auf das, was uns bewegt, was wir neu sehen wollen und dann werden wir merken, dass es Demokratie und Integration fördert.

Akquisos: Die Schlesische27 hat einen Förderverein – Welche Bedeutung hat er für Ihre Arbeit?
Der Förderverein mit seinen etwa 30 Mitgliedern ist für uns vor allem als Netzwerk wichtig und interessant. Über die Mitglieder hinaus haben sich über die Jahre viele weitere Kontakte ergeben, so dass es inzwischen einen recht großen Kreis an Menschen gibt, die uns auf vielfältige Weise unterstützen.

Der Förderverein, in dem vor allem Berliner Unternehmerinnen und Unternehmer Mitglied sind, war in den Anfangsjahren ganz wichtig zum Aufbau und zur längerfristigen finanziellen Stabilisierung des Vereins. Damals stand vor allem der Zugang zu den Künsten und Kunsteinrichtungen für Kinder und Jugendliche aus migrantischen Familien und eine eher bildungsbürgerliche Idee von Kunstvermittlung im Fokus. Wie die Arbeit der S27, so hat sich auch der Förderverein inzwischen sehr gewandelt. Die jüngeren Mitglieder ticken weniger als Verein, sie verbinden sich eher mit einem bestimmten Projekt. Sie legen Wert darauf, nicht nur Geld zu geben, sondern auch aktiv mitzumachen. Das ist etwas ganz anderes als reines Spenden oder Sponsoring. Sie finden es spannend, dass sie Menschen aus sehr verschiedenen Milieus kennenlernen und etwas zusammen machen. Im kleineren Rahmen innerhalb der Projekte funktioniert das sehr gut.

Akquisos: Wie werben Sie Spenden ein und welche Rolle spielen diese in der Finanzierung Ihrer Arbeit?
Die privaten Spenden laufen meist so, dass ich gezielt bei passenden Personen, die uns persönlich verbunden sind, nachfrage, wenn wir einen konkreten Bedarf haben. Das funktioniert viel besser als unser offen formulierter Spendenaufruf auf der Internetseite.

Einmal im Jahr veranstalten wir eine Auktion, bei der wir Arbeiten versteigern, die bei uns entstanden sind. Die Erlöse fließen in die Projekte. An der Auktion nehmen zum Beispiel die Mitglieder des Fördervereins teil. Die Einnahmen sind sehr wichtig für uns, weil es freie, nicht zweckgebundene Mittel sind, die wir einsetzen können für Dinge, die niemand bezahlt. Es ist eine Art Risikorücklage fürs Haus, aber auch für Stellen oder Honorare, deren Finanzierung unsicher ist.

Akquisos: Haben Sie noch Tipps zum Thema Finanzierung für Anbieter kultureller Bildung?
Wir arbeiten in der S27 langfristig mit Gruppen, größeren Themen und Fragen. Wir benutzen dafür den Begriff der "Anlage“. Das ist so etwas wie ein Rahmen, ein Terrain, auf dem etwas stattfindet, und innerhalb dessen es mehrere Projekte mit eigenen Förderungen gibt. Oft haben Träger ja das Problem, dass Projekte sich wie Perlen an einer Schnur hintereinander aufreihen und dass man eins nach dem anderen abarbeitet. Wir haben in unseren Anlagen immer mehrere "Perlen"gleichzeitig, die eher wie Jonglierbälle durch die Luft fliegen. Ein Beispiel dafür ist der Coop-Campus , eine große Brachfläche in Berlin-Neukölln, auf der viel stattfindet – ein Community Garden, verschiedene künstlerische Aktionen und Projekte, die unabhängig voneinander gefördert werden. Größere Projekte schlafen auf diese Weise nicht ein, sondern sie entwickeln sich ständig weiter. Wenn eine Förderung nicht (mehr) bewilligt wird, bricht uns nicht das ganze wichtige größere Vorhaben weg, sondern nur ein Teil. Ich kann diese Vorgehensweise sehr empfehlen.

Akquisos: Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für Ihre weitere Arbeit!