Videos und soziale Medien: Prävention im Internet
Präventionsprojekte greifen Themen aus der Lebenswelt auf
Angesichts der Breite des Themenspektrums, das in islamistischen Medien unterschiedlicher Strömungen angesprochen wird, konzentrieren sich Projekte wie "Was postest Du? Politische Bildung mit jungen Muslim_innen" und "Bildmachen - Politische Bildung und Medienpädagogik zur Prävention religiös-extremistischer Ansprachen in Sozialen Medien"[15] des Berliner Vereins ufuq.de ausdrücklich nicht auf religiöse Fragen, sondern widmen sich allgemeineren lebensweltlichen Themen, die von islamistischen Akteuren aufgegriffen werden.So können Auseinandersetzungen mit Erfahrungen von Diskriminierung und Rassismus oder Unsicherheiten bezüglich Geschlechterrollen dazu beitragen, Jugendliche und junge Erwachsene in ihrem Selbstwertgefühl zu stärken und Handlungskompetenzen zu fördern.
Hierbei werden auch die Überschneidungen mit Ansätzen zur Förderung von kritischer Medienkompetenz deutlich, die breiter gefasst sind und nicht konkret auf islamistische Ansprachen in Sozialen Medien abzielen – beispielsweise im Bereich der Auseinandersetzung mit Hate speech und Fake news. So spielt auch die Entwicklung von Analyse- und Urteilskompetenzen bei der Nutzung sozialer Medien sowie die Handlungsorientierung entsprechender Ansätze eine wichtige Rolle, um Jugendliche und junge Erwachsene für extremistische Inhalte zu sensibilisieren und ihnen zugleich Möglichkeiten der gesellschaftlichen Partizipation aufzuzeigen.
Die Mehrzahl dieser Initiativen und Projekte verfolgt einen Ansatz, der sich nicht an eine genau bestimmte Zielgruppe richtet ("one to many"). Erst in der jüngeren Vergangenheit werden verstärkt auch Möglichkeiten erprobt, soziale Medien auch für persönliche Kontaktaufnahmen und direkte Beratungsangebote ("one to one") zu nutzen. Ein Beispiel ist das Projekt "Online – Beratung gegen religiös begründeten Extremismus" der Türkischen Gemeinde in Deutschland.[16]
Ähnlich wie in anderen Zusammenhängen der Präventionsarbeit lassen sich auch hier erste Erfahrungen aus der Arbeit mit Jugendlichen aus dem Umfeld der rechtsextremen Szene aufgreifen, wie sie beispielsweise im Projekt "Debate // de:hate" der Amadeu Antonio Stiftung gesammelt wurden. Das Projekt verfolgt einen Ansatz der aufsuchenden Online-Arbeit. Es wendet sich unter anderem an einzelne Nutzerinnen und Nutzer, die sich mit rechtsextremen Kommentaren in Diskussionen in sozialen Medien einbringen, und bemüht sich in persönlichen Ansprachen, auf die dort formulierten Interessen einzugehen ("aufgeschlossen-bedürfnisorientiert") und zugleich rechtsextreme Positionierungen zu irritieren und zu hinterfragen ("verunsichernd-konfrontativ").[17]
Kampagnen alleine reichen nicht
Unabhängig von jeweiligen Ansatz steht allerdings auch die Präventionsarbeit in sozialen Medien vor der Herausforderung, neben einer Sensibilisierung für extremistische Ansprachen und der Schaffung von Reflexionsräumen konkrete Handlungsperspektiven aufzuzeigen, die einen Umgang mit den auch in extremistischen Narrativen angesprochenen Fragen aus dem Alltag von Jugendlichen und jungen Erwachsenen ermöglichen.Oder, wie es der französische Journalist Romain Mielcarek in seiner Kritik der französischen Kampagne Stop Djihadisme formulierte: Es gehe auch in Gegennarrativen darum, konkrete Angebote zu entwickeln, "eine Zugehörigkeit, eine Wertegemeinschaft oder den Willen, ein gemeinsames Ziel zu erreichen".[18]