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Webtalk: Die Grauen Wölfe – türkischer Ultranationalismus in Deutschland | Rechtsextremismus | bpb.de

Webtalk: Die Grauen Wölfe – türkischer Ultranationalismus in Deutschland

Wer sind die Grauen Wölfe und was ist ihre Ideologie? Ein interaktiver Webtalk hat am 28.7 einen Einstieg in das Thema gegeben. Fragen konnten jederzeit in die Diskussion gegeben werden. Es diskutierten: der Soziologe Emre Arslan, der Erziehungswissenschaftler Kemal Bozay und der LKA-Wissenschaftler Marwan Abou Taam.

Webtalk: Die Grauen Wölfe – türkischer Ultranationalismus in Deutschland

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Webtalk: Die Grauen Wölfe – türkischer Ultranationalismus in Deutschland

Wer sind die Grauen Wölfe und was ist ihre Ideologie? Ein interaktiver Webtalk hat am 28.7.2017 einen Einstieg in das Thema gegeben. Fragen konnten jederzeit in die Diskussion gegeben werden. Es diskutierten: der Soziologe Emre Arslan, der Erziehungswissenschaftler Kemal Bozay und der LKA-Wissenschaftler Marwan Abou Taam, moderiert hat Jana Pareigis.

Die sogenannten Grauen Wölfe sind in Deutschland organisatorisch fest verankert: Die „Föderation der türkisch demokratischen Idealistenvereine in Deutschland“ (ADÜTDF), der deutsche Ableger der türkischen "Partei der nationalistischen Bewegung“ allein verfügt über mehr als 7.000 Mitglieder, die in über 170 lokalen Vereinen organisiert sind, zählt der Bundesverfassungsschutz. Ihr Weltbild verstoße "gegen das im Grundgesetz formulierte Prinzip der Menschenwürde sowie den dort garantierten Gleichheitsgrundsatz".

Wer sind die Grauen Wölfe und was ist ihre Ideologie? Warum sind sie vor allem für junge Männer attraktiv? Wie ist ihr Verhältnis zu anderen nationalistischen Gruppierungen? Wie kann man ihnen gesellschaftlich begegnen?

Der interaktiver Webtalk in den Räumen der bpb hat am 28.7.2017 von 19 Uhr bis 20:30 Uhr einen Einstieg in das Thema gegeben. Es diskutierten der Soziologe Emre Arslan, der Politik- und Erziehungswissenschaftler Kemal Bozay und Marwan Abou Taam, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz. Die TV-Moderatorin und Reporterin Jana Pareigis moderierte.

Webtalk: Eure Fragen bestimmen!

Webtalk heißt: Jeder konnte sich am Freitag, den 28. Juli um 19 Uhr auf dieser Seite oder der Externer Link: Facebook-Seite der bpb zum Live-Stream dazuschalten und mitdiskutieren. Fragen wurden gesammelt und weitergeleitet. Fragen konnten während der Sendung oder schon vorab gestellt werden, als Kommentar oder Nachricht auf Facebook (Externer Link: www.facebook.com/bpb.de) oder Twitter (Externer Link: twitter.com/bpb_de) mit dem Hashtag #wirgegenrex oder per E-Mail an die bpb.

Die Teilnehmenden

Kemal Bozay

Kemal Bozay (© Kemal Bozay)

Dr. Kemal Bozay studierte Politikwissenschaften und Erziehungswissenschaften an den Universitäten zu Köln und Bonn. Er promovierte zum Thema "Ich bin stolz Türke zu sein! Ethnisierung gesellschaftlicher Konflikte im Zeichen der Globalisierung". Die dritte Auflage seines gemeinsam mit Fikret Aslan veröffentlichten Buches "Graue Wölfe heulen wieder. Türkische Faschisten und ihre Vernetzung in Deutschland" erschien 2012. Bozay ist gemeinsam mit Dierk Borstel Mitherausgeber des 2016 erschienen Sammelbandes "Ungleichwertigkeitsideologien in der Einwanderungsgesellschaft".

Emre Arslan

Emre Arslan (© Emre Arslan)

Dr. Emre Arslan lehrt Soziologie an der Universität Siegen. Seine Forschungsschwerpunkte sind Migration, Rechtsextremismus, Bildung und soziale Ungleichheit. Er ist der Autor des Buches "Der Mythos der Nation im Transnationalen Raum: Türkische Graue Wölfe in Deutschland" und einer der Herausgeber des Buches "Symbolische Ordnung und Bildungsungleichheit in der Einwanderungsgesellschaft".

Marwan Abou Taam

Marwan Abou-Taam, Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz, Mainz (© Tobias Vollmer/bpb)

Dr. Marwan Abou Taam ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Landeskriminalamtes Rheinland-Pfalz. Als Politologe und Islamwissenschaftler ist er zudem Assoziiertes Mitglied des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung der Humboldt Universität. Seine Arbeitsschwerpunkte umfassen unter anderem Migration und Innere Sicherheit, Islamischer Fundamentalismus sowie Salafismus und Neo-Salatismus.

Jana Pareigis

Jana Pareigis (© ZDF)

Jana Pareigis ist TV-Moderatorin des ZDF Morgenmagazins sowie freie Reporterin u.a. für das ZDF Morgenmagazin, Deutsche Welle-TV und Deutschlandradio. Zuvor war Jana Pareigis als Assistentin des Chefredakteurs des Fernsehsenders N24 in Berlin tätig. Jana Pareigis studierte Politikwissenschaften und Afrika-Studien in Hamburg, New York und Berlin und absolvierte dann ein journalistisches Volontariat bei der Deutschen Welle.

QuellentextTranskript

Transkript und Fragen zum Webtalk am 28.17.2017: Die Grauen Wölfe – türkischer Ultranationalismus in Deutschland

Jana Pareigis: So, dann sag ich mal Herzlich willkommen zum Webtalk 'Die Grauen Wölfe – türkischer Ultranationalismus in Deutschland'. Schön, dass Sie vor dem Bildschirm, zu Hause oder bei der Arbeit mit dabei sind, und auch toll, dass Sie vor Ort hier sind in den Räumlichkeiten der Bundeszentrale für politische Bildung. Wir haben einen Webtalk, das heißt, das ist ein ganz besonderes Format. Sie können uns von zu Hause, von dem Bildschirm, dem Laptop, den iPads Nachrichten schicken, fragen und mitdiskutieren. Wir werden die hier in die Diskussion mit einbinden. Und Sie können natürlich auch vor Ort Fragen stellen. Ich werde immer wieder im Laufe der Diskussion auf Sie zukommen, Sie können sich einfach melden und dann Ihre Fragen an die Experten stellen. Und wir reden ja heute über die Grauen Wölfe. Wenn Sie dazu was schreiben wollen auf Facebook, gehen Sie einfach unter den Stream oder gehen Sie auf Twitter und geben Sie ein #wirgegenrex. Und die Grauen Wölfe sind ja in Deutschland vielen eigentlich erst mal gar kein Begriff, die können sich gar nicht vorstellen, was es mit der rechtsextremen Bewegung aus der Türkei auf sich hat. Dabei ist sie durchaus einflussreich, auch hier in den deutsch-türkischen Communitys. Die Grauen Wölfe haben Tausende Anhänger, sie stammen wie gesagt ursprünglich aus der Türkei und ihr Ziel ist ein großtürkisches Reich. Und dafür gehen sie auch mit Gewalt gegen politische Gegner vor. Wir wollen bisschen schauen, wie sieht die Ideologie aus, warum schaffen es – oder wie schaffen es die Grauen Wölfe auch hier in Deutschland, Anhänger zu rekrutieren, gerade unter Jungen und unter Männern, unter Menschen, die schon in der dritten, vierten Generation hier leben, und welche Strategien gibt es eigentlich gegen die Grauen Wölfe. Und dafür freue ich mich sehr, die Experten für heute vorzustellen. Neben mir sitzt unter anderem ganz rechts Dr. Kemal Bozay, schön dass Sie da sind. Sie sind Politik- und Erziehungswissenschaftler und beschäftigen sich ja schon seit vielen Jahren mit den Grauen Wölfen. Sie haben unter anderem auch ein Buch über die Organisation geschrieben, das heißt 'Graue Wölfe heulen wieder. Türkische Faschisten und ihre Vernetzung in Deutschland'. Schön, dass Sie heute hier sind, Dr. Bozay. Kemal Bozay: Danke für die Einladung. JP: Neben mir sitzt Dr. Marwan Abou Taam, er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Landeskriminalamtes in Rheinland-Pfalz. Auch Sie haben einen besonderen Blick, einen sicherheitspolitischen, auf die Grauen Wölfe, Sie sind Politik- sowie Islamwissenschaftler und konzentrieren sich viel auf Radikalisierungsmechanismen. Also, es geht um Salafismus, aber eben auch um diese rechtsextremen Organisationen. Vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben, heute hier zu sein. Marwan Abou Taam: Gerne. JP: Und daneben sitzt Dr. Emre Arslan. Sie sind Soziologe, lehren an der Universität in Siegen, haben so den gesellschaftspolitischen, soziologischen Blick auf das Thema, haben auch ein Buch unter anderem über die Grauen Wölfe geschrieben, das heißt 'Der Mythos der Nation im Transnationalen Raum: Türkische Graue Wölfe in Deutschland'. Herzlichen Glückwunsch - äh, herzlich willkommen, und herzlichen Glückwunsch zum Buch. Emre Arslan: Dankeschön. JP: Und mein Name ist Jana Pareigis. Und ich möchte gleich mit Ihnen beginnen, Herr Dr. Bozay. Wir wollen das mal ein bisschen aufschlüsseln, was genau sind eigentlich die Grauen Wölfe? Vielleicht können Sie mal sagen, woher überhaupt dieser Name kommt, was für ein Gründungsmythos steckt dahinter? KB: Ja, wenn wir von den Grauen Wölfen reden, dann reden wir ja von der Bewegung in der Türkei, die seit den 60ern sehr stark auch eine Militanz in einer Bewegung darstellt. Und der Graue Wolf ist die Symbolik der Bewegung. Man muss das so verstehen, wir haben ja in allen nationalistischen, rechtsextremen, aber auch in den faschistoiden Bewegungen, immer Symbole, die sehr stark historisch, mythologisch aufgearbeitet sind. Das fascio in Italien mit dem Beil, oder das Hakenkreuz, das sehr stark an das Heidentum ansetzt und auch so eine Symbolik darstellt. Und der Graue Wolf ist eine Symbolik, die sehr stark von den türkischen Nationalisten und Rechtsextremisten genutzt wird. Es ist das legendäre Tier, das die türkischen Stämme in der Mythologie, in der Darstellung, von der Chinesischen Mauer bis nach Asien geführt hätte und damit auch im Grunde genommen als Retter in Erscheinung getreten ist, und die Bewegung der türkischen Rechtsextremisten, also die Nationalistische Bewegungs-Partei, Milliyetci Hareket Partisi – MHP, benutzt diese Symbolik, auch um in der Gefolgschaft nochmal eine neue Dynamik herzustellen. Und deshalb ist diese Symbolik sehr stark auch eine Symbolik für die Militanz der Bewegung. Wir haben in Interviews mit jungen Menschen auch gefragt, was identifiziert sie denn mit den Grauen Wölfen, mit dem Symbol des Grauen Wolfs, haben einige gesagt interessanterweise – und das ist auch nochmal so ein Diskurs, was uns auch nochmal soziologisch interessieren würde – die identifizieren sich damit auch, indem sie sagen, der Graue Wolf, den kann man nicht einkerkern, beziehungsweise, dem kann man keine Ketten anlegen, der muss immer frei sein, genauso wie die Türken. Also, es heißt, in der Mythologie gibt es auch neue Interpretationsformen, die die Menschen selber für sich in Anspruch nehmen. Deshalb muss man sehen, dass der Wolf auch eine Mythologie insgesamt in der gesamten Darstellung ist. Das andere ist natürlich Remus, Romulus, das heißt, Wolf in der Mythologie hat auch eine andere Bedeutung, und wir haben auch die Debatte der Wölfin in der Türkei, Asena, auch nochmal ein Diskurs, wo die Wolfsfiguren in den Rollen auch sehr vielfältig interpretiert werden. JP: Sie haben gerade schon gesagt, eine nationalistische, rechtsextreme Bewegung – Herr Arslan, wie würden Sie denn die Ideologie der Grauen Wölfe beschreiben? Die hat ja auch Elemente von einem Islamismus, oder? EA: Genau. Wenn man jetzt die Vertreter von MHP oder Graue Wölfe redet, dann findet man verschiedene Aspekte von Ideologien. Ich würde aber sagen, jede Ideologie, wenn man jetzt eine Ideologie analysieren möchte, muss man immer schauen, was ist der Schwerpunkt. Und hier ist der Schwerpunkt auf jeden Fall Nationalismus und - vielleicht mehr als andere faschistische Bewegungen – noch mehr auch islamische Elemente. Also, im türkischen Faschismus, Islam ist ein sehr sehr starkes Element. Und das haben wir jetzt auch in dieser Diskussion über verschiedene Symbole oder auch verschiedene Symbolik, Rituale usw. gesehen. Da gab es in den 60er Jahren Diskussionen über die Symbolik selbst und dann hat man zum Beispiel auch über drei Halbmonde auch für die Parteifahne entschieden und Graue Wölfe für Jugendorganisation. Jugendorganisation, das hat dann eher diese 'Zentralasien', 'türkische Rasse' als Betonung und drei Halbmonde ist eher so das Osmanische Reich, eher so ein bisschen mehr Islam, in islamischer Hinsicht. In dem Sinne, wenn man jetzt die Graue Wölfe Ideologie verstehen möchte, würde man schon sagen, müsste man sagen, in erster Linie sehr starker Nationalismus, mit besonderer Betonung auf eine 'sündige' Form von Islam. Also, es gibt ja verschiedene Formen von Islam, aber auch das ist das islamische Verständnis von Osmanischem Reich, sunnitischer Islam, in dem Sinne kann man schon sagen, das ist dann ein Nationalismus mit besonderer Betonung auf Islamismus. JP: Wenn es eine besondere Betonung des Islamismus gibt – Herr Abou Taam, gibt es Verbindungen zwischen den Grauen Wölfen und Islamisten, islamistischen Organisationen in Deutschland? MAT: Wir fangen direkt mit den schweren Themen an. Ich glaube, man muss im Prinzip ja auch wieder aufpassen, wenn man mit den Grauen Wölfen sich auseinandersetzt, zunächst einmal ist es tatsächlich eine sehr faschistisch orientierte ideologische Interpretation des Türkentums, also quasi wo dann eine Überhöhung der türkischen Identität und der Abgradierung oder Runtergradierung der Nicht-Türken, insbesondere der Feinde der Türken – und hier sind bestimmte Feinde letztendlich aufzuzählen, das beginnt bei den Völkern, beispielsweise die Armenier, das können aber auch die Juden sein, usw. usf., das ergibt sich aus der Ideologie. Und dann irgendwann entsteht eine Symbiose hin zum Religiösen, allerdings nicht aus einer religiösen Überzeugung, sondern weil das Osmanische Reich ja die Situation produziert hat, in der die Türken sich tatsächlich zu einem Imperium entwickeln konnten. Das heißt der Bezug auf die Religion ergibt sich über diese Historie, also die Historie des Imperialistischen. Interessanterweise ist es so, dass die Grauen Wölfe in ihrer Ideologie den Imperialismus zurückweisen, allerdings nur der Imperialismus des Westens wird zurückgewiesen, aber an sich ist die Ideologie ja imperialistisch, weil, es geht darum, die anderen letztendlich zu überschatten. JP: Und es geht sozusagen um ein Großtürkisches Reich. MAT: Dieses Großtürkische Reich von der Chinesischen Region Xinjiang bis hin im Prinzip in den Balkan rein, das sind die tradierten Ansprüche letztendlich des Osmanischen Reichs plus der Türkischen Völker Asiens. Also hier kommt die Symbiose. Und das vertritt man, indem man jetzt im Prinzip das Religiöse betont, das heißt der Beweggrund ist nicht die Religion, aber die Religion ist das, worauf man sich bezieht, um bestimmte Bereiche für sich zu markieren in der Ideologie. Also quasi um dann dieses Wiedererwecken des imperialistischen Osmanischen Reiches darzustellen, darzulegen. Und im Laufe der Geschichte der Türkei, insbesondere der modernen Türkei, stellen wir fest, dass die ersten Bewegungen innerhalb der Grauen Wölfe eigentlich gar nicht so religiös waren. Es gibt aber so Schwünge, insbesondere in den 70ern, kurz vor dem Putsch, in den 80ern, aber auch auf jeden Fall in der Aktualität, wo wir sehr starke Bezüge feststellen. Und das hat auch damit zu tun, dass zur Zeit der türkische Nationalismus sehr stark religiös angehaucht ist, insbesondere wenn wir die Argumentationslinie von Erdoğan beispielsweise uns anschauen, stellen wir fest, er argumentiert einerseits türkisch-national, was eigentlich nicht besonders islamisch ist, und andererseits betont er die Religion. Je nachdem, was gerade passt, ist er entweder der beleidigte Moslem oder der beleidigte Türke. Das bietet sich ja an, weil dann kann ich natürlich – eigentlich das Hauptargument ist hier, ich bin so wichtig, dass die anderen sich gegen mich verschwören. Und das ist das Hauptargument, was hier letztendlich dargestellt wird und hier merken wir tatsächlich diese Symbiose, insbesondere konnte man das sehen, als der türkische Minister in Hamburg seine Rede von den Räumen des Konsulats gehalten hat und die Zuhörer, die alle den Grauen Wolf, also ein Handzeichen, das den Grauen Wolf symbolisieren sollte, gezeigt haben. Also hier merken wir die Symbiose Islam, also Religion, denn er kommt aus einer eher religiösen Partei, die AKP ist im Prinzip die Moslembruderschaft der Türkei, und dann die Reaktionen, die auf der anderen Seite, also Symbolik der Grauen Wölfe, das geht dann zusammen, um tatsächlich hier die türkische Identität als eine religiöse Identität nochmal zu betonen. EA: Wenn man jetzt über Mythos, über Geschichte, oder auch über Islam redet, muss man eine Sache nochmal betonen: Nicht jede Form von Mythos, nicht jede Form von Geschichte und Islam hat mit der faschistischen Interpretation von Grauen Wölfen zu tun. Ich fang mal mit Mythologie an. Mythologien sind eigentlich etwas nicht an sich Nationalistisches, Faschistisches. Es gibt sehr viele literarische, psychoanalytische, soziologische usw. für Analysen und Interpretationen von Mythologien. Nur bei den faschistischen Formen, nicht nur in der Türkei, in verschiedenen Ländern, hat man jetzt eine gewisse Konstruktion gefunden, also das ist dann eine ganz besondere Auswahl von besonderen Formen von Mythen, die sowieso nicht feststellbar sind, weil sie nicht – es gibt keine urschriftliche Form von Mythen, das sind ja mündlich überlieferte Erzählungen. Mit der Geschichte möchte ich etwas sagen, das ist sehr sehr wichtig, um eine faschistische Bewegung zu verstehen, da gibt es ein sehr interessantes Paradox. Ein wichtiger Soziologe, Karl Mannheim, in den 20er Jahren, vor dem Nationalsozialismus schon erzählt, Faschismus ist sozusagen eine gewisse Ideologie von Klassen, von neuen sozialen Aufsteigern, die jetzt Geschichtslosigkeit als Lebensziel gehabt haben und interessanterweise sie leben jetzt in dem Moment und unglaubliche Betonung von Geschichte. Also, es ist interessant bei den Grauen Wölfen, es geht nicht um Geschichte, es ist nicht, dass man jetzt wirklich im geschichtswissenschaftlichen Sinne eine Geschichte hat, weil für sie ist das wirklich total egal, ob zum Beispiel irgendwelche wichtigen türkischen Herrscher vor 1000 oder 2000 Jahren gelebt haben, wie das genau war, ist egal. Was wichtig ist, in einer bestimmten Form von Verständnis von Nationalität. Und das gleiche gilt auch für Islam. Es gibt sehr verschiedene Formen von Islam, auch kritische, auch liberale, konservative usw. Und die Grauen Wölfe selbst, die sagen das selbst, die sind sehr schlecht beim Praktizieren von Islam. Sie sagen selbst, sie können nicht so viele islamische Praktiken machen, aber sie sind da, wenn man den Islam schützen muss. Also das heißt, wenn es jetzt etwas … JP: … so eine strategische Form des Umgangs … KB: Es ist aber auch eine politische Form des Umgangs. EA: … auch habituelle, es ist nicht nur einfach bewusste Entscheidung, sondern von einer bestimmten Gruppe, das passt zu deren Leben, und sie nehmen so diesen Machtaspekt am meisten. Wenn Islam sehr machtvoll ist, dann nehmen sie diesen Aspekt. Es könnten auch andere Religionen sein. Also hier müssen wir sehr differenziert schauen, wie sie da diese ganzen Elemente nehmen und verwenden, dass man nicht so pauschalisieren soll. KB: Es geht auch um eine Politisierung, also Herr Abou Taam hat hier gerade auch noch einmal betont, dass es auch in der Geschichte der Grauen Wölfe anders war die Interpretation. Wir haben tatsächlich in den 60ern die Diskussion gehabt, dass gerade das Türkentum das zentrale besaß, das war ja auch die Ideologie der Turanisten, die das Großtürkische Reich definiert haben, diesen Turan als großtürkische Ideologie auch, die haben ja auch ganz klar das Rassismusverständnis neu formiert und wir haben in der Türkei in den 70ern die Situation, dass die MHP gerade in den islamischen Hochburgen große Stimmenanteile bekommen hat. Also das heißt, wenn wir den Islam nennen, dann müssen wir auch sehen, dass gerade die MHP politisch auf den Islam-Grundkonsens ideologisch aufbaut, wo auch eine Basis von Wählerschaft entsteht, was auch nochmal so zu einem politischen Instrumentarium gemacht wird. Das heißt, aus diesem Instrumentarium ist ja auch letztendlich die Ideologie entstanden, dass auf einmal der inzwischen verstorbene Führer der Grauen Wölfe, Alparslan Türkeş, der Oberst war, auch eine interessante Biografie hat, gesagt hat, Türkentum ist unser Leib, Islam ist unsere Seele. Das heißt, diese Verbindung zwischen türkisch-nationalistischen Elementen und religiös-islamischen Elementen, die sich dann später auch in der Synthese, in der türkisch-islamischen Synthese, entwickelt hat, ist ein Grundbaustein, der aus diesem Diskurs entstanden ist. JP: Lassen Sie uns mal kurz in die heutige Zeit kommen. Würden Sie denn sagen, die MHP ist sowas wie der politische Arm der Grauen Wölfe? Kann man das so grob sagen? KB: Man muss das natürlich nochmal so – historisch würde ich das jetzt nicht mehr begründen, aber man muss natürlich sehen, dass die MHP im Zuge des Mehrparteiensystems nach den 50ern in der Türkei entstanden ist. Es gab eine Vorläufer-Bewegung, die cumhuriyetçi Köylü partisi, also die Republikanische Bauernpartei, die ein Vorläufer war der nationalistischen Bewegung in der Türkei, und in den 60ern hat Alparslan Türkeş mit seiner Mannschaft diese Partei erobert und im Sinne dieser Eroberung diese Partei dann umbenannt in Nationalistische Bewegungs-Partei. Diese Partei hat in den 70ern und 80ern sehr stark eine militante Rolle gespielt, das heißt, sie hatten Kommando-Lager, waren verantwortlich für mehrere Massen-Anschläge, insbesondere auch in alevitischen Regionen wie Kahramanmaraş, in Çorum, in Malatya, aber auch in anderen Regionen, waren verantwortlich für Mordanschläge an Gewerkschaftsfunktionären, an führenden Studentenfunktionären und verschiedenen anderen Persönlichkeiten, wo wir noch einmal so eine Radikalisierungsebene haben. Und diese Situation ist eng verflochten auch einerseits an geschichtliche Prozesse, andererseits aber auch an aktuelle Rollen und Missionen, die diese Bewegung in dem politischen Diskurs annimmt. Und deshalb kann man sagen, dass sie der politische Arm dieser militanten rechtsextremen Bewegung der Grauen Wölfe ist. Aber es gibt auch einen anderen politischen Arm, nämlich die BBP, die eine Abspaltung dieser Bewegung MHP ausmacht. Also, es sind zwei Bewegungen, die sich sehr stark mit dem Wolf identifizieren, wobei man sagen muss, dass auch in den anderen Parteilagern durchaus Sympathien für die Bewegung der Grauen Wölfe bestehen. JP: Ja, wir haben ja gerade schon – auch die AKP wurde ja schon erwähnt, ich würde gerne eine Frage aus dem Netz an Sie stellen, da wurde zum Beispiel gefragt von einem Zuschauer: "Wie ist das Verhältnis zwischen MHP und AKP?" Jetzt haben Sie schon gesagt, Erdoğan, ein Regierungsmitglied hat zum Beispiel den Wolfsgruß in Hamburg gemacht, oder die Anhänger, also es gibt da anscheinend auch Verbindungen, die MHP ist so eine Art politischer Arm. Wie ist das Verhältnis? Konkurrieren die dann um sozusagen diesen militanten Teil der Gesellschaft, der türkischen oder ...? EA: Vielleicht - ich kann ein paar Dinge sagen. JP: Lassen Sie uns eher in der heutigen Zeit bleiben, weniger geschichtlich. EA: Seit dem Referendum über das Präsidialsystem gab es eine Zusammenarbeit von Devlet Bahçeli, dem Vorsitzenden der MHP, und Recep Tayyip Erdoğan. Das war sogar der Vorschlag von Bahçeli selbst, also wir können sowas nochmal Referendum bringen. Der Punkt ist aber, mindestens die Hälfte der Partei haben dagegen Kampagnen gemacht. In dem Sinne, auf der Funktionärsebene, nicht alle Abgeordnete, kooperieren sie jetzt in letzter Zeit sehr sehr stark mit AKP, in letzter Zeit. Aber das ist eine sehr interessante Forschungsfrage auch, wie das jetzt ist, wie das auch in Europa, aber auch in der Türkei, es gibt eine gewisse Spaltung in der Partei selbst und einige Abgeordnete wurden auch von der Partei rausgeschmissen und die werden jetzt eine neue Partei gründen. In dem Sinne, wir können nicht sagen, alle MHP-Anhänger waren sehr sehr für Erdoğan Regime und auch Referendum. Andererseits gibt es auch einen anderen Punkt, was ich jetzt auch interessant fand, Sie haben ja gerade gesagt, AKP-Politiker machen das Zeichen von den Grauen Wölfen, und das stimmt, das haben auch Erdoğan und andere gemacht. Wir müssen aber auch eine Sache noch zusätzlich sagen, auch der Vorsitzende von Kemalistische Linke Partei Kemal Kılıçdaroğlu, der hat auch solche Zeichen gemacht. Das heißt, eigentlich man muss auch türkische Verhältnisse nochmal schauen und da ist die MHP wirklich eine sehr angesehene Partei, von allen Seiten werden respektiert, und das muss man auch irgendwie nochmal fragen, woher das kommt und … JP: Welche Kemalistische Linke Partei, CHP oder welche meinen Sie? EA: Ja, CHP. MAT: Vielleicht, also quasi, man muss meines Erachtens auch hier aufpassen. Wir gehen an solch ein Thema sehr deutsch ran, also quasi wir denken immer gerne in den deutschen Institutionen und Parteien usw. usf. Und vor allem, wir gehen davon aus, dass der Nationalismus, das ist die deutsche Prägung, die deutsche Kultur, das ist zunächst einmal etwas, was nur in bestimmten Kreisen gesehen wird, insbesondere dann, wenn es auch noch radikal-nationalistisch ist. In anderen Völkern, also jenseits der Grenzen der Bundesrepublik Deutschland gibt es gesellschaftspolitische Konsensformen, in denen es quasi Parteien unterschiedlichster Couleur trotzdem in bestimmten Fragen sich einig sind, in Fragen der nationalen Identität beziehungsweise des nationalen – der nationalen Überhöhung, wenn Sie es so haben wollen. Das heißt, wenn wir uns in Richtung Türkei bewegen, dann stellen wir fest, es gibt linke Parteien, die würden wir hier, in dieser nationalen Frage, als rechtsradikal bezeichnen, ja, also quasi, weil sie Positionen einnehmen, die für deutsche Verhältnisse schon rechtsradikal wirken – sie sind ja auch rechtsradikal – und es gibt auch rechte Gruppen, die dann im Prinzip ähnliche Positionen im Prinzip vertreten. Und das bedeutet, es gibt einen Konsens innerhalb der – mittlerweile hat sie sich zu einem Konsens insbesondere bei denjenigen, die sich als die wahren Türken bezeichnen innerhalb des politischen Klima, innerhalb des politischen in der Türkei, die dann im Prinzip sich tatsächlich halt ohne schlechtes Gewissen mit dem Grauen Wolf beziehungsweise mit den Ideen der Grauen Wölfe, nämlich des Großtürkentums, Großtürkei, das imperiale Türkentum usw. - diese Überhöhung der eigenen Position, das findet man von der AKP bis hin zu irgendeiner regionalen linken Partei, die eigentlich an vielen anderen Stellen aber ganz linke Themen vertritt. Also quasi, das heißt, die Idee des türkischen Nationalismus hat sich losgelöst oder ist nicht immer zu interpretieren innerhalb einer bestimmten Partei, sondern das ist eine Konsensidee, und das übrigens drückt sich, weil Sie fragen, was heißt das für uns hier in Deutschland, das drückt sich darin aus, dass wir auf einmal quasi feststellen, Personen, die teilweise in deutschen Parteien, in linken deutschen Parteien oder rechten deutschen Parteien oder rechtsmitte deutschen Parteien sich befinden, aber wenn es um Türkei-Themen geht, nehmen sie Positionen ein, die wir auf Anhieb beschreiben würden als Graue Wölfe Positionen. Was da auch passiert ist im Übrigen. JP: Lassen Sie uns da ein bisschen später drauf kommen, weil ich möchte gleich einmal dem Publikum hier die Möglichkeit geben, Fragen zu stellen, eine Sekunde aber doch nochmal, weil Sie haben das in der ersten Antwort ganz kurz nur angerissen. So eine Bewegung funktioniert natürlich auch zur Abgrenzung gegenüber politischen Gegnern, ich hab schon gesagt, die machen das auch unter Einbezug von Gewalt teilweise, die Grauen Wölfe. Können Sie noch einmal beschreiben, was so die Feindbilder der Grauen Wölfe sind, wo sie sich abgrenzen sozusagen. Möchten Sie was dazu sagen? MAT: Ja, also, deutliche Feinde, also quasi, übrigens, das ist so ein Strukturmerkmal jeglicher radikaler Ideologie, also quasi es ist im Prinzip, abgesehen davon, dass man die Welt ideologisch interpretiert, also in einer Weltanschauung ist es so, dass man den Anderen braucht, der verhasste Andere ist der wichtigste Bestandteil der eigenen Identität, der eigenen politischen Identität, das heißt in diesem Fall, im Falle der Grauen Wölfe, das sind die Feinde des Türkentums. Und das beginnt im Prinzip bei den kleinen Völkern, die eventuell sich abspalten wollen von der Türkei, so beispielsweise die Armenier, später dann die Kurden, das können aber auch dann andere Feinde sein, wie beispielsweise die Juden, das können im Prinzip mal die Amerikaner, dann sind sie doch die Freunde, je nach, also quasi wie man sie braucht. Und das was zur Zeit im Prinzip Erdoğan tatsächlich auch betreibt, auch wenn ich ihn nicht als in erster Linie den Grauen Wölfen zugehörig beschreibe, ist im Prinzip jeder, der nicht seiner Meinung ist, Feind des türkischen Volkes. Selbst Türken, die nicht seiner Meinung sind, sind Feinde des türkischen Volkes. Das bedeutet, diese Ideologien nehmen sich das Recht, jeden zum Feind zu deklarieren, der nicht ihnen passt beziehungsweise der ihnen Widerworte gibt, sowohl wie gesagt Völker, die man abwertet, also regional, als auch dann interne Feinde, die dann als die größeren Feinde gesehen werden. JP: Das wird hier auch ganz kontrovers bei uns im Netz bei der Bundeszentrale für politische Bildung diskutiert, da wird unter anderem auch auf die PKK eingegangen, die ja auch als Feind gilt in dem Bild, Weltbild, der Ideologie der Grauen Wölfe. Da schreibt ein Nutzer auf Facebook: „Ich finde es lächerlich, wie leider bei der Bundeszentrale für politische Bildung einseitig berichtet wird. Die andere Seite dieser Medaille ist die PKK.“ Ich möchte dazu sagen, die PKK ist ja in Deutschland auch verboten als Terror-Organisation. Wir wollen uns hier jetzt bei dieser Veranstaltung auf die Grauen Wölfe konzentrieren, aber natürlich ist die PKK auch Thema bei der Bundeszentrale für politische Bildung, es gibt Dossiers darüber, unter anderem ein Türkei-Dossier, ein Dossier über die innerstaatlichen Konflikte. Aber das ist jetzt nun mal die erste Veranstaltung zu den Grauen Wölfen, und deshalb haben wir diesen Schwerpunkt, möchte ich nochmal sagen, für alle Leute, die es jetzt gerade auf Facebook diskutieren. Und damit möchte ich jetzt auch dem Publikum die Möglichkeit geben, hier schon mal Fragen zu stellen, wir haben ja schon ein bisschen hier gesprochen. Wenn Sie Fragen haben, melden, dann kommt jemand mit dem Mikrofon. Hier vorne ist eine Frage. Dann würde ich Sie bitten, wenn Sie mögen, Ihren Namen nennen, und falls Sie von einer Organisation oder Institution sind, das auch sagen, oder sonst als Privatperson. Publikum1: Ich steh mal auf, ist einfacher. Ich bin privat hier, Volker Schmidt ist mein Name. Zu meiner Frage – es sind zwei Fragen – die wichtigste Frage wäre: Ich habe dreimal heute den Begriff Faschismus im Zusammenhang mit den Grauen Wölfen respektive mit der MHP als Partei gehört. Andererseits höre ich dann aber auch, dass dieser überhöhte Nationalismus durchaus übers ganze Spektrum der Parteien von Rechts nach Links inklusive der CHP, wie ich heute gehört habe, also um es kurz zu machen: Ich tu mich ein bisschen schwer mit dem Begriff Faschismus, können Sie das irgendwo festmachen, bisschen erklären, wieso Sie das als faschistische Partei sehen? JP: Wollen Sie die zweite Frage auch gleich stellen? P1: Äh, grad vergessen, aber ich komm dann wieder. JP: OK. Macht nichts, da ist auf jeden Fall auch noch gleich eine Frage. KB: Wir haben natürlich in der Geschichte der MHP unterschiedliche ideologische Grundmuster. Und die MHP ist in den 60ern als faschistoide Partei entstanden, die sehr stark auch in dem Weltkontext eine Bewegung ausmacht, und hat sich sehr stark auf historische Elemente beruht, die auch damals von den Pan-Turanistischen Bewegungen, die dieses Großtürkische Reich entwickeln wollten, auch entstanden ist, und diese Pan-Turanistischen Bewegungen hatte interessanterweise auch gute Kontakte zu Hitler-Faschismus, die NSDAP-Auslandsorganisation hat zum Beispiel eine Zentrale in Istanbul gehabt. Interessanterweise - teilweise hat die NSDAP Zeitungen der Pan-Turanistischen Bewegung finanziert, es gibt auch dazu Belege nochmal aus dem historischen Kontext. Und deshalb bestanden schon von Anfang an gute Beziehungen, auch ideologisch Nähen, zu faschistoiden Ideologien. Und das hat die Bewegung auch natürlich in seiner Philosophie, Grundhaltung geprägt, und deshalb haben wir in der Militanz der Bewegung in den 60ern auch eine faschistische Grundhaltung, wo sehr stark dieser Antikommunismus, Antisozialismus mit so einer Bewegungsstruktur an Militanz zusammengekommen ist. Dann spielen natürlich auch Elemente eine wichtige Rolle, wie so Faschismus definiert wird. Wir haben in Deutschland keine einheitliche Definition über den Faschismus, auch keine einheitliche Definition über den Rechtsextremismus insgesamt, aber es gibt so verschiedene Merkmale, wie zum Beispiel die Abwertung der Anderen , die Überhöhung von Nationsgefühl, die Reproduktion von Feindbildern, die in einer Gesellschaft ganz klar auch diffamiert, deklassiert, degradiert werden, hier natürlich in anderen Mustern. Wir haben antisemitische Züge, die historisch bedingt sind, wir haben andererseits ganz klar Feindbilder gegenüber Kurden, Armeniern, Juden, aber auch gegenüber zum Beispiel religiösen Minderheiten wie die Aleviten, auch nochmal so eine Thematik, die sehr stark mit verschiedenen Abwertungs- und Abgrenzungsstrategien auch von den faschistoiden Bewegungen genannt werden. Jetzt haben wir natürlich auch einen Wandel, das heißt, der Faschismus der MHP Bewegung hat sich in den 90ern auch nochmal neu strukturiert. Das heißt, die Eroberung der Straße, die Eroberung der Köpfe und die Eroberung der staatlichen Institutionen war in den 60ern ein wichtiger Grundkonsens, auf dem sich diese Bewegungen aufgebaut haben, insbesondere auch durch bestimmte Radikalisierungsformen wie die türkischen Rache-Brigaden, Türk İntikam Tugayı, oder auch mit dem Label ETKO Esir Türkleri Kurtarma Ordusu, also die Armee zur Befreiung der unterdrückten Türken damals, das waren schon so Elemente, die diese faschistoide Charaktertypologien dieser Bewegung ausgemacht haben. MAT: Ich denke, es gibt noch zwei Elemente, die auch sehr zentral sind, ergänzend, die haben ein klares Führerprinzip ... KB: ... Führerprinzip ist auch nochmal, ja ... MAT: und vor allem Vernichtungsfantasien. KB: Und die Anwendung von Gewalt und Hass ist auch eine ideologische Grundkonstante. JP: Ich würde gerne noch eine zweite Frage nehmen, von dem Herrn in der Mitte. P2: Ja, ich schließ mich ein bisschen an … JP: Mögen Sie Ihren Namen nennen? P2: … Markus Edler ist mein Name, an die Frage gerade, ich bin ein bisschen verwirrt, was ist denn jetzt das Spezifikum der Radikalität der Grauen Wölfe? Wir haben also gesehen, ich meine, die MHP wird von Ihnen teilweise oder tendenziell als faschistoide Partei qualifiziert, Herr Arslan hat eben gesagt, naja, also Erdoğan würde ich jetzt nicht als Grauen Wolf bezeichnen, aber es geht in die Nähe, also wir haben jetzt sozusagen eine Radikalisierung, die ist religiös oder nationalistisch oder wie auch immer, aber was ist denn, was wäre sozusagen denn der Punkt, der die Grauen Wölfe als spezifische Organisationseinheit, als Ideologie gegenüber diesen ganzen Tendenzen, die sie aufnehmen, die sie vielleicht abwandeln, die in ihrem Fahrwasser schwimmen können, wie setzt sich das ab davon, was ist das Spezifikum? EA: Ich glaube, über dieses Spezifische von Graue Wölfe haben wir schon ein wenig gesprochen. Geschichtlich ist diese Bewegung so entstanden, dass da mit der Gründung von Nationalistische Aktion Partei oder Bewegung Partei wurde eine Jugendorganisation gegründet und das wurde Graue Wölfe genannt. Und das ist, diese Grauen Wölfe, Wolf beruht auf einer mythischen Erzählung von türkischer Geschichte, oder türkischer 'Rasse', sagen wir mal so. Und das heißt, anders als zum Beispiel osmanische oder islamische Richtungen, deren Schwerpunkt oder die Geschichtserzählung ist und auch geografischer Raum ist so Zentralasien und Turkländer und -völker. Und das heißt, der Schwerpunkt ist hier sozusagen türkische 'Rasse', also nicht in erster Linie Islam, aber danach kam in den 70er Jahren auch viel mehr Islam als ein Teil dieser Bewegung. Also seit den 30er Jahren gab es diese rassistische Linie mit Nihal Atsız, und der war wirklich purer Rassist, der hat sich auch so genannt, und der war auch anti Islam und der hat dann Islam als arabischen Imperialismus genannt, der war so in dem Sinne relativ kohärenter türkischer Rassist. Und Graue Wölfe ist sozusagen eine Mischung von beiden. Und das ist – Kemal hat gerade gesagt, dieser Spruch, Islam ist unser Geist und Türkentum unser Körper, das zeigt so diese türkisch-islamische Synthese, und dieser Spruch an sich zeigt aber gleichzeitig, dass es da ein Problem gibt sozusagen, dass sie immer wieder betonen müssen, Türkentum und Islam, die gehören zusammen. Natürlich in der Realität gehören sie nicht immer zusammen, es gibt natürlich nicht-türkische Muslime und es gibt einen sehr kleinen Teil von nicht-muslimischen Türken und das ist ein bisschen problematisch. Aber bei den Grauen Wölfen hat man eine Bewegung gefunden, mit mehr Betonung auf türkische 'Rasse', aber gleichzeitig sehr intensive Verwendung von Islam. Das ist dieses Spezifikum. JP: Aber was man ja schon auch klar sagen muss, die Grauen Wölfe sind eine eigenständige Organisation, die MHP ist, wenn ich das richtig jetzt so verstanden habe, ist ihnen politisch ähnlich, aber die AKP muss man da jetzt erst mal rausnehmen, dass das schon deutlich ist. EA: Ja, AKP ist was anderes. KB: Aber vielleicht kann man auf die AKP nochmal eingehen. Die haben ja einen Wandel auch... JP: Lassen Sie uns ein bisschen kurz einmal auf Deutschland gucken, weil - auch wegen der Zeit, und wir haben noch so viele Themen. Ich möchte das jetzt gar nicht wegwischen, aber nur dass man vielleicht einmal deutlich macht, das Spezifikum der Grauen Wölfe, eine rechtsextreme faschistoide Bewegung, wo Sie sagen, ein Führerprinzip, das Ziel ist ein Großtürkisches Reich, das ist aber klar eigenständig, es gibt politische Überschneidungen zur MHP, aber die AKP muss man sozusagen, kann man jetzt nicht damit vermischen. Dass das so deutlich ist, weil das sonst vielleicht für Verwirrung sorgt. Ich möchte einmal aber kurz auf Deutschland gucken, weil wir auch viel jetzt historisch geschaut haben, und ein bisschen auf die Vernetzung und Struktur hier. Vielleicht können wir mal so ein bisschen auch auf die Fakten gucken, also wie viele Anhänger gibt es denn überhaupt von den Grauen Wölfen in Deutschland? Herr Bozay. KB: Man kann jetzt keine Zahlen nennen, der Verfassungsschutz veröffentlicht immer Zahlen, wenn wir alle drei Bewegungen, die sich aus der Tradition der Grauen Wölfe zusammengeschlossen haben, Türk Federasyon, die ATIB und die Avrupa Türk Birliği nehmen, dann sind das so nach den Angaben des Verfassungsschutzes um die 18.500 Mitglieder in Deutschland, also eine große Zahl. Wir haben aber in den Strukturen und als wir Interviews auch mit Jugendgruppen geführt haben, haben wir beobachtet, dass auch Familienmitgliedschaften da waren, das heißt, dass nicht nur so Einzelmitgliedschaften eine Rolle spielen, sondern dass auch Familiennetzwerke und Familienmitgliedschaften durchaus auch nochmal einen ganz anderen Verbreitungsgrad insgesamt haben. Und wenn wir uns insgesamt Deutschland angucken mit den 303 Lokalitäten bundesweit, die vor Ort auch vernetzt sind in 13 Regionen, dann sehen wir, dass der Organisations- und im Grunde genommen der Verbreitungsgrad in Deutschland durchaus sehr vielfältig ist und der Dachverband Türk Federasyon, die auch ein Zusammenschluss aus den gesamten Vereinen sind, die '78 zusammengekommen sind aus dem Umfeld der Grauen Wölfe, sagt ja selber, dass sie eine der ältesten Migranten-Dachverbände in Deutschland ist und damit im Grunde genommen auch sehr großen Einfluss auf bestimmte Migrations-Netzwerke insgesamt hat, auf Unternehmerverbände, auf Moschee-Strukturen, auf Jugendgruppen, auf Fußballclubs. Wir haben die Situation, dass teilweise in Integrationsräten auch Menschen aus dem Umfeld der Grauen Wölfe sitzen, die auch mit eigenen Listen kandidiert haben, teilweise auch Bündnislisten mit religiösen Organisationen zusammen gestaltet. Wir sehen, dass auch Persönlichkeiten aus dem Umfeld der Grauen Wölfe in deutschen Parteien versuchen zu partizipieren. Und eins ist wichtig für sie, und das ist auch so der Grundkonsens, der in den Diskussionen sich immer widerspiegelt, hier geht es darum, dass sie in den deutschen Parteien ganz klar die Existenz dieser Bewegung widerspiegeln, und damit im Grunde genommen auch versuchen, in den öffentlichen Mainstream dieser Bewegung auch eine ganz klare Haltung beizumessen. JP: Wir diskutieren jetzt gerade so ein bisschen über die Struktur und die Vernetzung in Deutschland von den Grauen Wölfen. Wenn Sie Fragen stellen wollen, tun Sie das gerne bei Facebook unter dem Live-Stream oder bei Twitter unter dem Hashtag #wirgegenrex. Und Sie haben gerade schon gesagt, wie sozusagen die Grauen Wölfe auch in Organisationen in Deutschland zu finden sind, Anhänger von den Grauen Wölfen. Herr Abou Taam, Sie sagen … KB: Wenn wir uns mal in Deutschland die Situation der rechtsextremem Bewegungen angucken am Beispiel der NPD, die NPD hat ja knapp 5000 Mitglieder nach Angaben, und die Grauen Wölfe nach den Angaben, wenn wir die zusammen, den Zusammenhalt der Organisation zusammennehmen , 18.500, dann sehen wir, dass im Grunde genommen die Grauen Wölfe von der rechtsextremen Strategie und Position her die größte rechtsextreme Bewegung in Deutschland ist. JP: Interessant. Ja. KB: Auch nochmal als These in die Diskussion geworfen, weil man darüber nochmal anders diskutieren kann. EA: Kann ich vielleicht ganz kurz – ich wollte das auch nochmal kurz erwähnen. Ich glaube, in der, also auch diese Zahlen zeigen das auch, können auch missverständlich sein. Ich würde, es gibt natürlich einige ähnliche Elemente, ideologisch gibt es sehr viele ähnliche Elemente. Von der Organisation her würde ich MHP oder Graue Wölfe eher mit CSU vergleichen als NPD … JP: Oh, da gibt es Widerspruch. KB: Würde ich auch nicht so sehen. EA: ... ich, in dem Sinne, ich versuch mal, das zu erklären. Für mich, wenn wir jetzt, weil wenn ich jetzt an die NPD denke, das ist ziemlich stark junge, männliche, militaristische Organisation. Das gibt es auch bei den Grauen Wölfen, das gibt es auch. Aber der Schwerpunkt ist da, oder die, das ist nicht der einzige. Und das ist, was die Besonderheit von den Grauen Wölfen und auch andere, Milli Görüş und so ähnliche Bewegungen, ist, sie sind sehr viel verwurzelt, sozial verwurzelt in Migrationsgesellschaft. Also, wenn wir diese Zahlen vergleichen, wir müssen sehen, Graue Wölfe innerhalb von zwei, drei Millionen türkische Migranten, und NPD mit 80 Millionen Menschen. Also, es ist andere Situation. Wir müssen ... JP: Aber man muss einmal noch dazu sagen, die CSU ist eine demokratische Partei, und das ist natürlich ein sehr wichtiger … EA: OK, da gibt es ein, wie gesagt, meine Betonung war hier, von der Organisation oder Sozialstruktur her, weil der Punkt ist, wenn wir jetzt einen Punkt aus den Augen verlieren, dann verstehen wir dieses Phänomen nicht, weil die Grauen Wölfe sind nicht nur eine Jugendbewegung, also das ist so, in der Türkei war das so, aber in Deutschland vielmehr eine soziale Bewegung und die Besonderheit in Deutschland ist, fast alle Graue Wölfe Vereine, die haben auch Moscheen, und das wollten sie eigentlich selbst nicht wirklich, aber da gibt es so einen gewissen Bedarf, oder diese Sportvereine usw. usf. Die sind sehr verwurzelt in dieser Community. Es gibt so sehr viele Leute, die zu einer Moschee gehen und die haben keine Ahnung oder sehr wenig Ahnung, die finden das total unwichtig, Graue Wölfe, Mythologie usw. Das sollte man bedenken. JP: Also, man sieht, es gibt die Strukturen, aber nochmal, es gibt eigentlich keine Parallelen zur CSU. Also Ihr Argument ist nicht nachvollziehbar, es ist eine demokratische Partei und die .. KB: Also, es wäre jetzt nicht richtig, die Grauen Wölfe mit der CSU zu vergleichen … JP: Genau. KB: … im Grunde genommen geht es hier darum, den Charakter der Grauen Wölfe Bewegung in Deutschland zu beschreiben, und wenn wir den Charakter sehen, spielen natürlich zwei Elemente eine wichtige Rolle. Einmal ihre Rolle in Deutschland, gerade in der Migrationsgesellschaft, was für eine Rolle nehmen sie ein, das andere ist natürlich, wie bestimmte innenpolitische Thematiken der Türkei oder auch Konflikte in der Türkei durchaus durch die Grauen Wölfe und durch Organisationen, die aus dem Umfeld der Grauen Wölfe kommen, nach Deutschland übertragen werden. Das ist so, eine Rolle fällt da auch diesen Umfeldorganisationen in Deutschland. Und deshalb muss man das natürlich nochmal vorsichtig definieren. Das andere ist natürlich, dass es innerhalb der Grauen Wölfe Bewegung in der Türkei auch in der MHP, dadurch dass sie die 10-Prozent-Klausel überwunden hat und durchaus die viertstärkste Partei in der türkischen Landschaft ausmacht, durchaus auch in der MHP unterschiedliche Flügel sich widerspiegeln. Und damit haben wir teilweise auch unterschiedliche Diskurse, die da wiederkommen. JP: Genau, Sie wollten gerade was dazu sagen. MAT: Ich möchte tatsächlich nochmal nach Deutschland zurückkommen und gucken. Ich glaube sowieso, wir müssen uns davon verabschieden, dass wir Innen und Außen trennen, was also quasi die Grauen Wölfe in Deutschland, die Grauen Wölfe in der Türkei – in einer globalisierten Welt ist es so, dass was hier passiert, hat unmittelbare Auswirkungen auf das, auf die Türken in der Türkei und andersrum genauso. Und vor allem, es gibt ja sehr starke Anstrengungen vieler türkischer Parteien, von der Türkei aus die türkischen Gruppen hier in Deutschland oder überhaupt Türken in Deutschland zu beeinflussen. Alle, alle Parteien in der Türkei versuchen hier, Jugendorganisationen aufzubauen, versuchen Spiegelparteien aufzustellen usw. usf., um dann Einfluss letztendlich auf die Migrantengruppen aufzunehmen. Ich glaube, was ganz wichtig ist, und was tatsächlich ganz zentral in der Bewertung der Grauen Wölfe in der Bundesrepublik Deutschland ist, die Tatsache, dass sie seit oder mit Beginn der türkischen Migration nach Deutschland im Prinzip sich in erster Linie in die Arbeiterverbände hineinbegeben haben, das heißt, die meisten türkischen Arbeiterverbände sind den Grauen Wölfen zuzuordnen, also quasi sind im Prinzip gesteuert über die Grauen Wölfe, zumindest gibt es sehr starke Funktionäre, die dort eine Rolle spielen, aber dann wieder auftauchen an anderer Stelle als eindeutig Graue Wölfe. Das ist das eine. Das andere – Sie sind sehr geduldig, weil Sie hören die ganze Zeit Mythologie, Sie haben aber nicht gefragt, was ist das eigentlich für ein Mythos. Dieser Mythos ist im Prinzip nichts anderes, als dass die Turkvölker vor vielen Jahrhunderten einen Krieg verloren haben und ausziehen mussten, also quasi in ein Tal, und dieser Wolf hat sie in den Westen geführt, in die Freiheit. Und im Prinzip, also quasi, das ist die Vorstellung, also quasi dieser Wolf befreit aus der Unterjochung. Und hier wird jetzt die Migrantengeschichte interpretiert als eine Unterjochung. Sie wissen ja, die ersten türkischen Migranten kamen als Gastarbeiter, sie kamen als Unterschicht. Und der Graue Wolf will sie im Prinzip rausführen aus der Unterjochung und deswegen im Prinzip also spielt das emotional den Gefühlen der Menschen sowieso so entgegen. Also dort, wo Integration gescheitert ist, kann ich mit Argumenten der Grauen Wölfe, ohne mich als Grauer Wolf zu positionieren, ohne diese Identität des Türkentums zu überhöhen oder wie auch immer, ich bringe meine Argumente und mein Gegenüber fühlt sich gar nicht so richtig gestört. Das heißt, wenn ich jetzt mich hinstelle und Ihnen irgendwelche Nazi-Theorien erzähle, viele von Ihnen würden aufstehen, hoffe ich zumindest, und würden sagen, hören Sie auf mit dem Quatsch. Aber wenn ich ein türkischer Nationalist bin und ich begebe mich in diese Konstellation, wo Menschen tatsächlich also quasi emotional nicht ganz angekommen sind und man produziert überhöhte türkische nationale Identitäten und wie auch immer, dann können Sie davon ausgehen, dass viele, die da sitzen, auch wenn sie nicht wirklich, sagen wir mal Nationalisten sind oder wie auch immer, applaudieren werden. Das heißt, wir sprechen nicht mehr über eine Idee, die nur in einem bestimmten Organisationsgrad unterwegs ist, sondern wir sprechen über etwas, was sich verselbständigt hat und in die, sagen wir mal in den Habitus – Sie haben vorhin von Habitus gesprochen – einer türkischen Identität, insbesondere bei Jugendlichen der dritten Generation, die sowieso massiv suchend sind und massiv letztendlich sich aus dieser wie gesagt erlebten Unterjochung rausbegeben wollen. Und hier bietet sich tatsächlich die - bieten sich die Grauen Wölfe an, das heißt wenn wir von – Entschuldigung, sofort fertig – wenn wir von 18.000 sprechen, das sind 18.000, von denen man denkt, dass sie organisiert in solchen Strukturen sind. Wenn wir uns vom Organisationsgrad loslösen und tatsächlich gucken, wo tauchen die Argumente und die Narrative wieder auf, dann stellen Sie fest, das kann in einer ganz normalen DİTİB Gemeinde – kann, also muss nicht – in einer ganz normalen DİTİB Gemeinde sein und das kann in einer eher atheistisch orientierten Gruppe sein, beides, im Prinzip wird man feststellen, dass bestimmte Narrationen der Grauen Wölfe, insbesondere diese Befreiung aus der Unterjochung und Hinführung zu einer überhöhten Nation, also quasi einer im Prinzip für sich stehenden Nation, das ist zur Zeit Mode. JP: Ja, wir werden gleich nochmal auch ein bisschen später darüber sprechen, wie das sein kann, dass die Grauen Wölfe vor allem Jungen und Männer und Leute auch aus der dritten und vierten Generation, die schon so lange in Deutschland sind, werben können. Das wollen wir ein bisschen noch zurückschieben. Ich würde gerne wissen, wie finanzieren sich denn überhaupt die Grauen Wölfe? Das ist auch eine Frage, die im Netz immer wieder auftaucht. KB: Sehr unterschiedlich. Also, es gibt jetzt, ich hab jetzt keine Belege, aber im Grunde genommen, es finanziert sich durch Spenden, durch Mitgliedsbeiträge und durch bestimmte Beziehungen auch zu Unternehmerverbänden. Das heißt, es ist ein großes Netzwerk, was die Grauen Wölfe stützt, Familiennetzwerke spielen eine wichtige Rolle, aber auch Unternehmernetzwerke, die das auch finanzieren. Teilweise haben wir die Situation gehabt, das war ja auch ein Thema, was längere Zeit auch in den Medien war, dass Wahlkampf in der Türkei auch von hier mitfinanziert wurde, indem Spenden für den Wahlkampf in der Türkei der MHP von hier aus gesammelt wurden früher. Das hat ja auch nochmal gezeigt, dass Deutschland und auch Europa für die MHP eine wichtige Basis hat. JP: Haben Sie Fragen zu diesem Teil? Dann einfach die Hand heben, dann kommt gleich das Mikro zu Ihnen. Sie haben ja schon eine Frage gestellt. Gibt es noch jemand anderen, der was fragen möchte? Oh ja, da hinten. P3: Ja, mein Name ist Martin Friedrich Weichert, ich hab mal eine Frage zu dem Herrn Erdoğan, der hat ja über seine AKP auch auf Deutschland mit dem Nationalsozialismus reingeschlagen, wie es nur ging. Mir ist eine Sache hierzu nicht ganz klar. Erdoğan soll ganz offen Hitler-Deutschland als Beispiel für das von ihm angestrebte Präsidialsystem in einem Zentralstaat ohne entsprechende Checks and Balance, später ruderte das Präsidialamt zurück. Ist Ihnen das von irgendwas bekannt? KB: Ja, soll ich darauf eingehen? JP: Gerne. KB: Es gab, als dieses gesamte Präsidialsystem problematisiert und thematisiert wurde in den türkischen Medien, auch in der Öffentlichkeit, gab es auf einmal auch seitens Erdoğan mehrere Statements, in einem Statement hat er gesagt, das hat ja auch in Hitler-Deutschland funktioniert. Und das war so der Anlass im Grunde genommen gewesen, dass das irgendwie in den Medien auch nochmal zu einer anderen Diskussion geführt hat, wo er dann nochmal das teilweise zurückgezogen hat, aber von der Grundidee her das einfach so gelassen hat. Das andere, was natürlich interessant ist, natürlich ist die AKP nicht die MHP, aber wir haben insbesondere seit den Debatten über den Präsidialputsch eine sehr enge Verflechtung. Wir haben auch die Situation, dass derzeit der Diskurs in der AKP – und Herr Abou Taam hat das gerade ja auch nochmal versucht zu skizzieren – auch in Richtung Nationalismus gerutscht ist. Das heißt, wir haben natürlich in der AKP sehr stark den islamischen Diskurs, den Islam-zentristischen Diskurs, der auch viel mit regionalen Machtansprüchen in Verbindung steht, aber wir haben seit intensiv zwei Jahren einen Rutsch in den Strukturen der AKP, wo der Nationalismus stärker betont wird und damit im Grunde genommen auch eine Brücke zu den nationalistischen Bewegungen geschlagen wird. Und als die Präsidialputsch-Debatte war, gab es auch ein enges Bündnis mit der MHP, auch wenn in der MHP bestimmte Teile Erdoğan nicht positiv aufnehmen, haben wir die Situation, dass die offizielle Partei sich hinter Erdoğan gestellt hat und damit dieses Bündnis unterstützt hat. Und auch die Abspaltung der MHP aus den 90ern, die Große Einheitspartei Büyük Birlik Partisi, hat im Grunde genommen dieses Präsidialsystem von Erdoğan unterstützt und Erdoğan hat sich sehr stark auch in erster Linie von diesen beiden - bei diesen beiden Parteien auch bedankt, dass die das mit unterstützt haben. Das andere, das nochmal so eine interessante Rolle einnimmt ist, dass der Diskurs innerhalb der MHP, und dass auch so die Äußerungen von Erdoğan in den letzten Monaten sehr stark auch den Nationalismus-Diskurs erhöhen, und damit entsteht auch diese Synthese zwischen den Elementen des türkischen Islams und im Grunde genommen auch der rechten Ideologie des Nationalismus. Und damit haben wir natürlich die Situation, dass Erdoğan sehr stark auch diese Verflechtungen benutzt. Ein Punkt noch … MAT: Wobei, das ist nicht ganz neu, also quasi das haben wir bereits in den 90ern gehabt mit Erbakan, der... KB: Erbakan , es gab dieses Bündnis mit der MHP, '93 … MAT: … ja, und abgesehen davon, wir haben ja im Prinzip seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion den großen türkischen Traum davon, die Turkvölker unter der türkischen Flagge zu einigen, also quasi das ist ja etwas, was hier in Europa nicht so richtig wahrgenommen wird, aber das hat sich darin ausgedrückt in der Türkei, dass man versucht hat, Studenten aus Zentralasien an die türkischen Universitäten zu bringen, Unternehmen im Prinzip rausgeben zu lassen. Das hat nicht so ganz geklappt, dann gab es wieder diese Europa-Orientierung, die jetzt wieder ersetzt wird durch eine andere Orientierung hin zu diesem panislamischen, pantürkischen Projekt. JP: Aber lassen Sie uns jetzt mal auf die Wahrnehmung der Grauen Wölfe, ich möchte mal wieder ein bisschen dahin zurückführen, in Deutschland schauen. Wie sieht denn das aus? Weil ja auch eine Frage kommt, unter anderem aus dem Netz, wie reagieren denn deutsche Behörden und die deutsche Politik darauf, wenn sich Anhänger der Grauen Wölfe auch so in der Öffentlichkeit zeigen, also zum Beispiel mit dem Wolfsgruß, den Sie am Anfang mal erwähnt haben. Wie sind die Reaktionen da politisch? Weil, die Grauen Wölfe sind in Deutschland ja nicht verboten, oder? MAT: Nein. Sie können natürlich den Grauen Wolf – Sie wissen ja, Kindergärtnerinnen zeigen den Grauen Wolf auch regelmäßig, um den Kindern zu sagen, still sein, das ist aber eine andere Symbolik, also quasi das heißt, Sie kennen dieses Zeichen? JP: Ja, müssen wir jetzt hier nicht nachmachen... MAT: Nein, ich meine nur, das ist ja – das Symbol an sich wird ja auch in Deutschland in anderen Zusammenhängen ganz neutral benutzt und es gibt nicht wie, was weiß ich, nationalsozialistische Symbole, die dann verboten sind, auf dem Index stehen und wenn sie aufgezeigt werden, gibt es eine entsprechende Strafe, in Bezug auf die Symbolik, insbesondere auf das Zeichen des Grauen Wolfes, gibt es im Prinzip in Deutschland im Strafgesetzbuch eben keine Erwähnung, es ist einfach nicht da. Und das führt dazu, dass die natürlich das ganz legal nutzen können, ohne dass das Konsequenzen hat. Spannend wird es, wenn tatsächlich Personen, also quasi in Funktionen, beispielsweise, das hatten wir in bestimmten Stadträten in der Bundesrepublik Deutschland, die sich sehr klar und eindeutig positioniert haben als Graue Wölfe, zumindest sich entlarvt haben, dann wenn bestimmte Entscheidungen getroffen werden sollten, entweder in Bezug auf Diskriminierung von Kurden, oder wie auch immer, wo dann deutlich geworden ist, es gab durchaus halt einige Bürgermeister, die dafür gesorgt haben, dass solche Leute aus den Stadträten, insbesondere dort, wo Migranten-Selbstorganisationen unterwegs waren, entsprechend, entweder man hat Druck ausgeübt oder man hat dafür gesorgt, dass die dann halt rausrücken. Es gibt allerdings nicht bundesweit eine Strategie, also es gibt – ich glaube persönlich, und das ist eines der größten Probleme – es gibt eben kein Bewusstsein für diese Problematik in der deutschen Öffentlichkeit. Das heißt, sehr viele, auch deutsche Politiker, sehr viele Vertreter des öffentlichen Lebens, wie auch immer, sie haben keine Sensibilität für das Thema Graue Wölfe, und das ist übrigens der Grund, warum im Unterschied zu anderen extremistischen Ausländer-Organisationen die Grauen Wölfe sich strukturell so festigen konnten, weil, man guckt gar nicht drauf, und sie bauen eben ihre Organisationen aus und tauchen in Organisationen unter und diese Organisationen bieten sich auch wiederum als Ansprechpartner an, also quasi wenn Sie Arbeiterselbstorganisationen haben, also türkische Arbeiterverbände haben, das bietet sich an, dass man mit ihnen im Prinzip kooperiert in Bezug auf Arbeitsmarktpolitik oder wie auch immer. Aber auf dem nächsten Schritt ist es so, dass sie dann tatsächlich halt Graue Wölfe orientiert sind. JP: Ja, wir haben hier nämlich auch was im Netz dazu, also wenn Sie was schreiben wollen, Facebook unter dem Stream einfach kommentieren oder Twitter, Hashtag #wirgegenrex. Und hier ist auch auf Facebook die Frage: „Weiß man denn, wo in Deutschland die Grauen Wölfe aktiv sind, noch wichtiger, was sie konkret tun?“ Sie haben ja gerade schon aufgezeigt und erzählt, wie die sich so durch Gemeinden ziehen, durch Communitys ziehen. Aber die Frage ist ja wirklich, wie es so eine Unwissenheit trotzdem geben kann, wenn die eigentlich sogar größer sind als die NPD als rechtsextreme Bewegung, wie die so unter dem Radar laufen können. KB: Also, es ist eigentlich, wenn man es mal kritisch betrachtet oder selbstkritisch betrachtet, haben wir die Situation, dass die Behörden ja längere Jahre zu dem Thema geschwiegen haben. Wir haben tatsächlich die Situation, dass die Behörden längere Jahre immer davon gesprochen haben, sie machen türkische Folklore. Das heißt, im Grunde genommen gab es immer so einen sehr relativ distanzierten Blick, aber es gab längere Jahre eine Ignoranz gegenüber den gesamten Aktivitäten. Wir haben aber nach 2000 einen Paradigmenwechsel, in NRW hat zum Beispiel der Verfassungsschutz nach 2002 Informationsbroschüren zusammengestellt, wo nochmal signalisiert wurde, dass die Arbeit der Grauen Wölfe auch Demokratie-gefährlich ist, das heißt, dass auch durchaus die Gefährdungspotenziale genannt wurden, unter anderem auch nochmal genannt wurde, dass die Grauen Wölfe dazu beitragen, dass in dieser Gesellschaft eine Parallelgesellschaft entsteht, wo Feindbilder produziert werden, aber andererseits auch ganz klar eine Spaltung innerhalb der türkeistämmigen Community auch produziert wird, was wir in den letzten Jahren ja stärker beobachtet haben. Ich freue mich, dass gerade die Bundeszentrale sich auch diesem Thema gewidmet hat, es hat ja lange gedauert, dass das auch in der Bundeszentrale ein Thema wird, wo man sehr stark auch nochmal kritisch das reflektieren kann und ich finde, dass es wichtig ist, dass gerade in der hiesigen oder in der gegenwärtigen Migrations- und Einwanderungsgesellschaft ja auch Ungleichwertigkeits-Ideologien entstehen, die Grauen Wölfe sind ein Beispiel, wir haben aber auch viele andere Bewegungen, die sich in der Einwanderungsgesellschaft in verschiedenen Kontexten bewegen, wo wir sehen, dass das Thema Demokratiegefahr oder auch Rechtsextremismus nicht nur ein klassisches deutsches Thema ist, sondern im Grunde genommen eine Einwanderungsgesellschaft viele andere Bewegungen, Meinungen, Ideologien mit einbeziehen kann. Und deshalb ist es wichtig, dass man da nochmal die Gefahrenpotenziale erkennt und da auch nochmal ganz klar Signale setzt. Ich weiß, dass die Idealistenheime, sie nennen sich nicht türkische Arbeitervereine, inzwischen, wenn wir bundesweit gucken, nennen sie sich Idealistenheime, das ist übrigens auch ein Begriff, der ein Charakteristikum ausmacht der Grauen Wölfe, nämlich wir haben das in den verschiedenen Bewegungen ja weltweit, dass sie sich mit bestimmten Bezeichnungen identifizieren, also zum Beispiel Nationalsozialismus, Franquismus, Faschismus. In der Türkei hatten wir von Anfang an den Begriff des – fanatische Form von Idealismus, Ülkücülük, der das Charakteristikum der Grauen Wölfe Bewegung ausgemacht hat. Und deshalb bezeichnet sich diese Bewegung auch so. Und alle Vereine, die in der Türkei quasi mit dieser Ideologie verbunden sind, die in Deutschland hier ein Heim haben, nennen sich Ülkü ocakları. Im Deutschen heißen sie immer deutsch-türkische Kulturvereine, aber wenn man sich den türkischen Namen anguckt, heißen sie zu 80 Prozent Ülkü ocakları, Heim der Idealisten und das ist auch die Bezeichnung der Bewegung selber, die sie sich gibt. Und da kann man auch die Unterscheidung treffen. Sie organisieren sich derzeit in drei Regionalstrukturen bundesweit, wo 303 Lokalitäten aktiv sind in verschiedenen Kontexten. MAT: Also, vielleicht auch hier ergänzend, warum wir die ganze Zeit sie nicht so richtig gesehen haben. Ich glaube, das liegt auch so ein bisschen an der Vorstellung in der deutschen Aufnahmegesellschaft, dass der Migrant nicht rechtsradikal sein kann. Also diese Bezeichnung rechtsradikal haben sich die Deutschen selbst im Prinzip registriert und daher ist es sehr schwer in der Debatte, tatsächlich diese Phänomene oder diese Beschreibungen auf Migrantenorganisationen anzuwenden. Wir kriegen gerade eine Wende, also quasi mittlerweile ist es so, dass man tatsächlich halt ein bisschen flexibler wird mit diesen Beschreibungen und Begriffen, denn tatsächlich ist – übrigens dieser Idealismus ist nicht zu vergleichen mit einer idealphilosophischen wie auch immer Vorstellung, sondern der Idealismus wird in der Ideologie der Grauen Wölfe beschrieben als die Ideologie der Tat. Nicht die Ideologie des Denkens oder des Sich-Auseinandersetzens oder wie auch immer, sondern die Handlung, also die wird betont und diese Handlung reicht von Aufbau von Organisationen bis hin zur Vernichtung des Gegners. Nur ganz kurz, weil, wir reden hier nicht über eine abstrakte Organisation, sondern die Grauen Wölfe sind verantwortlich für die Ermordung von hunderten, wenn nicht sogar tausenden von Menschen in ihrer Geschichte, das heißt … JP: … in der Türkei … MAT: … in der Türkei, aber auch teilweise Auslandstürken, die im Ausland, weil sie in der Opposition waren, weil sie die türkische Seele gestört haben oder wie auch immer, die wurden im Prinzip ebenfalls zum Ziel deklariert und vor allem, sie beliefern teilweise auch Organisationen in der Türkei mit Informationen über Personen, die in Deutschland anti-türkische Positionen vertreten. Ich weiß nicht, ob Sie demnächst in die Türkei wollen, aber … JP: Ich würde gerne eine Frage nochmal aus dem Netz hier stellen, weil auch gefragt wird, ob es Verbindungen eigentlich gibt zwischen den Grauen Wölfen und der Organisierten Kriminalität, also Gruppen wie den Osmanen Germania zum Beispiel. Also so Rockerbanden. Gibt es da Verbindungen? Vielleicht wäre das als erstes an Sie vom Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz. MAT: In Rheinland-Pfalz haben wir keine. KB: Vielleicht nochmal eine Ergänzung. Es gibt zwei Verbände, die auch in der kriminellen Rockerszene aktiv ist, die Turan e.V. und die Turkos MC, die auch die drei Halbmonde in einem umgekehrten Kontext als Symbolik auf ihren Kutten haben. Die sind sehr stark in dem Umfeld der Grauen Wölfe, haben auch in Duisburg, in München zu Demonstrationen aufgerufen und haben auch so eine Mobilisierungsebene geschaffen. Eine Demonstration, da war das Thema auch diese Armenierfrage, die Armenien-Resolution in Duisburg. Eine Münchner Demonstration, da ging es um die türkeipolitischen Auseinandersetzungen, wo wir sehen, dass es da auch aus dem Umfeld der Grauen Wölfe Rockerbanden gibt. Bei den Osmanen Germania handelt es sich im Grunde genommen um eine neue Bewegung, die versucht, auch mit einem neuen Label dieses Organisationsmuster der Osmanli Ocaklari, Heim der Osmanen, in der Türkei ein bisschen in Deutschland nachzuahmen, weil das ist auch eine radikale Bewegung, die im Umfeld der AKP Jugendorganisation entstanden ist und im Grunde genommen auch in dem Umfeld agiert. Wir haben bei den Osmanli Ocaklari die Situation gehabt, dass AKP-nahe Demonstrationen zum Beispiel von Leuten aus dem Umfeld der Osmanli Ocaklari, also aus diesem Osmanen Germania Verband auch ganz klar begleitet wurden, die waren auch ein bisschen Veranstaltungsschutz gewesen für die Demonstrationszüge. Das heißt im Grunde genommen gibt es da auch enge Verflechtungen. JP: Dann möchte ich jetzt noch einmal Ihnen die Chance geben, Fragen zu stellen, gibt es welche? Dann einfach melden. Ah ja hier vorne. KB: Vielleicht erst mal die Dame? JP: Wo denn? Ach die sehe ich von hier gar nicht. Sehr gut, vielen Dank. P4: Hallo, meine Name ist Friederike Murat. Ich hab die Frage, wie groß die Organisation der Grauen Wölfe verhältnismäßig in anderen europäischen Ländern ist neben der Türkei und Deutschland. KB: Es gibt einen europäischen Dachverband, die Konföderation der türkischen Föderationsorganisation heißt das, und in diesem europäischen Dachverband sind derzeit die Grauen Wölfe in 13 Ländern vertreten. Das heißt, wir haben viele europäische Länder, wo der Anteil der türkeistämmigen sehr stark ist, die benachbarten Benelux-Länder, Belgien, Holland, Frankreich ist dabei, Dänemark, Schweden, das reicht im Grunde genommen bis Schweiz, Österreich, Deutschland, aber auch Australien und USA. Und die bilden eine Konföderation, die sich auch mit dem neuen Türk Federasyon Logo verbindet und auch nochmal so eine andere Symbolik insgesamt darstellt. JP: Ja, aber von den Mitgliederzahlen? Wie kann man das, sind das jetzt viele? KB: Es gibt jetzt keine konkreten Mitgliederzahlen, es gibt aber eine sehr verbreitete Ebene, wir haben das bei den - ein Schema war die Wahlen, die jetzt auch in Deutschland stattfinden, also die Türkeiwahlen. Da haben wir gesehen, dass die MHP immer nahezu die drittstärkste Partei war. JP: Aber da haben ja auch viele nicht abgestimmt, muss man dazu sagen. KB: Die Hälfte nicht, aber im Grunde genommen sieht man, dass da auch so ein Einfluss da ist. JP: OK. Dann hier vorne noch eine Frage. P5: Vor ein paar Tagen gab es einen interessanten Film von einem syrischen Filmemacher auf ARTE, es ging letztendlich um Mohammed und die frühe Entstehung des Islam. Und eigentlich, was dort rauskam ist, dass das Thema Rassismus oder Nationalismus eigentlich keinen Platz hat in der Religion des Islam. Deswegen die Frage, gibt es in den islamischen Gemeinden auch Opposition zu dieser Art von rassistischen und nationalistischen Ideen, die die Grauen Wölfe vertreten? Das war die eine Frage, und die zweite: Ich denke, das hat viel auch mit Abgehängt-Sein zu tun, die ganze Entwicklung, oder zumindest die Dynamik, die jetzt sich entwickelt wie auch der Rechtsradikalismus oder der Nationalismus in anderen Ländern in Europa. Ist es nicht letztendlich auch ein Spiegel einfach der wirtschaftlichen Desintegration, die halt dieses ganze Wirtschaftssystem mit sich bringt weltweit? MAT: Vielleicht zur zweiten Frage, Sie wollen im Prinzip darauf abzielen, dass wir zur Zeit eh die Tendenz haben auch in westlichen Demokratien oder zumindest halt in ost-westlichen Demokratien quasi, dass zunehmend auf diese Personenkulte letztendlich halt gesetzt wird bis hin in die USA rein, wenn man Trump sich anschaut. Klar, natürlich, deswegen muss man trotzdem darüber reden beziehungsweise muss man gucken, was passiert denn da eigentlich, wie bewegt sich und wohin bewegt sich oder bewegen sich solche Ideologien. Insbesondere, und ich finde es ganz wichtig, dass wir tatsächlich schauen, was heißt das eigentlich für Deutschland, eine Gesellschaft, die zunehmend multikultureller wird, wo dann im Prinzip auf einmal wir die Konfrontation verschiedener Ideologien haben, die jeweils für sich den Anspruch haben, den anderen nicht nur abzuwerten, sondern zu enthumanisieren. Ich glaube, das ist das zentralste, also hier entstehen gesellschaftliche Konflikte auf Dauer, die wir nicht einfach wegdiskutieren können, weil, insbesondere in dieser Konfrontation, also quasi des Ideologischen. In Bezug auf die erste Frage – der Islam ist angetreten, um Rassismus, im Prinzip der Begriff Rassismus abgesehen davon ist ja relativ neu, also das, was der Islam vor 1400 Jahren gemacht hat, könnte man ja gar nicht mit diesem Begriff überhaupt bearbeiten. Tatsächlich ist es so, dass die Gläubigen untereinander solidarisch sein sollen, völlig egal, welcher Rasse sie angehören, allerdings ist das eine Idealbeschreibung von Realität, denn wenn Sie die Bergpredigt nehmen, müssten die Christen im Prinzip immer friedlich sein, aber die Geschichte ist nicht so. Trotzdem ist es so, dass man eben sich nicht daran hält. [Einwurf aus Publikum] Ich komme dazu, ich komme dazu. Natürlich sind nicht alle in Deutschland lebenden Türken Graue Wölfe, wir sprechen über 18.000. Und wenn wir sagen, es gibt - einzelne Aspekte sind im Prinzip ein bisschen weiter verbreitet, ähnlich wie im Rechtsradikalismus, wir haben eine Gruppe von Rechtsradikalen, aber viele ihrer Argumente findet man in der Mitte der Gesellschaft wieder, aber eben nicht verdichtet, also nicht als Ideologie dicht zusammengetragen, so dass daraus Handlungsoptionen entstehen. Das heißt, das ist kein Massenphänomen, sondern das ist ein Phänomen in bestimmten Kreisen und ich glaube, und das ist das Spannende, dass solche Kreise ja immer in sich geschlossen bleiben. Das bedeutet, diejenigen, die vielleicht widersprechen würden, die werden ja isoliert oder unter Druck gesetzt, dass sie es nicht tun. Und daher kriegen wir es nicht mit, welche Widerstände jetzt innerhalb der türkischen Community existieren, weil diese Widerstände tatsächlich sehr schnell auch wahrscheinlich zum Schweigen gebracht werden. Wichtig ist, wir haben innerhalb der türkischen Community die vielfältigsten Entwicklungen, was Ideologien angeht, was Bewegungen angeht usw. Das was aber interessant wird, und so wie ich es verstanden habe, ist das Thema eines weiteren Blogs, ist die Tatsache, dass jetzt diese Ideologien sich zunehmend fokussieren, obwohl sie kommen von einer relativ konservativen Mittelschicht beziehungsweise relativen im Prinzip halt durchmischten Altersgruppierungen, zunehmend entwickelt sich das Phänomen zu einem Jugendphänomen. Das ist das, was uns Angst macht, also dass wir uns loslösen und sich hineinbegeben tatsächlich in diese Jugendszene, was natürlich viel mehr Potenzial bietet, insbesondere dort, wo jugendliche Frustration existiert, quasi wo abgefangen wird. JP: Ja, lassen Sie uns darüber ein bisschen mehr sprechen. Wenn Sie Fragen haben, Facebook unterm Stream oder #wirgegenrex. Da würde ich gerade fragen, also wenn wir jetzt mal auf die Anhängerschaft der Grauen Wölfe blicken, wie setzt sich die zusammen? KB: Die Zusammensetzung ist sehr unterschiedlich. Wir haben ja in Deutschland immer so die Theorie, Leute werden ausgegrenzt, durch diese Ausgrenzungserfahrungen entstehen natürlich Gewaltpotenziale oder Radikalisierungsvorstellungen. Natürlich ist das ein Kern, aber wir haben in der Zusammensetzung einerseits Familienkonstellationen, das heißt, wir haben Familien, die in verschiedenen nationalistischen Kontexten sozialisiert sind, deren Kinder sind auch teilweise in diesen Strukturen. Wir haben die Situation, dass über Jugendclubs, Jugendveranstaltungen, über bestimmte jugenddynamische Aktivitäten bestimmte Mobilisierungselemente geschaffen werden. Wir haben die Situation, dass auch durch bestimmte politische Entwicklungen in der Türkei auch Dynamiken hierher getragen werden und durchaus auch verschiedene unterschiedliche Gruppen zusammenstellen. Aber das, was so ein Kernelement ausmacht, und das ist auch nochmal die Frage, die wir ja heute auch nochmal diskutieren, ist, viele junge Menschen, hier geboren und aufgewachsen, haben ja lange die Frage gestellt, was kennzeichnet uns als Türken, wenn wir hier geboren und aufgewachsen sind, unseren Lebensmittelpunkt hier haben? Und da haben die Grauen Wölfe in Deutschland lange Diskussionen auch geführt und Alparslan Türkeş hat '97 in der Essener Gruga-Halle auf einer Großveranstaltung, wo Zehntausende waren, gesagt, ihr seid das europäische Türkentum. Und damit haben wir einen neuen Diskurs, nämlich das ist in dieser Ideologie des Welttürkentums, Turankarte, wir haben ja gerade diskutiert, von der Chinesischen Mauer bis hin zum Balkan, dieses Großtürkische Reich, das der letzte Haken, wo gesagt wird, es gibt auch das europäische Türkentum, und das europäische Türkentum hat die Rolle, in Europa für die Interessen des Türkentums zu mobilisieren. Und dann kommen wir in die Thematik, gerade junge Menschen, die hier geboren und aufgewachsen sind, sind auf einmal bei innenpolitischen Themen, die in der Türkei stattfinden, mobilisierungsfähig, wo viele Behörden, wo viele Gremien, und auch viele Verbände die Frage stellen, wie kann das sein, dass gerade junge Menschen auf einmal spontan mobilisierungsfähig sind, nämlich dahinter verbirgt sich teilweise auch die rechtsnationalistische und populistische Ideologie des europäischen Türkentums, die als Mobilisierungsressource von Umfeldorganisationen der Grauen Wölfe ganz klar aktiviert wird. Und diese Mobilisierungsressource ist im Grunde genommen auch die Ressource, wo das Potenzial einer neuen Jugendbewegung entsteht, die hier nicht mehr rein türkisch ist, sondern in dieser Gesellschaft geboren und aufgewachsen ist und auf einmal auch eine neue Identität konstruiert und mit dieser Identität auch eine neue Bewegung und auch eine neue Charaktertypologie ausmacht. JP: Herr Arslan, wenn Sie das so hören, und merken, dass junge Menschen, Deutschtürken auch in der dritten und vierten Generation so eine Identität präsentiert wird, die sie dann annehmen können, weil sie sich vielleicht irgendwie verloren oder nicht richtig angenommen oder wie auch immer fühlen - wo würden Sie sagen als Soziologe, was sind Strategien, um dem entgegenzuwirken? Dass sozusagen dieser Nationalismus oder die rechtsextreme Bewegung nicht als was Attraktives erscheinen? EA: Also, wenn wir jetzt wirklich diese Aspekt Jugendbewegung betonen, das ist sinnvoll aus zwei Gründen. Erstens, Jugendbewegungen sind noch gewaltbereiter als vielleicht andere und zweitens aus der Sicht von Deutschland muss man natürlich fragen, diese Jugendlichen sind in Deutschland geboren, die sind Deutsche in dem Sinne, also Produkt von deutscher Gesellschaft. In dem Sinne muss man natürlich noch mehr fragen, warum gibt es nicht weniger Graue Wölfe als früher, sondern sogar ein bisschen mehr? In dem Sinne, das ist wichtig. Aber wenn wir nur wirklich auf dieser Ebene bleiben, übersehen wir den eigentlichen Charakter von dieser Bewegung, weil das ist meiner Meinung nach eine sehr sozial verwurzelte Bewegung und da gibt es sehr viele Familien, sehr viele Menschengruppierungen, insbesondere auf dem Land, in kleineren Orten, kenne ich auch Leute, die zum Beispiel in der Türkei ganz gegen diese Bewegung waren, aber die finden nur Veranstaltungen von diesen Grauen Wölfen und die gehen da hin, es gibt keine andere Möglichkeit. Und das sind gar nicht solche Leute. Und das heißt, es ist jetzt eine Art soziales Bedürfnis da, als wichtigster Unterschied zum Beispiel mit Türkei und jetzige Migrationssituation kann ich geben, als ich in der Türkei und dann in Deutschland diese Gruppen besucht habe, habe ich gesehen, in Deutschland gibt es immer Moscheen und immer andere soziale Aktivitäten wie Sport usw. Das ist meiner Meinung nach die erste Lösung sage ich mal, wir sollten meiner Meinung nach ein bisschen über unser Integrationsverständnis erst mal überlegen, warum brauchen, oder warum kann die deutsche Gesellschaft bestimmte Bedürfnisse von Menschen in deren eigenen Muttersprache und gewisse Islamverständnis nicht erfüllen. Und das ist ... JP: Können Sie das konkreter sagen? EA: Genau, das ist, ich glaube, in Deutschland gibt es ein gewisses Verständnis von Integration, Integration als Anpassung, das heißt, die Leute sollen möglichst unauffällig sein und das ist auch ein Problem, warum man Graue Wölfe so schwer merkt, zum Beispiel, wenn man jetzt auf der Straße ein paar Salafisten sieht, mit so langem Bart und die verkaufen da oder schenken den Koran. Und die Leute sind so bereit, OK, da gibt es eine Alarmbereitschaft, die sind bestimmt irgendwie Rechtsradikale. Es kann auch sein, es gibt so Leute, die Koran schenken, die wirklich humanistisch sind, das weiß ich jetzt nicht. Aber Graue Wölfe sind nicht so. Die schenken keinen Koran, die haben keinen Bart und die kleiden sich normal und die reden normal - anscheinend. Aber die sind manchmal noch gefährlicher. Und da muss man so ein bisschen schauen, Integration ist nicht nur einfach unauffällig so aussehen wie die deutsche Gesellschaft, sondern auch gewisse Räume haben, sich selbst auszudrücken, gegenseitig diskutieren. Und das fehlt sehr sehr viel und zum Beispiel, wenn jemand auf Türkisch irgendwas macht, das hab ich selbst an der Uni erlebt, wenn ich auf Türkisch eine Veranstaltungsreihe machen wollte, haben die gesagt, Sie müssen auch auf Deutsch schreiben, sonst weiß man nicht, ob das eine terroristische Organisation ist oder nicht. Also wenn man nur Türkisch sieht, denkt man, oh das ist jetzt etwas Terroristisches. KB: Vielleicht ein Beispiel. JP: Also das heißt sozusagen, Sie prangern eine Diskriminierung und eine automatische Gleichsetzung an, wenn man, dass gleich automatisch davon ausgegangen wird ... KB: Wir haben einen Grauen Wolf befragt, das ist ein Student gewesen aus Hessen, interessant, der war dann in der Studentenbewegung aktiv, und die erste Frage, die wir ihm gestellt haben, warum, wie ist er zu den Grauen Wölfen gekommen. Seine Antwort war, er war - als Schüler hat er erlebt, dass in Solingen fünf Menschen ermordet sind, das hat ihn emotional betroffen gemacht ... JP: ... Also, das war der rechte Anschlag in den 90ern ... KB: Die zweite Antwort war, in der Schule hat er dann auf einmal die Situation erlebt, er war SV-Sprecher, also Schülersprecher gewesen quasi in der Schule, wo der, auf einer Realschule war der damals gewesen, da hat ein Lehrer im Pausenhof Türkischverbot ernannt beziehungsweise hat quasi mit den Lehrern auch darüber gesprochen und gesagt, ich möchte nicht, dass die türkischen Kinder Türkisch reden. Und er hat den Widerstand dagegen organisiert, gegen dieses Verbot, das die Lehrer ausgesprochen haben. Und ist über diesen Widerstand bei den Grauen Wölfen gelandet, hat dann Kampfsport angeboten, ist dann einer der wichtigsten Kader der Grauen Wölfe gewesen, hat auch eine relativ Respektpersönlichkeit, hat Soziologie studiert, ich weiß jetzt nicht, ob er das zu Ende studiert hat. Wo ich gesehen hab, dass bei ihm zum Beispiel eine Desintegrationserfahrung dazu geführt hat, dass er sich in sogenannte ethnische Nischen zurückgezogen hat. Das heißt, dass zum Beispiel der Rassismus, der in dieser Gesellschaft in verschiedenen Formen erlebt wird, auch dazu führen kann, dass junge Menschen sich immer mehr von den Werten dieser Gesellschaft abkehren und neue Identitäten in sogenannten ethnischen Nischen suchen, auch eine Form von Selbst- oder Isolation oder Selbstethnisierung wahrnehmen, wo sie auf einmal neue Identitäten suchen. Wir haben beobachtet, dass gerade die Grauen Wölfe eine wichtige Funktion ausgeübt haben, indem sie gesagt haben, egal, was für Erfahrungen ihr gesammelt habt, bei uns seid ihr willkommen. Und sie haben ganz klar diesen jungen Menschen eine Identität vermittelt, nämlich die Identität des Dazugehörens. Und das haben die in dieser Gesellschaft durch die Spaltung von Wir und Sie in der Form nicht und das schafft natürlich auch eine Diskrepanz, die dazu führt, auch die Diskussion zu führen, dass die Ablehnung und Ausgrenzung von Jugendlichen auch ein Faktor - nicht der einzige - auch ein Faktor ist, dass junge Menschen auf einmal einen neuen türkischen Nationalismus konstruieren. JP: Aber lassen Sie uns mal gucken ... MAT: Aber ... JP: ... jetzt möchte ich einmal ganz kurz mit einer Frage reingehen, nämlich mal schauen, das ist eine Beschreibung vom Zustand, aber was heißt das als Strategie dagegen? Also, wir haben verschiedene Ebenen. Wenn wir einmal auf die staatliche Ebene gucken - was muss der Staat tun, um dazu beizutragen, dass die Grauen Wölfe nicht mehr so attraktiv scheinen, dass sie marginalisiert werden, das sind Sachen, die auch die Zuschauer im Netz interessieren. Vielleicht können Sie dazu was sagen. Lassen Sie uns ein bisschen weg - also, Beschreibung ist interessant - aber auch gucken, welche Strategien daraus folgen. MAT: Ja, aber damit man die richtige Strategie fahren kann, muss man überhaupt zunächst einmal feststellen, was sind die Ursachen. Und das ist eine Ursache, die beschrieben wurde, es gibt noch viel mehr Ursachen. Das Interessante ist, dass diese jungen Menschen eben nicht in inklusive Ideologien gehen, also quasi in eine Ideologie gehen, die dann sagt, die anderen sind willkommen, sondern die gehen in Ideologien, die die anderen im Prinzip enthumanisieren, also quasi das heißt, hier wird das eine mit demselben letztendlich bekämpft. Ich bin auch mir nicht sicher, dass all diejenigen, die sich ideologisch in solchen Organisationen bewegen, immer irgendwie benachteiligt wurden in Gesellschaften, es gibt nämlich eine ganze Menge Argumente, die aufzeigen, dass das auch politisch ideologische Personen sind, also quasi dann fürs ideologische Projekt sich einsetzen wollen usw. usf. Und für jede dieser Gruppen brauchen wir eine andere Strategie. Aber wir brauchen eigentlich eine zentrale Strategie für alle Gruppen. Was meine ich denn damit - wir haben nicht nur rechtsradikale Türken, wir haben auch rechtsradikale 'Ureinwohner' und wir haben rechtsradikale, wie auch immer Araber usw. usf. Was macht, was haben die alle gemeinsam, die haben gemeinsam, dass sie erstens keine Ambiguitätstoleranz haben, sie können nicht aushalten, dass die Gesellschaft pluralistisch ist scheinbar. Zweitens, was wichtig ist, sie haben im Prinzip verlernt, Unterschiede nicht nur auszuhalten, sondern Unterschiede als Ressourcen, also quasi eine pluralistische Gesellschaft zeichnet sich dadurch aus, dass sie widersprüchlich ist. Und darüber hinaus, sie haben verlernt, eben die gemeinsamen Werte zu betonen, die wir, die sie haben, das heißt, wenn wir tatsächlich all diese, Sie können den Salafismus noch dazunehmen und den Rechtsradikalismus usw. usf. Wenn wir diese Ismen alle irgendwie einigermaßen in den Griff bekommen müssen, müssen wir die politische Bildung dahingehend stärken, dass wir jungen Menschen deutlich machen, nicht nur jungen Menschen, sondern auch nicht ganz so jungen Menschen deutlich machen, dass die Werte der Demokratie zwar nicht ganz so lustig sind, nicht ganz so spannend sind und man kann keine tollen Zehntausender Veranstaltungen in einem Fußballstadion letztendlich hinbekommen, aber die sind es wert und vor allem, sie führen dazu, dass ich meine Persönlichkeit ausleben kann, also tatsächlich letztendlich mich entwickeln kann. Das heißt, wir brauchen eine vermittelte politische Bildung insbesondere an jungen Menschen, die die Werte der Demokratie nicht nur abstrakt mitteilt, sondern den Nutzen der Demokratie auch mit dazugibt. Und das ist etwas, woran wir arbeiten müssen, weil es tatsächlich viele Ismen halt betrifft, nicht nur die Grauen Wölfe. Das, was wir brauchen als Medikament für die Gesellschaft, ist im Prinzip viel breiter, wir haben viele konkurrierende radikale Gruppierungen in Deutschland, das Angebot an radikalen Narrationen ist groß. KB: Aber das, was sie verbindet, ist ja die Ungleichwertigkeitsideologie. MAT: Ja, eben, eben. Wir müssen entgegenwirken. KB: Und ich glaube, dass die Abwertung und Abgrenzung gegenüber den anderen die zentrale Ideologie ausmacht. MAT: Absolut.

KB: Und jetzt ist von unserer Seite aus natürlich einmal die Sensibilität wichtig, dass wir eine Sensibilität für dieses Thema entwickeln, dass wir das als Thema der politischen Bildungsarbeit machen, dass man das nicht zu einem Sonderthema macht, sondern als Thema der Demokratiekompetenz wahrnimmt. Das andere ist, dass man ganz klar präventiv agiert und nicht erst dann reagiert, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, das heißt, wir brauchen im Vorfeld auch eine Präventivmaßnahme, die schon vorher beginnt, wo man ganz klar junge Menschen auch im gesellschaftlichen Alltag abholt, wo man den jungen Menschen auch das Dazugehörigkeitsgefühl vermittelt in gesellschaftlichen Kontexten, wo man junge Menschen auch abholt in gesellschaftlichen Zusammenhängen, wo sie nicht nur Bildungsverlierer und Modernisierungsverlierer sind im gesellschaftlichen Alltag, sondern wo sie auch ganz klar in der Gesellschaft dieses Wir-Gefühl sehr stark empfinden. Natürlich haben wir das Problem, wenn junge Menschen schon in diesen Radikalisierungsgefällen sind, ist es schwierig, sie rauszuholen. Wir haben in den letzten Jahren ja sehr stark im Kontext von Salafismus zu diesen Projekten agiert. Wichtig ist, dass wir im Kontext des Demokratiebewusstseins und der Demokratiekompetenz Projekte entwickeln, wo wir auch Maßnahmen im pädagogischen Sinne, im sozialen Sinne entfalten, wo junge Menschen auch gegenüber den Rechtsextremismen und den verschiedenen Formationen des Rechtsextremismus in der Einwanderungsgesellschaft durchaus auch gemeinsame Maßnahmen, Möglichkeiten im Kontext von Vorurteilsabbau entwickeln können, im Kontext von Demokratiebewusstsein entwickeln, wo man unterschiedliche Ebenen nochmal sehr unterschiedlich praktisch wahrnimmt. JP: Ich muss einmal kurz reingehen, weil wir nicht mehr so viel Zeit haben. Und ich würde doch ganz gerne, das sind ja so staatliche Ebenen, noch einmal kurz auf die zivilgesellschaftliche kommen, weil das auch gefragt wird: Was kann man denn in den deutsch-türkischen Communitys, aber generell auch in der deutschen Gesellschaft, machen, um den Grauen Wölfen kreativ und friedlich zu begegnen und sie zu marginalisieren? Was kann sozusagen jeder Einzelne tun? Weil das ist ja auch immer eine gesellschaftliche Verantwortung. Herr Arslan erst mal. EA: Genau, auf jeden Fall, Sicherheitsaspekt ist wichtig, auch auf jeden Fall politische Bildung ist wichtig. Was ich versucht habe zu formulieren, kann ich vielleicht, das klingt erst mal nicht so wichtig, aber was ich ganz, etwas konkreter, als Vorschlag machen kann, Möglichkeiten von demokratischen Räumen auf Türkisch oder auf Arabisch oder auf Russisch oder so erweitern. Das heißt, wenn jemand zum Beispiel auch in einem kleinen Ort oder in einem großen Ort, jemand in seiner Muttersprache irgendwelche Öffentlichkeit finden möchte, findet man eigentlich in erster Linie entweder Moscheen oder so ähnliche Orte. Aber oft, das wäre auf jeden Fall auch interessant, politische Bildung, Sozialarbeit usw. auch auf Türkisch zu machen, damit gewisse Räume entstehen, auch identitätsmäßig, weil das sind ja Ressourcen von tausend Jahren kommen, die man jetzt nicht so mit einem anpassungsfixierten Integrationsverständnis, wenn irgendwas Türkisch ist, etwas schlimm, was wichtig ist, wenn jemand auf Deutsch redet, dann ist Integration erledigt. Und das würde ich schon sagen, zivilgesellschaftlich, wenn Staat natürlich auch mitmacht, möglichst erst mal auch tolerieren und nicht jeder, der Türkisch redet und nicht jeder, der Koran vielleicht schenkt, die sind nicht etwas, also gegen Demokratie, sondern gerade solche Leute brauchen wir, die in solchen Sprachen oder Religionen oder Räumlichkeiten, die wir nicht verstehen, also wir im Sinne von Deutsche, nicht verstehen, aber trotzdem sollen wir das als Möglichkeit oder als einzige oder wichtigste Lösung sehen, dass da eine gewisse Vielfalt entsteht, weil der Punkt ist, wenn ich jetzt so denke, was bietet deutsche Gesellschaft diesen Jugendlichen als Identität an? Entweder rein Deutsche sein, also deutsch als assimiliert oder - also da frag ich mich, was genau, was wäre sozusagen Endziel für diese Leute? Oft sind sie ja, gibt es ja kein richtiges Angebot, sagen wir mal. Und das wäre so interessant, auch für deutsche Gesellschaft selbst, nicht nur für ... JP: Also ein Plädoyer für eine vielfältige Gesellschaft. EA: ... vielfältige oder anderes Verständnis von Deutsch-Sein. JP: Herr Arslan, ich muss da jetzt gleich mal reingehen, zeitlich. Entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche, aber ich bin ja die Wächterin der Zeit als Moderatorin und muss ab und zu mal reingrätschen. Ich hatte das Gefühl, Herr Abou Taam wollte noch was sagen, weil er hier so unruhig saß, oder darf ich dem Publikum ... MAT: Ich möchte unbedingt was sagen. Ich weiß nicht, wie viel Zeit hier ist ... JP: Ja, kurz dürfen Sie was sagen. MAT: Ich glaube, das Problem, eine vielfältige Gesellschaft bedeutet nicht eine anarchische Gesellschaft, sondern eine vielfältige Gesellschaft bedeutet eine Gesellschaft, die sich zu klaren Werten bekennt. Denn je vielfältiger die Gesellschaft ist, desto klarer müssen die Spielregeln sein. Also desto klarer müssen wir uns auf etwas einigen können. Im Übrigen, keine Demokratie der Welt hat das Recht darauf, gemocht zu werden von irgendjemandem. Das muss man sich selbst erarbeiten, also das sind im Prinzip so bestimmte Mechanismen, die wir, also wir können auch, das ist ja auch, das ist Grundcharaktereigenschaft dieser Gesellschaft, im Übrigen. Also ich beurteile diese Gesellschaft in ihrer Pluralität nicht ganz so pessimistisch, denn, also verglichen mit sehr vielen Gesellschaften, vor allem in sehr vielen historischen Phasen, ich glaube, noch nie ging es einer zugewanderten Gruppe in einer Gesellschaft so gut wie jetzt. Aber das heißt nicht, dass wir uns nicht bessern können. Ja, also quasi das heißt, man muss hier aufpassen, wie man die Argument - Argumentationslinien aufstellt. Auf der anderen Seite, und ich finde es absolut wichtig, wir müssen auch abverlangen können, also quasi, ich verlange von einem Deutschen, dass er, also von einem 'deutschen Ureinwohner', dass er einen Rechtsradikalen zurechtweist. Also wenn ich beispielsweise im Bus bin und jemand macht einen rechtsradikalen Spruch, ich habe die Erwartung von einem Ureinwohner, dass er sagt, hören Sie auf damit. Oder wie auch immer. Und die gleiche Erwartung habe ich aber auch von einem Türken. Quasi nicht das Rechtfertigungsnarrativ ist der Ausweg, dass ich im Prinzip versuche zu erklären, warum sie keine andere Wahl haben, sondern jeder hat die Wahl und die Verantwortung, menschenabwertende Ideologien nicht nur anzumelden, zu sagen, das ist so. Falsche Solidarität ist genau das falsche. Also quasi wenn ich sage, dass ein Grauer Wolf oder ein Faschist oder wie auch immer, wenn ich sage, der macht etwas, was falsch ist, das heißt nicht, dass ich anti-türkisch bin. Und die Türken müssen es verstehen und sich einsetzen ähnlich, wie ich es wie gesagt von einem Deutschen erwarte, muss ich es von den anderen auch erwarten. KB: Ich möchte kurz eine Bemerkung machen. Ich geh mal einen Schritt weiter. Das Thema Rechtsextremismus in der Einwanderungsgesellschaft ist ja kein türkisches und kein deutsches Thema ... MAT: Absolut, natürlich, ja. KB: ... ist unser gesamtes Thema. Egal in welchem Kontext. Ich erwarte jetzt, dass zum Beispiel auch ein Deutscher zum Grauen Wölfe Thema was sagen kann, ist ein Teil der politischen Bildungsarbeit, ich erwarte aber auch, dass zum Beispiel ein türkeistämmiger Jugendlicher auch was gegen deutsche Neonazis sagen kann, auch eine Position entwickeln kann und damit haben wir die Aufgabe, nicht zu trennen, wo wir sagen, ich erwarte von den Türken, dass sie das machen ... MAT: ... aber auch! KB: ... aber auch, wir erwarten, dass die Gesellschaft gegen alle Couleurs und Formen von Rechtsextremismus eine Courage und politische Haltung entwickelt. Es ist nicht nur eine Meinung, es ist auch eine Haltungsfrage, wie wir im gesellschaftlichen Kontext mit diesem Thema umgehen und es ist eine Frage, wie wir jungen Menschen ganz klar auch ein Wir-Gefühl insgesamt vermitteln und nicht immer kritische Haltung einnehmen, wo man diese Differenzierung zwischen Wir und Sie in der Gesellschaft schafft. MAT: Und auf den Punkt gebracht, es handelt sich um Hassideologien, und das muss man als solches auch bezeichnen. JP: OK. Ich würde gerne nochmal den Zuschauern ... KB: Kontroversen, wir leben das Geschäft... JP: Ja, ich merk schon. Ich möchte gerne den Zuschauern nochmal die Möglichkeit geben, Fragen zu stellen. Gleich Ihnen und noch ganz kurz, weil so viele das gefragt haben auf Facebook, ist ein kleiner Schritt zurück, aber hier sind viele Fragen, die wissen möchten, wie viele Graue Wölfe sich in der deutschen Politik bewegen, vor allem wie unterwandert die deutsche Politik mit Anhängern oder Unterstützern ist. Ist eine große Frage, aber das interessiert sehr viele. KB: Ist eine sicherheitspolitische Frage. MAT: Ist eine politische Frage. JP: Jetzt auf einmal möchte keiner reden. KB: Nein, es gibt ja - im Grunde genommen gibt es da keine Zahlen. Wir haben Fallbeispiele aus der Praxis in Nordrhein-Westfalen, in Hessen, in Niedersachsen, in Berlin, wo wir wissen, dass in den einzelnen Parteistrukturen Persönlichkeiten der Grauen Wölfe auch mitmachen, agieren. In Hessen haben wir sogar die Situation, dass gruppenweise Eintritte da waren und dass in verschiedenen Integrationsausschüssen insbesondere auch eine gewisse Dominanz da war von bestimmten Zirkeln. Aber wir können jetzt nicht sagen, dass die Parteien da übernommen haben. Jetzt haben wir aber in den Parteien natürlich die Erwartungshaltung, dass sie eine Sensibilität für dieses Thema entwickeln. Wir haben teilweise auch in Bayern die Situation, ich hab mir nochmal Webseiten angeguckt und gesehen, dass zum Beispiel auch wichtige Politiker, deutsche Politiker auch diese Vereine, Lokalitäten besuchen, dass sie auch in dem Wahlkampf insbesondere auch diese Lokalitäten aufsuchen, und dass es da durchaus auch nochmal wenig politische Sensibilität insgesamt für die ideologischen Inhalte gibt.Und da ist es natürlich wichtig, dass man einerseits für Sensibilität sorgt, aber auch in den Parteien nochmal ganz klar Ideen und Strategien entwickelt, wie man das Fahrwasser da einstellen kann, damit die deutschen Parteien kein Forum für Menschen aus dem Umfeld der Grauen Wölfe sind. JP: Vielen Dank. MAT: Ich denke mal, ganz wichtig ist ja auch, dass diese, die Grauen Wölfe, aber auch ähnlich gelagerte Organisationen durchaus eine große Mobilisierungskraft haben und wir beobachten sie sehr oft insbesondere in Migrationsbeiräten, also quasi in kommunalen Strukturen, wo sie tatsächlich sich einbringen, was natürlich sehr konfliktreich ist insbesondere, weil sie dann sehr schnell entlarvt werden von ihren Gegnern, das heißt, wir haben sehr schnell so Konfliktkonstellationen, wo dann auf der einen Seite Graue Wölfe sind und auf der anderen Seite, ebenfalls sehr mobil, PKK-Anhänger, die dann auch organisiert sind, auch im Prinzip entsprechende Wahlerfolge machen und dann sitzen sie in diesen Migrationsbeiräten und frieren sie ein, weil dann auf einmal nichts mehr funktioniert. JP: Also es sind eigentlich innertürkische Konflikte, die dann hier ausgetragen werden. MAT: Die dann reingetragen in die Kommune, so dass kommunale Arbeit kaum funktioniert, und das beobachten wir auch dann später selbst in politischen Parteien, denn nicht jeder, der einer solchen Ideologie anhängt, geht damit hausieren, sondern die machen auch ganz normale Partei-Karrieren und treffen sich dann wieder, also das heißt, wir haben durchaus jemand, der mit der einen Organisation solidarisiert und der andere, der mit der anderen Organisation, sitzen jetzt in der gleichen Partei. Und sehr oft haben es Migranten an sich, dass sie immer in die Migrationsthematiken gehen, das heißt in den Parteien sind Migranten, die sich mit Migration beschäftigen und dann sitzen sie an einem Tisch und tragen auf einmal einen ideologischen Konflikt der Türkei in ein Gremium, das sich eigentlich mit Integrationspolitik beschäftigen würde. KB: Aber interessant ist ja, dass die Grauen Wölfe ja in Deutschland nicht bei der NPD landen, sondern größtenteils in den anderen Volksparteien, das heißt, größtenteils, ich will jetzt keine Namen nennen, aber in den Volksparteien, weil die anderen rechtsextremen Parteien ja durch ihre fremdenfeindliche Politik und durch ihre türkei- und muslimfeindliche Politik durchaus Diskrepanzen schaffen, so dass diese Personen ihren Raum in den klassischen Volksparteien finden. JP: Jetzt möchte ich Ihnen nochmal die Chance geben, Fragen zu stellen. Einfach nur die Hand heben und dann kommt das Mikro. Jetzt hab ich so für Zeit für Sie gekämpft. Da kommt eine Frage. P6: Ja, ich hab nochmal eine Frage ... JP: Mögen Sie Ihren Namen nennen? P6: Mein Name ist Martin Friedrich Weichert. Die Grauen Wölfe, haben die mehr Zulauf aus den bildungsnahen oder bildungsfernen Einrichtungen beziehungsweise Familien? Frage eins. Könnte man nicht auch auf die Mündigkeit dieser Leute, die dort angesprochen werden, oder die Unmündigkeit dieser Leute zurückgreifen oder könnte man sie nicht sogar als eine Aufklärergruppe mit hineinnehmen? JP: Was meinen Sie mit Aufklärergruppe mit hineinnehmen? P6: Also, Aufklärung ist für mich der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Nach Kant. Und ... JP: Ich hab trotzdem Ihre Frage nicht verstanden... P6: ... nicht verstanden ... JP: Ich glaub, viele nicht. Vielleicht können Sie nochmal konkreter machen. P6: Also, mir geht es darum, dass man jetzt aus der Diskussion heraus die Situation - haben die Grauen Wölfe mehr Einfluss auf bildungsnahe oder bildungsferne Familien oder Kinder oder Jugendliche oder könnte man nicht im Grunde genommen im Umkehrschluss mit der Mündigkeit dieser Jugendlichen auch eine gewisse Aufklärungsarbeit betreiben? JP: Ach so, eigentlich politische Bildungsarbeit. KB: Ja sicherlich, finde ich auch eine gute Idee. Eine Sache muss man nochmal betonen. Ich würde nicht jeden Jugendlichen, der das Graue Wolf Abzeichen trägt so schnell wie möglich etikettieren und abgrenzen oder ausgrenzen, also das muss man schon nochmal aus der pädagogischen Warte betrachten, also ich würde auch nicht alle Jugendlichen, die da irgendwie auf der Demo mal waren, sind fanatische Graue Wölfe, solche Bezeichnungen würde ich erst mal auch unterlassen, also wir müssen Möglichkeiten und Räume suchen, wo wir die Jugendlichen abholen. Und deshalb brauchen wir da auch eine sehr starke Aufklärungsebene. Und wir brauchen eine sehr starke Demokratiebildung. Und die Demokratiebildung muss nicht irgendwie erst dann stattfinden, wenn alles vorbei ist, sondern wir müssen das durchaus in dieser Gesellschaft schon im Vorfeld entwickeln und in dieser Gesellschaft müssen wir auch den Rahmen schaffen, dass Demokratiebildung einen gemeinsamen Konsens, auch einen Wertekonsens ausmacht, und damit bin ich auch bei Ihnen, Herr Abou Taam, dass man ganz klar in einer demokratischen Wertegemeinschaft auch das gemeinsame Wir entwickelt und nicht immer diese Ab- und Ausgrenzungsformen gestaltet insgesamt. Dann war die erste Frage, die Sie gestellt haben in Richtung ... P6: ... Unmündigkeit. KB: Nee, die erste Frage. MAT: Bildung oder bildungsfern. KB: Bildungsfern. Wir haben das unterschiedlich erlebt. Zum Beispiel bei der Türk Federasyon, also in dem großen Dachverband waren es sehr stark auch bildungsnahe Jugendgruppen gewesen, also sowohl als auch, bei der BBP haben wir - als wir Interviews geführt haben, waren es insbesondere junge Menschen, die aus bildungsbenachteiligten sozialen Konstellationen kamen. Es waren mehr Hauptschüler und teilweise auch ohne Abschluss junge Menschen gewesen. In den Türk Federasyon Strukturen haben wir sogar junge Menschen erlebt, die studieren, die auch eine Ausbildung erlebt haben, die teilweise auch über die eigenen Netzwerke auch an bestimmten Stellen einen Job gefunden haben, wo wir sehen, dass die Ausgrenzungs- und Sozialisationsfaktoren sehr unterschiedliche Bedingungen haben. MAT: Also, ich denke mal, hier gelten Regeln, die wir auch in vielen anderen extremistischen Organisationen beobachten können. Es gibt immer einen Kern, sehr elitär, das sind ja im Prinzip - an sich für sich haben sie ja den Anspruch auch eine zu sein, also sie sind die, die es verstanden haben. Und dann gibt es Mitläufer und je nach wie man guckt, entweder man trifft auf die, auf so einen Kern, also auf die Träger der Ideologie, sehr oft sehr gebildet, sehr oft sehr mobil usw. usf. Und dann gibt es diejenigen, die mitlaufen, da trifft man wahrscheinlich eher diejenigen, die tatsächlich halt aus beispielsweise bildungsfernen Konstellationen kommen, aber durchaus mit der Option, innerhalb solch ein Netzwerk sehr schnell auch Karriere zu machen. KB: Ja. MAT: Also, die Aufstiegsmöglichkeiten innerhalb solcher Netzwerkstrukturen ist - also die Mobilität innerhalb ist unheimlich groß. Man zeichnet sich dadurch aus, nicht dass man etwas besonders kann, sondern indem man etwas besonders betont. Nämlich das Türkischsein, also je mehr man sich für die türkische Identität einsetzt, desto schneller steigt man auf und das erklärt ja auch regelrecht letztendlich dieses Fanatische, was letztendlich dort beobachtet wird, das heißt wenn man über Türkei diskutiert, also reden Sie mal mit jemand von den Grauen Wölfen, erklärt er Ihnen, Japanisch ist eigentlich ein Dialekt aus dem Türkischen, die Ursprache des - ist Türkisch. Adam hat Türkisch mit Gott gesprochen usw. usf. Also quasi das sind ja eine derart fanatische Selbstdarstellung des Türkentums, was natürlich halt überhaupt nicht erklärt werden kann oder nicht belegt werden kann. Aber das ist eben dieses Mythologische, eben weg von der Historie, hin zu dieser Mythologie. JP: Herr Arslan möchte .. KB: Vielleicht ein Punkt nochmal dazu. JP: Herr Bozay, es ist wirklich ein kurzer Punkt, weil die Zeit ist vorbei. KB: Ja ja. Wir haben in einem der Räume zum Beispiel, um das nochmal zu bekräftigen, hing ein Transparent 'Denke türkisch, fühle türkisch, spreche türkisch'. Und die Jungs sprachen sehr schlecht türkisch, aber sie mussten türkisch sprechen, weil dieser Raum auch in seiner Symbolik so ausgerichtet war. Oder in dem andern Verein hing 'türklerin adetleri', also, die Gesetze des Türken. Wo bestimmte Gesetzesregelungen oder normative Regelungen in so Strukturen schon festgelegt werden und ein ganz anderes Wir-Gefühl in diesen Strukturen entwickelt werden. JP: Jetzt möchte ich Herrn Arslan noch kurz die Chance geben, auch noch was dazu zu sagen und dann müssen wir leider aufhören. EA: OK, möglichst kurz. Also, Sie haben ja von Aufklärung gesprochen und von Kant auch und das - ich glaube während des Zweiten Weltkriegs haben Adorno und Horkheimer ein Buch geschrieben, Die Dialektik der Aufklärung, und sie haben gefragt, nach Kant, nach so vielen großen Philosophen in Deutschland, wie konnte es passieren, dass so was kommt wie in Deutschland. Und diese Dialektik der Aufklärung zeigt dann diese nur auf rationale Ebene, nur auf Beherrschung der Natur durch rationale Ebene, es sind nur bestimmte Gruppen zugänglich. Wir müssen denke ich, vielleicht, wir sind hier vielleicht im Durchschnitt eher gebildetere Leute und wir mögen solche Dinge, also Kant zu lesen, Adorno zu lesen usw. Aber wir müssen auch gleichzeitig sehen, die Gesellschaft hat - besteht aus unterschiedlichen Klassen mit unterschiedlichen Möglichkeiten und mit unterschiedlichem Bedarf. Und dieser Aspekt, dieser mythologische, dieser emotionale Aspekt, auch wenn jetzt nicht nur bei Grauen Wölfen, sondern über AFD reden usw. usf., wir müssen auch das als zusammen alles betrachten, also nicht legitimieren und sagen, ist normal, natürlich, gut. Nur die Aufklärung an sich meiner Meinung nach ist noch nicht ausreichend, ist wichtig - plus aber auch gleichzeitig irgendwelche Räume geben, dass die Menschen auch irgendwelche konstruktive demokratische und auch gewisse konfliktbehaftete Identitäten aufbauen können. JP: Also, wir sehen, man kann noch ganz viel darüber diskutieren, es ist natürlich auch nicht so, dass die Bundeszentrale für politische Bildung sich nicht weiter mit dem Thema beschäftigen wird, es gibt zwei Texte, die in dem neuen Schwerpunkt der bpb erscheinen werden, 'Rechtsextremismus in der Einwanderungsgesellschaft' von Herrn Bozay und Herrn Arslan, das wird dann bald so sein, dieser Webtalk wird auch bald im Netz zu finden sein, da wird auch die Ankündigung für den nächsten Webtalk zu finden sein und ich freue mich sehr, dass Sie heute hier waren, Herr Bozay, Herr Arslan, Herr Abou Taam, vielen Dank, dass Sie mit uns diskutiert haben. Herzlichen Dank, dass Sie sich so zahlreich im Netz beteiligt haben mit Fragen und Diskussionen und dass Sie hier vor Ort dabei waren und tolle Fragen gestellt haben und so aufmerksam waren, ich wünsche Ihnen noch einen ganz schönen Abend.

Gestellte Fragen: Webtalk Graue Wölfe

Diskutierte Fragen: Webtalk Graue Wölfe

  • Was genau sind die Grauen Wölfe?

  • Woher kommt der Name „Graue Wölfe“?

  • Welcher Gründungsmythos steckt hinter den Grauen Wölfen?

  • Wie lässt sich die Ideologie der Grauen Wölfe beschreiben?

  • Hat die Ideologie islamistische Elemente?

  • Gibt es Verbindungen zwischen islamistischen Organisationen und den Grauen Wölfen?

  • Wie ist das Verhältnis zwischen MHP und AKP? Konkurrieren sie um den militanten Teil der türkischen Gesellschaft? (Internet)

  • Was sind die Feindbilder der Grauen Wölfe?

  • Warum gilt die MHP als faschistische Partei? (Live-Publikum)

  • Was ist das Spezifikum der Radikalität der Grauen Wölfe? (Live-Publikum)

  • Wie viele Anhänger haben die Grauen Wölfe in Deutschland?

  • Wie finanzieren sich die Grauen Wölfe?

  • Stimmt es, dass Erdogan sein Präsidialsystem offen mit der NS-Diktatur in Deutschland vergleicht? (Live-Publikum)

  • Wie ist die politische Reaktion auf das öffentliche Auftreten der Grauen Wölfe in Deutschland?

  • Wie und wo in Deutschland sind die Grauen Wölfe aktiv?

  • Wie ist das Verhältnis der Grauen Wölfe zur PKK?

  • Warum gibt es so eine große Unwissenheit und Tatenlosigkeit (gegen-)über den Grauen Wölfe in Deutschland?

  • Gibt es Verbindungen bestehen zwischen den Grauen Wölfen und der organisierten Kriminalität wie z.B. den Osmanen Germania?

  • Wie groß sind die Grauen Wölfe in anderen europäischen Ländern verglichen mit Deutschland? (Live-Publikum)

  • Der Islam ist gegen nationalistische und rassistische Ideen - gibt es in muslimischen Communities in Deutschland Widerstand gegen die Grauen Wölfe? (Live-Publikum)

  • Sind die Grauen Wölfe ein Symptom des wirtschaftlichen „Abgehängt“-Seins? (Live-Publikum)

  • Mit welchen Strategien können die Grauen Wölfe weniger attraktiv für junge Deutsch-Türken gemacht werden?

  • Was kann die deutsche Zivilgesellschaft den Grauen Wölfe etwas mit kreativ-friedlichen Mitteln entgegensetzen?

  • Ist die deutsche Politik von Grauen Wölfen unterwandert?

  • Haben die Grauen Wölfe mehr Zulauf aus bildungsnahen oder bildungsfernen Familien? (Live-Publikum)

  • Kann politische Bildung und Aufklärungsarbeit eine Strategie sein, um die Grauen Wölfe für Jugendliche weniger attraktiv zu machen?

  • Wie stehen Sie dazu, dass das Zeichen der Grauen Wölfe tagtäglich an deutschen Schulen, auch an denen im Ausland mit direkten Grenzen zur Türkei als sogenannter "Schweigefuchs" (Mund zu, Ohren auf) eingesetzt wird?

Weitere eingesendete Fragen

  • Der islamische Dachverband ATIB sagt, dass er nichts mit den Grauen Wölfen zu tun hat. Kann man dazu etwas sagen?

  • Graue Wölfe in der Integrationspolitik - Was sagen Sie dazu?

  • Wie viele Graue Wölfe (Anhänger) bewegen sich in der Deutschen Politik?

  • Ist die zunehmende Radikalisierung junger Deutsch-Türken in den Sozialen Medien schon ein Thema in Hinblick auf die Ultranationalistischen Gruppen z.B. bei Facebook und wird dagegen Prävention entwickelt um dies zu verhindern?

  • Wie viele Morde / Bedrohungen / Körperverletzungen gehen auf das Konto der Grauen Wölfe in Deutschland.

  • Warum wird die Vereinigung der Ülkücu / Grauen Wölfe nicht unter Verbot in Deutschland gestellt?

  • Haben die Grauenwölfe eine Verbindung zur PKK?

  • Halten sie sich in Berlin zurück? Wird nur in meiner Zeitung wenig berichtet? Oder weiß man nicht genau, wie, bzw. ob sie beteiligt sind und welche Einflüsse sie haben?

  • Würde ein Verbot überhaupt nützen, den Einfluss der Gruppe zu schwächen?

  • Wie ist das Verhältnis zwischen "Grauen Wölfen" und Milli Görüs

  • Wie eng ist das Verhältnis zwischen CDU/CSU und MHP/AKP und Milli Güres?

  • Wie stark ist der Einfluß der MHP auf Flüchtlinge und Flüchtlingsorganisationen gerade hinsichtlich seiner Feindschaft gegenüber Juden, Armeniern, Jessiden oder Aleviten?

  • Wie stark sind die MHP und die AKP in Integrationsbeiräten vertreten?

  • Wie stark ist ihr Einfluss auf andere zivilgesellschaftliche Organisationen?

  • Wie viele antisemitische Übergriffe in Berlin gingen auf das Konto der MHP und ihrer Organisationen und wie viele auf das der AKP?

  • Gibt es Verflechtungen und welcher Art ist sie zwischen den faschistischen Bewegungen in Deutschland einschließlich Grauer Wölfe

  • Wie finanzieren sich die Grauen Wölfe und die anderen rechten Organisationen in Deutschland? Bekommen Sie Zuschüsse von Bund oder Land?

  • In welchen Kreisen werben sie ihre Mitglieder? In welchen deutschen Orten sind sie besonders stark?

  • Wie ist ihre Mitgliederstruktur (Alter, Geschlecht, Einkommen)?

  • Mit welchen Argumenten können wir rechtslastigen Türken entgegen treten, auch denen, die Erdogan unterstützen?

  • Inwiefern und worin unterscheidet sich türkischer Ultranationalismus in der Türkei und in Deutschland?

  • Gegen welche Gruppen richten sich türkische Ultranationalisten vor allem in Deutschland? Hauptsächlich gegen kurdische Gruppen? Gegen welche "deutschen" Gruppen argumentieren türkische Ultranationalisten?

  • Wie wird der Konflikt zwischen türkischen Ultranationalisten und kurdischen Gruppen in D bewertet und eingeschätzt? Was sagen die Sicherheitsbehörden dazu?

  • In welchen Städten oder Regionen kommt es zu hauptsächlich zu Auseinandersetzungen zwischen türkischen Ultranationalisten und anderen Gruppen? Wo haben Ultranationalisten besonders großen Zulauf?

  • Welche Menschen fühlen sich zum türkischen Ultranationalismus hingezogen?

  • Welche Rolle spielen Frauen bei den türkischen Ultranationalisten in Deutschland?

  • Gibt es Beziehungen zu anderen nationalistischen Gruppen oder Bewegungen wie der Identitären Bewegung?

  • Wie kann die Beziehung zwischen Grauen Wölfen und der CSU bewertet werden?

  • Gibt es Programme in Schulen oder ähnliches um Jugendliche über Gefahren des Ultranationalismus aufzuklären? Also ähnlich wie Aufklärung gegen rechte Strukturen in D.?

  • Die Ereignisse in Solingen und Mölln bekamen türkische Ultranationalisten verstärkt Zulauf. Wie wirken sich die aktuellen Geschehnisse (Referendum im April, Verhärtung des Kontakts zwischen der Bundesregierung D und der Regierung der Türkei) auf die Zustimmung zu türkischen Nationalismus aus?

  • Bei uns sind in letzter Zeit immer mal wieder Schmierereien aufgetaucht an verschiedenen Stellen. Das Bild ist immer dasselbe, sieht aus wie mit einer Schablone gesprüht. Beim Betrachten des Bildes kam uns immer wieder die Assoziation zu den Grauen Wölfen.

  • Sie erörtern in Ihrem Buch 2009 die Frage, ob Grauen Wölfe in der Türkei und D überhaupt "dasselbe" sind. Wie fällt Ihre Antwort heute aus?

  • Wie würden jugendliche Anhänger der "Wölfe" typischerweise argumentieren? (Woran sind sie erkennbar)?

  • Beeinflusst das "Sultanat" von Herrn Erdogan positiv oder negativ nationalistisches Gedankengut in der Türkei? Wird es absorbiert oder bilden sich neue Muster?

  • Wie ist die historische Situation zu den momentanen (populistischen) Debatten zu bewerten?

  • Warum spielte der auch mehrmals schon öffentlich gezeigte Wolfsgruß von Erdogananhängern keine politische Relevanz in Debatten zu Entwicklungen der Türkei? Warum werden Mitbürger nicht vehement vom Souverän geschützt? Und warum werden eigentliche keine Konsequenzen aus dem "Nichtverhalten" zu diesen Vorgängen und den Verantwortlichen auf politischer Ebene - heute sowie in der Aufarbeitung - gezogen?

  • Wieso können Anhänger der Terrororganisation PKK (im Gegensatz zu den Grauen Wölfen) so unverblümt in meinem schönen Deutschland demonstrieren, ohne dass es eine Welle der Empörung gibt und eine berechtigte Frage nach gescheiterter Integration im Hinblick auf diesen Nationalismus und faschistischen Öcalan-Kult gibt?

  • Wieso spricht man immer von ,,Zusammenstößen türkischer Nationalisten und kurdischer Aktivisten ''

  • Gibt es zwischen den Grauen Wölfen und deutschen, nationalistisch eingestellten Gruppierungen Verbindungen, Konflikte oder lässt man sich gegenseitig in Ruhe?

  • Welche Verbindung sehen die Experten zwischen Grauen Wölfen, Hells Angels und andere Rockerbanden, Hooligans und deutsche Rechtsextremen.

  • Daraus folgend die Frage, wie sehr die Grauen Wölfe (selbst, oder über Netzwerke) in organisierter Kriminalität (Banden, Menschenhandel, Drogenhandel etc) aktiv sind, insbesondere in welchen Städten und welche Zweige?

  • Wie sehr sind Graue Wölfe über Rapper/andere künstlerische Akteure in der Kultur präsent, welchen Einfluss haben sie dadurch auf Jugendliche?

  • Wie sehr fühlen sich die Experten selbst in Deutschland, wie sehr in der Türkei (falls sie sich dort aufhalten) bedroht?

  • Türkische Nationalisten beziehen auch in Deutschland starke Positionen zu Kurden und Israel welche zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führen, welche Gefahr geht von den Grauen Wölfen für Kurden und "Gegner" der Türkei aus, inwieweit können Sie auf Geflüchtete des Syrienkriegs eingehen/sind sie gefährlich für diese? Muss man mit Antisemitischen Anschlägen rechnen?

  • Gibt es Verbindungen zu der Identitären Bewegung oder der JN der NPD?

  • Wie können aus der Türkei geflohene Minderheiten wie Kurden und Armenier vor den Grauen Wölfen in D geschützt werden?

  • Werden Straftaten der Grauen Wölfe (dt Staatsbürger) als rechte Straftaten gewertet? Danke für die Antwort.

Einführungstext von Kemal Bozay und weitere Texte zum Thema: