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Italien hat gewählt | Hintergrund aktuell | bpb.de

Italien hat gewählt

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Die Parlamentswahlen in Italien am Sonntag und Montag (24./25. Februar) haben keinen eindeutigen Sieger hervorgebracht. Zwar erzielte der Sozialdemokrat Pier Luigi Bersani mit seinem Mitte-Links-Bündnis im Abgeordnetenhaus die Mehrheit – knapp vor dem Lager um Italiens ehemaligen Premier Silvio Berlusconi. Im Senat hingegen hat kein Wahlbündnis die Mehrheit. Italien droht die Unregierbarkeit.

(© picture-alliance/AP)

Die Kandidaten (v.l.n.r.): Silvio Berlusconi, Beppe Grillo, Mario Monti, Pier Luigi Bersani Der Ausgang der Wahlen war denkbar knapp: Nur rund 124.000 Stimmen lag der Vorsitzende der "Partito Democratico" (PD, Demokratische Partei) Pier Luigi Bersani vor dem Bündnis von Silvio Berlusconi. Laut italienischem Innenministerium kommt Bersanis Mitte-Links-Bündnis "Italia. Bene Comune" ("Italien. Gemeinschaftliches Eigentum") auf 29,54 Prozent – dicht gefolgt von Silvio Berlusconi, der mit seinem Wahlbündnis "Centrodestra" ("Mitte-Rechts") 29,18 Prozent der Stimmen verbuchte. Aufgrund des italienischen Wahlrechts erhält das Wahlbündnis mit den meisten Stimmen einen Mehrheitsbonus: Es bekommt automatisch 54 Prozent der insgesamt 630 Sitze, so dass Bersani im Abgeordnetenhaus trotz knappem Wahlausgang nun mit 340 Sitzen die Mehrheit hat. Auf Berlusconis Lager entfallen 124 Mandate. Überraschend gut schnitt auch die Bewegung des Komikers Beppe Grillo ab, der mit seiner Protestliste "Movimento 5 Stelle" (M5S, "5-Sterne-Bewegung") angetreten war. Er kam auf 25,55 Prozent und wird damit 108 Abgeordnete entsenden. Die "Scelta Civica" (Bürgerwahl) des scheidenden Regierungschefs Mario Monti erzielte im Abgeordnetenhaus nur 10,56 Prozent der Stimmen und kommt auf 45 Sitze.

Patt-Situation im Senat

Im Senat erreichte allerdings keine Kraft die nötige Mehrheit von 158 Sitzen: Bersanis Lager ist hier künftig mit 113 Abgeordneten vertreten, Berlusconis Mitte-rechts-Bündnis erreichte 116 Mandate. "Movimento 5 Stelle" erzielte 54 Sitze, Monti lediglich 18. Das führt dazu, dass weder Mitte-Links noch Mitte-Rechts im Senat eine absolute Mehrheit haben. Da in beiden Kammern jedoch eine Mehrheit nötig ist, um Gesetze durchbringen zu können, ist Bersani auf einen Koalitionspartner angewiesen – wer dies sein könnte, ist derzeit noch offen. Italien steht vor einer schwierigen Regierungsbildung.

Wahlen inmitten der schwersten Krise des Landes

Die dadurch drohende politische Instabilität könnte die Lage im Land noch einmal verschärfen: Die Wahl fand inmitten einer der schwersten Rezession Italiens seit 1945 statt. Das Bruttoinlandsprodukt sinkt, allein im Jahr 2012 gingen mehr als 500.000 Arbeitsplätze verloren. Die Arbeitslosenrate unter den Jugendlichen liegt mittlerweile bei 37 Prozent. Die Wahl wurde damit auch zur Abstimmung darüber, wem die Italiener die Überwindung der Krise am ehesten zutrauen – und auf welchem Wege.

Wahlkampf: Pro und contra Europa

Bersani stellte im Wahlkampf die Fortsetzung des von der Regierung Monti eingeleiteten Stabilitätskurses in Aussicht. Monti hatte nach Amtsantritt umfassende Wachstums- und Reformpakete angeschoben, um die Wirtschaft anzukurbeln und das Vertrauen der Märkte zurückzugewinnen. Allerdings will das Mitte-Links-Bündnis den strikten Sparkurs der Regierung Monti durch ein Investitionsprogramm ergänzen und verstärkt in Bildung und Forschung investieren sowie die Arbeitslosigkeit bekämpfen. Die Mittelschicht soll steuerlich entlastet, die Steuern für Reiche erhöht werden. Genauso wie Montis "Scelta Civica" verfolgt das Mitte-Links-Bündnis einen pro-europäischen Kurs. Demgegenüber positionierten sich Grillo und Berlusconi im Wahlkampf als Europaskeptiker. Europäische Verträge wie den Fiskalpakt stellt die "Anti-Parteien-Partei" Grillos zur Disposition. Auch einen eventuellen Ausstieg aus der Eurozone ist für M5S eine Option. Grillo versteht sich und sein Bündnis als Gegenpart zur "Politikerkaste" und will im Parlament Fundamentalopposition betreiben.

Berlusconis Rückkehr in die Politik

In den letzten Tagen des Wahlkampfes machte vor allem Berlusconi und sein Wahlbündnis von sich reden. Berlusconi hatte das Amt des Ministerpräsidenten im November 2011 inmitten der Finanzkrise an Monti übergeben. Eine Affäre mit einer minderjährigen Prostituierten sowie der Vorwurf mangelnden Krisenmanagements zwangen ihn damals zum Rücktritt. Wegen seiner Affäre muss sich Berlusconi derzeit noch vor Gericht verantworten, bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu 15 Jahre Haft.

Im Dezember 2012 hatte der Unternehmer und Medienmogul seine Rückkehr in die Politik verkündet. Berlusconi, zuletzt 2008 zum Premier gewählt, gab bekannt, nicht Regierungschef sondern Wirtschaftsminister werden zu wollen. Im Wahlkampf polarisiert er in bekannter Manier.

Die potentielle Rückkehr Berlusconis in die Politik wird europaweit mit Skepsis betrachtet. Viele Wirtschafts- und Finanzexperten sehen darin eine Gefahr für die Stabilität der Finanzmärkte, da diese eine Abkehr des Reform- und Konsolidierungskurses der Regierung Monti bedeute. Auch gewichtige italienische Unternehmen sprachen sich im Vorfeld der Wahlen gegen Berlusconi aus.

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