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150 Jahre Sozialdemokratie | Hintergrund aktuell | bpb.de

150 Jahre Sozialdemokratie

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Es ist die Geburtsstunde der Sozialdemokratie: Am 23. Mai 1863 wird in Leipzig der "Allgemeine Deutsche Arbeiterverein" gegründet. Wenige Parteien haben Sozialstaat und Demokratie in Deutschlands seither so geprägt wie die SPD.

SPD-Parteichef Willy Brandt steht am 31.08.1984 im Hof der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn neben einer Büste Ferdinand Lassalles. Die SPD gedachte an diesem Tag seinem 120. Todestag. (© picture-alliance)

Die Geschichte der sozialdemokratischen Bewegung in Deutschland ist ohne die bürgerliche Revolution von 1848 nicht denkbar. Gemeinsam mit bürgerlichen Kräften standen Arbeiter auf den Barrikaden und forderten soziale sowie Freiheitsrechte ein. Angesichts der Massenarmut, die im Zuge der Industrialisierung entstandenen war, kämpften sie – noch als lose Vereine und Verbände - für die Verbesserung ihrer sozialen und politischen Lage. Ebenfalls 1848 veröffentlichten Karl Marx und Friedrich Engels das "Kommunistische Manifest", in dem sie Ausbeutung und Proletarisierung weiter Teile der Arbeiterschaft beschrieben.

ADAV und Sozialdemokratische Arbeiterpartei

Am 23. Mai 1863 gründeten der Schuhmacher Julius Vahlteich und der Zigarrenarbeiter Friedrich Wilhelm Fritzsche mit Unterstützung des Schriftstellers Ferdinand Lassalle in Leipzig den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV) – die erste sozialdemokratische Vereinigung auf deutschem Boden.

Nur sechs Jahre später erhielt der ADAV Konkurrenz: 1869 gründeten August Bebel und Wilhelm Liebknecht in Eisenach die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP). Im Mai 1875 fanden sich in Gotha schließlich beide Parteien in der "Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands" (SAP) zusammen.

Sozialistengesetze im Kaiserreich

Zwei Attentate auf Kaiser Wilhelm, mit denen die Sozialdemokraten fälschlicherweise in Verbindung gebracht wurden, lieferten Reichskanzler Bismarck den Vorwand für das Gesetz "wider die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie", das 1878 verabschiedet wurde. Zwölf Jahre lang verbot das so genannte "Sozialistengesetz" sozialdemokratische Parteiaktivitäten. Hunderte Arbeiterorganisationen, darunter auch die SAP und Gewerkschaftsverbände, wurden in diesen Jahren verboten. Bismarck wollte die Sozialdemokratie durch die repressiven Gesetze schwächen, erreichte aber das Gegenteil: Die Ideen der Sozialdemokraten fanden immer breitere Unterstützung bei der arbeitenden Bevölkerung. Bei der Reichstagswahl 1890 wurde sie mit 19,7 Prozent stärkste Kraft. Noch im selben Jahr erfolgte die Umbenennung der Partei zur Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Innerhalb von weniger als 30 Jahren waren die Sozialdemokraten zur wählerstärksten politischen Größe im Deutschen Reich geworden.

Spaltung der Partei

Die Partei wuchs in den folgenden Jahren weiter zu einer Massenbewegung. Bei der letzten Reichstagswahl vor dem Ersten Weltkrieg 1912 erreichte die SPD nahezu 35 Prozent der Stimmen und wurde erneut stärkste Kraft. Trotz ihrer kritischen Haltung gegenüber dem Kaiserreich ließen sich 1914 auch die meisten Sozialdemokraten von der allgemeinen Kriegsbegeisterung anstecken. Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs stimmte die SPD-Fraktion 1914 im Reichstag für die Kriegskredite zur Landesverteidigung. Die radikale Linke innerhalb der SPD unter Führung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg hingegen hatte sich Ende 1914 gegen die Fortsetzung des Krieges ausgesprochen. Zudem eskalierten die innerparteilichen Auseinandersetzungen über die Frage, ob ein revolutionärer oder aber ein reformistischer Kurs erfolgversprechender sei. Diese Spannungen führten schließlich zum Bruch. Mit der Gründung der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) 1919 wurde die Trennung der beiden Flügel dann auch organisatorisch und endgültig vollzogen.

Erfolge in der Weimarer Republik

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs 1918 waren die Sozialdemokraten maßgeblich an der Ausrufung der Republik sowie der Ausarbeitung der Weimarer Reichsverfassung von 1919 beteiligt. Die SPD wurde zu einer staatstragenden Partei und war wiederholt an Regierungen beteiligt. Von 1919 bis 1925 stellte sie mit Friedrich Ebert den ersten Reichspräsidenten. Viele ihrer seit langem propagierten Ziele, wie die Einführung des Frauenwahlrechtes, die Schaffung einer Volksschule für Kinder, der Achtstundentag oder die betriebliche Mitbestimmung, wurden in der Weimarer Republik erreicht.

Widerstand gegen das Ermächtigungsgesetz und Nachkriegsjahre

Weniger als zwei Monate nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler billigten am 23. März 1933 die Abgeordneten des Reichstags mit großer Mehrheit das Ermächtigungsgesetz. Das von der NSDAP eingebrachte Gesetz sollte das Parlament als demokratische Institution abschaffen. Als einzige Fraktion stimmten die Abgeordneten der SPD ungeachtet der massiven Drohungen geschlossen gegen die Selbstentmachtung des Reichstages. Im Juni 1933 wurde die SPD dann von den Nationalsozialisten verboten. Viele Sozialdemokraten starben in Konzentrationslagern, wurden verschleppt oder mussten aus Deutschland fliehen.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges formierte sich die Partei neu. In den drei westlichen Besatzungszonen übernahm Kurt Schumacher den Parteivorsitz, in der sowjetischen Besatzungszone Otto Grotewohl. Bereits 1947 war sie mit 875.000 Mitgliedern in der westlichen Besatzungszone die größte Partei. In der sowjetischen Besatzungszone hingegen wurde die SPD im April 1946 mit der KPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) zwangsvereinigt. Parteimitglieder, die sich dem widersetzten, wurden verfolgt und in "Speziallagern" inhaftiert.

"Godesberger Programm": SPD wird zur Volkspartei

In der Bundesrepublik vollzog die Partei in den Nachkriegsjahren mit dem "Godesberger Programm" einen politischen Kurswechsel. Das neue Grundsatzprogramm wurde 1959 auf einem außerordentlichen Parteitag in Bad Godesberg beschlossen. Damit verabschiedete sich die SPD von ihrer marxistischen Grundorientierung und legte den Grundstein für einen Wandel hin zur Volkspartei.

Der SPD-Vorsitzende Erich Ollenhauer spricht auf dem Ausserordentlichen Parteitag am 13. November 1959 in Bad Godesberg zu den Delegierten. (© picture-alliance)

Brandt, Schmidt und lange Jahre der Opposition

Auf dem Parteitag von Hannover 1960 wurde Willy Brandt erstmalig zum Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl im folgenden Jahr gewählt. Allerdings dauerte es noch acht Jahre bis er 1969 als erster Sozialdemokrat Bundeskanzler wurde. Die sozial-liberale Koalition unter Brandt schloss eine Reihe von Völkerrechtsverträgen mit der DDR und anderen Staaten in Osteuropa ab, die auf eine Entspannung des Ost-West-Konflikts abzielten – darunter das Viermächteabkommen über Berlin von 1971, das de facto eine staatsrechtliche Anerkennung der DDR bedeutete. 1974 trat Willy Brandt im Zuge der Guillaume-Affäre zurück, sein Nachfolger wurde Helmut Schmidt. Seit den 1980er Jahren häuften sich die innerparteilichen Konflikte zwischen dem linken Flügel der SPD und der Regierung Schmidt, insbesondere in Fragen der Kernenergie und Sicherheitspolitik. 1982 verlor Schmidt ein konstruktives Misstrauensvotum gegen Helmut Kohl, der 16 Jahre lang Regierungschef bleiben sollte.
Mit dem Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder gewann die SPD 1998 die Bundestagswahl und regierte bis 2005 in einer Koalition mit Bündnis 90/Die Grünen. Die Bundestagswahl 2005 verlor sie unter anderem aufgrund der von Schröders Regierung initiierten Arbeitsmarktreformen.

SPD-Chef Sigmar Gabriel und Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) enthüllen am 22. Mai 2013 einen Gedenkstein, der an die Gründung des ADAV erinnert. (© picture-alliance)

Diese in großen Teilen der Bevölkerung unpopulären "Hartz-IV"-Reformen stellten auch die eigene Partei vor eine Zerreißprobe. Trotz der Niederlange verblieb die SPD bis 2009 in der Regierung in einer großen Koalition mit den Unionsparteien

Die SPD heute

Die Bundestagswahl 2009 endete für die SPD mit dem schlechtesten Ergebnis der Nachkriegszeit: Sie erhielt nur 23 Prozent der Stimmen. Auch die Mitgliederzahlen schrumpfen. Heute zählt die Partei 474.481 Mitglieder – die niedrigste Mitgliederzahl seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Zur diesjährigen Bundestagswahl am 22. September 2013 kandidiert Peer Steinbrück als Kanzlerkandidat für die Sozialdemokraten.

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