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Parlamentswahlen in Australien

/ 3 Minuten zu lesen

Machtwechsel in Australien: Die konservative Opposition mit Tony Abbott an der Spitze hat bei den Parlamentswahlen im Unterhaus eine deutliche Mehrheit erreicht. Ministerpräsident Kevin Rudd räumte seine Niederlage ein. Den Wahlkampf hatten Themen wie die Homo-Ehe und die Asylpolitik bestimmt.

Oppositionsführer Tony Abbott bei seiner Rede zu seinen Parteianhängern in Sydney. (© AP Photo/Rick Rycroft)

Im Unterhaus gewann das national-liberale Bündnis Abbotts nach vorläufigen Ergebnissen der Wahlkommission die absolute Mehrheit. Das Bündnis kann mit mehr als 80 der 150 Sitze rechnen. Im Senat, in dem die Hälfte der Mandate zur Wahl standen, schnitten Minderheitenparteien stark ab. Weil das Wahlsystem sehr kompliziert ist, steht das genaue Ergebnis dort noch nicht fest.

Amtsinhaber Kevin Rudd gestand seine Niederlage ein und kündigte an, nicht mehr für den Vorsitz der Labor-Partei (Australian Labor Party, ALP) zu kandidieren. Rudd war seit Juni wieder Premierminister. Er hatte eine Vertrauensabstimmung um den Parteivorsitz gegen Julia Gillard gewonnen, woraufhin er auch das Amt des Regierungschefs übernahm. Rudd hatte seine Partei 2007 zu einem Wahlerfolg geführt und bis 2010 als Premierminister regiert, ehe ihn Gillard stürzte.

Sie bildete nach den vergangenen Parlamentswahlen 2010 eine Minderheitsregierung mit der Unterstützung unabhängiger Abgeordneter, denn nach Jahrzehnten deutlicher Mehrheiten hatten die Wahlen zu keinem klaren Ergebnis geführt. Gillards Mehrheit betrug mit 76 von 150 Abgeordneten im Repräsentantenhaus genau eine Stimme. Im Senat benötigte die Premierministerin zudem die Unterstützung der Grünen.

Wirtschaftliche Lage stabil

Designierter Ministerpräsident ist nun Tony Abbott von den Liberalen (Liberal Party of Australia, LPA). Laut Umfragen war der 55-Jährige als Favorit in die Abstimmung gegangen. Er kündigte am Sonntag an, die illegale Einwanderung zu stoppen und die CO2-Steuer abzuschaffen.

Wahlen in Australien

In Australien besteht das Parlament aus zwei Kammern: Das Repräsentantenhaus (Unterhaus) hat 150 Mitglieder, der Senat (Oberhaus) 76. Alle drei Jahre werden die Mitglieder des Repräsentantenhauses gewählt. Die Senatoren haben eine Amtszeit von sechs Jahren, alle drei Jahre steht die Hälfte zur Wahl.

Der Senat wird nach Verhältniswahlsystem gewählt. Bei den Wahlen zum Repräsentantenhaus kommt ein Mehrheitswahlsystem zum Einsatz: Den Wahlkreis gewinnt der Kandidat, der die einfache Mehrheit der Stimmen bekommt. Dabei gilt ein Präferenzwahlsystem: Die Wähler ordnen jedem Kandidaten eine absteigende Präferenz zu. Wenn kein Kandidat die erforderliche Mehrheit erreicht, kommen die Präferenzen zum Zug: Der Kandidat mit den wenigsten Stimmen scheidet dann aus, die Stimmen für ihn werden entsprechend der angegebenen Präferenzen auf die anderen Kandidaten verteilt. Dies wird so lange durchgeführt, bis ein Kandidat die Mehrheit der Stimmen auf sich vereint.

Laut Verfassung haben beide Kammern vergleichbare Gesetzgebungsrechte, in der Verfassungspraxis gilt das Repräsentantenhaus aber als Kammer der Regierung, während der Senat als Überprüfungsinstitution fungiert. In Australien besteht Wahlpflicht.


Wirtschaftlich geht es Australien seit Jahren gut. Das Bruttoinlandsprodukt betrug im vergangenen Jahr 43300 US-Dollar pro Kopf, einer der höchsten Werte weltweit. Den Wahlkampf dominieren daher andere innenpolitische Themen.

Asylpolitik

Ein wichtiges innenpolitisches Thema ist nicht erst seit diesem Jahr die Asylpolitik. Australien ist traditionell ein Einwanderungsland: Unter den OECD-Ländern ist es der Staat mit dem zweithöchsten Anteil an Bürgern, die im Ausland geboren wurden. 2009 hatte mehr als ein Viertel der Bevölkerung Wurzeln im Ausland - damit ist der Anteil fast doppelt so hoch wie in den USA.

Seit langem ist der Umgang mit Bootsflüchtlingen umstritten, die Australien vor allem über Indonesien erreichen. Sowohl Rudd als auch Abbott kündigten eine harte Flüchtlingspolitik an. Bereits im Juli verkündete Rudd die neue Linie: Flüchtlinge, die per Boot Australiens Küste erreichen, dürfen nicht ins Land. Sie werden nach Papua-Neuguinea gebracht. Dies soll die Flüchtlinge abschrecken. Im vergangenen Jahr kamen Hunderte ums Leben, als sie mit ihren Booten kenterten.

Herausforderer Abbott sprach sich für ausschließlich befristete Aufenthaltsgenehmigungen aus. Er will anerkannte Asylanten darüber hinaus in ihre Heimat zurückschicken, wenn sich dort die Lage ändert.

CO2-Emissionen

Australien gilt als Klimasünder: 2010 stieß das Land pro Kopf 17 Tonnen CO2 aus (zum Vergleich: in Deutschland waren es 9,1 Tonnen). Regierungschef Rudd kündigte an, die klimaschädlichen Emissionen mit einem CO2-Handel nach dem Muster Europas senken. Dagegen sprach sich Abbott dafür aus, den Schadstoffausstoß mit finanziellen Anreizen zu verkleinern und die 2012 eingeführte CO2-Steuer wieder abzuschaffen.

Gleichgeschlechtliche Ehe

Im Fokus des Wahlkampfs stand zudem die Diskussion um die gleichgeschlechtliche Ehe. Rudd kündigte vor der Wahl an, sie binnen 100 Tagen einführen zu wollen.

Bereits im vergangenen Jahr hatte das australische Parlament über eine Reform der Ehe-Gesetzgebung abgestimmt. Damals hatte sich eine große Mehrheit der Abgeordneten gegen die Reform ausgesprochen - auch Rudd hatte gegen die Homo-Ehe votiert. Seinen Sinneswandel im Wahlkampf begründet er mit einer "Reflexion mit gutem christlichen Gewissen".

In den meisten Bundesstaaten Australiens existiert bereits eine Gesetzgebung zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaften: Schwule und Lesben können heiraten. Auf Bundesebene werden diese Ehen jedoch nicht anerkannt. Der designierte Ministerpräsident Abbott hat sich gegen eine Reform ausgesprochen.

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Fussnoten

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