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Vor 65 Jahren: Gründung der NATO | Hintergrund aktuell | bpb.de

Vor 65 Jahren: Gründung der NATO

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Der Ost-West-Konflikt prägte die ersten 40 Jahre der NATO nach ihrer Gründung 1949. Mit dem Zusammenbruch des Ostblocks und den Anschlägen vom 11. September 2001 erhielt das Bündnis eine neue Rolle als globaler Sicherheitsakteur. Aktuell fordert die Krim-Krise und das Verhältnis zu Russland das Bündnis erneut heraus.

Skulptur vor dem Nato-Hauptquartier in Brüssel (© picture-alliance/dpa)

Am 4. April 1949 gründeten 12 Staaten den Nordatlantik-Pakt (North Atlantic Treaty Organization). In den ersten 40 Jahren bestand ihre Aufgabe in der Abschreckung des politischen Gegners durch militärische (und nukleare) Stärke. Der Gegner - das waren die Länder des 1955 gegründeten Interner Link: Warschauer Paktes unter Führung der Sowjetunion. Inzwischen sind viele der früheren Ostblock-Staaten teils schon Mitglieder der NATO, andere wollen es noch werden.

Heute hat die NATO Interner Link: 28 Mitglieder. Das Bündnis definiert sich nicht nur als militärische Partnerschaft und System kollektiver Sicherheit, sondern als ein Zusammenschluss, der auf gemeinsamen Werten basiert. Die NATO verlangt von neuen Mitgliedern militärische Reformen (u.a. zivile Kontrolle der Armee), aber auch den Aufbau tragfähiger Marktwirtschaften und stabiler demokratischer Institutionen. Alle NATO-Staaten verpflichten sich zudem, im Falle einer Bedrohung oder eines bewaffneten Angriffes auf eines ihrer Mitglieder, diesem militärisch beizustehen.

Der Bündnisfall

Zentral für die Rolle der Nato als Militärbündnis und System der kollektiven Sicherheit ist der sogenannte Bündnisfall: Artikel 5 des Externer Link: Nordatlantikvertrages regelt für die Mitgliedstaaten, "dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen wird". Den Mitgliedstaaten ergibt sich daraus eine Beistandspflicht, die sie im Rahmen ihres durch Externer Link: Kapitel VII, Artikel 51 der UN-Charta gewährleisteten Rechts auf "individuelle oder kollektive Selbstverteidigung" wahrnehmen sollen. Ein Automatismus zum militärischen Beistand besteht allerdings nicht: Jede Vertragspartei hat im Bündnisfall die Freiheit, unabhängig für sich "die Maßnahmen, einschließlich der Anwendung von Waffengewalt, [zu treffen], die sie für erforderlich erachtet", um die Sicherheit des NATO-Gebietes zu gewährleisten.

Strategiewechsel nach 1991 und 2001

Seit ihrer Gründung hat sich die Rolle der NATO Interner Link: stark verändert. Nachdem sie bereits mit dem Ende der Block-Konfrontation 1991 einen grundlegenden Strategiewechsel vollzogen hatte – von der klassischen Bündnisverteidigung hin zur Krisenbewältigung im euro-atlantischen Raum -, veränderte sich die Bedrohungslage nach den Anschlägen des 11. September 2001 erneut. In der Folge wurde erstmals der Bündnisfall ausgerufen und NATO-Truppen marschierten unter US-Führung in Afghanistan ein. Die stets sichtbare, territorial gebundene Bedrohung des Ost-West-Konflikts war nun einer globalen und in der Regel nicht staatlichen Aggression gewichen. Zugleich wurde deutlich, dass sich der Sicherheitsanspruch der NATO zunehmend auch über das eigene Territorium hinaus erstreckt. Von einem Bündnis vorrangig zur (Landes-)Verteidigung hat sich die Rolle der NATO immer mehr hin zu einer Interner Link: global eingreifenden Ordnungsmacht verschoben – ein Wandel, der unter den Mitgliedstaaten umstritten ist.

Die NATO engagiert sich mittlerweile vermehrt auch außerhalb ihres Bündnisgebietes im Rahmen der Friedenserhaltung und dem "Nation Building". Dazu intensiviert sie immer mehr den Dialog mit internationalen Institutionen wie den Vereinten Nationen (UN) und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).

Aktuelle Einsätze

Seit 1990 haben NATO-Truppen in vielen Konflikten und Katastrophenregionen der Welt eingegriffen: unter anderem in Bosnien-Herzegowina (1995), in Serbien und dem Kosovo (1999), in Mazedonien (2003), im Irak (2004-2011), mit Hilfseinsätzen nach dem Erdbeben in Pakistan und dem Wirbelsturm Katrina im Süden der USA (beides 2005). 2011 beeinflusste die Nato mit Luftschlägen entscheidend den Verlauf des Bürgerkriegs in Libyen und unterstützte die libysche Opposition beim Sturz des Diktators Muammad al-Gaddafi.

Aktuell laufen NATO-Einsätze u.a. in Afghanistan (ISAF), im Kosovo (KFOR), im Mittelmeerraum („Active Endeavour“), vor dem Horn von Afrika und als Partner der Afrikanischen Union in Somalia. Seit Januar 2013 stehen NATO-Soldaten zur Flug- und Raketenabwehr an der Grenze des NATO-Mitglieds Türkei zu Syrien, darunter auch bis zu 400 Soldaten aus Deutschland.

Stationen in der Geschichte der NATO

  • 4. April 1949: Gründung des Nordatlantikpaktes in Washington: Zehn westeuropäische Staaten (Großbritannien, Frankreich, Niederlande, Belgien, Italien, Dänemark, Luxemburg, Norwegen, Island und Portugal) gründen gemeinsam mit den USA und Kanada ein Bündnis zur politischen und militärischen Verteidigung. Aufgabe des Bündnisses ist die Verteidigung des Bündnisterritoriums gegenüber der Sowjetunion und dem Warschauer Pakt.

  • 1955: die Pariser Verträge ermöglichen die Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland.

  • 1989: Fall der Berliner Mauer - Ende der Blockkonfrontation: Beginn einer zunehmend gesamteuropäischen Verantwortung.

  • 1999: Als erste ehemalige Gegner in Mittel- und Osteuropa treten Polen, Tschechien und Ungarn der NATO bei.

  • 2001: Die Anschläge des 11. September 2001 leiten die dritte Entwicklungsphase der NATO ein: Das Bündnis ruft erstmals in seiner Geschichte den Bündnisfall aus.

  • 2004: In Rahmen des Programms "Partnership for Peace" treten sieben weitere Staaten bei - Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, die Slowakei und Slowenien.

  • 2009: 60-jähriges Jubiläum: Gipfel in Baden-Baden, Kehl und Straßburg; Begrüßung der neuen Mitglieder Albanien und Kroatien. Rückkehr Frankreichs in die integrierte Kommandostruktur. Formulierung eines neuen strategischen Konzepts für die NATO.

In Afghanistan sind im Rahmen der unter NATO-Kommando stehenden internationalen Schutztruppe ISAF ("International Security Assistance Force") noch etwa 52.600 ausländische Soldaten aus 49 Ländern im Einsatz. Deutschland beteiligt sich seit Dezember 2001 an dem Einsatz und hat zurzeit etwa 2.900 Bundeswehrsoldaten im Land stationiert. Interner Link: Zum Ende des Jahres 2014 sollen die NATO-Truppen abgezogen und die Verantwortung an die afghanischen Sicherheitskräfte übergeben werden.

Noch rund 4.900 alliierte Soldaten sind heute im Rahmen der Einsatztruppe KFOR im Kosovo stationiert. Der NATO-Einsatz begann im Juni 1999, nachdem die Nato durch Luftangriffe auf Ziele in Serbien Interner Link: in den Kosovo-Konflikt eingegriffen hatte. Auch Deutschland beteiligte sich am Einsatz. Diese Beteiligung war innenpolitisch stark umstritten, da der Militäreinsatz ohne UN-Mandat und damit ohne völkerrechtliche Legitimation durchgeführt wurde. Derzeit sind noch etwa 700 Bundeswehrsoldaten in Kosovo stationiert.

Osterweiterung und Verhältnis zu Russland

Neben der Bedrohungslage hat sich auch das Verhältnis der NATO zu ihren ehemaligen Gegnern grundlegend gewandelt. Im Jahr 1999 waren Polen, die Tschechische Republik und Ungarn dem Bündnis beigetreten. 2004 schlossen sich weitere sieben osteuropäische Staaten an, die ehemals dem Warschauer Pakt angehörten: Rumänien, Bulgarien, Slowenien, Slowakei, Estland, Lettland und Litauen. Seit diesem Zeitpunkt grenzt die Ostgrenze der Nato direkt an Russland. Russland sah im Beitritt der baltischen Länder eine Interner Link: direkte Verletzung seiner Sicherheitsinteressen und hatte die Erweiterung der NATO Richtung Osteuropa seit den 1990er Jahren fortwährend kritisiert. Interner Link: Zu den Dauerstreitpunkten zwischen Russland und dem Bündnis gehört auch das geplante NATO-Raketenabwehrprogramm sowie der mögliche Beitritt Georgiens. 2002 wurde zur besseren Zusammenarbeit der NATO-Russland-Rat gegründet. Durch einen Sondervertrag ist Russland seitdem in die Verteidigungs- und Sicherheitspolitik der NATO eingebunden, ohne selbst Mitglied zu sein.

Die NATO in der Krim-Krise

Durch Interner Link: die Krise in der Ukraine und Interner Link: das militärische Eingreifen Russlands auf der Schwarzmeer-Halbinsel Krim hat sich das Verhältnis zur NATO deutlich verschlechtert. Die Mitgliedstaaten hatten die Zusammenarbeit im NATO-Russland-Rat vorerst ausgesetzt, auch bilaterale Rüstungs- und Sicherheitsabkommen wurden auf Eis gelegt. Einen militärischen Eingriff in der Ukraine hat die NATO aber ausgeschlossen.

Stattdessen verstärkt das Bündnis seine Präsenz an den östlichen Außengrenzen, vor allem im Baltikum. Mehrere NATO-Staaten haben zusätzliche Jagd- und Aufklärungsflugzeuge für die Luftraumüberwachung (Air Policing) über Estland, Lettland und Litauen abgestellt, Deutschland will sich ebenfalls beteiligen. Damit wurde unter anderem Forderungen der rumänischen und polnischen Regierungen entsprochen, die eine aktivere Rolle der Nato in Osteuropa gefordert hatten. Eine Entsendung von Bodentruppen lehnt die NATO bislang ab.

Mit dem Krim-Konflikt wurde auch die Debatte über einen möglichen Beitritt der Ukraine zur NATO wieder angefacht. Die Regierungen mehrerer Mitgliedstaaten, darunter die USA und Deutschland, lehnen eine Mitgliedschaft der Ukraine derzeit ab. Russland fordert einen generellen Verzicht der Ukraine auf einen NATO-Beitritt. Einen formellen Antrag auf eine Mitgliedschaft hatte bislang noch keine ukrainische Regierung gestellt.

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