Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Teilung Zyperns | Hintergrund aktuell | bpb.de

Teilung Zyperns

Redaktion

/ 4 Minuten zu lesen

Vor 40 Jahren putschten griechische Nationalisten gegen die zyprische Regierung. Der Putsch schlug fehl, führte jedoch zur Invasion türkischer Truppen einige Tage später. Seither ist Zypern geteilt.

Grenzposten in Nikosia auf Zypern: Die Grenze verläuft genau zwischen dem türkischen und dem griechischen Teil der Stadt. (© dpa)

Seit 2003 ist die Grenze zwischen beiden Inselteilen wieder durchlässig. Der älteste Konflikt in Europa seit dem Enden des Zweiten Weltkrieges ist damit jedoch nicht gelöst: Die Besetzung des nördlichen Inselteils durch die türkische Armee am 20. Juli 1974 schuf Fakten, die bis heute die zyprische Realität bestimmen. Dabei eskalierte der Konflikt vor 40 Jahren an der Frage, ob Zypern sich mit Griechenland vereinigen oder in einen türkischen und einen griechischen Teil gespalten werden solle - heute geht es um die Vereinigung der Insel. Die Wurzeln des Konflikts reichen bis in das 19. Jahrhundert zurück.

Seit 1570 gehörte Zypern zum Osmanischen Reich. Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs annektierte Großbritannien die Insel. Die Bevölkerung Zyperns war aufgrund ihrer geographischen Lage jedoch schon immer griechisch wie auch türkisch geprägt.

Der Wunsch nach "Enosis"

Seit den 1920er-Jahren wuchs bei vielen griechischen Zyprern der Wunsch nach "Enosis": der Vereinigung mit Griechenland. Ihre Hoffnung, dass die britischen Kolonialherren die Insel abtreten würden, erfüllte sich jedoch nicht. Zu wichtig war den Briten die geostrategische Lage der Mittelmeerinsel. Einen Aufstand der griechischen Zyprer 1931 schlugen sie nieder. Ein inoffizielles, 1950 von der orthodoxen Kirche Zyperns initiiertes Plebiszit, in dem sich eine deutliche Mehrheit der griechischen Zyprer für die Enosis aussprach, ignorierten sie.

Der gerade neu gewählte Erzbischof Zyperns Makarios III., der gleichzeitig auch der politische Vertreter alle griechischen Zyprer war, drohte daraufhin den britischen Machthabern, den Fall Zypern vor die Vereinten Nationen (UN) zu bringen. Die türkische Regierung kündigte daraufhin an, die Insel zurückzufordern, sollte sich der Status quo ändern. Nach dem griechisch-türkischen Krieg zwischen 1919 und 1922 entstand so ein neuer griechisch-türkischer Konflikt.

Auf Zypern bildeten sich ab 1955 auf beiden Seiten bewaffnete Untergrundorganisationen – es kam zu gewalttätigen Ausschreitungen und Mordanschlägen. Radikale griechische Zyprer kämpften – seit 1954 auch mit der Unterstützung Griechenlands – für die Enosis; gegen sie brachten Türken und Briten türkisch-zyprische Gruppen in Stellung. Diese kämpften zunächst für die Beibehaltung des Status quo, zunehmend aber für "Taksim" (aus dem arabischen für "Teilung"), also die Teilung Zyperns in einen türkischen und einen griechischen Teil. Der Konflikt strahlte dabei auch auf die Türkei aus: 1955 kam es in Istanbul zu einem Pogrom gegen die griechische Bevölkerung.

Gründung der Republik Zypern und türkische Invasion

Nachdem Zypern Ende der 1950er-Jahre seine geostrategische Bedeutung für Großbritannien verloren hatte, wurde 1960 die unabhängige Republik Zypern gegründet, was jedoch keine Lösung der innerzyprischen Probleme mit sich brachte. Der Konflikt schwelte weiter, während Großbritannien, die Türkei und Griechenland ihre militärische Präsenz auf Zypern beibehielten.

Als 1963 der griechisch-zyprische Erzbischof Makarios III. als erster gewählter Präsident des Landes mit einer Verfassungsänderung die politischen Minderheitsrechte der türkischen Zyprer beschneiden wollte, eskalierte der Konflikt: in den bürgerkriegsähnlichen Kämpfen zwischen radikalen Vertretern beider Bevölkerungsgruppen in den Jahren 1963 und 1964 kamen mindestens 350 türkische und 200 griechische Zyprer ums Leben. Im März 1964 entsandten die Vereinten Nationen eine Friedenstruppe (UNFICYP), die bis heute auf der Insel stationiert ist.

Am 20. Juli 1974 landeten türkische Truppen auf Zypern und besetzten den Nordteil der Insel. Die Teilung Zyperns in einen türkischen und einen griechischen Teil dauert bis heute an. (© epa / Cypriot Press Office)

Kurzbevor die UN-Soldaten eintrafen, kündigte die Türkei jedoch die Invasion Zyperns an, die nur durch den Druck der USA gegenüber der türkischen Regierung verhindert werden konnte.

Die Militärdiktatur, die in Griechenland zwischen 1967 und 1974 herrschte, hatte zur Folge, dass sich immer weniger griechische Zyprer den Anschluss an Griechenland wünschten. Präsident Makarios III. setzte nun stattdessen auf ein demokratisches und vom diktatorischen Griechenland entflochtenes Zypern.

1974 putschen griechisch-zyprische Offiziere mit Unterstützung der griechischen Militärjunta gegen Makarios III. und brachten Zypern für einige Tage unter ihre Kontrolle. Die Türkei reagierte mit der Umsetzung ihrer Invasionspläne: Am 20. Juli 1974 landeten türkische Truppen auf Zypern.

Infobox

Enosis: Der griechische Begriff "Enosis" bezeichnet die Vereinigung von mehrheitlich von Griechen bewohnten Gebieten mit dem griechischen Staat, eine Bewegung, die seit dem 19. Jahrhundert zum Beispiel auf den Ionischen Inseln oder Kreta populär war. Konkret wird der Begriff heute meist für die Vereinigungsbestrebungen der griechischen Zyprioten mit Griechenland verwendet. Er wird noch gesteigert in der "megali idea", dem Wunsch nach Wiedererrichtung des byzantinischen Reiches. Der Wunsch nach der Enosis ebbte mit der Errichtung der griechischen Militärdiktatur stark ab.

Taksim: Das türkische Wort "Taksim" (dt. Teilung) bezeichnet im Zypernkonflikt die Teilungsbestrebungen der türkischen Zyprioten. Maßgeblich geprägt wurde der Begriff seit den 1950er-Jahren von Rauf Denktaş, der mit dem Slogan "Ya Taksim ya Olum – Teilung oder Tod" bis in die 1990er-Jahre gegen Bestrebungen zur Gründung eines gesamt-zyprischen Staates und gegen die Enosis ankämpfte.

Republik Zypern: Die Republik Zypern ist seit dem 1. Mai 2004 EU-Mitglied. Die Insel ist zwar seit 1974 de facto geteilt, der türkische Norden jedoch lediglich von der Türkei als eigenständiger Staat anerkannt. Völkerrechtlich umfasst die Republik Zypern die ganze Insel, der zyprische Staat kann jedoch im Norden sein Recht und damit auch das EU-Recht nicht ausüben. Hauptstadt ist Nikosia (griech. Lefkosía/türk. Lefkosa) – die Stadt wurde 1964 von der UN-Friedensmission in einen griechischen Süd- und einen türkischen Nordteil gespalten.

Friedensgespräche bleiben ergebnislos

Drei Tage nach der Invasion stürzte in Athen die Militärjunta und in Griechenland kehrte eine zivile Regierung an die Macht zurück. Auch der von den Putschisten eingesetzte griechische Nationalist Nikos Sampson konnte sich in Zypern nicht an der Macht halten.

Die Türkei weitete indes ihre Militäroperation in Zypern aus und nahm zwischen dem 14. und 16. August den Norden der Insel ein, fast 40 Prozent der Inselfläche. 170.000 griechische Zyprer wurden dabei vertrieben. Im Gegenzug verließen viele türkische Zyprer den Süden, um in den Norden zu ziehen, was zu einer ethnischen Teilung der Insel führte. Am 15. November 1983 wurde dann offiziell die Türkische Republik Nordzypern gegründet, die jedoch bis heute von keinem Staat außer der Türkei anerkannt wird.

Der damalige Präsident der türkischen Zyprioten Derviş Eroğlu (l.) und der zyprische Präsident Nikos Anastasiades (r.) treffen am 04. Juli 2014 in Nikosia zusammen, um neue Friedensverhandlungen aufzunehmen. (© epa / Cypriot Press Office)

Seither sind zahlreiche Verhandlungen über eine Lösung des Konflikts gescheitert. Beide Parteien standen sich etwa bei Territorial- und Eigentumsfragen sowie hinsichtlich der politischen Machtverteilung unversöhnlich gegenüber. Den Friedensplan, den der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan 2002 im Zuge des zyprischen EU-Beitritts 2004 entwarf (auch Annan-Plan genannt) und der die Widervereinigung beider Inselteile vorsah, lehnte eine Mehrheit der griechischen Zyprer in einer Volksabstimmung ab. Die türkischen Zyprer hingegen votierten für den Plan, der sah jedoch die Zustimmung beider Bevölkerungsteile vor.

Zu den wenigen Lichtblicken in der Auseinandersetzung gehört die Öffnung eines Grenzübergangs zwischen Nord und Süd im Jahr 2003 in der Hauptstadt Nikosia, die genau zwischen den beiden Inselteilen liegt.

In jüngerer Zeit ist wieder Bewegung in den Friedensprozess gekommen: Im Februar 2014 unterzeichneten der zyprische Staatspräsident Nikos Anastasiades und der Präsident der türkischen Zyprer Derviş Eroğlu eine gemeinsame Erklärung zur Wiederaufnahme der letztmalig 2012 abgebrochenen Verhandlungen. Ziel ist es, bis 2015 eine Föderation mit gemeinsamer Außenvertretung und zwei unabhängigen Verwaltungen zu schaffen.

Mehr zum Thema:

Weitere Inhalte

Weitere Inhalte

Dossier

Türkei

Der Parlamentarismus in der Türkei ist über 100 Jahr alt - unterbrochen durch Militärputsche und Krisenzeiten. Seit 2002 bestimmen die AKP und Staatspräsident Erdoğan die Geschicke des Landes.

Türkei

Der Zypernkonflikt

Der Konflikt um die Insel Zypern ist historisch gewachsen und belastet seit Jahrzehnten die Beziehungen zwischen der Türkei, Griechenland und der Europäischen Union. Nach zwei Jahren Stillstand…

Südosteuropa

Der Balkan und Europa

Bis heute prägen Stereotype das Bild Südosteuropas in Westeuropa. Wo beginnt der Balkan, was eint und trennt die Staaten und warum gilt die Region immer wieder als gewalttätig, rückständig oder fremd?

Hintergrund aktuell

Parlamentswahlen in Zypern

Die Republik Zypern wählt am 30. Mai ein neues Parlament. Neben den hohen Corona-Infektionszahlen prägte der noch immer ungelöste Konflikt um die Teilung der Insel in einen griechischen Süden und…

Hintergrund aktuell

Annäherungsprozess in Zypern

Die Regierungspartei DISY ist bei den zyprischen Parlamentswahlen am vergangenen Sonntag stärkste Kraft geworden. Die Partei unterstützt den Prozess der Wiedervereinigung der Insel.

„Hintergrund Aktuell“ ist ein Angebot der Onlineredaktion der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb. Es wird von den Redakteur/-innen und Volontär/-innen der Onlineredaktion der bpb redaktionell verantwortet und seit 2017 zusammen mit dem Südpol-Redaktionsbüro Köster & Vierecke erstellt.

Interner Link: Mehr Informationen zur Redaktion von "Hintergrund aktuell"