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Klage zu den Minderheiten- und Oppositionsrechten im Bundestag | Hintergrund aktuell | bpb.de

Klage zu den Minderheiten- und Oppositionsrechten im Bundestag

/ 4 Minuten zu lesen

Am 3. Mai 2016 teilte das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung mit, die Klage auf mehr Minderheiten- und Oppositionsrechte im Bundestag abzuweisen. Die Linke hatte geklagt, weil sie die Kontrollfunktion der parlamentarischen Minderheit durch die Große Koalition aus SPD und CDU/CSU verletzt sah.

Innenansicht des Deutschen Bundestags in Berlin. (© picture-alliance)

Aufgrund des großen Stimmenungleichgewichts zwischen der Regierung aus CDU/CSU und SPD mit 503 Sitzen und der Opposition aus Die Linke und Grünen mit 127 Sitzen, können Letztere mit nur 20 Prozent aller Stimmen im Bundestag ihrer Aufgabe kaum nachkommen, die Regierung effektiv zu kontrollieren.

Daher hatte die Bundestagsfraktion Die Linke im September 2014 Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht, um den Umfang von Minderheiten- und Oppositionsrechten im Bundestag anzupassen.

Zu diesen Rechten der Opposition gehört unter anderem das Antragsrecht auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, für das ein Viertel aller Stimmen des Bundestages nötig sind. Für das Recht auf Einberufung des Bundestages durch den Bundestagspräsidenten sind die Stimmen von einem Drittel aller Mitglieder des Bundestags notwendig. Weiterhin benötigt die abstrakte Normenkontrollklage, mit der neue Gesetze durch das Interner Link: Bundesverfassungsgericht auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüft werden können, mindestens die Stimmen von einem Viertel aller Bundestagsabgeordneten.

Mehrheitsverhältnisse im Bundestag (© picture-alliance/dpa)

Das Urteil

In seinem Externer Link: Urteil vom 3.5.2016 wies das Bundesverfassungsgericht die Klage der Linken ab. Das Gericht begründet diese Entscheidung unter anderem damit, dass im Grundgesetz weder spezifische Oppositionsrechte definiert noch deren Schaffung sich daraus ableiten ließe. Gestützt wird dies nach Ansicht des Gerichts dadurch, dass spezielle Rechte für die Minderheit im Bundestag dem Grundsatz der Gleichheit aller Abgeordneten zuwiderlaufe.

Die Linkspartei hatte gefordert, die Gesetzeslage dahingehend zu ändern, dass Oppositionsrechte statt durch ein Quorum durch mindestens zwei Fraktionen im Bundestag ausgeübt werden könnten, die nicht die Bundesregierung tragen. Das Gericht stellte dem entgegen fest, dass in keiner grundgesetzlichen Bestimmung eine bestimmte Anzahl von Fraktionen mit besonderen Rechten ausgestattet wird; insofern könnten parlamentarische Minderheitenrechte auch nicht auf Oppositionsfraktionen beschränkt werden – sie stünden allen Abgeordneten zu, die bestimmte Quoren erfüllen. Ebenso lehnte das Gericht die Absenkung der Interner Link: Quoren ab. Hinsichtlich der Normenkontrollklage hieß es, dass diese statt durch die Opposition im Bundestag auch durch oppositionelle Landesregierungen angestrengt werden können.

Opposition kämpft um mehr Rechte

Im Vorfeld der nun verhandelten Bundesverfassungsgerichtsklage der Linken brachten die Fraktionen Bündnis90/Die Grünen und Die Linke am 29. Januar 2014 einen Gesetzentwurf zur Externer Link: "Sicherung der Oppositionsrechte in der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages" ein. Demnach sollten sechs Gesetze für die Dauer der laufenden Wahlperiode so geändert werden, dass die dort geregelten Minderheitenrechte bereits von mindestens zwei Oppositionsfraktionen statt von 25 Prozent der Bundestagsabgeordneten ausgeübt werden können.

Die Regierungsparteien lehnten diesen Entwurf seinerzeit jedoch ab und ergänzten stattdessen die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages um den Paragrafen 126a (Externer Link: "Besondere Anwendung von Minderheitsrechten in der 18. Wahlperiode"). Diese Änderungen sahen vor, dass verschiedene Rechte der Opposition nun bereits von nur 120 Abgeordneten beantragt werden können – zuvor wären dafür ein Viertel, also 158 Parlamentarier nötig gewesen. Damit kann die Opposition, bestehend aus 127 Abgeordneten, schon den Einsatz eines Untersuchungsausschusses, einer Enquete-Kommission oder die Einberufung des Bundestags durch den Bundestagspräsidenten beantragen.

Die Normenkontrollklage

Da die "abstrakte Normenkontrollklage" jedoch von der Neuregelung der Geschäftsordnung im Paragrafen 126a ausgenommen war, hatte die Fraktion Die Linke Klage vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht.

Die Normenkontrollklage ermöglicht, dass neue Gesetze durch das Bundesverfassungsgericht auf ihre Verfassungsmäßigkeit gegenüber Bundes- oder Landesrecht und dem Grundgesetz überprüft werden können. Wird vom Gericht festgestellt, dass ein Gesetz nicht damit vereinbar ist, so ist es ungültig. Beispiele eines solchen Verfahrens waren jüngst die Überprüfung des Luftsicherheitsgesetz, des Lebenspartnerschaftsgesetz, oder die Gesetze zur Kriegsdienstverweigerung und zum Länderfinanzausgleich.

Die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht

Die Linke wollte mit ihrer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht feststellen lassen, dass der Bundestag gegen das Demokratieprinzip und die Interner Link: Grundsätze des parlamentarischen Regierungssystems verstoßen habe, indem er ihren Gesetzesentwurf vom 29. Januar 2014 ablehnte. Des Weiteren wurde in der Klage argumentiert, dass die Einfügung des Paragrafen 126a in die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages verfassungswidrig sei, denn die im Grundgesetz festgelegten Quoren könnten nicht durch Regelungen der Geschäftsordnung übergangen werden.

In einer Rede vor dem Bundesverfassungsgericht beschrieb Gregor Gysi, ehemaliger Fraktionsvorsitzender der Linken, die Normenkontrollklage als wesentlichen Bestandteil der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, der Rechtsstaatlichkeit und des Demokratieverständnisses, wie es sich aus dem Grundgesetz ergibt. Weiter argumentierte Gysi, dass bereits die Möglichkeit einer Normenkontrollklage disziplinierende Wirkung habe und die gesetzgebende Mehrheit im Bundestag dazu zwinge, die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzesvorhaben zu prüfen.

Die Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD betrachtete hingegen die bereits neu geschaffenen Regelungen des Paragrafen 126a als ausreichend. So äußerte die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Christine Lambrecht, dass es sich bei der Normenkontrollklage nicht allein um ein spezielles Recht allein der parlamentarischen Minderheit handle. Diese Klage könne zwar von einem Viertel der Bundestagsabgeordneten, aber auch von der Bundesregierung oder einer Landesregierung erhoben werden.

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