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Vor 100 Jahren: Großbritannien und Frankreich vereinbaren das Sykes-Picot-Abkommen | Hintergrund aktuell | bpb.de

Vor 100 Jahren: Großbritannien und Frankreich vereinbaren das Sykes-Picot-Abkommen

Redaktion

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Am 16. Mai 1916 schlossen die Regierungen von Großbritannien und Frankreich das geheime Sykes-Picot-Abkommen. Darin vereinbarten die beiden Staaten die Aufteilung der arabischen Provinzen des Osmanischen Reiches.

Sir Mark Sykes (1879-1919, links) und Jacques Picot (1870-1951, rechts). (© picture-alliance, CPA Media)

Im 19. Jahrhundert beschäftigte sich die europäische Außenpolitik mit der Frage, wie man mit dem schwächer werdenden Osmanischen Reich am besten umgehen sollte. Das Osmanische Reich war bereits seit Ende des 17. Jahrhunderts in einem wirtschaftlich schlechten Zustand und immer stärker von den Ländern Europas abhängig. Seine Erhaltung war für Europa jedoch wichtig, um den Weg zum Mittelmeer für Russland zu blockieren und das Kräftegleichgewicht auf dem europäischen Kontinent zu erhalten.

Der Erste Weltkrieg

Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges unterzeichnete die Regierung des Osmanischen Reiches am 2. August 1914 einen Bündnisvertrag mit dem Deutschen Reich. Auf diese Weise wollte das Osmanische Reich seine Position auf dem Balkan langfristig stärken. Das Deutsche Reich erwartete hingegen die Bereitstellung von Truppen und hoffte, dass der neue Bündnispartner als asiatisch muslimisches Großreich seinen politischen Einfluss auch in den von Muslimen bewohnten Kolonialgebieten der Entente-Mächte (Großbritannien, Frankreich, Russland) geltend machen könnte.

Als der Sultan im November 1914 zum "Heiligen Krieg" gegen die Entente aufrief, versuchte Großbritannien, die Araber zum Aufstand gegen die Osmanen zu bewegen. Ab 1915 verhandelten der britische Hochkommissar von Ägypten Sir Henry McMahon und der Scherif Hussein von Mekka die Bedingungen für eine Arabische Revolte gegen die osmanische Herrschaft. Im Gegenzug für die militärische Unterstützung versprach Großbritannien, die Schaffung eines unabhängigen arabischen Staates zu unterstützen.

Vor diesem Hintergrund begann im Juli 1916 die Arabische Revolte. Dass Frankreich und Großbritannien im Rahmen des Sykes-Picot-Abkommen jedoch bereits andere Vereinbarungen getroffen hatten, war zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt.

Sykes-Picot Abkommen

Am 16. Mai 1916 unterzeichneten der britische Diplomat Sir Mark Sykes und sein französischer Kollege Francois Georges Picot im Geheimen das Sykes-Picot-Abkommen, mit dem sie die arabischen Provinzen des Osmanischen Reiches für die Zeit nach dem Kriegsende in Einflusssphären aufteilten. Frankreich sollte die Kontrolle über den Südosten der Türkei, den Libanon, Syrien sowie den nördlichen Irak erhalten. Großbritannien hingegen über das heutige Jordanien, das heutige Israel und Palästina sowie den südlichen Irak. In diesen Einflussbereichen sollten Frankreich und Großbritannien das Recht haben, nach ihren Wünschen direkte oder indirekte Verwaltungen oder Kontrollen einzurichten.

Auf dem Gebiet Palästinas wollten Frankreich und Großbritannien zudem eine internationale Verwaltung errichten, deren Beschaffenheit nach Absprache mit Russland und den anderen Alliierten verhandelt werden sollte. Neben Frankreich und Großbritannien stimmten auch Russland und Italien der Vereinbarung zu, die ihnen einige türkische Gebiete in Aussicht stellte.

Für die militärische Unterstützung im Kampf gegen das Osmanische Reich hatte die britische Regierung den arabischen Aufständischen nach dem Ende des Krieges einen unabhängigen Staat in Aussicht gestellt. Da das Sykes-Picot-Abkommen jedoch im Widerspruch dazu stand, hatten Frankreich und vor allem Großbritannien ein großes Interesse daran, ihre Vereinbarung geheim zu halten.

Nach der russischen Oktoberrevolution im Jahr 1917 und Russlands Ausscheiden aus der Kriegskoalition gegen die Mittelmächte (Deutschland, Österreich-Ungarn, Osmanisches Reich) ließ Lenin im Januar 1918 das Sykes-Picot-Abkommen veröffentlichen. Allerdings verbreitete sich die Nachricht nur langsam und so kämpften die Truppen des Scherifen Hussein trotzdem weiter an der Seite der Briten gegen die Osmanen.

Umsetzung des Abkommens und seine Folgen

Nach der Niederlage der osmanischen Truppen besetzten Frankreich und Großbritannien die im Sykes-Picot-Abkommen vereinbarten Gebiete. In der Folge kam es in der Region zu Aufständen, die jedoch von britischen und französischen Truppen niedergeschlagen wurden. Auf der Konferenz von San Remo wurde im Jahr 1920 die zukünftige Regelung für die Region beschlossen. Durch den Völkerbund erhielten Frankreich und Großbritannien Mandate über die von ihnen gewünschten Gebiete. Mesopotamien und Palästina wurden britisches Mandatsgebiet, Frankreich erhielt Mandate über Syrien und den Libanon.

Mit dem Sykes-Picot-Abkommen wurden Staatsgrenzen unabhängig von bestehenden ethnischen oder religiösen Gruppierungen gezogen. Als Folge von Sykes-Picot entstanden unter anderem die Staaten Libanon, Syrien, Jordanien und Irak mit ihren heute bestehenden Grenzen. Aktuelle Konflikte und Kriege in Syrien und im Irak zeigen, dass die damalige Aufteilung des Nahen Ostens immer noch zu Konflikten führt.

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