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Bundesverfassungsgerichtsurteil zum OMT-Programm | Hintergrund aktuell | bpb.de

Bundesverfassungsgerichtsurteil zum OMT-Programm

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Am 21. Juni verkündet das Bundesverfassungsgericht sein Urteil, ob die Europäische Zentralbank Staatsanleihen bestimmter Euroländer erwerben darf. Damit endet ein mehrjähriges Verfahren.

Urteilsverkündung beim Bundesverfassungsgericht (© picture-alliance/dpa)

Am 21. Juni wird das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Interner Link: "Outright Monetary Transactions"-Programm (OMT-Programm) der Interner Link: Europäischen Zentralbank (EZB) verkündet. Das Urteil erfolgt auf Grundlage der mündlichen Verhandlung vom 16. Februar 2016. Bereits im Juni 2013 hatten erste mündliche Verhandlungen stattgefunden. Dabei wurden bisher grundlegende Fragen hinsichtlich der EU-Verfassungsorgane und ihrer Zuständigkeiten geprüft: Etwa, ob die EZB die "Verfassungsidentität" des deutschen Staates verletzt haben könnte, indem sie das OMT-Programm auflegte. Zudem wurde geprüft, ob die EZB ihre Befugnisse überschritten hat und in ihrem Handeln demokratisch legitimiert ist.

Das "Outright Monetary Transactions"-Programm

"Outright Monetary Transactions", im Deutschen auch "geldpolitische Outright-Geschäfte" genannt, bezeichnet ein Programm des Eurosystems zum Ankauf von Staatsanleihen. Im September 2012 ersetzten diese geldpolitischen Outright-Geschäfte das Programm für die Interner Link: Wertpapiermärkte (Securities Marktes Programme, SMP). Mit dem OMT-Programm kann die EZB Staatsanleihen anderer EU-Staaten in zunächst nicht begrenzter Höhe aufkaufen. Damit beabsichtigt der EZB-Rat, eine einheitliche Geldpolitik in der Eurozone sicherzustellen und damit die Preisstabilität zu erhalten. Die potentiellen Transaktionen konzentrieren sich vor allem auf Staatsanleihen mit kurzen Laufzeiten zwischen ein und drei Jahren. Das Programm sieht zudem vor, das für die Wertpapierkäufe geschaffene Geld der Zentralbank dem Geldmarkt zu einem späteren Zeitpunkt wieder zu entziehen. Der EZB-Rat entscheidet über Start, Dauer und Ende der Transaktionen.

Im Rahmen des OMT-Programms kann der Ankauf von Staatsanleihen nur erfolgen, wenn sich der betreffende Staat den Auflagen im Rahmen eines EFSF1-/ESM-Programms unterwirft. Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) wurde in Reaktion auf die globale Wirtschaftskrise installiert, um die Zahlungsfähigkeit der Euro-Länder bei vorübergehenden Finanzierungsproblemen mithilfe von Krediten, Bürgschaften oder dem Ankauf von Staatsanleihen sicherzustellen. Er ersetzte am 1. Juli 2013 den vorläufigen Rettungsschirm Interner Link: EFSF (European Financial Stability Facility). Indem sich Staaten unter den sogenannten europäischen Rettungsschirm begeben, verpflichten sie sich zu strengen Reform- und Sparmaßnahmen.

Bislang wurde das OMT-Programm nicht angewendet. Stattdessen legte die EZB mit dem Quantitative Easing-Programm einen Mechanismus auf, der das Kaufen von Anleihen nicht nur auf Staaten mit fiskalischen Schwierigkeiten beschränkt – sondern auch von Banken und Großinvestoren Staatsanleihen abkaufen kann. Allein die Ankündigung Mario Draghis im Sommer 2012, das OMT-Programm ins Leben rufen zu wollen, beruhigte damals die Märkte. Die Aussage verstanden Investoren als Garantie, den Euro über diese Staatsanleihekäufe in jedem Fall zu stützen.

Kompetenzen der EZB

Die EZB untersteht keinerlei Weisungen und ist unabhängig. Das vorrangige Ziel der EZB ist es, die Preisstabilität zu gewährleisten, indem sie die Währungspolitik in den Staaten bestimmt, die den Euro als Zahlungsmittel haben. Ohne dieses Ziel zu beeinträchtigen, unterstützt die EZB zudem die allgemeine Wirtschaftspolitik der Union, um dazu beizutragen, die in Artikel 3 des Interner Link: Vertrages über die Europäische Union festgelegten Ziele zu verwirklichen.

Konkret hat die EZB die Aufgaben, die Geldpolitik der Union festzulegen und auszuführen, Devisengeschäfte durchzuführen, die offiziellen Währungsreserven der Mitgliedsstaaten zu verwalten und zu gewährleisten, dass die Zahlungssysteme funktionieren. Eine direkte Finanzierung von Staaten darf die EZB nach Paragraph 123 des Externer Link: Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union jedoch nicht betreiben. Konkret ist der EZB der unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln von Staaten untersagt. Doch das "Outright Monetary Transactions"-Programm würde es der EZB ermöglichen, Staatsanleihen von privaten Akteuren, Banken und Investoren, aufzukaufen. Damit würde, so die Befürchtung, nicht mehr reine Geldpolitik, sondern Wirtschaftspolitik betrieben – wofür die EZB aber nicht zuständig ist.

Die Sicht der Klägerseite

Die Klage beim Bundesverfassungsgericht haben der Politiker Peter Gauweiler (CSU), die frühere Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin, die Linkspartei und der Verein "Mehr Demokratie" angestrengt. Rund 12.000 Bürger schlossen sich der Klägerseite an. Gauweiler sieht im OMT-Programm eine Vergemeinschaftung der Haftung für Staatsschulden gegen den Willen der Vertragsstaaten. Zudem überschreite die EZB ihr geldpolitisches Mandat und greife in die wirtschaftliche Kompetenz der Euro-Staaten ein.

Bisherige Gerichtsentscheide und Ausblick auf das Urteil

Bereits am 16. Juni 2015 urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) zum OMT-Programm. Demnach darf die EZB Staatsanleihen von Euro-Ländern kaufen, die fiskalische Schwierigkeiten haben. Das Programm überschreite nicht die währungspolitischen Befugnisse der EZB, verstoße nicht gegen das Verbot der Finanzierung einzelner Mitgliedstaaten und sei keine Wirtschaftspolitik.

Ob sich das Bundesverfassungsgericht am 21. Juni in seinem Urteil an der vorherigen Entscheidung des EuGH orientieren wird, wird unterschiedlich eingeschätzt. Zumindest könnte das Bundesverfassungsgericht das OMT-Programm im Grundsatz genehmigen, aber eventuell eigene Bedingungen an eine mögliche Beteiligung Deutschlands stellen.

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