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Kongresswahl in Peru

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Nach einem mehrmonatigen Machtkampf hat der peruanische Präsident Vizcarra das Parlament im Herbst aufgelöst. Nun wird am 26. Januar neu gewählt – nur ein Jahr vor dem nächsten regulären Wahltermin.

Demonstrantinnen und Demonstranten feiern in der peruanischen Hauptstadt Lima die Auflösung des Kongresses. (© picture-alliance/AP)

Am 26. Januar sind in Interner Link: Peru 24,8 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen, die Abgeordneten zum Interner Link: Kongress zu wählen. Der peruanische Präsident Martín Vizcarra hatte das Parlament im September 2019 aufgelöst und die außerordentliche Wahl angesetzt. Dennoch wird verfassungsgemäß an den nächsten regulären Kongress- und Präsidentschaftswahlen in 15 Monaten, im April 2021, festgehalten.

Warum wird vorzeitig gewählt?

Die Zusammenarbeit zwischen der Regierung und dem von der Opposition kontrollierten Kongress gestaltete sich bereits seit den letzten allgemeinen Wahlen im Jahr 2016 schwierig: Damals gingen das Präsidentenamt und die Mehrheit im Kongress an unterschiedliche politische Lager. Pedro Pablo Kuczynski von der Partei "Peruanos Por el Kambio" (PPK, deutsch: Peruaner für den Wandel) wurde mit einem knappen Vorsprung zum Präsidenten gewählt. Im Kongress ging die absolute Mehrheit der Sitze an die Partei "Fuerza Popular" (FP, deutsch: Volkskraft), die Partei der unterlegenen Präsidentschaftskandidatin Keiko Fujimori.

Im März 2018 erklärte Staatspräsident Kuczynski nach einem Korruptionsskandal seinen Rücktritt als Präsident. Das Präsidentschaftsamt übernahm daraufhin verfassungsgemäß der vormalige Vizepräsident Martín Vizcarra. Der parteilose Politiker wird in der politischen Mitte verortet. Der institutionelle Konflikt zwischen Legislative und Exekutive setzte sich auch unter ihm fort. Um diesen zu beenden, forderte Vizcarra im Sommer 2019 vorgezogene Neuwahlen. Eine Verfassungsänderung zur Durchführung von Neuwahlen lehnte der zuständige Ausschuss im Kongress ab. Nach einem Streit über eine Neuregelung für die Besetzung des Verfassungsgerichts löste Präsident Vizcarra am 30. September 2019 den Kongress auf.

Noch am selben Tag stimmte das Parlament für die Suspendierung des Präsidenten und ernannte die Vizepräsidentin Mercedes Aráoz zur Interimspräsidentin, die jedoch nach nur einem Tag zurücktrat. Militär und Gouverneure hatten sich hinter Vizcarra gestellt. Auch in der Bevölkerung stieß die Auflösung des Kongresses auf hohe Zustimmung. Am 14. Januar 2020 urteilte das peruanische Verfassungsgericht in einer knappen Entscheidung, dass die Auflösung des Kongresses durch Vizcarra rechtmäßig war.

Wie wird gewählt?

Der Kongress der Republik Peru ist ein Interner Link: Ein-Kammer-Parlament und verfügt über 130 Sitze. Die Abgeordneten werden regulär alle fünf Jahre gewählt – zeitgleich mit dem Präsidenten oder der Präsidentin. Bei der anstehenden außerordentlichen Kongresswahl am 26. Januar werden die Sitze im Parlament für die verbleibende Zeit der aktuellen Legislaturperiode (seit 2016) neu besetzt. Bereits im nächsten Jahr finden wieder allgemeine Wahlen statt.

Die Abgeordnetensitze werden in 26 Wahlkreisen nach einen Verhältniswahlrecht vergeben. Dabei steht jedem Wahlkreis proportional zur Einwohnerzahl eine bestimmte Anzahl an Sitzen im Kongress zu. Mehr als ein Viertel der Mandate entfällt auf den Wahlkreis der Hauptstadt Lima. Das Wahlgesetz sieht außerdem eine Geschlechterquote vor: Auf den Wahllisten der Parteien müssen Frauen oder gegebenenfalls Männer mit einem Anteil von jeweils mindestens 30 Prozent vertreten sein.

Wahlberechtigt ist, wer die peruanische Staatsbürgerschaft besitzt und mindestens 18 Jahre alt ist. Für alle Wahlberechtigten bis 70 Jahre gilt eine Wahlpflicht. Wer nicht wählen geht, muss mit einer Geldstrafe rechnen. Auch knapp eine Million Peruanerinnen und Peruaner, die im Ausland leben, sind zur Wahl aufgerufen. Peru hat eine relativ junge Wähler/-innenschaft: 28 Prozent der Wahlberechtigten sind 30 Jahre oder jünger.

Um in den Kongress einzuziehen, muss eine Partei landesweit über fünf Prozent der Stimmen erhalten. Eine Partei zieht aber auch dann ins Parlament ein, wenn mindestens sechs Abgeordneten aus mehr als einem Wahlkreis der Einzug in den Kongress gelingt. Die direkte Wiederwahl einer oder eines Abgeordneten in zwei aufeinanderfolgenden Legislaturperioden ist zwar nach einem Referendum über eine Verfassungsreform im Dezember 2018 nicht mehr erlaubt – doch diese Neuregelung findet bei der bevorstehenden außerordentlichen Wahl keine Anwendung.

Wie viel Macht hat der Kongress in Peru?

Der Kongress übt gemäß Verfassung die Interner Link: gesetzgebende Gewalt (Legislative) aus. Zu seinen Aufgaben gehört es, Gesetze zu beschließen und die Arbeit der Regierung und der öffentlichen Verwaltung zu überwachen. Der Kongress steht einem Staatspräsidenten – derzeit Martín Vizcarra – mit bedeutenden Machtbefugnissen gegenüber, der entscheidend in den Gesetzgebungsprozess eingreifen kann. Genauso wie die Abgeordneten hat auch die Präsidentin oder der Präsident das Recht zur Gesetzesinitiative. Außerdem müssen neue Gesetze von ihr oder ihm verkündet werden – die Präsidentin oder der Präsident kann dabei auch ein Veto einlegen.

Gehören Präsidentin oder Präsident und Parlamentsmehrheit verschiedenen politischen Lagern an, kann dies zu institutionellen Konflikten führen, welche die Regierungsarbeit erheblich erschweren oder gar blockieren. Seit den letzten allgemeinen Wahlen im Jahr 2016 war die peruanische Innenpolitik durch Machtkämpfe zwischen dem Kongress und den beiden seither regierenden Präsidenten geprägt, die mit vielen ihrer Gesetzesvorhaben scheiterten.

Wer steht zur Wahl?

Insgesamt treten 22 Parteien zur Wahl an. Das Interner Link: Parteiensystem in Peru gilt als schwach konsolidiert und ist von ständigen Veränderungen geprägt. Die Wechselbereitschaft unter den Wählerinnen und Wählern ist stark ausgeprägt: In Umfragen gab mehr als die Hälfte der Befragten an, noch unentschlossen zu sein – die Vorwahlbefragungen sind daher nur bedingt aussagekräftig.

Die "Peruanos Por el Kambio" (PPK, deutsch: Peruaner für den Wandel), die 2016 mit Pedro Pablo Kuczynski die Präsidentschaftswahl gewonnen hat und mit 16,5 Prozent als zweitstärkste Kraft in den Kongress eingezogen ist, führt inzwischen den Namen "Contigo" (deutsch: Mit dir) und dürfte Umfragen zufolge wohl keine Rolle für den Wahlausgang spielen.

Die 2011 von Keiko Fujimori gegründete Partei "Fuerza Popular" (FP, deutsch: Volkskraft), könnte ebenfalls deutlich an Stimmen verlieren. Keiko Fujimori ist die Tochter des Interner Link: ehemaligen Präsidenten Alberto Fujimori, der Peru von 1990 bis 2000 autoritär regierte. "Fuerza Popular" hatte in den letzten Jahren einen Machtkampf mit den Präsidenten Kuczynski und Vizcarra geführt. Die Parteivorsitzende Keiko Fujimori saß bis November 2019 im Zusammenhang mit einem Korruptionsskandal um den brasilianischen Baukonzern Odebrecht für über ein Jahr in Untersuchungshaft.

Die meisten Stimmen könnte Umfragen zufolge die "Acción Popular" (AP, deutsch: Volksaktion) auf sich vereinen. Derzeit ist die in der politischen Mitte verortete Partei nur mit sehr wenigen Abgeordneten im Parlament vertreten. Der AP gehört auch Jorge Muñoz Wells an, der seit 2019 amtierende Bürgermeister von Lima.

Zahlreiche Parteien werden wohl auch in diesem Jahr an der Interner Link: Sperrklausel scheitern. Chancen, diese zu überwinden, werden auch der neu gegründete "Partido Morado" (deutsch: Lila Partei) zugerechnet. Die Partei gilt als liberal und progressiv.

Welche Themen prägen den Wahlkampf?

Korruption von Politikerinnen und Politikern wird von der peruanischen Bevölkerung als großes Problem wahrgenommen und ist deshalb auch eines der wichtigen Themen im Wahlkampf. Präsident Vizcarra erhielt in den Umfragen u. a. Zustimmung, da er sich für die Bekämpfung von Korruption einsetzen will.

Die innere Sicherheit ist ein weiteres Thema im Wahlkampf. Das Land leidet unter einer hohen Kriminalität. Im Kampf gegen den Drogenhandel wurde in einigen Provinzen der Notstand ausgerufen. Auch das traditionelle Familienbild Perus und das Thema Gewalt gegen Frauen spielen im Wahlkampf eine Rolle.

Diskutiert wird zudem über den Zugang zu sauberem Wasser und zur Stromversorgung, was für viele in Peru nicht selbstverständlich ist. Auch an neuen Bergbauprojekten entzündet sich Streit.

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