Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt: Zahlen, Daten, Fakten
Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt hat sich in den letzten Jahren scheinbar deutlich gewandelt. Statt eines Lehrstellenmangels wurde zuletzt vielmehr ein Mangel an geeigneten Bewerbern thematisiert. In manchen Regionen würden Azubis zum knappen Gut, urteilte die Bundesagentur für Arbeit noch 2012. Doch zunehmend wird ein Mismatch zwischen Bewerbern und Lehrstellen zum Problem: Es bleiben immer mehr Stellen unbesetzt und die Zahl der Jugendlichen, die keinen Ausbildungsplatz findet, steigt. Zudem wurden 2013 so wenige Ausbildungsverträge abgeschlossen wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr.
"Der Ausbildungsmarkt verändert sich: Es wurden weniger Ausbildungsverträge abgeschlossen als im Vorjahr. Zugleich stieg die Zahl unbesetzter betrieblicher Ausbildungsplätze auf einen Höchststand. Eine zentrale Herausforderung stellen die zunehmenden Matchingprobleme am Ausbildungsmarkt dar. Betriebe klagen über Schwierigkeiten, geeignete Jugendliche für ihre Ausbildungsstellen zu finden. Auf der anderen Seite gibt es noch zu viele Jugendliche, denen der Einstieg in Ausbildung nicht unmittelbar gelingt." So urteilt das Bundesministerium für Bildung und Forschung im aktuellen Berufsbildungsbericht 2014 über die Problemlage am Ausbildungsmarkt.


Angebot und Nachfrage am Ausbildungsmarkt
Im Berichtsjahr 2012/13 suchten gemäß Ausbildungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) etwa 561.000 Personen eine Ausbildungsstelle. Ihnen standen rund 505.000 Ausbildungsplätze gegenüber, mehr als 56.000 weniger als benötigt. Die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage am Ausbildungsmarkt ist somit nach einer zwischenzeitlichen Entspannung im Jahr 2010/11, als sie auf 26.000 Stellen gesunken war, zuletzt wieder deutlich gewachsen.Ebenfalls zugenommen hat sowohl die Zahl der unversorgten Bewerber als auch der unbesetzten Stellen. Im Berichtsjahr 2012/13 fanden etwa 21.000 der gemeldeten Bewerber keinen Ausbildungsplatz, über 5.000 Personen mehr als noch im Vorjahr. Gleichzeitig konnten über 33.500 der gemeldeten Ausbildungsplätze nicht besetzt werden, 260 mehr als noch 2011/12. Die Zahl der unbesetzten Berufsausbildungsstellen lag damit deutlich über der der unversorgten Bewerber.
Entwicklung des Ausbildungsmarktes 2008 bis 2013
2008/09 | 2009/10 | 2010/11 | 2011/12 | 2012/13 | |
---|---|---|---|---|---|
gemeldete Bewerber | 561.673 | 588.486 | 545.908 | 561.783 | 561.168 |
gemeldete Ausbildungsstellen | 475.392 | 483.540 | 519.554 | 517.102 | 504.542 |
unbesetzte Stellen (September 2013) | 17.255 | 19.605 | 29.689 | 33.274 | 33.534 |
unversorgte Stellen (September 2013) | 15.486 | 12.016 | 11.344 | 15.637 | 21.034 |
Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Arbeitsmarkt in Zahlen. Ausbildungsstellenmarkt, Bewerber und Berufsausbildungsstellen, Deutschland, September 2013, 2012 und 2010.
i
Aussagekraft der Ausbildungsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit
Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge versus ausbildungsinteressierte Jugendliche


Demgegenüber ermittelte das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) für 2013 816.541 junge Menschen, die ein ernsthaftes Interesse an einer Ausbildung hatten. Lediglich 65 Prozent von ihnen mündeten in eine duale Berufsausbildung ein. 2012 waren es noch 66,7 Prozent, 2011 noch 68,2 Prozent.
Ausbildungsinteressierte 2013
Junge Menschen mit Ausbildungsvertrag | 530.715 |
---|---|
Bewerber/innen in Maßnahmen/Übergangsbereich mit Vermittlungsauftrag | 62.530 |
Bewerber/innen in Maßnahmen/Übergangsbereich ohne Vermittlungsauftrag | 106.640 |
Bewerber/innen, deren Verbleib nicht bekannt ist | 95.622 |
Offiziell unversorgte Bewerber/innen | 21.034 |
Insgesamt | 816.541 |
Quelle: Berufsbildungsbericht 2014, S.160.
i
Ausbildungsinteressierte: Anzahl
"Insgesamt verschlechterte sich die Marktlage zu Lasten der Jugendlichen, und es gelang nicht mehr im selben Ausmaß wie in den drei Jahren zuvor, ausbildungsinteressierte Jugendliche an dualer Berufsausbildung zu beteiligen", fasst das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) die jüngste Entwicklung zusammen.
Hintergründe der Ausbildungsmarktsituation: Sinkende Ausbildungsbereitschaft der Betriebe versus mangelnde Ausbildungsreife
Nicht einmal jeder vierte Betrieb bildet aus. 2011 lag der Anteil der ausbildenden an allen Betrieben bei lediglich 21,7 Prozent. Die so genannte Ausbildungsbetriebsquote ist zudem in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken. 2008 betrug sie beispielsweise noch 24 Prozent. Unter den größeren Betrieben finden sich tendenziell mehr Ausbildungsbetriebe als unter den kleinen Betrieben.Ausbildungsbetriebsquote nach Betriebsgrößenklassen (2011)
Betriebsgrößenklasse | Betriebe insgesamt | Ausbildungsbetriebe | Ausbildungs- betriebsquote |
---|---|---|---|
1-9 Beschäftigte | 1.665.327 | 236.254 | 14,2% |
10-49 Beschäftigte | 334.601 | 152.924 | 45,7% |
50-249 Beschäftigte | 80.033 | 54.075 | 67,6% |
250 und mehr Beschäftigte | 13.953 | 11.827 | 84,8% |
Insgesamt | 2.093.914 | 455.080 | 21,7% |
Quelle: Bundesinstitut für Berufsbildung, Betriebe und Ausbildungsbetriebe nach Betriebsgrößenklassen
Insgesamt ist aber die Ausbildungsquote (Anteil der Auszubildenden an den Beschäftigten im Betrieb) umso niedriger, je größer der Betrieb ist. Gerade große und sehr große Betriebe leisten im Bereich der Ausbildung nur einen unterdurchschnittlichen Beitrag. Selbst unter den Großbetrieben mit 250 und mehr Beschäftigten finden sich über 15 Prozent, die nicht ausbilden.Ausbildungsquote nach Betriebsgrößenklassen (2011)
Betriebsgrößenklasse | Beschäftigte insgesamt | Auszubildende | Ausbildungsquote |
---|---|---|---|
1-9 Beschäftigte | 4.831.495 | 320.838 | 6,6% |
10-49 Beschäftigte | 6.734.942 | 429.327 | 6,4% |
50-249 Beschäftigte | 7.998.925 | 446.194 | 5,6% |
250 und mehr Beschäftigte | 9.222.128 | 445.683 | 4,8% |
Insgesamt | 28.787.490 | 1.642.042 | 5,7% |
Quelle: Bundesinstitut für Berufsbildung, Beschäftigte und Auszubildende nach Betriebsgrößenklassen
Zwar ist nicht jeder Betrieb auch tatsächlich ausbildungsberechtigt. Nach Daten des IAB-Betriebspanels verfügt aber etwa die Hälfte der Kleinstbetriebe (weniger als 10 Beschäftigte) über eine Ausbildungsberechtigung, während es bei den Großbetrieben über 90 Prozent sind. Sie sind als Ausbildungsstätte geeignet und verfügen über fachlich und persönlich befähigte Ausbilder.Arbeitgeber begründen ihre sinkende Ausbildungsbereitschaft häufig mit einer mangelnden Ausbildungsreife der Bewerber. Eine Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) aus dem Jahr 2012 kam zu dem Ergebnis, dass 44 Prozent der Unternehmen mit "Ausbildungshemmnissen" zu kämpfen hätten, zu denen hauptsächlich ein Mangel an geeigneten Bewerbern zähle. Die Arbeitnehmerseite wirft den potentiellen Ausbildungsbetrieben hingegen vor, dass sie Ausbildungsplätze mit unattraktiven Bedingungen anböten und aufgrund dessen Probleme hätten, die passenden Bewerber zu finden. Eine Studie im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung kam beispielsweise 2012 zu dem Ergebnis, dass die Branchen mit den größten Besetzungsproblemen, wie die Hotel- und Gaststättenbranche, besonders unattraktive Arbeitsbedingungen und nur geringe Bezahlung anbieten.
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Autoren: Sabrina Bersheim, Frank Oschmiansky, Jürgen Kühl, Stefan Sell für bpb.de
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