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Standpunkt: Das EEG setzt die falschen Anreize

Esther Chrischilles

/ 5 Minuten zu lesen

Solarstrom ist in Deutschland teuer. Damit er dennoch produziert wird, fördert ihn das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) großzügig – insbesondere in der Vergangenheit deutlich zu großzügig, meint Esther Chrischilles. Den stetig steigenden Fördersummen könnten die jüngsten Reformen nur zum Teil entgegenwirken. Es fehlen weiterhin Anreize zur Kosteneffizienz und Marktorientierung.

Esther Chrischilles

Im Vergleich zu konventionellen Kraftwerken sind erneuerbare Energien deutlich teurer. Aus diesem Grund wäre regenerativ erzeugter Strom ohne staatliche Förderung derzeit nicht wettbewerbsfähig. Damit er dennoch produziert wird, wird Betreibern von Wind- oder Solaranlagen eine über 20 Jahre festgelegte Vergütung garantiert, die über dem Strompreis liegt, den er üblicherweise am Markt erhalten würde (Erneuerbare Energien Gesetz, kurz: EEG). Die Einspeisevergütungen variieren je nach Erzeugungstechnologie sowie Datum der Inbetriebnahme, Größe und Art der Anlage. Mittlerweile macht die Vergütung für Solarstrom etwa 46 Prozent der insgesamt für die Förderung erneuerbarer Energien aufgewandten Zahlungen aus. Dahingegen beträgt der Anteil von Solarstrom an der tatsächlich im Rahmen des EEG erzeugten Strommenge nur etwa 21 Prozent. Denn Solarstrom wird durch das EEG besonders hoch vergütet: Im Jahr 2011 mit durchschnittlich 40,2 Cent pro Kilowattstunde. Windenergie an Land hingegen wird mit nur 9,2 Cent entlohnt.

Das Erneuerbare Energien Gesetz fördert ineffiziente Technologien

Die Höhe der Einspeisevergütungen folgen einer kostenorientierten Logik: Je höher die Stromgestehungskosten, also die Kosten, die für die Investition und den Betrieb einer Anlage über deren Laufzeit anfallen, desto höher ist die pro Kilowattstunde gezahlte Vergütung. Jüngeren Studien zufolge liegen die Stromgestehungskosten für Fotovoltaik-Dachanlagen im Jahr 2015 immer noch fast sechsmal so hoch wie für ein Braunkohlekraftwerk und fast dreimal so hoch wie für eine Windkraftanlage auf dem Festland. Letzteres gilt unter den in Deutschland herrschenden Standortbedingungen und die sind für Solarenergie insgesamt nicht besonders gut. Aufgrund der hiesigen Sonnenverhältnisse können Fotovoltaikanlagen durchschnittlich nur etwa in 900 von den 8.760 Stunden im Jahr ihre volle Leistung abrufen. Zum Vergleich: Konventionelle Kraftwerke sind üblicherweise 7.500 Stunden verfügbar und selbst andere von Witterungsbedingungen abhängige Technologien wie Windanlagen zu Land oder auf dem Wasser kommen mit durchschnittlich 1.850 bzw. 3.800 Stunden auf deutlich bessere Werte. Nur die durch das EEG garantierte hohe Vergütung macht Solarenergie trotz der vergleichsweise schlechten Bedingungen in Deutschland rentabel. Die Einspeisevergütungen sind nicht so ausgestaltet, dass sich der Ausbau von in Deutschland besonders effizienten Technologien lohnt.

Hinzu kommt, dass die Einspeisevergütung den Betreibern von Solaranlagen zwischenzeitlich eine überhöhte Rendite ermöglichte. Für die Höhe der Rendite sind neben der Vergütung vor allem die Kosten für Anlagen relevant. Da diese aufgrund von technologischen Fortschritten in der Produktion kontinuierlich sinken, sind auch im EEG schrittweise Vergütungskürzungen vorgesehen (Degression). Diese blieben zwischenzeitlich jedoch deutlich hinter dem tatsächlichen Preisverfall für Fotovoltaikanlagen zurück. Zwar sind die Vergütungssätze wie auch die Kosten für kleinere Fotovoltaikanlagen von 2006 bis 2012 in ähnlichem Maßstab um jeweils rund 60-70 Prozent gesunken, vor allem aber zwischen 2009 und Anfang 2010 wurde auf den starken Preisrückgang von über 25 Prozent nicht angemessen reagiert, da die Vergütung zum 1. Januar 2010 nur um 9 Prozent gesenkt wurde. Auch bis Ende 2011 waren die Vergütungen gemessen an den Preisen für Solaranlagen zu hoch. In der Folge kam es zu einem rasanten Anstieg des Fotovoltaik-Zubaus in den Jahren 2009 und vor allem 2010 und 2011 – sowie zu stark anwachsenden Förderkosten. Hinzu kamen Marktschwankungen, da Anlagenpreise kontinuierlich über das ganze Jahr hinweg zurückgehen, während die Vergütungen meist zu einem Stichtag, in der Regel dem 1. Januar eines Jahres, abgesenkt wurden. Um die Rendite zu optimieren, wurde ein Großteil neuer Anlagen in dem Monat unmittelbar vor einer Vergütungsanpassung installiert. Im Dezember 2009 und 2011 beispielsweise gingen je rund 40 Prozent der insgesamt in diesen Jahren installierten Leistung ans Netz (Vorzieheffekte).

Das Erneuerbaren Energien Gesetzes (EEG)

Ziel des Erneuerbaren Energien Gesetzes (EEG) ist es, den Ausbau von Windkraft, Fotovoltaik und Biomasse zu fördern und die erneuerbaren Energien langfristig wettbewerbsfähig zu machen.

So funktioniert das EEG: Die Betreiber von Anlagen zur regenerativen Stromerzeugung erhalten für die Dauer von 20 Jahren einen festen Vergütungssatz pro Kilowattstunde. Die Höhe der Einspeisevergütung richtet sich nach der Art der Stromerzeugung, nach Standorten und nach der Größe der Anlagen. Die Vergütungssätze sind degressiv gestaffelt, d.h. je später eine Anlage ans Netz geht, desto geringer fällt die für 20 Jahre garantierte Einspeisevergütung aus.

Außerdem regelt das EEG den Einspeisevorrang von Strom aus erneuerbaren Energiequellen, d.h. die Betreiber haben Anspruch auf den unverzüglichen und vorrangigen Anschluss ihrer Anlagen an das Netz sowie die Abnahme ihres Stroms durch die Netzbetreiber.

Da der Strompreis geringer ist als die festen Vergütungssätze für erneuerbare Energien entsteht ein Differenzbetrag, die sogenannte EEG-Umlage. Diese Umlage wird vom Endverbraucher mit der Stromrechnung beglichen, zur Zeit beträgt sie 5,3 Cent pro Kilowattstunde. Energieintensive Unternehmen sind von der EEG-Umlage teilweise befreit.

Die EEG-Umlage verteuert den Strom für private Haushalte erheblich

Die Kosten der Förderung erneuerbarer Energien werden auf den Strompreis umgelegt (EEG-Umlage). Seit der Einführung des EEG im Jahr 2000 ist die von den Haushalten zu entrichtende Umlage von 0,2 Cent kontinuierlich auf 1,3 Cent je Kilowattstunde im Jahr 2009 und schlagartig auf 2,05 Cent in 2010 angestiegen. 2011 stieg sie erneut auf 3,53 Cent pro Kilowattstunde, seit Anfang 2013 beträgt sie 5,28 Cent. Für einen typischen 3-Personen-Haushalt (Stromverbrauch: 3.500 Kilowattstunden) bedeutet dies zusätzliche Kosten von 185 Euro im Jahr – die Mehrwertsteuer eingerechnet sogar 220 Euro. Damit ist der Anteil der EEG-Umlage am Strompreis der Haushalte von rund 14 Prozent auf etwa 19 Prozent gestiegen und belastet besonders einkommensschwache Haushalte überproportional. Da die Vergütungen für bereits installierte Anlagen auf 20 Jahre festgelegt sind und weiterhin Kapazitäten zugebaut werden, ist in naher Zukunft kaum mit einer Senkung der EEG-Umlage zu rechnen. Dem wird häufig entgegengehalten, dass der Strom aus erneuerbaren Energien die Preise an der Strombörse senkt. Allerdings wird dieser Preiseffekt nicht unbedingt an die Haushalte weitergegeben und kompensiert auch bei weitem nicht den Preisanstieg durch die EEG-Umlage.

Zum 1. Januar 2012 wurden die Vergütungssätze je nach Anlagengröße zwischen 20 bis unter 30 Prozent reduziert. Seit April 2012 erfolgte die Degression zudem monatlich um zunächst 1 Prozent und anschließend in Abhängigkeit von der in Deutschland neu installierten Leistung. Auch wenn die Kürzungen nicht sofort zu einer Senkung der EEG-Umlage führen, verhindern sie zumindest eine Kostenexplosion. Auch die Reduzierung des Ausbautempos ist zu begrüßen, da die Umstellung des Energiesystems hin zu einer dezentralen Versorgung, insbesondere die Ertüchtigung der Stromnetze, Zeit benötigt. In Anbetracht des kontinuierlichen Preisverfalls bei Fotovoltaikmodulen ist die neue monatliche Absenkung ein richtiger Schritt um Vorzieheffekte zu vermeiden. Da die Vergütungen jedoch nicht direkt an die tatsächlichen Anlagenpreise gekoppelt sind, besteht die Gefahr von überhöhten Renditen für Anlagenbetreiber prinzipiell weiter. Abgesehen davon löst weder die Kürzung der Vergütungssätze noch die absolute Deckelung der förderfähigen Installationen auf 52.000 MW die grundsätzlichen Probleme des aktuellen Förderregimes. Darin fehlt es weiterhin an Anreizen zur Kosteneffizienz und Marktorientierung.

Ausnahmen für energieintensive Unternehmen müssen erhalten bleiben

Durch Ausnahmeregelungen können Unternehmen mit hohem Energieverbrauch von der EEG-Umlage befreit werden. Dadurch soll die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen auf den internationalen Märkten gewährleistet bleiben. Allein in den Jahren 2007 bis 2011 ist der Strompreis für ein durchschnittliches Industrieunternehmen um beinahe ein Drittel von 8,7 Cent/KWh auf 11,3 Cent/KWh gestiegen. Preistreibend wirken vor allem staatlich induzierte Abgaben und Steuern, die sich seit 2007 in etwa verdreifacht haben. Im Rest Europas sind die Abgaben auf Industriestrom weniger stark gestiegen, so dass sie in Deutschland mittlerweile das Doppelte des europäischen Mittels betragen. Eine zunehmende Belastung deutscher Unternehmen durch die EEG-Umlage darf nicht dazu führen, dass die Unternehmen ihre Produkte auf dem Weltmarkt nicht mehr zu wettbewerbsfähigen Preisen anbieten können. Es ist allerdings zu prüfen, welche Unternehmen durch die EEG-Umlage tatsächlich in ihrer Wettbewerbsfähigkeit eingeschränkt werden. Davon abgesehen sind die Ausnahmeregelungen nur für rund einen Cent der EEG-Umlage verantwortlich. Die strukturelle Ineffizienz des Förderregimes kann nicht dadurch gelöst werden, dass einfach die Gruppe der Zahler vergrößert und damit industrielle Wertschöpfungsketten gefährdet werden. Zur langfristigen Reduktion der Förderkosten sind substanzielle Reformen notwendig.

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Dipl.-Volkswirtin, geboren 1982 in Köln; Studium der Volkswirtschaftslehre und der Politikwissenschaft an der Universität zu Köln mit den Schwerpunkten Energiewirtschaft und Umweltökonomik; seit 2010 Economist im Institut der deutschen Wirtschaft Köln im Kompetenzfeld Umwelt, Energie, Ressourcen. Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen ökonomische Fragestellungen zur Energiewende ebenso wie zum internationalen Klimaschutz und zur Anpassung an Klimafolgen.