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Öl und Gas in der Kaspischen Region | Energiepolitik | bpb.de

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Öl und Gas in der Kaspischen Region Aserbaidschan, Kasachstan, Turkmenistan und Usbekistan

Behrooz Abdolvand Heinrich Schulz

/ 10 Minuten zu lesen

Die Länder des Kaspischen Raums verfügen über reiche Öl- und Gasreserven. Die EU will darauf zugreifen, um ihre Abhängigkeit von anderen Lieferanten zu verringern. Doch die neue Energiepartnerschaft mit einer von Despoten regierten Region stößt auch auf Kritik.

Stadtzentrum von Astana, Kasachstan. Die Öl- und Gasreserven haben den Ländern der Kaspischen Region zu neuem Reichtum verholfen, der aber nicht bei allen Einwohnern ankommt und stattdessen häufig in die Errichtung von Prestigebauten fließt. (Ken and Nyetta) Lizenz: cc by/2.0/de

Nach dem Zerfall der Sowjetunion sahen sich die unabhängig gewordenen rohstoffreichen Nachfolgestaaten Aserbaidschan, Kasachstan, Turkmenistan und Usbekistan mit zahlreichen politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen konfrontiert. Während sie im Zentrum-Peripherie-Wirtschaftssystem der UdSSR als Lieferanten für die sowjetische Industrie dienten, mussten sie sich nun in die Weltwirtschaft integrieren. In allen vier Ländern etablierten sich autoritäre Regime, die bestrebt waren die reichlichen Öl- und Gasressourcen besser zu vermarkten und mit den Einnahme ihre Machtbasis zu sichern.

Die westlichen Staaten, insbesondere die USA, unterstützten sie dabei. Der Westen wollte nicht nur von den Öl- und Gasvorkommen profitieren, sondern erhoffte sich durch die wirtschaftliche Integration der ehemaligen Sowjetrepubliken auch die politische Stabilität in der Region gewährleisten zu können. Vor allem Aserbaidschan und Kasachstan gelang es nach der Unabhängigkeit internationale Energiekonzerne anzulocken, die umfangreiche Investitionen in den Öl- und Gassektor beider Länder tätigten.

Die Einnahmen aus den Öl- und Gasexporten kommen aber nicht der gesamten Bevölkerung zugute, sondern werden von den herrschenden Eliten zur Aufrechterhaltung ihrer Machtbasis eingesetzt. Außerdem wenden die Regierungen umfangreiche Mittel für die Errichtung von Prestigebauten auf, statt Investitionen in eine nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft zu tätigen. Dennoch profitiert beispielsweise die turkmenische Bevölkerung von staatlich subventionierten Nahrungsmittelpreisen und auch in Kasachstan haben inzwischen weite Teile der Bevölkerung vom allgemeinen Wirtschaftswachstum des Landes profitiert.

Die Vermarktung der kaspischen Energieressourcen ist mit verschiedenen Herausforderungen verbunden. Aserbaidschan, Kasachstan, Turkmenistan und Usbekistan verfügen über keinen direkten Zugang zu den Weltmeeren. Außerdem wurde das damals bestehende Pipeline-System ausschließlich zur Versorgung der Sowjetunion bzw. der Sowjetrepubliken konzipiert und gebaut. Daher war der Bau von neuen Pipelines Voraussetzung für die erfolgreiche Vermarktung der Öl- und Gasproduktion nach Europa, aber auch China. Allerdings will Russland seinen politischen Einfluss in der Kaspischen Region wahren. Es ist daher bestrebt die Energieexporte aus dieser Region zu kontrollieren und an das russische Pipeline-System zu binden.

Die Öl- und Gasreserven der Kaspischen Region

Nach aktuellen Angaben von BP verfügen Aserbaidschan, Kasachstan, Turkmenistan und Usbekistan über 2,2 Prozent der global nachgewiesenen Ölreserven und 14 Prozent der weltweit nachgewiesenen Gasreserven.

Kasachstan und Aserbaidschan verfügen mit 30 Mrd. bzw. 7 Mrd. Barrel über die weitaus größten nachgewiesenen Ölreserven in der Region, während die Ölreserven Turkmenistans und Usbekistans jeweils 0,6 Mrd. Barrel betragen.

Turkmenistan verfügt mit 24,3 Billionen m³ mit Abstand über die größten nachgewiesenen Erdgasreserven. Die Reserven der anderen Staaten belaufen sich auf 1,3 bis 1,9 Billionen m³.

Umfang der Kaspischen Öl- und Gasreserven
 
Ölreserven Gasreserven
in Millionen Barrel Anteil weltweit in Billionen m³ Anteil weltweit
Aserbaidschan 7,0 0,4% 1,3 0,6%
Kasachstan 30,0 1,8% 1,9 0,9%
Turkmenistan 0,6 - 24,3 11,7%
Usbekistan 0,6 - 1,6 0,8%
Gesamt 38,2 2,2% 29,1 14%

Produktion, Verbrauch und Exportpotenzial von Erdöl

Abb. 1: Ölproduktion in der Kaspischen Region (© bpb)

Aserbaidschan und Kasachstan sind mit Abstand die größten Ölproduzenten in der Kaspischen Region. Seit Ende der 1990er Jahre konnten beide Staaten ihre Ölproduktion erheblich steigern (Abbildung 1).

Abb. 2: Ölverbrauch in der Kaspischen Region (© bpb)

Im Jahr 2011 betrug die Ölproduktion Kasachstans über 1,8 Mio. Barrel pro Tag, was einem Anteil von 2,1 Prozent der globalen Ölproduktion entspricht. Aserbaidschan produzierte 931.000 Barrel pro Tag (1,1 Prozent), Turkmenistan 216.000 Barrel pro Tag (0,3 Prozent) und Usbekistan 86.000 Barrel pro Tag (0,1 Prozent). Zusammen verantworteten die vier Länder also 3,6 Prozent der weltweiten Ölproduktion.

Abb. 3: Ölexportkapazitäten in der Kaspischen Region (© bpb)

Der gegenwärtige Ölverbrauch Aserbaidschans, Kasachstans und Usbekistans hat sich im Vergleich zu 1991 verringert. Lediglich der Verbrauch Turkmenistans, der sich in den 1990er Jahren zunächst verringerte, hat wieder das Niveau von 1991 erreicht (Abbildung 2). Durch die gestiegene Produktion und dem parallel sinkenden Verbrauch haben sich insbesondere die Exportkapazitäten Kasachstans und Aserbaidschans deutlich erhöht (Abbildung 3). Die Ölproduktion Usbekistans reicht hingegen nicht mehr aus, um den Bedarf des Landes zu decken, sodass es auf Importe angewiesen ist.

Produktion, Verbrauch und Exportpotenzial von Erdgas

Abb. 4: Gasproduktion in der Kaspischen Region (© bpb)

Aserbaidschan, Kasachstan und Usbekistan konnten ihre Gasproduktion seit der Unabhängigkeit ausweiten, während der größte Gasproduzent in der Kaspischen Region, Turkmenistan, im Vergleich zu 1991 eine geringere Produktion aufweist (Abbildung 4).

Die Einbrüche der turkmenischen Erdgasproduktion in den 1990er Jahren und im Jahr 2009 haben verschiedene Ursachen. Bis 1997 war Turkmenistan vollständig vom russischen Pipeline-System zum Export von Erdgas abhängig. Ab 1994 blockierte der russische Gaskonzern Gazprom turkmenische Erdgasexporte nach Europa und ließ nur Lieferungen an die Staaten der GUS zu,

Abb. 5: Gasverbrauch in der Kaspischen Region (© bpb)

um selbst mehr vom Gasexport nach Europa profitieren zu können. Allerdings kam es wiederholt zu Zahlungsausfällen für erfolgte Gaslieferungen, sodass die turkmenische Führung die Lieferungen zeitweise einstellte. Durch Konflikte mit Gazprom über Transitkonditionen kam der Erdgasexport 1998 kurzfristig fast komplett zum Erliegen – mit Ausnahme der Exporte in den Iran. Bis 2009 bezog Gazprom zunehmend Erdgas aus Turkmenistan, um die eigene Gasbilanz auszugleichen und die kostspielige sowie technisch komplizierte Erschließung von neuen Feldern in Russland hinauszuzögern. Mit der 2008 einsetzenden Finanz- und Wirtschaftskrise und der damit verbundenen geringeren Nachfrage benötigte Gazprom weniger turkmenisches Erdgas zur Deckung

Abb. 6: Erdgasexportpotenziale in der Kaspischen Region (© bpb)

seiner Exportverpflichtungen und zur Versorgung des russischen Marktes. Daher reduzierte Gazprom den Import von ca. 40 Mrd. m³ pro Jahr auf rund 10 Mrd. m³ jährlich.

Gegenwärtig beträgt der Anteil Aserbaidschans, Kasachstans, Turkmenistans und Usbekistans an der globalen Gasproduktion 4,6 Prozent. Dabei entfallen auf Aserbaidschan 0,5 Prozent, auf Kasachstan 0,6 Prozent, auf Turkmenistan 1,8 Prozent und auf Usbekistan 1,7 Prozent.

Der Verbrauch von Erdgas in Usbekistan und Turkmenistan ist im Vergleich zu 1991 gestiegen, während sich der Verbrauch Aserbaidschans und Kasachstans verringerte (Abbildung 5).

Turkmenistan verfügt über das größte Gasexportpotenzial, obwohl das Niveau von 1991 noch nicht wieder erreicht worden ist (Abbildung 6). Im Jahr 2011 betrug das Exportpotenzial 34,6 Mrd. m³.

Aserbaidschan und Kasachstan waren in der Vergangenheit Nettoimporteure von Erdgas. Inzwischen sind beide Länder Nettoexporteure mit einem Exportpotenzial von 6,7 Mrd. m³ bzw. 10 Mrd. m³. Das Potenzial Usbekistans betrug 2011 7,9 Mrd. m³.

Die Diversifizierung der Exportinfrastruktur

Aserbaidschan
Aserbaidschan lockte nach der Unabhängigkeit erfolgreich ausländische Investoren an. Mit deren Hilfe realisierte das Land mehrere Pipeline-Projekte zum Export von Öl und Gas. Im Jahr 2006 ging die Baku-Tiflis-Ceyhan Ölpipeline (BTC-Pipeline) in Betrieb. Die Pipeline mit einer Kapazität von 1,2 Mio. Barrel pro Tag verläuft von dem Ölfeld-Komplex Azeri-Chirag-Gunashli (ACG) vor der aserbaidschanischen Küste über Georgien zum Mittelmeerhafen Ceyhan in der Türkei. Von dort erfolgt der weitere Transport per Tanker. Durch die Inbetriebnahme der Pipeline konnten die Erdölexporte Aserbaidschans massiv gesteigert werden. Inzwischen werden ca. 80 Prozent der Ölexporte über die BTC-Pipeline realisiert. Ferner wird aserbaidschanisches Erdöl über die Baku-Noworossijsk Pipeline und die Baku-Supsa Pipeline exportiert. Die Baku-Noworossijsk Pipeline verläuft vom Sangachal Öl-Terminal zum russischen Schwarzmeerhafen Noworossijsk. Die Route der Baku-Supsa Pipeline verläuft von Baku zum georgischen Schwarzmeerhafen Supsa. Des Weiteren werden geringe Volumen per Bahn und LKW transportiert.

Darüber hinaus ist Aserbaidschan seit 2007 Nettoexporteur von Erdgas. Durch die Entdeckung des Gasfeldes Shah Deniz vor der aserbaidschanischen Küste konnte die Erdgasproduktion Aserbaidschans maßgeblich erhöht werden. Gegenwärtig exportiert Aserbaidschan Gas in die Türkei, nach Georgien, Russland und in den Iran. Die Exporte hatten im Jahr 2011 einen Umfang von 7,18 Mrd. m³. Sie erfolgen hauptsächlich über die im Jahr 2007 in Betrieb genommene Südkaukasus-Pipeline. Die Pipeline verläuft von Baku über Tiflis nach Erzurum in der Türkei und über weite Strecken parallel zur BTC-Pipeline. Erdgas nach Russland wird über die Ghazi-Magomed-Mozdok Pipeline exportiert. Bevor Aserbaidschan seine Erdgasproduktion steigern konnte, importierte es Erdgas aus Russland über diese Pipeline. Sie wurde technisch modifiziert, sodass nun Gasflüsse in die entgegengesetzte Richtung möglich sind.

Erdölpipelines in der Kaspischen Region (© OECD/IEA 2010)

Kasachstan
Auch Kasachstan gelang es in großem Umfang ausländische Investitionen anzuziehen und mehrere Pipeline-Projekte zu verwirklichen. Im Gegensatz zu Aserbaidschan exportiert Kasachstan sein Erdöl hauptsächlich über russisches Territorium, insbesondere durch die Pipeline des Caspian Pipeline Consortium (CPC-Pipeline) und die Atyrau-Samara Pipeline. Die CPC-Pipeline wurde im Jahr 2001 in Betrieb genommen. Sie verläuft vom Ölfeld Tengiz zum russischen Schwarzmeerhafen Noworossijsk. Die Atyrau-Samara Pipeline verläuft von Atyrau ins russische Samara. Von dort wird das kasachische Öl durch russische Pipelines zum Schwarzen Meer transportiert und anschließend per Tanker exportiert. Allerdings hat auch Kasachstan begonnen die Abhängigkeit seiner Erdölexporte vom Transit durch russisches Territorium zu verringern. So wurde im Jahr 2006 die Kasachstan-China Pipeline in Betrieb genommen. Die Pipeline verläuft vom kasachischen Hafen Atyrau am Kaspischen Meer nach Alashankou im Nordwesten Chinas. Ferner wird kasachisches Öl über die bereits erwähnte BTC-Pipeline und per Eisenbahn exportiert.

Erdgaspipelines in der Kaspischen Region (© OECD/IEA 2010)

Turkmenistan
Auch Turkmenistan versuchte seine Abhängigkeit von Russland beim Erdgasexport durch neue Pipeline-Projekte zu verringern. 1997 wurde eine Pipeline von Turkmenistan in den Iran in Betrieb genommen – die Korpedzhe-Kurt Kui Pipeline. 2010 wurde eine weitere Pipeline von Turkmenistan in den Iran fertiggestellt - die Dauletabad-Khangiran Pipeline. Die Exporte in den Iran hatten im vergangenen Jahr einen Umfang von 10,2 Mrd. m³.

Die im September 2009 fertiggestellte Turkmenistan-China Pipeline ist das bisher größte Pipeline-Projekt für den Export turkmenischen Erdgases. Sie verläuft von Turkmenistan über Usbekistan und Kasachstan nach China. 2011 exportierte Turkmenistan 14,25 Mrd. m³ Erdgas nach China - langfristig ist ein Volumen von 65 Mrd. m³ geplant.

Darüber hinaus plant die turkmenische Führung den Bau einer Pipeline durch Afghanistan nach Pakistan bzw. Indien. Dieses bereits in den 1990er Jahren geplante Pipeline-Projekt wurde aber aufgrund der Sicherheitslage in Afghanistan bisher nicht umgesetzt. Außerdem hat auch die Europäische Union Interesse an Erdgaslieferungen aus Turkmenistan bekundet. Im Jahr 2008 unterschrieben beide Seiten ein Memorandum of Understanding, dass Lieferung von jährlich 10 Mrd. m³ Erdgas vorsieht. Allerdings mangelt es noch an der erforderlichen Infrastruktur zum Transport.

Usbekistan
Die Erdgasexporte Usbekistans haben einen vergleichsweise geringen Umfang, da das Land fast 80 Prozent der Produktion selbst verbraucht. Usbekistan exportiert den überwiegenden Teil nach Russland. Außerdem werden geringe Volumen an Kasachstan, Kirgistan und Tadschikistan geliefert. Zukünftig will Usbekistan auch über die Turkmenistan-China-Pipeline Erdgas an China liefern. Außerdem steigt die strategische Bedeutung Usbekistans als Transitland mit der Ausdehnung der turkmenischen Erdgasexporte nach China.

Die Versorgung der Europäischen Union mit Erdgas aus der Kaspischen Region

Die Europäische Union hat in den vergangenen Jahren ihr Engagement in der Kaspischen Region verstärkt. Unter Umgehung des russischen Pipeline-Systems will sie vermehrt Erdgas aus den ehemaligen Sowjetrepubliken importieren. Gründe dafür sind die große Abhängigkeit vieler europäischer Staaten von russischen Gaslieferungen sowie Lieferausfälle, die durch Konflikte zwischen Russland und der Ukraine entstanden sind. Gegenwärtig werden verschiedene Pipeline-Projekte diskutiert.

Das Nabucco-Projekt hatte über mehrere Jahre Priorität. Dabei handelte es sich ursprünglich um eine Pipeline mit einer geplanten Kapazität von 31 Mrd. m³ pro Jahr, mittels derer Erdgas aus dem Iran und der Kaspischen Region über die Türkei, Bulgarien, Rumänien und Ungarn nach Österreich transportiert werden sollte. Die gegen den Iran verhängten Sanktionen verhindern allerdings dessen Beteiligung. Als Alternative zum iranischen Erdgas wurden Lieferungen aus den kurdischen Gebieten im Nordirak in Erwägung gezogen, aber aufgrund des Widerstandes der irakischen Zentralregierung konnte bisher kein Lieferabkommen unterzeichnet werden. Ferner ist Russland gegen die Verlegung von Pipelines durch das Kaspische Meer, solange der rechtliche Status nicht zwischen allen fünf Anrainerstaaten (Russland, Iran, Aserbaidschan Kasachstan und Turkmenistan) geklärt ist. Die Verlegung einer Pipeline von Turkmenistan nach Aserbaidschan durch das Kaspische Meer ist aber Voraussetzung dafür, das turkmenisches Erdgas überhaupt in die geplante Nabucco-Pipeline eingespeist werden kann.

Indessen plant der russische Gaskonzern Gazprom den Bau einer Pipeline durch das Schwarze Meer. Die sogenannte South-Stream-Pipeline soll ebenfalls Erdgas aus der Kaspischen Region nach Europa transportieren und gilt daher als Konkurrenzprojekt zur Nabucco-Pipeline. Somit schien lediglich aserbaidschanisches Erdgas für das Nabucco-Pipeline-Projekt zur Verfügung zu stehen. Das Exportpotenzial Aserbaidschans reicht aber nicht aus, um die Pipeline allein füllen zu können. Vor diesem Hintergrund haben sich die aserbaidschanische Führung und das Shah-Deniz Konsortium unter Führung von BP für den Bau der Transanatolien-Pipeline (TANAP) mit einer Kapazität von 16 Mrd. m³ entschieden, mittels derer aserbaidschanisches Erdgas zur türkisch-bulgarischen Grenze transportiert werden soll. Über den Weitertransport ist noch nicht entschieden worden. Gegenwärtig werden verschiedene Pipeline-Projekte in Erwägung gezogen. Dabei handelt es sich um die Trans-Adriatic-Pipeline (TAP), dem Interconnector Türkei-Griechenland-Italien-Pipeline (ITGI) sowie einer abgespeckten Version der Nabucco-Pipeline (Nabucco-West).

In Bezug auf die Versorgung der EU mit Erdgas aus der Kaspischen Region befindet sich die EU in einem Zielkonflikt, wobei der Ausweitung der Energiebeziehungen Vorrang gegenüber der Wahrung von Menschenrechten und Demokratieförderung gegeben wird. Dafür wurde sie von verschiedenen Nichtregierungsorganisationen wiederholt kritisiert. Als aktuelles Beispiel sind in diesem Zusammenhang die seitens der EU gewünschten Gaslieferungen Turkmenistans für die geplante Nabucco-Pipeline zu nennen. Andererseits sind die Erfolgsaussichten für eine Politik der EU, die an Bedingungen geknüpft ist, fraglich, da andere Akteure in der Region, wie China oder Russland bereits eng mit diesen Staaten kooperieren, ohne Bedingungen im Bereich Menschenrechte oder gute Regierungsführung zu stellen.

Ausblick

Die Perspektiven der vier Staaten sind unterschiedlich. Die Ölreserven Aserbaidschans sind bereits zu einem erheblichen Teil ausgebeutet worden und die Statistik legt den Schluss nahe, dass Aserbaidschan vermutlich bereits im Jahr 2010 die Höchstfördermenge erreicht hat. Allerdings werden sich die aserbaidschanischen Erdgasexporte erhöhen, wenn die nächste Erschließungsphase des Gasfeldes Shah Deniz begonnen hat. Für die geplanten Exporte nach Europa ist allerdings der Bau neuer Pipelines erforderlich.

Kasachstan wird seine Ölproduktion in den nächsten Jahren weiter steigern und größere Mengen nach China und Europa exportieren können. Allerdings ist die Abhängigkeit von Exporten durch russisches Territorium nach wie vor gegeben. Zusätzlich wird auch die Gasproduktion weiter ansteigen - hauptsächlich zur Deckung der kasachischen Nachfrage.

Auch Turkmenistan konnte neue Abnehmer für sein Erdgas finden, insbesondere China wird durch eine neue Pipeline größere Mengen beziehen. Ferner ist davon auszugehen, dass auch Gazprom wieder mehr Erdgas aus Turkmenistan importiert, sobald die Wirtschaftskrise in Europa überwunden ist und die Erdgasnachfrage dort wieder steigt. Für den Fall, dass die Sanktionen gegen den Iran aufgehoben werden, sind sogar turkmenische Erdgasexporte nach Europa denkbar. Der Bau der schon seit langem geplanten Erdgas-Pipeline über Afghanistan nach Pakistan bzw. Indien erscheint aufgrund der vorherrschenden Sicherheitslage in Afghanistan und Pakistan bis auf Weiteres unwahrscheinlich.

Usbekistan wird auch in Zukunft nur geringe Mengen Erdgas exportieren können. Die vorhandenen Gasvorkommen sind größtenteils erschöpft. Die strategische Bedeutung des Landes in seiner Funktion als Transitland für turkmenische Gasexporte nach China wird weiter zunehmen.

Webseiten zum Thema

Quellen / Literatur

  • Abdolvand, Behrooz (2005): Die geoökonomischen Interessen der USA und deren Auswirkung auf die Neuverteilung der kaspischen Energieressourcen.

  • Adolf, Matthias (2011): Energiesicherheitspolitik der VR China in der Kaspischen Region: Erdölversorgung aus Zentralasien, VS Verlag für Sozialwissenschaften: Wiesbaden.

  • Crandall, Maureen S. (2006): Energy, economics, and politics in the Caspian region: dreams and realities, Westport: Praeger Security International.

  • International Energy Agency (2010): World Energy Outlook 2010, Paris.

  • Dellecker, Adrian / Gomart, Thomas (Hrsg.) (2011): Russian Energy Security and Foreign Policy, New York: Routledge.

  • Overland, Indra / Kjaernet, Heidi / Kendall-Taylor, Andrea (Hrsg.) (2010): Caspian Energy Politics. Azerbaijan, Kazakhstan and Turkmenistan, New York: Routledge.

  • Pirani, Simon (2009): Russian and CIS gas markets and their impact on Europe, Oxford: Oxford University Press.

  • Sapper, Manfred / Weichsel, Volker / Huterer, Andrea (Hrsg.) (2007): Machtmosaik Zentralasien. Traditionen, Restriktionen, Aspirationen, Berlin: Osteuropa: 8-9/2007.

  • Stern, Jonathan (2005): The future of Russian gas and Gazprom, Oxford: Oxford University Press.

  • Shaffer, Brenda (2009): Energy politics, Philadelphia: Univ. of Pennsylvania Press.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Das Zentrum-Peripherie-Modell wurde entwickelt, um Abhängigkeitsbeziehungen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern zu beschreiben. Zentrum-Peripherie-Wirtschaftssystem bezieht sich in diesem Zusammenhang auf die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Zentrum der Sowjetunion, Russland, und der Peripherie, also den anderen Sowjetrepubliken und meint hier konkret die Versorgung der Industrie des Zentrums mit Energierohstoffen aus der Peripherie.

  2. Für weitere Informationen siehe: Boas, Vanessa (2012): Energy and Human Rights: Two Irreconcilable Foreign Policy Goals? The Case of the Trans-Caspian Pipeline in EU-Turkmen Relations. In: Istituto Affari Internazionali. Working Papers 12|07, Externer Link: http://www.iai.it/pdf/DocIAI/iaiwp1207.pdf sowie die Webseite von Crude Accountability: Externer Link: http://www.crudeaccountability.org/en/

Weitere Inhalte

Dr. rer. pol., geboren 1956, arbeitet seit 1998 am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin als Dozent für internationale Beziehungen und Energiepolitik der Staaten der Greater-Middle-East-Region. Seit 2002 ist er Berater im Energiesektor.

M.A., geboren 1981. Promoviert an der FU Berlin zum Thema "Die energiepolitische Integration Turkmenistans in den Weltmarkt seit dem Zerfall der Sowjetunion."