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Eine Währungsunion ist einem System flexibler Wechselkurse überlegen | Europäische Wirtschaftspolitik | bpb.de

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Nicht nur Chancen, sondern auch Risiken Jetzt erst recht Deutschlands und Europas Abhängigkeit von China Neue Gesetze für Europas "Digitale Dekade" Brexit: Für Großbritannien härter als für die EU Ist der Brexit Fluch oder Segen für Europa? Der ausgleichende Faktor wird fehlen Ein hoffentlich heilsamer Warnschuss Debatten zur Währungsunion Warum steigen Preise – und was kann man dagegen tun? Kann die EZB die Inflation eindämmen? Im Prinzip ja – aber es wird ihr nicht gelingen 2024 wird sich die Geldentwertung normalisieren Führt die Modern Monetary Theory in die Überschuldung? Das Ende der großen MMT-Illusion Staatsschulden sollten Staatsausgaben nicht begrenzen Braucht die Europäische Zentralbank ein neues Mandat? 20 Jahre Euro – eine Erfolgsgeschichte? Erfolgreicher Euro, aber eine Geldpolitik mit Schwächen Die EZB ist endgültig zum politischen Akteur geworden Versprechen erfüllt, aber mit Konstruktionsfehlern Eine durchwachsene Bilanz Ein gemeinsames Finanzministerium für die Eurozone? Es ist nicht die Zeit für einen Magier Das Ende des europäischen Dilemmas Soll der Euro auf alle Länder der EU ausgeweitet werden? Der Euro schafft größeren Wohlstand Ohne klare Richtung keine neuen Mitglieder Wann kommt die Zinswende in Europa? Es gibt kein Menschenrecht auf Zinsen Ein Lamento, das in die Irre führt Ist die Bankenunion ein Erfolg? Eine gute Idee – eigentlich Nur bedingt einsatzbereit Sparen oder Investieren? Ginge es Europa ohne den Euro besser? Es ist nicht der Euro, es ist der Binnenmarkt Eine Währungsunion ist einem System flexibler Wechselkurse überlegen Sollten unterschiedlich starke Volkswirtschaften eine Währungsgemeinschaft bilden? Ökonomische Zwänge und politische Illusionen der Währungsunion Auch die D-Mark galt von Bayern bis Mecklenburg-Vorpommern Ist das Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank sinnvoll? Die Konstruktion der Währungsunion fördert Panikattacken Die EZB handelt gegen die Interessen der Bürger Kann eine Vermögensabgabe helfen, die Überschuldung von Staaten zu lindern? Nur eine Staatsinsolvenz ist moralisch vertretbar Die Politik muss es nur wollen Droht der Eurozone die Gefahr einer Deflation? Schon "Lowflation" ist problematisch Eine negative Inflationsrate ist noch lange keine Deflation Ist die Euro-Krise schon vorbei? Noch ist kein Normalzustand erreicht Falsche Medizin, falsche Symptome Corona-Krise in Europas Wirtschaft Haben die Corona-Soforthilfen gewirkt? Die Corona-Hilfen waren situationsgerecht Unterstützung mit geringer Wirkung Europas neue Wege aus der Krise Europäische Solidarität aus der Not heraus Stürzt Corona Europa in eine neue "Große Depression"? Bedeutet Corona das Ende der Globalisierung? Weiterhin kein Exit der EZB Videos: 4x4 Fragen zur Corona-Krise Wie hat sich die EU in der Corona-Krise bis jetzt geschlagen? Wie wird sich die Pandemie auf Europas Wirtschaft auswirken? Sollte man die Krise nutzen, um die EU klimagerechter umzubauen? Gefährden die Rettungsmaßnahmen die Geldwertstabilität? Zur Lage der Krisenländer in der Eurozone (2014-2017) Kann sich Frankreich von der Krise erholen? Yes, he can Frankreichs europäische Aufgabe Vor der Generalüberholung Frankreich als Zivilisationsthermometer Wird Italien wieder auf die Beine kommen? Der Fall Italien(s) Volk der letzten Minute Je südlicher, desto schlimmer Solider als viele denken Gingen die Reformen in Griechenland zu weit? Ohne Strukturreformen ist alles nichts Der Aderlass hat Griechenland geschadet Was hat Portugal der Sparkurs gebracht? Die Leiden des lusitanischen Musterschülers Sparen unvermeidbar Zeigen Spanien, Irland und Portugal, dass die angebotsorientierte Politik sich auszahlt? Es schmerzt, aber die Reformen wirken Crash-Kurs mit jeder Menge Kollateralschäden Ist Spanien über den Berg? Von Gesundung kann keine Rede sein Rückkehr zum Normalzustand Hat die Sparpolitik Irland aus der Krise geholfen? Via Dolorosa ohne Alternative Die Generation der stillen Verzweiflung Hat die Politik der Troika Griechenland genutzt? Die Schrumpfpolitik ist gescheitert Griechenland hat alle Möglichkeiten Zur Rolle Deutschlands in der Schuldenkrise (2014) Ist Deutschland ein Modell für Europa? Die Mär vom gesunden Staat Marktkonform und doch sozial gerecht Hat Deutschlands Bilanzüberschuss die Krise beschleunigt? Die Eurokrise ist eine Zahlungsbilanzkrise Europa braucht Deutschland, Deutschland braucht Europa Bedrohen unterschiedliche Lohnkosten die Stabilität der Eurozone? Löhne und Produktivität müssen sich gleich entwickeln Konsum und Löhne in Deutschland müssen anziehen Videos: 6x6 Fragen zur Euro-Krise (2015) Hat die Eurozone in ihrer derzeitigen Form eine Zukunft? Sparen oder Investieren - wie sollte die Schuldenkrise überwunden werden? Wie kann Deutschland dazu beitragen, die Euro-Krise zu beenden? Handelt die EZB ohne demokratische Legitimation? In welchen Ländern lauern neue Gefahren für den Euro? Wie kann die Eurozone künftig Krisen besser vermeiden? 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Eine Währungsunion ist einem System flexibler Wechselkurse überlegen

Andrew Watt

/ 5 Minuten zu lesen

Die Krise der Euro-Staaten zeigt nicht, dass wir uns der Zwangsjacke der Gemeinschaftswährung entledigen, sondern dass wir das System weiterentwickeln müssen, so Andrew Watt vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung.

Andrew Watt (© Hans-Böckler-Stiftung)

Als 2002 die Euroscheine und Münzen in die Portemonnaies von über 300 Millionen Europäerinnen und Europäern in zwölf Ländern Einzug hielten, war die Stimmung überwiegend optimistisch – ungeachtet einer gewissen Skepsis im Land der Deutschen Mark. Inzwischen zahlen sieben weitere Länder mit dem Euro. Außer Großbritannien und Dänemark, die explizite "opt-outs" haben, befinden sich alle anderen EU-Mitgliedsländer (auch künftige) automatisch im "Vorzimmer" der gemeinsamen Währung, die offiziell die Währung der EU ist.

Dennoch ist es seit mindestens fünf Jahren unmöglich, den Euroraum ohne das Wort "Krise" zu denken. Im Sommer 2015 ist Griechenland – ich würde sagen, vielmehr die Währungsunion insgesamt – an einem Austritt des Landes vorbeigeschrammt. Wäre es dazu gekommen, wäre der Charakter des gemeinsamen Geldes unwiderruflich ein anderer geworden. Aus der "Währung der Europäischen Union" wäre kaum mehr als eine temporäre Fixierung der Wechselkurse der beteiligten Staaten geworden, die täglich nach politischen Opportunitätserwägungen oder angesichts überbordender Spekulationswellen zur Disposition steht. Eine solche Scheinwährungsunion lebt nicht lange.

Dieser Schritt ist aber nicht gemacht worden. Warum nicht? Zeigt nicht die Krise, zeigt nicht die bessere Performance der Nicht-Euro-Länder gegenüber den Euro-Staaten, dass Europa sich schleunigst der Zwangsjacke des gemeinsamen Geldes entledigen und zurück zu nationalen Währungen gehen soll? Die Antwort ist: Nein! Eine – reformierte – Währungsunion ist einem System flexibler Wechselkurse in Europa überlegen.

Zuerst ist festzustellen, dass – wenn auch wegen wirtschaftspolitischer Fehlentscheidungen zu sehr hohen Kosten – ein Großteil der notwendigen Krisenanpassungen hinter uns liegt. Haushaltsdefizite sind im Euroraum niedriger als etwa in den USA und Großbritannien. Die Leistungsbilanz fast aller Länder weist Überschüsse aus. Die Arbeitslosenquoten fallen, wenn auch von horrend hohen Ausgangsniveaus, die Beschäftigung in den Krisenländern expandiert wieder.

Die Architektur der Währungsunion in ihrer ursprünglichen Form war grob fehlerhaft

Unbestreitbar ist, dass die institutionelle Architektur der Währungsunion in ihrer ursprünglichen Form grob fehlerhaft war. Inzwischen ist aber einiges erreicht worden. Der Europäische Stabilitätsmechanismus stellt eine gewisse kollektive Versicherung gegen künftige Krisen da. Mit dem Interner Link: Anleihenkaufprogramm (OMT) und dem Einstieg in das Programm der Quantitativen Lockerung (das heißt dem Aufkauf von Staatsanleihen mit "frisch gedrucktem" Zentralbankgeld) hat die Europäische Zentralbank einen großen Schritt in Richtung eines "Lender of last resort" (Kreditgeber letzter Instanz) getan: Sie stellt und stellte Banken und Staaten nahezu unbegrenzt Liquidität zur Verfügung. Wichtige Maßnahmen in Richtung Bankenunion sind in Kraft. Das Verfahren gegen makroökonomische Ungleichgewichte – auch dieses nicht optimal in der Ausführung – soll den gefährlichen Interner Link: Aufbau von Leistungsbilanzdefiziten und -überschüssen eindämmen helfen.

BIP Wachstum von EU-Staaten ohne Euro im Vergleich zur Eurozone (bpb) Lizenz: cc by-nc-sa/4.0/deed.de

Zudem skizziert der kürzlich erschienene sogenannte Externer Link: Fünfpräsidentenbericht von den Chefs von Kommission, Rat, Eurogruppe, EZB und Parlament einen Weg hin zur ökonomischen, fiskalischen und – schließlich – politischen Union. Unter anderem sollen fiskalische Transfers zwischen den Mitgliedsstaaten (zum Beispiel über eine gemeinsame "Sockelversicherung" bei Arbeitslosigkeit) möglich werden und eigene europäische Steuern erhoben werden können. Auch die EZB sieht die Grenzen von intergouvernementalen Lösungen – die in der Praxis bedeuten, dass die Zentralbank allein die Eurozone retten muss – erreicht und fordert Schritte zur Erhöhung der demokratischen Legitimität von Entscheidungen im Euroraum.

Die Richtung des Prozesses scheint klar – nicht zuletzt weil auch die Bürgerinnen und Bürger Europas eine handlungsfähige EU wollen. Vieles spricht jedenfalls dafür, dass in den kommenden Jahren die Architektur der Währungsunion erheblich gestärkt wird. Aber lohnt sich die Mühe? Wäre es nicht viel besser, jedes Land führt wieder seine eigene Währung ein und erlangt die volle geldpolitische Souveränität? Aus vielen Gründen: nein.

Erhebliche kurzfristige Risiken und mittelfristige Kosten, wenn der Euro scheitert

Die Rückentwicklung des Euroraums und Wiedereinführung nationaler Währungen ist rein juristisch nicht vorgesehen und wäre historisch ohne Präzedenzfall. Schwer vorstellbar, dass dies kurzfristig ohne erhebliche Turbulenzen oder gar eine offene Krise vonstatten gehen könnte. Wie könnte beispielsweise ein einzelnes Land oder eine kleine Gruppe die Währungsunion verlassen, ohne einen panischen "bank run" und die massenhafte Flucht aus Staatsanleihen und anderen Wertpapieren auszulösen? Die zu erwartenden heftigen Abwertungen der Währungen der Defizitländer und Aufwertungen der Währungen von Ländern wie Deutschland würden enorme Verwerfungen auf den Finanzmärkten auslösen. Nicht zuletzt: Der Wettbewerbsvorteil Deutschlands wäre dahin. Die Übergangskosten wären also mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr hoch.

Ein System gänzlich flexibler Wechselkurse würde nur scheinbar den nationalen Regierungen die ersehnte monetäre Souveränität zurückgeben. In der Vergangenheit wirkten Wechselkursschwankungen handelshemmend und waren ebenso oft Ursache von Schocks wie sie Ländern geholfen haben, sich an diese anzupassen. Die Problematik führte zum Europäischen Währungssystems (EWS). Manche Eurokritiker sehen nun in einer Rückkehr zum EWS einen Ausweg aus der Krise. Aber in vielen Hinsichten waren die damit verbundenen Einschränkungen der geldpolitischen Souveränität noch größer als beim Euro selbst. Ankerwährung im EWS war die D-Mark. Das bedeutete, dass die Zentralbanken der EWS-Länder gezwungen waren, sich der Geldpolitik der Bundesbank unterzuordnen – ohne Mitsprache und egal, ob die daraus resultierende Geldpolitik angemessen war oder nicht. Selbst in den Zeiten, in denen der Mechanismus weitgehend spannungsfrei funktionierte, hatten Länder, die unter Abwertungsverdacht gegenüber der D-Mark standen, höhere Nominal- und Realzinsen – zu Lasten von Wachstum, Beschäftigung und Staatsfinanzen.

Es reicht also beileibe nicht, auf die Probleme der gemeinsamen Währung hinzudeuten. Die Gegnerinnen und Gegner des Euro sind in der Pflicht – gerade angesichts der hohen Übergangskosten – genau darzulegen, wie das von ihnen favorisierte Wechselkurssystem aussehen und wie man von der jetzigen, unbestreitbar suboptimalen Situation aus dorthin kommen soll. Bis jetzt sind sie dieser Herausforderung nicht überzeugend nachgekommen.

Dirk Müller (© picture-alliance/dpa)

Standpunkt Dirk Müller:

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Dr. Andrew Watt, Jahrgang 1963, ist seit 2012 Abteilungsleiter des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung. Er verantwortet in dieser Funktion die operative Leitung des gewerkschaftsnahen Instituts und forscht zu Themen der Europäischen Wirtschaftspolitik. Zuvor war er Senior Researcher am Europäischen Gewerkschaftsinstitut (EGI) in Brüssel. Watt ist zudem Kolumnist und Blogger beim Social Europe Journal.