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Grußwort zum Auftakt der Veranstaltungsreihe „Kunst und Revolte“ – zu den Umbrüchen in den arabischen Gesellschaften | Presse | bpb.de

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Grußwort zum Auftakt der Veranstaltungsreihe „Kunst und Revolte“ – zu den Umbrüchen in den arabischen Gesellschaften

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Sehr geehrte Damen und Herren,

„Kunst und Revolte“ – In den nächsten sieben Tagen werden wir diese beiden Begriffe in Beziehung setzen und uns anschauen, was die kreative Beschäftigung mit dem Aufbegehren von Menschen zu tun hat. Dabei gilt unser Interesse in erster Linie jener Kunst, jenen Künstlerinnen und Künstlern, die sich in ihrem Schaffen mit der politischen und gesellschaftlichen Situation in den arabischen Staaten auseinandersetzen. Sicherlich kann der „Kunst“-Begriff auf hundertfache Weise definiert werden. Für die einen ist Kunst L'art pour l'art, für die anderen ein politisches Instrument. Und folglich können Kunst und Revolution gar keinen oder einen sehr engen Bezug zueinander haben. Ich verstehe Kunst grundsätzlich als einen kreativen Prozess, der darauf abzielt etwas zu erschaffen, etwas zu kommunizieren, zu kommentieren, vielleicht Antworten zu geben. Der Motor einer Revolte oder Revolution, ist in der Regel der Unmut über die Gegebenheiten, der Wille zum Umsturz, zum Machtwechsel. Die Gemeinsamkeit beider Begriffe liegt also darin, dass Menschen, die künstlerisch tätig sind oder sich in einer Revolution engagieren, vom Willen angetrieben sind, etwas Neues hervorzubringen, etwas Neues zu beginnen.

Einen Prozess, in dem Vieles neu geschaffen und gedacht wird – politisch wie künstlerisch –, erleben wir gerade in den arabischen Staaten. Vorwiegend junge Menschen haben unter Einsatz ihres Lebens politische, soziale und religiöse Freiheiten gefordert und langjährige Potentaten in Ägypten und Libyen gestürzt. Soziale Spannungen, die Kluft zwischen Arm und Reich und die enorme Jugendarbeitslosigkeit haben über viele Jahre hinweg die Perspektivlosigkeit vieler Menschen verfestigt. Die Bürgerinnen und Bürger in den arabischen Staaten wollen das nicht länger hinnehmen, sie wollen Lebensperspektiven, sie wollen an der Gestaltung ihrer Lebensbedingungen in demokratischer Weise beteiligt werden. Die Gesellschaft soll den Staat definieren und nicht umgekehrt der Staat die Gesellschaft. Dass sich dieser Wunsch auf Dauer nicht unterdrücken lässt, zeigt sich aktuell in Syrien, aber auch in anderen Staaten der Region. Wohin jedoch die Entwicklungen in den arabischen Staaten führen werden, ist noch offen und von Land zu Land differenziert zu betrachten.

Großen Einfluss auf diese Entwicklungen nimmt die Kunst. Der Arabische Frühling ist von ihr geprägt. Viele Künstlerinnen und Künstler sind Träger der Bewegungen in ihren Ländern. Sie haben dem zentralen Anliegen der Bevölkerungen – das Verlangen nach Freiheit, Gerechtigkeit und Menschenwürde – im öffentlichen Raum Ausdruck verliehen und die Ereignisse in allen betroffenen Regionen kreativ aufgearbeitet und dokumentiert. Und sie tun es noch. Künstler und Künstlerinnen, Aktivisten und Aktivistinnen erheben Anspruch auf eine gestalterische Rolle im gesellschaftlichen Umbruch und fordern auch nach der mehr oder weniger erfolgreich verlaufenen Revolution ihr Recht auf Partizipation ein. Sie wollen sich an der Neugestaltung der arabischen Gesellschaften beteiligen. Kunst ist frei in der Demokratie. Demokratie ist eine große Verheißung, die von Europa im Umgang mit den arabischen Nachbarn glaubwürdig vermittelt werden muss. Dort, wo freie Wahlen stattfinden, wo es demokratisch legitimierte Regierungen gibt, müssen diese Regierungen akzeptiert und unterstützt werden. Nicht die Frage, welche gesellschaftlichen Kräfte unseren Interessen am besten nützen, darf Maßstab für das europäische Handeln sein. Die EU hat bereits eine Reihe von Maßnahmen auf den Weg gebracht, um eine zukunftsfähige Politik mit diesen Ländern einzuleiten. Dass hier noch viele Lernprozesse auf beiden Seiten erforderlich sind wird unter anderem Thema der kommenden Tage sein.

Wenn wir also als Europäerinnen und Europäer uns mit den Entwicklungen in Nordafrika beschäftigen, ist es wichtig, genau hinzusehen und zuzuhören, um keine Klischees und Stereotypen zu reproduzieren. Das genaue Hinsehen ermöglichen Filme, Performances und Theaterstücke – gleichzeitig verhindern sie das Wegsehen und Ignorieren von Gegebenheiten. Filme, Performance-Kunst und Theater stehen im Zentrum des Festivals „Kunst und Revolte“, an der sich die Bundeszentrale für politische Bildung sehr gerne beteiligt. Während der Veranstaltungswoche werden Räume geöffnet, in denen Künstlerinnen und Künstler, Vertreterinnen und Vertreter der nahöstlichen und nordafrikanischen Zivilgesellschaften mit uns in Dialog treten. Wir werden vor allem über die Rolle der Frauen sprechen, die Bedeutung von Kunst und Kultur und die gesellschaftlichen und politischen Perspektiven einer Revolte, die längst auch Europa betrifft.

Heute morgen haben wir diesen Dialog bereits begonnen, im Rahmen des Seminars „Revolte und Umbruch in Nordafrika. Bestandsaufnahme und Perspektiven“, das Bestandteil des Festivals ist. Wir haben spannende Diskussionen [über (spontanes Aufgreifen von Seminar-Diskussionen möglich)] geführt , an die wir morgen anknüpfen können. Zum Abschluss dieses Seminars wird morgen um 13.30 Uhr hier in der Akademie der Künste eine offene Podiumsdiskussion stattfinden, zu der ich Sie alle herzlich einleiden möchte. Wir diskutieren die schlichte und zugleich so komplexe Frage, ob die arabischen Staaten auf dem Weg zur Demokratie sind – oder andere Wege beschreiten. Kommen Sie und diskutieren Sie mit. An dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich herzlich bei den Kooperationspartnern dieses Festivals zu bedanken: dem Instituto Cervantes, der Heinrich-Böll-Stiftung und ganz besonders der Akademie der Künste für die gute und inspirierende Zusammenarbeit.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie die Gelegenheit haben an möglichst vielen Filmvorführungen, Aufführungen und Diskussionsrunden der Veranstaltungswoche teilzunehmen und dass Sie das Gehörte und Gesehene zum Nachdenken anregt. Ich möchte Sie dazu einladen, sich auf das vielfältige Programm einzulassen. Nutzen Sie die Räume zum Dialog!

- Es gilt das gesprochene Wort -

Fussnoten