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Grußwort von Thomas Krüger zur Buchpräsentation Finanzwirtschaft im House of Finance am 30. Juli 2015 in Frankfurt | Presse | bpb.de

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Grußwort von Thomas Krüger zur Buchpräsentation Finanzwirtschaft im House of Finance am 30. Juli 2015 in Frankfurt

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Sehr verehrte Damen und Herren,

im Namen der Bundeszentrale für politische Bildung begrüße ich Sie herzlich zu dieser Buchpräsentation! Vielen Dank, verehrter Herr Hackethal, dass wir heute hier zu Gast sein dürfen.

Nicht erst seit der Immobilienkrise in den USA, dem Ende von Lehman Brothers und dem Schuldendrama um Griechenland steht das uns alle betreffende, von Großbanken geprägte Finanzsystem am Abgrund. Bereits Goethe wusste: "Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles. Ach, wir Armen!", lässt er Gretchen in Faust I verzweifelt ausstoßen. Doch was wissen wir wirklich über das Geldsystem? "Finanzwirtschaft - Wie alles zusammenhängt" - lautet der Titel des Buches, das wir Ihnen heute vorstellen.

"Wie alles zusammenhängt" - welch ein vollmundiges Versprechen! Sagt man denn nicht gerade der Finanzwirtschaft nach, dass selbst Regierungen, ob in Athen oder Berlin, sie nicht mehr überblicken können? Dass die Produkte, Vorgänge und Handelsnetze undurchschaubar geworden sind? Oftmals wird eingeworfen, in Wirtschaftsfragen liege das Heft des Handelns längst nicht mehr bei Politikern und Bürgern, vom gerne postulierten "Primat der Politik" könne nicht mehr die Rede sein.

Diese Einwände mögen an mancher Stelle seine Berechtigung haben, sind aber auch allzu bequem. Politische Bildung darf sich mit diesem Befund nicht begnügen. Wenn wir es bei den Feststellungen belassen, überhaupt nicht verstehen zu können, "wie alles zusammenhängt" und in ökonomischen Fragen ohnehin kaum Einfluss zu haben, geben wir die Verantwortung ab und verabschieden uns als citoyen. Nicht nur aus Sicht der politischen Bildung wäre das fatal. Die Finanzwirtschaft und ihre Akteure müssen Teil des öffentlichen Diskurses sein, und genau darum braucht es Wissen: Wissen, das zum Mitreden befähigt. Daher muss man Demokratie und Ökonomie stets zusammen denken. Von Nobelpreisträger Amartya Sen stammt der Satz: "In Demokratien, selbst in sehr armen, gibt es keine Hungersnöte." Das mag simpel klingen, doch existenzielle Probleme scheinen in unserer Wohlstandsgesellschaft weit weg. Der Satz drückt auch aus, dass wir ein Wirtschaftssystem, das allen Bürgern nützt, nie durch weniger, sondern nur durch mehr demokratische Teilhabe erreichen können. Natürlich werden viele Dinge, die der Kapitalismus in seiner jetzigen Ausgestaltung ermöglicht, zu Recht kritisiert: Kapitalflucht in Steueroasen, falsche Anreize, fehlende Nachhaltigkeit und ein Auseinanderdriften von Arm und Reich.

Caspar Dohmen wirft in seinem Buch interessante Schlaglichter auf ökonomische Ungleichgewichte. Das Transaktionsvolumen an globalen Devisenmärkten beträgt täglich das 25-Fache des globalen Bruttoinlandsproduktes. Alleine in den USA wird in einem Jahr die 55-fache Menge an Weizen mit Termingeschäften gehandelt als überhaupt produziert wird. Ärmeren Ländern gehen durch Kapitalflucht jedes Jahr 500 Milliarden US-Dollar verloren. Bereits bei Lenin hieß es: "Das Finanzkapital, das in wenigen Händen konzentriert ist und faktisch eine Monopolstellung einnimmt, zieht kolossale und stets zunehmende Profite aus Gründungen, aus dem Emissionsgeschäft, aus Staatsanleihen usw., verankert die Herrschaft der Finanzoligarchie und legt der gesamten Gesellschaft einen Tribut zugunsten der Monopolisten auf." Lenins Enkel in der DDR schrieben dann eine Staatsbürgerkunde, die ich in meiner Schulzeit zu durchlaufen und erleiden hatte. Darin war von der "Gesetzmäßigkeit" der gesellschaftlichen Entwicklung und der "historischen Notwendigkeit der Ablösung des Kapitalismus" die Rede. Genauer zu wissen, "wie alles zusammenhängt", war da nicht mehr nötig, ebenso wenig die Suche nach Alternativen. Damit wir Alternativen diskutieren können, müssen wir die Zusammenhänge kennen. Die ökonomische Basis unseres Zusammenlebens betrifft alles und jeden. Was es vor allem braucht, ist die öffentliche Debatte. Doch was sagen die Börsennachrichten im Fernsehen kurz vor acht tatsächlich über unsere Wirtschaft aus? Was gehen sie uns an? Welchen Mehrwehrt hat das Wissen um Geschäfts- und Konsumklima für das tägliche Leben? Welche Aussagekraft hat der DAX? Hochfrequenzhandel und Geierfonds, Leerverkäufe und Futures, Derivate und Hedgefonds, Schattenbanken und die EZB: Die Begriffe sind in der medialen Debatte omnipräsent, aber selbst wer regelmäßig den Wirtschaftsteil einer guten Tageszeitung liest, weiß nicht unbedingt, was en Detail dahintersteckt. Und vielleicht noch weniger, was das alles mit uns zu tun hat. Der politischen Bildung ist es ein besonderes Anliegen, Orientierung über ökonomische Vorgänge zu vermitteln - gerade auch über die sehr komplexen; aber auch über die, die kein großes mediales Aufsehen erfahren. Das muss fachlich korrekt, aber nicht beschränkt auf wissenschaftliche Debatten und schon in gar keinem Fall abgekoppelt von der alltäglichen Lebensrealität geschehen. Wir sind sehr glücklich, den renommierten Journalisten Caspar Dohmen für dieses Projekt gewinnen zu können - um ehrlich zu sein, es war seine Idee. Es war der Anspruch dieses Buches, eine klaffende Angebotslücke auf dem Markt zumindest ansatzweise zu schließen.

Das Buch ist in unserer Reihe "Zeitbilder" erschienen. Diese Reihe will historische, politische, gesellschaftliche und kulturelle Themen anspruchsvoll und lebensnah vermitteln. Sie setzt dabei auf eine Mischung aus Text, Fotos und Grafiken, um Sachverhalte so komplex wie nötig, aber so niederschwellig wie möglich vermitteln zu können. Unserem Autor Caspar Dohmen und dem gesamten Team, das an Konzept und Ausgestaltung dieses Buches mitgewirkt hat, ist dies aus unserer Sicht vorzüglich gelungen. Ein besonderer Dank gebührt Hildegard Bremer für die gewohnt umsichtige und hoch professionelle Projektleitung und Gabriele Gassen für das akribische Lektorat. Von den Ursprüngen der Geldwirtschaft und einer detaillierten Beschreibung der Akteure und Strukturen einen Bogen zu den jüngsten Herausforderungen spannen zu wollen, klingt ähnlich vermessen wie unser Untertitel. Aber genau darum geht es: "Wie alles zusammenhängt".

Dabei soll das Buch auch Anstöße geben: für Reformen, die das Finanzsystem transparenter und weniger anfällig machen könnten und dabei vor allem die Schwächsten in der globalisierten Wirtschaft schützen. Man sollte sich indes davor hüten, Probleme des Wirtschaftssystems, die nur politisch zu lösen sind auf die Bürgerinnen und Bürger abzuwälzen. Nur von ihnen nachhaltiges Handeln und Verantwortungsbewusstsein zu fordern. Aber das Verständnis der Vorgänge und das Verständnis der eigenen Rolle in einer unumkehrbar globalisierten Wirtschaftsordnung zu fördern, das ist der politischen Bildung und allen Vermittlern in Schulen, Universitäten und Medien ein Anliegen. Wenn bei der Lektüre eine Vorstellung der Zusammenhänge entsteht, wenn sich Gefühle von Überforderung und Machtlosigkeit gar nicht erst festsetzen, dann ist ein wichtiges Ziel erreicht. Mit großem Stolz können wir sagen, dass das Buch einen Nerv getroffen hat: Die erste Auflage, 5000 Exemplare, war innerhalb kürzester Zeit, mithin noch vor der eigentlichen Buchvorstellung heute, restlos vergriffen; das hatten wir noch nie. Die zweite Auflage befindet sich im Druck. Knappe Güter sind begehrt: Greifen Sie also heute zu.

- Es gilt das gesprochene Wort -

Fussnoten