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Rede von Thomas Krüger beim Checkpoint Extra Israel und der Israel-Alumni-Konferenz (Berlin, 1. Dezember 2018) | Presse | bpb.de

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Rede von Thomas Krüger beim Checkpoint Extra Israel und der Israel-Alumni-Konferenz (Berlin, 1. Dezember 2018)

/ 5 Minuten zu lesen

Sehr geehrte Damen und Herren,
verehrte Gäste aus Israel und Deutschland,
Chawerot Jekarot we chawerim Jekarom
(Liebe Freundinnen und Freunde!)

In diesem Jahr kann Israel auf das 70. Jubiläum seiner Staatsgründung zurückblicken und es ist mir eine große Freude, mit Ihnen heute Abend diesen besonderen Geburtstag zu begehen. "Mazal Tov - Yom Holedet Sameach".

Unter dem Titel „Begegnen, Diskutieren, Feiern“ möchten wir im Rahmen des heutigen bpb-Checkpoint Extra und der morgen stattfindenden Konferenz der Israel-Alumnis, einen Rückblick werfen auf die Entwicklungen der vergangenen 70 Jahre.

Wir werden Gelegenheit haben, von unseren Expertinnen und Experten aus erster Hand über die Geschichte Israels und die Debatten der Gegenwart in Israel und Deutschland zu hören. Lassen Sie mich einige Worte zu der historischen Verankerung Israels in der Arbeit der Bundeszentrale für politische Bildung sagen, ohne die es diese Veranstaltung heute nicht geben würde. Wenn ich vorhin von den sogenannten Israel-Alumnis sprach, sind damit diejenigen gemeint, die mit der bpb bereits eine Studienreise nach Israel unternommen haben und die dieses Wochenende zum Austausch und Networking mit unseren Gästen und anderen ehemaligen Teilnehmenden nutzen möchten. Vor wenigen Wochen konnten wir mit diesen Studienreisen ein Jubiläum begehen: im Herbst vor 55 Jahren begann mit einer ersten Reise von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren eines der bis heute erfolgreichsten Projekte unseres Hauses.

Was 1963 als Experiment mit einer persönlich eingeladenen und handverlesenen Reisegruppe begann, entwickelte sich in den folgenden Jahrzehnten zum unverzichtbaren Kernelement der historisch-politischen Bildung der bpb und zu einem festen Bestandteil im deutsch-israelischen Beziehungsgeflecht. Doch woher kam die Motivation der seinerzeit Verantwortlichen in der bpb? Warum gingen sie noch vor Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und der Bundesrepublik Deutschland das Wagnis einer solchen politischen Studienreise ein?

Die Beweggründe, meine Damen und Herren, könnten heute – wenn auch in anderem Kontext – leider sehr ähnlich formuliert werden. Es waren antisemitisch motivierte Vorfälle, insbesondere die Hakenkreuzschmierereien an der Kölner Synagoge Ende 1959, die Politiker und politische Bildner in große Besorgnis versetzten.

Der Intellektuelle und Politikwissenschaftler Eugen Kogon – selbst Überlebender des Konzentrationslagers Buchenwald – sprach nach dem Kölner Vorfall öffentlich die Empfehlung aus, das Thema Antisemitismus nicht nur theoretisch abzuhandeln, sondern jungen Menschen durch einen Besuch Israels direkte Begegnungen mit Juden und dem jüdischen Staat zu ermöglichen.

Die Bundeszentrale für politische Bildung nahm diese Empfehlung damals auf und bis heute erleben wir mit den Studienreisen angewandte politische Bildung im besten Sinne am Lernort Israel. Rein quantitativ betrachtet sind in den vergangenen 55 Jahren mehr als 9000 Multiplikatorinnen und Multiplikatoren der politischen Bildung in mehr als 300 Studienreisen mit uns nach Israel gereist.

Für viele Israel-Alumnis war die Reise der Auftakt von einer Reihe weiterer Besuche und manchmal wurde daraus auch eine Art Liebesbeziehung, weil einen das Land und seine Menschen so schnell nicht mehr loslassen. Mit den Studienreisen möchten wir die politische, gesellschaftliche, religiöse und kulturelle Vielfalt Israels mit seiner lebendigen und pluralistischen Demokratie zeigen. Dabei werden kontroverse Debatten innerhalb der jüdischen Mehrheit, aber auch die Situation der nicht-jüdischen Minderheiten im Land betrachtet. Auch das direkte Gespräch mit Persönlichkeiten in den Gebieten der Palästinensischen Autonomiebehörde ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Programme, um sich durch Gespräche mit beiden Konfliktparteien ein eigenes Bild machen zu können.

Es sind vor allem die Begegnungen mit den unterschiedlichsten Menschen vor Ort, die uns mit einer unglaublichen Offenheit an ihrem Alltag, ihren Sorgen und Ängsten, ihren Dilemmata aber auch an ihrer Lebensfreude teilhaben lassen und somit zu einem authentischen Erleben des Landes beitragen.

Wenn wir heute fragen, welches die größten Errungenschaften sind, die Israel in den vergangenen 70 Jahren erzielt hat, möchte ich exemplarisch drei erwähnen: • die Errichtung einer vitalen, pluralistischen und streitbaren Demokratie, die in der Region noch immer ihresgleichen sucht und die zugleich - wie viele andere Demokratien auch - vor großen Herausforderungen steht • die Integration von Millionen von Einwanderern aus über 120 Ländern mit ihren so unterschiedlichen kulturellen Hintergründen • und den Aufstieg zu einer der führenden Hightech-Nationen in der Welt, die unser Freund Grisha Alroi-Arloser gerne als Reise von „von Jaffa nach Java“ beschreibt.

Trotz der unbestrittenen Erfolgsgeschichte des jüdischen Staates ist der Wunsch der Gründerväter und -mütter, nämlich den nachfolgenden Generationen ein Leben in Frieden und Sicherheit zu garantieren, leider bis heute nicht in Erfüllung gegangen.

Auch 70 Jahre nach seiner Gründung gibt es Staaten in der Region, die Israels Existenzrecht in Frage stellen, wenn es auch immer mehr Stimmen in der arabischen Welt gibt, die Israel als einen integralen Teil der Nachbarschaft anerkennen. Doch ein Ausgleich mit den Palästinensern ist nach der hoffnungsvollen Episode des Friedensprozesses in den 90er Jahren noch nicht erreicht worden.

Ich darf heute sicher zu Recht sagen, dass die Bundeszentrale für politische Bildung Israels wechselvolle Geschichte und die dynamische Entwicklung seiner Gesellschaft über Jahrzehnte kontinuierlich, aufmerksam und nie gleichgültig begleitet hat. Für unser Haus ist es Aufgabe und Verpflichtung zugleich, sich aktiv in den Kampf gegen Antisemitismus und die Negierung oder Infragestellung des Existenzrechts Israels einzubringen. Unsere Toleranz muss dort enden, wo unter dem Deckmantel der Meinungs- und Pressefreiheit antisemitische oder israelfeindliche Parolen oder Ideologien verbreitet werden. In diesem Bemühen werden wir nicht nachlassen, im Gegenteil, wir werden unsere Projekte in diversen Formaten noch verstärken.

In diesem Sinne möchten wir auch an diesem Abend über jüdische Identitäten in Deutschland sprechen. Die Themen reichen von altem und neuem Antisemitismus über die in Deutschland lebenden Israelis bis zu den gegenwärtigen deutsch-israelischen Beziehungen.

Wir werden aufs Neue erfahren, wie eng deutsche und israelische Geschichte verknüpft sind und wie Israel eine Art Projektionsfläche für deutsche Befindlichkeiten ist.

An dieser Stelle möchte ich allen Referentinnen und Referenten sehr herzlich danken, dass Sie unserer Einladung nach Berlin gefolgt sind.

Mein besonderer Dank gilt Tom Segev, der in seiner Keynote die schwierigen Anfangsjahre Israels und die Rolle des ersten israelischen Premierministers David Ben Gurion beleuchten und die Konferenz aus der Perspektive des Historikers eröffnen wird.

Bevor ich das Wort an Tom Segev weitergebe, möchte ich noch denjenigen danken, die diese Veranstaltung konzipiert und organisiert haben: Stellvertretend für das Team der bpb-Mitarbeitenden möchte ich meinen Dank sagen an Sibel Özdemir und Waltraud Arenz, die ein spannendes und hochkarätiges Programm zusammengestellt haben. Die Tatsache, dass die Israel-Alumni-Konferenz innerhalb von 24 Stunden ausgebucht war, zeigt, dass die beiden Kolleginnen das richtige Gespür für das Themensetting hatten.

Auf israelischer Seite gilt mein Dank der Agentur Isenpro mit Anita Haviv und Sabine Frank, die in bewährter Weise die inhaltliche und organisatorische Koordination der Referierenden übernommen hat. Dem Team der Agentur Lab-Concepts unter Leitung von Ulrike Bretschneider sage ich Danke für eine professionelle Organisation.

Nun möchte ich aber zu Ihnen, lieber Herr Segev als Keynote-Speaker überleiten: Tom Segev ist einer der renommiertesten Historiker Israels und seine Publikationen sind längst unverzichtbare Standardwerke für jeden, der sich mit israelischer Geschichte befasst. In seinen Büchern gelingt es ihm, Geschichte mit Geschichten zu vermitteln und die Leser mitzunehmen auf spannende Zeitreisen. Es ist uns eine besondere Ehre, dass Sie diesen Abend eröffnen!

Ich wünsche Ihnen und uns allen einen spannenden Abend! Shalom und Salam.

Lieber Herr Segev, the floor is yours…

Fussnoten