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Gewaltmedienkonsum und Aggression | Jugend und Medien | bpb.de

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Gewaltmedienkonsum und Aggression

Ingrid Möller

/ 14 Minuten zu lesen

Zahlreiche Studien belegen, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Konsum gewalthaltiger Medien und aggressivem Verhalten Jugendlicher gibt. Gleichzeitig wird deutlich, dass Gewaltmedienkonsum nur einer von vielen Faktoren ist.

Einleitung

Bildschirmmedien wie Fernsehen und elektronische Spiele nehmen im Alltag von Jugendlichen (vor allem bei Jungen) einen hohen Stellenwert ein, wie sich etwa anhand der Ergebnisse der alljährlichen JIM-Studie zur Mediennutzung von 12- bis 19-Jährigen in Deutschland ablesen lässt. Befragt man diese Altersgruppe zu ihren inhaltlichen Vorlieben, werden nicht selten gewalthaltige Filme (z.B. Horror- oder Actionfilme), Fernsehserien (z.B. Krimi- oder Actionserien) oder Bildschirmspiele, deren Hauptanforderung darin besteht, virtuelle Gegner zu vernichten (z.B. Shooter), genannt. Eine der beliebtesten Spielreihen sowohl bei Jungen als auch bei Mädchen im Alter von etwa 14 Jahren ist seit Jahren "Grand Theft Auto", deren einzelne Teile von der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) ab 16 bzw. ab 18 Jahren freigegeben sind. Damit sei hier exemplarisch darauf hingewiesen, dass im Jugendalter ein bedeutender Anteil an Medieninhalten genutzt wird, der für die Altersgruppe der unter 16-Jährigen gar nicht freigegeben ist und laut Inhaltsanalysen einen beträchtlichen Gewaltanteil aufweist.

Dieser Beitrag betrachtet Medien mit gewalthaltigen Inhalten aus der Sicht der sozialpsychologischen Aggressionsforschung und greift damit aus der Vielzahl möglicher Medienwirkungen diejenigen heraus, die weithin als problematisch betrachtet werden. Nicht berücksichtigt werden an dieser Stelle andere potenzielle Wirkungen speziell gewalthaltiger Darstellungen wie erhöhte Angstzustände oder auch eine Reduktion prosozialer Verhaltensweisen. Gewalt in den Medien wird als die Darstellung zielgerichteter, direkter Schädigung von Menschen (oder menschenähnlichen Wesen) durch Menschen (oder menschenähnliche Charaktere) definiert, wobei es hier um fiktionale Gewaltdarstellungen geht.

Ist hier von Aggression die Rede, ist damit absichtliches, zielgerichtetes Verhalten gemeint, mit dem eine andere Person körperlich oder auch psychisch geschädigt werden soll, wobei Studien den Fokus oft auf physische Aggressionsformen gelegt haben. Dabei werden nur sehr selten schwere Formen der körperlichen Aggression oder Gewalt erfasst, meist ist hierunter eher alltäglich zu beobachtendes Verhalten zu verstehen wie verbale Attacken (z.B. beleidigen, beschimpfen) oder Handgreiflichkeiten (z.B. schubsen, treten, schlagen). Es geht in der Forschung also weniger um die Frage, ob Personen, die viel mediale Gewalt konsumieren, auch zu Gewalttätern werden, als darum, zu untersuchen, wie der Konsum solcher Inhalte dazu beiträgt, dass sich gerade Kinder und Jugendliche im Alltag schrittweise immer aggressiverer Konfliktlösungsstrategien bedienen und Aggression als legitimes und erfolgreiches Mittel zur Erreichung ihrer Ziele ansehen.

Das Risiko der aggressionsfördernden Wirkung von Mediengewalt wird für Kinder und Jugendliche (im Vergleich zum Risiko für Erwachsene) als besonders gravierend eingeschätzt. Kinder und Jugendliche zeichnen sich nicht nur durch ein intensives Nutzungsverhalten aus, sondern befinden sich auch in einer sensiblen Entwicklungsphase im Hinblick auf aggressionsbezogene Normen und Einstellungen. Demzufolge besteht ein besonderer Bedarf an längsschnittlich angelegten Untersuchungen, welche die Auswirkungen des Gewaltkonsums über die Zeit hinweg verfolgen und klare Aussagen zum Verlauf der Kausalität treffen können. Entwicklungspsychologische Untersuchungen zeigen, dass zwischen 11 und 15 Jahren die Aggressivität bei Jugendlichen ansteigt. Das Mediennutzungsverhalten im Hinblick auf eine wachsende Vorliebe für gewalthaltige Inhalte zeigt einen parallelen Verlauf. Dies ist vor allem deshalb problematisch, da in der Adoleszenz verstärkt Normen des zwischenmenschlichen Umgangs erworben werden, wobei die Familie an Einflusskraft verliert und neue Modelle und Rollenbilder in der Gruppe der Gleichaltrigen (peer group) aber auch verstärkt in den Medien gesucht und gefunden werden. Aktuelle deutsche Längsschnittstudien mit Jugendlichen zeigen, dass sich anhand des Konsums gewalthaltiger Spiele in der Adoleszenz über Zeiträume bis zu zwei Jahren individuelle Unterschiede in der Aggressionsentwicklung vorhersagen lassen. Längerfristig angelegte Projekte, die sich ausschließlich auf Gewaltkonsum im Fernsehen beziehen, konnten Auswirkungen des Konsums im Kindes- und Jugendalter bis ins frühe und mittlere Erwachsenenalter nachweisen.

Im Folgenden soll ein Überblick über den aktuellen Stand der psychologischen Forschung zu den kurz- und langfristigen Auswirkungen des Konsums gewalthaltiger Medieninhalte auf das Aggressionspotenzial gegeben werden, wobei theoretische Annahmen zu Wirkmechanismen mit empirischen Studienbefunden verknüpft werden. Dabei liegt allen zitierten Forschungsarbeiten ein multikausales Verständnis der Aggressionsentstehung zugrunde: Aggression im Kindes- und Jugendalter ist meist ein Produkt verschiedener sich wechselseitig bedingender Faktoren. Der Konsum gewalthaltiger Medieninhalte ist in diesem komplexen Zusammenspiel der verschiedenen Einflüsse nur einer unter vielen. Dennoch zeigen jüngere amerikanische, aber auch eine deutsche Untersuchung, dass der Einfluss des Mediengewaltkonsums trotz Berücksichtigung von Bündeln anderer Risikofaktoren in der Vorhersage aggressiven Verhaltens bestehen bleibt.

Die ermittelten Effektstärken des Zusammenhangs von Gewaltkonsum und Aggression sind Meta-Analysen zufolge in ihrer Höhe als schwach bis mittel stark einzustufen. Zwar wird die Kontroverse um die praktische Bedeutsamkeit der Befunde und die Eindeutigkeit der Datenlage noch immer intensiv geführt, doch dürfte es angesichts der Vielzahl der Belege auch den Kritikern der Schädigungshypothese schwer fallen, die negativen Effekte andauernden Gewaltkonsums gänzlich in Abrede zu stellen.

Kurzfristige Auswirkungen

Die kurzfristige Wirkung der Beschäftigung mit gewalthaltigen Medieninhalten wird zum einen durch die Theorie der Erregungsübertragung erklärt, die auf die durch den Medienkonsum ausgelöste Erregung abhebt. Danach kommt es im Anschluss an den Medienkonsum zu einer Intensivierung emotionaler Reaktionen, da uns während des Zuschauens oder Spielens in der Regel keine Möglichkeit geboten wird, unsere Emotionen vollständig zu durchleben. Die Erregungsreaktion überdauert so die eigentliche Filmszene oder Spielepisode, die sie ausgelöst hat, und verstärkt folglich das Gefühlserleben in nachfolgenden Szenen oder auch in Situationen im Anschluss an den Medienkonsum.

In empirischen Studien ist vielfach belegt worden, dass gerade Gewaltdarstellungen kurzfristig physiologisch erregend wirken. Dieser erhöhte Erregungszustand kann in nachfolgenden Situationen zu einer Verstärkung der dominanten Handlungsimpulse führen. Das bedeutet, wenn wir nach dem Konsum medialer Gewalt in eine Situation gelangen, die eine aggressionsrelevante Erregung auslöst, etwa Ärger als Folge einer Frustration, wird die Rest-Erregung aus dem Medienkonsum auf die neue Situation übertragen. Der dominante Handlungsimpuls, mit Aggression zu reagieren, kann hier durch die Aufsummierung der aktuellen Ärger-Erregung und der Rest-Erregung aus dem Gewaltkonsum verstärkt werden. Effekte der Erregungsübertragung sind allerdings recht kurzfristiger Natur und dauern nur so lange an, bis die Rest-Erregung aus der aktuellen Mediennutzung abgebaut wurde.

Eine andere Erklärung kurzfristiger Wirkungen bietet die Stimulationsthese, die sich auf die Erhöhung der kognitiven Zugänglichkeit aggressionsbezogener Gedanken bezieht. Sie besagt, dass ein gewalthaltiger Medieninhalt bereits vorhandene aggressive Gedanken oder/und Gefühle in unserem Gedächtnis aktiviert. Dadurch nehmen wir unsere Umwelt vorübergehend feindseliger wahr und betrachten soziale Situationen, vor allem solche, in denen wir uns nicht sicher sind, ob unser Gegenüber uns freundlich oder unfreundlich gesinnt ist, durch eine Art Aggressionsfilter. Das bedeutet zum Beispiel, dass wir in uneindeutigen Situationen einer anderen Person schneller eine feindselige und provokative Absicht unterstellen, als wir es sonst tun würden. Diese Wahrnehmungsverzerrung wiederum begünstigt aggressives Verhalten.

Dass es tatsächlich kurz nach dem Konsum gewalthaltiger Filme oder Spiele zu einer erhöhten Verfügbarkeit aggressiver Gedankeninhalte kommt, konnte wiederholt empirisch nachgewiesen werden. Häufig werden dazu in Laborstudien Reaktionszeitexperimente genutzt. Diese zeigen, dass Testpersonen im Anschluss an den meist nur wenige Minuten andauernden Gewaltkonsum schneller auf aggressives Wortmaterial reagieren, welches ihnen am Computer dargeboten wird, als auf neutrale Texte.

Wenn solche Aktivierungseffekte auch hauptsächlich als sofortige Auswirkung gelten, so können sie doch auch langfristig eine Veränderung der kognitiven Strukturen bewirken. Eine häufig wiederholte Aktivierung aggressiver Gedankeninhalte führt über die Zeit zu einer Art chronischer Verfügbarkeit der entsprechenden Wissensstrukturen und kann so die Wahrnehmung und Interpretation der betreffenden Person in vielen sozialen Situationen nachteilig beeinflussen.

Langfristige Auswirkungen

Zur Erklärung der langfristigen Wirkung des habituellen Gewaltkonsums sind vor allem zwei Prozesse von Bedeutung: soziales Lernen und emotionale Abstumpfung. Grundlage der Anwendung sozial-kognitiver Lerntheorien wie zum Beispiel der sogenannten Skripttheorie ist der Umstand, dass in medialen Gewaltdarstellungen Rollenmodelle präsentiert werden, die für ihr aggressives Verhalten durch Erfolg belohnt werden und keine negativen Konsequenzen erfahren.

Die Skripttheorie, welche die Entstehung und Aufrechterhaltung von "Verhaltensdrehbüchern" in sozialen Interaktionen beschreibt, geht davon aus, dass schon Kinder aggressionsbezogene Skripts durch soziales Lernen erwerben, sei es durch direkte Erfahrung oder durch stellvertretendes Lernen. Bedenkt man den oft hohen Medienkonsum bereits im Kindesalter, liegt es nahe, dass viele Verhaltensweisen durch Modelllernen aus den Medien erworben werden. Es ist daher anzunehmen, dass Kinder, die intensiv gewalthaltige Medien nutzen, verstärkt aggressive Skripts entwickeln. Einmal abgespeichert, kann ein solches Skript in selbst erlebten Konfliktsituationen abgerufen und handlungsleitend werden. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Entwicklung eines feindseligen Attributionsstils, das heißt der chronifizierten Tendenz, das Verhalten anderer als Ausdruck einer feindseligen Absicht zu interpretieren, wenn keine klaren Informationen zur Absicht des Interaktionspartners vorliegen.

Eine Studie an deutschen Jugendlichen der siebten und achten Klassenstufe hat unter anderem gezeigt, dass diejenigen, die häufig und gewohnheitsmäßig Gewaltspiele in ihrer Freizeit nutzten, in der Interpretation kurzer fiktiver Geschichten die Absicht der Hauptfiguren als feindseliger und aggressiver einschätzten als diejenigen, die solche Spiele nicht konsumierten. Sie gaben außerdem öfter als die anderen an, mit aggressiven Verhaltensweisen reagieren zu wollen, wenn sie sich in die Rolle der Hauptperson hineinversetzen sollten. In den gleichen Untersuchungen wurde ein weiteres wichtiges Skriptmerkmal - die normativen Überzeugungen im Hinblick auf die Angemessenheit aggressiven Verhaltens in einer bestimmten Situation - erfasst und aufgezeigt, dass erhöhter Gewaltkonsum mit aggressionsbegünstigenden persönlichen Normen einhergeht. Je höher der habituelle Gewaltspielkonsum im ersten Befragungsjahr war, desto stärker fiel die Akzeptanz aggressiver Reaktionen in Konfliktsituationen zweieinhalb Jahre später aus. Sind diese persönlichen Normen wiederum aggressionsbegünstigend ausgeprägt, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass Skripts abgerufen und handlungsleitend werden, die aggressives Verhalten beinhalten.

Den Normen wird zudem eine Art Filterfunktion zugeschrieben, in dem Sinne, dass sie unangebrachte Verhaltensweisen aus dem Verhaltensrepertoire einer Person ausschließen. Wenn ein Kind also erst einmal an eine aggressive Verhaltensweise als mögliche Handlungsalternative gedacht hat, wird es diese - bei entsprechender Ausprägung der eigenen Normen - mit geringerer Wahrscheinlichkeit wieder verwerfen und friedliche Konfliktlösungen immer seltener ausprobieren.

Neben der Auswirkung auf kognitive Interpretationsmuster schlägt sich der intensive Konsum von Gewaltmedien auch auf der Ebene der emotionalen Reaktionen nieder. Das Konzept der Desensibilisierung beschreibt den Prozess der Abstumpfung gegenüber emotional erregenden Reizen, die sich sowohl auf der Ebene des erlebten Gefühls (z.B. reduziertes Angsterleben) als auch auf der Ebene der körperlichen Erregung zeigt. Im Hinblick auf gewalthaltige Darstellungen konnten mehrere Studien zeigen, dass sowohl Kinder als auch Erwachsene eine verringerte physiologische Erregung auf (simulierte) Gewalttaten zeigen, wenn sie zuvor durch Medieninhalte an die Beobachtung von Gewalt "gewöhnt" wurden.

Eine Desensibilisierung führt schrittweise zu einer Veränderung in den emotionalen Reaktionen (Abschwächung negativer Gefühle; Abnahme des Einfühlungsvermögens) und in den Kognitionen (Gewalt wird als normal und weit verbreitet betrachtet sowie als effektives Mittel zur Zielerreichung). Gewalthaltige Bildschirmspiele beispielsweise bekräftigen aggressive Handlungen (durch Belohnungen wie Punkte oder das Erreichen des nächsten Levels), und Gewalt wird als akzeptabel dargestellt, da sie nicht real, sondern nur in einer virtuellen Welt ausgeführt wird. Empathie mit den Opfern ist nicht notwendig, da diese ja nicht tatsächlich leiden und keinen Schmerz empfinden können.

Studien in den USA konnten sowohl an Kindern als auch an Studierenden zeigen, dass intensiver Gewaltspielkonsum mit einer Abnahme des Mitgefühls mit Menschen in Notsituationen und Opfern von Gewalthandlungen im realen Leben einhergeht. Für den deutschen Sprachraum zeigt eine Längsschnittstudie an Jugendlichen der siebten und achten Klassenstufe ebenfalls, dass hoher habitueller Gewaltkonsum über den Zeitraum eines Jahres mit einer verringerten Empathiefähigkeit einherging.

Kausalitätsfrage: Selektion oder Wirkung?

Gerade die Längsschnittuntersuchungen sind geeignet, eine weitere, konkurrierende Hypothese zu testen: die sogenannte Selektionsthese. Diese geht von einer umgekehrten Kausalität zwischen Mediengewaltkonsum und Aggression aus und besagt, dass die Personen, die (aus einer Vielzahl von Gründen) besonders aggressiv sind, sich stärker zu Gewaltinhalten hingezogen fühlen und diese verstärkt nutzen. Da in den wiederholten Befragungen zu allen Zeitpunkten sowohl der Konsum als auch das Verhalten gemessen werden, können beide Wirkrichtungen geprüft werden. Die Befundlage dazu ist heterogen; möglicherweise verändert sich im Laufe der kindlichen Entwicklung aber auch die Richtung des Zusammenhangs.

Für Deutschland liegen bislang folgende Befunde vor: Eine Studie an Grundschulklassen brachte Ergebnisse, welche die Selektionsthese stützen; die Untersuchung einer Gruppe deutscher Hauptschülerinnen und Hauptschüler der siebten Klasse zeigte über den Zeitraum von zwei Jahren Wechselwirkungen zwischen Konsum und Verhalten auf, wobei allerdings die Wirkung des Gewaltkonsums auf die Aggressionsbereitschaft stärker ausgeprägt war als der Einfluss des vorherigen Verhaltens auf die spätere Vorliebe für Gewaltinhalte. Eine dritte Studie konnte anhand zweier Befragungen von Schülerinnen und Schülern der siebten und achten Klasse im Abstand eines Jahres klar die Wirkungsannahme bestätigen, da sich in den Daten keinerlei Hinweis auf einen Einfluss des Verhaltens auf den späteren Konsum finden ließ.

Das letzte Ergebnis reiht sich in Resultate aus der amerikanischen Forschung ein: Im Hinblick auf die aggressionsfördernde Wirkung des Gewaltfernsehens konnte dort anhand von Studien, die ihre Teilnehmer bis zu 30 Jahre begleiteten, die Auswirkung des Konsums im Kindesalter (erste Messung im Alter von acht Jahren) auf aggressives und delinquentes Verhalten im mittleren Erwachsenenalter nachgewiesen werden.

Betrachtet man dieses Wirkgefüge genauer, drängt sich die Frage auf, inwieweit nicht auch der (niedrige oder hohe) Gewaltkonsum und die persönliche Ausprägung der Aggressivität gemeinsam eine Wirkung auf das zukünftige Verhalten entfalten. Eine Reihe von Studien aus den USA kam diesbezüglich zu folgendem Ergebnis: Je aggressiver ein Mensch bereits ist, desto mehr beeinflusst die Darbietung von Mediengewalt sein aggressives Verhalten. Aus solcherart Untersuchungen wurde daher gefolgert, dass es sich hier um eine Art "Teufelskreis" bzw. eine "Abwärtsspirale" handeln könnte: Aggressive Personen zeigen zunächst aufgrund ihrer Aggressivität eine verstärkte Präferenz für gewalthaltige Medieninhalte und der Konsum dieser medialen Gewalt führt wiederum zu einer Bekräftigung ihrer aggressiven Persönlichkeit.

Jüngere Untersuchungen an deutschen Jugendlichen ergaben jedoch, dass gerade diejenigen, die zunächst wenig aggressiv waren, bei hohem Gewaltkonsum stärkere Auswirkungen auf das aggressive Verhalten zeigen, als Jugendliche, deren Aggressionspotenzial von vornherein höher war. Für eine abschließende Beantwortung dieser Frage sind daher weitere Studien notwendig.

Zusammenfassung und Ausblick

Über die potenziell aggressionsfördernde Wirkung des regelmäßigen Konsums gewalthaltiger Medieninhalte wird in der Öffentlichkeit intensiv diskutiert, wobei das Spektrum der vertretenen Positionen von der monokausalen Verursachung extremer Gewalttaten, etwa von Amokläufen an Schulen, bis hin zur Leugnung jedweder Beziehung zwischen Gewaltkonsum und Aggressionsbereitschaft reicht.

Dieser Beitrag hat einerseits gezeigt, dass es mittlerweile eine Vielzahl von Belegen für einen Zusammenhang zwischen Gewaltkonsum und Aggression gibt und die vermittelnden Prozesse, insbesondere der Erwerb aggressiver Verhaltensdrehbücher und die emotionale Abstumpfung, zunehmend klarer hervortreten. Andererseits ist aber auch deutlich geworden, dass der Konsum gewalthaltiger Medien nur einer von vielen Faktoren ist, die mit aggressivem Verhalten in Beziehung stehen oder es gar kausal bestimmen.

Die nachgewiesenen Effektstärken sind von moderater Größenordnung, und die Frage, welche anderen Variablen in der Person oder dem sozialen Umfeld die Effekte des Gewaltkonsums verstärken oder mindern können, ist noch nicht hinreichend geklärt. Offen ist auch die Frage der möglicherweise unterschiedlichen Wirkkraft von Gewalt in Filmen und Gewalt in Spielen. Die wenigen Einzelstudien, die hierzu bislang vorliegen, zeichnen noch kein klares Bild. Weiteren Forschungsbedarf gibt es im Hinblick darauf, welches Wirkpotenzial verschiedene Darstellungsformen oder neue Techniken haben (z.B. Gewaltspiele auf Konsolen wie etwa der "Wii", die durch körperliche Bewegung gesteuert werden).

Angesichts der weltweiten Verbreitung gewalthaltiger Medien und der hohen Nutzungsintensität gerade im Jugendalter ist die Größenordnung der Effekte allerdings als bedeutsam anzusehen und wirft die Frage nach wirksamen Interventionsansätzen auf.

Jenseits der Konsumreduktion sind Ansätze Erfolg versprechend, welche die Fähigkeit der Kinder und Jugendlichen zur Selbstregulation und eine kritische Reflexion der Darstellung und Bewertung von Gewalt in der fiktionalen Realität der Filme und Bildschirmspiele fördern. Trainingsstudien, die auf die Förderung dieser spezifischen Facette der Medienkompetenz abzielen, gibt es allerdings nur sehr wenige und sind fast ausschließlich für Kinder im Grundschulalter konzipiert. Da gerade im frühen Jugendalter der Konsum gewalthaltiger Inhalte stark ansteigt, sollte diese Altersgruppe aber dringend stärker in den Fokus solcher Interventionsmaßnahmen rücken. Dass sich auch in der Adoleszenz noch positive Effekte solcher (klassenbasierten) Trainings nachweisen lassen, konnte in einer unlängst abgeschlossenen deutschen Evaluationsstudie gezeigt werden.

Fussnoten

Fußnoten

  1. JIM steht für Jugend, Information, Multimedia. Vgl. zum Beispiel Sabine Feierabend/Albrecht Kutteroff, Medien im Alltag Jugendlicher - multimedial und multifunktional, in: Media Perspektiven, (2008) 12, S. 612-624.

  2. Vgl. ebd.; Barbara Krahé/Ingrid Möller, Playing violent electronic games, hostile attributional style, and aggression-related norms in German adolescents, in: Journal of Adolescence, 27 (2004) 1, S. 53-69.

  3. Vgl. Petra Grimm/Katja Kirste/Jutta Weiß, Gewalt zwischen Fakten und Fiktion. Eine Untersuchung von Gewaltdarstellungen im Fernsehen unter besonderer Berücksichtigung ihres Realitäts- bzw. Fiktionalitätsgrades, Berlin 2005; Theresa Höynck/Thomas Mössle/Michael Kleimann et al., Jugendmedienschutz bei gewalthaltigen Computerspielen. Eine Analyse der USK-Alterseinstufungen, KFN-Forschungsbericht Nr. 101, Hannover 2007.

  4. Vgl. Joanne Cantor, Media and fear in children and adolescents, in: Douglas A. Gentile (ed.), Media violence and children, Westport 2003.

  5. Vgl. Barbara Krahé/Ingrid Möller, Links between self-reported media violence exposure and teacher ratings of aggression and prosocial behavior among German adolescents, in: Journal of Adolescence, (i.E.); Craig A. Anderson/Brad J. Bushman, Effects of violent video games on aggressive behavior, aggressive cognition, aggressive affect, physiological arousal, and prosocial behavior: A meta-analytic review of the scientific literature, in: Psychological Science, 12 (2001) 5, S. 353-359.

  6. Vgl. Steven J. Kirsh, Children, adolescents, and media violence, Thousand Oaks 2006.

  7. Vgl. Werner H. Hopf/Günter L. Huber/Rudolf H. Weiß, Media violence and youth violence: A 2-year longitudinal study, in: Journal of Media Psychology, 20 (2008) 3, S. 79-96.

  8. Vgl. Jeffrey G. Johnson/Patricia Cohen/Elizabeth M. Smailes et al., Television viewing and aggressive behavior during adolescence and adulthood, in: Science, 295 (2002), S. 2468-2471; L. Rowell Huesmann/Jessica Moise-Titus/Cheryl-Lynn Podolski et al., Longitudinal relations between children's exposure to TV violence and their aggressive and violent behavior in young adulthood, in: Developmental Psychology, 39 (2003) 2, S. 201-229.

  9. Vgl. Barbara Krahé, The social psychology of aggression, Hove 2001.

  10. Vgl. Craig A. Anderson/Douglas A. Gentile/Katherine E. Buckley, Violent video game effects on children and adolescents: Theory, research, and public policy, New York 2007; Paul Boxer/L. Rowell Huesmann/Brad J. Bushman et al., The role of violent media preference in cumulative developmental risk for violence and general aggression, in: Journal of Youth and Adolescence, 38 (2009) 3, S. 417428; W.H. Hopf/G. L. Huber/R. H. Weiß (Anm. 7).

  11. Vgl. C.A. Anderson/B. J. Bushman (Anm. 5).

  12. Vgl. Dolf Zillmann, Cognition-excitation interdependencies in aggressive behaviour, in: Aggressive Behavior, 14 (1983) 1, S. 51-64.

  13. Vgl. Craig A. Anderson, An update on the effects of playing violent video games, in: Journal of Adolescence, 27 (2004) 1, S. 113-122.

  14. Vgl. Eunkyung Jo/Leonard Berkowitz, A priming effect analysis of media influences: An update, in: Jennings Bryant/Dolf Zillmann (eds.), Media effects: Advances in theory and research, Hillsdale 1994.

  15. Vgl. Brad J. Bushman, Priming effects of media violence on the accessibility of aggressive constructs in memory, in: Personality and Social Psychology Bulletin, 24 (1998), S. 537-545.

  16. Vgl. C.A. Anderson (Anm. 13).

  17. Vgl. Albert Bandura, Aggression. Eine sozial-lerntheoretische Analyse, Stuttgart 1979.

  18. Vgl. L. Rowell Huesmann, Psychological processes promoting the relation between exposure to media violence and aggressive behavior by the viewer, in: Journal of Social Issues, 42 (1986) 3, S. 125-139.

  19. Vgl. B. Krahé/I. Möller (Anm. 2); dies., Exposure to violent video games and aggression in German adolescents: A longitudinal analysis, in: Aggressive Behavior, 35 (2009) 1, S. 75-89.

  20. Vgl. Nicholas L. Carnagey/Craig A. Anderson/Brad J. Bushman, The effect of video game violence on physiological desensitization to real-life violence, in: Journal of Experimental Social Psychology, 43 (2007) 3, S. 489-496.

  21. Vgl. Victor C. Strasburger/Barbara J.Wilson, Television violence, in: Douglas A. Gentile (ed.), Media violence and children, Westport 2003.

  22. Vgl. Jeanne B. Funk/Heidi Bechtoldt Baldacci/Tracie Pasold et al., Violence exposure in real-life, video games, television, movies, and the internet: Is there desensitization?, in: Journal of Adolescence, 27 (2004) 1, S. 23-39.

  23. Vgl. Barbara Krahé/Ingrid Möller, Longitudinal effects of media violence on aggression and empathy among German adolescents, in: Journal of Applied Developmental Psychology, 31 (2010) 5, S. 401-409.

  24. Vgl. Astrid Kristen/Caroline Oppl/Maria von Salisch, Computerspiele mit und ohne Gewalt: Auswahl und Wirkung bei Kindern, Stuttgart 2007.

  25. Vgl. W. H. Hopf/G. L. Huber/R. H. Weiß (Anm. 7).

  26. Vgl. B. Krahé/I. Möller (Anm. 23).

  27. Vgl. L.R. Huesmann/J. Moise-Titus/C.-L. Podolski et al. (Anm. 8).

  28. Vgl. Brad J. Bushman, Moderating role of trait aggressiveness in the effects of violent media on aggression, in: Journal of Personality and Social Psychology, 69 (1995) 5, S. 950-960.

  29. Vgl. Michael D. Slater/Kimberly L. Henry/Randall C. Swaim et al., Violent media content and aggressiveness in adolescents: A downward spiral model, in: Communication Research, 30 (2003) 6, S. 713-736.

  30. Vgl. B. Krahé/I. Möller (Anm. 23).

  31. Vgl. Ingrid Möller/Barbara Krahé/Robert Busching et al., Efficacy of an intervention designed to reduce media violence usage and aggression: An experimental evaluation with adolescents in Germany, (i.E.).

Dr. phil., geb. 1977; wissenschaftliche Mitarbeiterin am Department Psychologie, Abteilung Sozialpsychologie, an der Universität Potsdam, Karl-Liebknecht-Straße 24-25, 14476 Potsdam. E-Mail Link: ingrid.moeller@uni-potsdam.de