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Sektion 7 – Technologischer Fortschritt, Datenmonopole und das Internet der Dinge | 13. Bundeskongress Politische Bildung – Ungleichheiten in der Demokratie | bpb.de

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Sektion 7 – Technologischer Fortschritt, Datenmonopole und das Internet der Dinge

/ 3 Minuten zu lesen

Ob Big Data, Smart Cities oder untereinander kommunizierende Maschinen im Internet der Dinge: Der Einfluss von Technologien auf unsere Gesellschaft und das Leben jedes Einzelnen ist größer als wir denken. Es wird Zeit mitzugestalten und nicht nur über Szenarien zu reden.

Referentinnen und Referenten der Interner Link: Sektion 7:
Christoph Kucklick, Autor von "Die granulare Gesellschaft"
Evgeny Morozov, Publizist
Rena Tangens, Digitalcourage e.V. (bigBrotherAwards – "Die Oscars für Datenkraken")
Jörg Blumtritt, Datarella GmbH
Moderation: Prof. Dr. Christian Schicha, Mediadesign Hochschule Düsseldorf

Der Blick in die Zukunft begann mit einem Blick zurück. Rena Tangens erinnerte an die hoffnungsvolle Stimmung der Internet-Pionierzeit, in der allgemein das Gefühl vorherrschte, es entstünde eine "neue Welt, die wir mitgestalten können." Vieles habe sich seitdem geändert, aber eines sei geblieben: die Macht der Datenbanken. Diese, so Tangens, hätten die Tendenz, Menschen ohnmächtig zu machen und nicht sie zu ermächtigen. Warum das so ist, sei relativ trivial. Denn über die meisten Datenbanken, in denen heutzutage Daten über uns gesammelt und zusammengeführt werden, hätten wir keine Kontrolle. Und das, obwohl auf Grundlage dieser Daten bereits heute Entscheidungen getroffen würden, die wesentlichen Einfluss auf das Leben jedes Einzelnen und auf unser gesellschaftliches Zusammenleben haben. Die Antwort darauf könne nur mehr Datenschutz und Datensparsamkeit sein, um Selbstbestimmung und Handlungsoptionen für die Zukunft zu bewahren.

Algorithmen regieren die Welt

Christoph Kucklick (© bpb/Smilla Dankert)

Big Data durchdringt unsere Welt, wobei hier nicht mehr zwischen virtueller und realer zu unterscheiden sei. Das führt aus demokratietheoretischer Sicht zu einem Paradigmenwechsel der aufklärerischen Vorstellung von Repräsentation, sagt Jörg Blumtritt, Data-Scientist und Geschäftsführer eines Big Data Start-Ups in München. Da immer mehr Daten über jeden Einzelnen gesammelt würden, löse sich auch unsere bisherige Vorstellung von Gleichheit auf. Das Problem dabei sei: Die Entscheidungen, die auf Grundlage gesammelter Daten getroffen werden, fällen nicht mehr wir, sondern Algorithmen. Ob die personalisierte Suchergebnisseite bei Google, der neue Versicherungstarif oder die Einreise in ein Land – längst geht es nicht mehr nur um objektive Entscheidungen, sondern um Werturteile. Algorithmen würden zwar von den Machern als objektiv verstanden, seien aber hochgradig vermittelt. Wir brauchen eine Algorithmenethik, fordert Blumtritt, und endlich eine politische Debatte darüber. Geht es nach ihm, dürfen Algorithmen nicht länger im Dunkeln liegen, sie müssen offen gelegt werden, übersetzt werden und damit sichtbar und steuerbar für die Gesellschaft und jeden Einzelnen werden.

"Wir müssen die Datenmonopole brechen"

In Fortführung zu Rena Tangens und Jörg Blumtritt griff Internetkritiker Evgeny Morozov die Macht der Daten auf und erzählte die Geschichte des Internets als eine vom Kapitalismus getriebene. Staatliche Akteure erscheinen für ihn dabei nur als Mitläufer, die beim Thema Big Data selten bürgerzentriert agieren, sondern häufig vor allem in wirtschaftlichen Zusammenhängen denken. Das Problematische an Big Data ist dabei nicht nur die reine Erfassung und Zusammenführung der Daten, sondern ihre Instrumentalisierung. Daten würden heutzutage vor allem dazu verwendet, Menschen zu beeinflussen, von staatlicher wie unternehmerischer Seite. Als einfaches Beispiel fungiert für Morozov der Newsstream sozialer Netzwerke wie Facebook. Hier entscheiden nicht wir, sondern das Netzwerk, welche Informationen uns in welcher Reihenfolge erreichen. Für die NutzerInnen, also für uns, bleibt dabei weitgehend im Dunkeln, wie es zu diesen Entscheidungen kommt.

Mit Blick auf die Datenmonopolisten unserer digitalen Gesellschaft wünscht sich Morozov vor allem ein Empowerment von datengetriebenen Start-Ups. Ihm zufolge braucht es keinen Wettbewerb zu Google, sondern die Förderung vieler Ideen, wie Daten gewinnbringend und datenschutzfreundlich für die Gesellschaft und Wirtschaft eingesetzt werden könnten.

Die Zukunft ist jetzt

Für reichlich Aha-Momente bei den Anwesenden sorgte Autor Christoph Kucklick. Sein Mensch-Maschine Quiz – das Publikum musste entscheiden, ob ein Textbaustein von einer Maschine oder einem Menschen verfasst wurde – machte vor allem eines deutlich: Wir sind nicht mehr allein, "intelligente Maschinen kommunizieren mit". Dies verändere unser Welt nachhaltig und ebenso radikal wie die Erfindung der Druckerpresse im 15. Jahrhundert. Im Internet der Dinge bekommen plötzlich die Maschinen eine Stimme. Es sei nun an uns zu entscheiden, welche Ethik wir ihnen beibringen wollen. Und welchen Status wir ihren Aussagen zuweisen in einer Welt, in der Computer Bewertungen aufstellen, die wir aufgrund ihrer Komplexität nicht mehr verstehen. Diesen fundamentalen Wandel sollten wir aber nicht nur als Bedrohung wahrnehmen, sondern genau wie bei Big Data nach sinnvollen Wegen der Regulierung suchen, dann könnten wir uns auf den produktiven, kreativen und konstruktiven Einsatz der Technologie konzentrieren.

von André Nagel

Fussnoten