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Jürgen Nimptsch | Salafismus als Herausforderung für Demokratie und politische Bildung | bpb.de

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Jürgen Nimptsch

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Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch während seiner Begrüßungsrede zum Auftakt der Tagung im Bonner Collegium Leoninum. (© Tobias Vollmer/bpb)

Sehr geehrter Herr Krüger, meine sehr geehrten Damen und Herren,

herzlich willkommen in unserer Stadt, einer Stadt des Wandels und dies seit über 2000 Jahren. Nach dem Regierungsumzug haben wir uns zu einer internationalen Stadt entwickelt, die vielfältige Kontakte in Europa, aber auch weltweit unterhält, beispielsweise in Städtenetzwerken und die weltoffen agiert. Bonn ist seit 1996 die deutsche Stadt der Vereinten Nationen mit den Schwerpunkten Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung. Mittlerweile arbeiten 18 UNO-Einrichtungen, darunter das Klima-Sekretariat und das internationale Freiwilligen-Programm der Vereinten Nationen, sowie mehr als 150 Nichtregierungsorganisationen aus den Bereichen Umwelt und Entwicklung hier in Bonn.

Hier sind Menschen aus 180, also fast allen Ländern der Welt, zuhause. Derzeit haben rund 30 Prozent der Bonner Gesamtbevölkerung einen sogenannten Migrationshintergrund. Wenn wir ein paar Jahre weiter denken und uns unsere kleinsten Einwohner anschauen, wissen wir, dass in etwa zwanzig Jahren die Hälfte der Bonnerinnen und Bonner Wurzeln in einem anderen Land haben wird. Niemanden auszugrenzen, Toleranz und Respekt im Umgang miteinander zu üben, offen für Neues und Unbekanntes zu sein und Vielfalt als Chance zu begreifen ist daher unser Anliegen und damit haben wir in Bonn gute Erfahrungen gemacht.

Die heute beginnende Tagung "Salafismus als Herausforderung für Demokratie und politische Bildung" findet am Bonner Sitz der Bundeszentrale für politische Bildung statt, hat aber durchaus auch einen inhaltlichen Bezug zu Bonn. Denn zweimal haben wir auch hier den Atem angehalten und festgestellt, dass Bonn keine Insel ist, an der religiös motivierter Extremismus vorüberzieht. Im Mai 2012 führte eine Provokation von Pro NRW zu gewalttätigen Gegenreaktionen von Salafisten und zu Angriffen auf Polizisten. Und im Dezember 2012 fand sich auf dem Bonner Hauptbahnhof eine Bombe aus dem gleichen Täterkreis, die in beiden Fällen gefasst werden konnten. Bis zu diesen beiden Ereignissen waren wir Bonner durchaus geneigt zu glauben, dass das letzte religiös motivierte Gewaltereignis in Bonn über 400 Jahre zurückliegt, als nämlich 1583 der katholische Kurfürst Ernst von Bayern im Truchsessischen Krieg, die Godesburg in die Luft jagte, weil sich dort sein Vorgänger Erzbischof Gebhard I. von Waldburg verschanzt hatte. Gebhard hatte sich in Gräfin Agnes von Mansfeld verliebt, war zum Calvinismus übergetreten und hatte damit gegen die Bestimmungen des Augsburger Religionsfriedens verstoßen.

Wir haben jedenfalls spätestens seit 2012 verstanden, dass wir uns auch in Bonn dem Thema des gewaltbereiten Salafismus stellen müssen. Wir wissen selbstverständlich, dass es nur sehr wenige Extremisten sind, die hier den Islam für ihre Ziele missbrauchen und vor Gewalt nicht zurückschrecken. Rund 30.000 Muslime in Bonn haben damit nichts zu tun und sind selbst erschüttert über diese Entwicklung. Sie sind als Muslime selbstverständlicher Teil unseres Landes, unserer Städte, unserer Gesellschaft, die unser Leben bereichern. Aber wir wissen auch: Ein Dutzend potenziell gewaltbereiter Menschen reicht aus, um eine Radikalisierung voranzutreiben, auch wenn dies unter dem Deckmantel eines angeblich harmlosen "Grillfestes" geschieht. Wir sind wachsam geworden und wir haben uns anders aufgestellt. Es radikalisieren sich einzelne junge Muslime mit familiärer Zuwanderungsgeschichte, die für sich keine positive Perspektive in unserer Gesellschaft sehen und es radikalisieren sich einzelne junge Konvertierte aus bürgerlichen, gebürtig deutschen Familien, die eine ganz andere Motivation haben. Dabei stehen nicht unsere Moscheen im Mittelpunkt, mit denen wir als Stadt in einem guten und engen Dialog stehen, sondern viel eher das Internet und die Ausreisen einzelner Personen, z.B. nach Syrien. Beispiele, die auch den Bedarf an wissenschaftlicher Forschung verdeutlichen.

Die heute beginnende Tagung beschäftigt sich aus verschiedenen Blickwinkeln mit dem Phänomen des extremistischen Salafismus und gibt außerdem konkrete Anregungen für Präventionsmaßnahmen. In Bonn bin ich allen, die sich dieses schwierigen Themas annehmen, darunter zahlreiche Muslime, ausgesprochen dankbar. Als Kommune übernehmen wir auch selbst Verantwortung, führen Projekte und Maßnahmen durch und haben in engem Einvernehmen mit dem Stadtrat trotz schwieriger Haushaltslage zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt, so dass wir die Zahl unserer Präventionsprojekte seit 2012 verdoppelt haben. Hinzugekommen sind Modellprojekte in Zusammenarbeit mit dem Land Nordrhein-Westfalen wie "Wegweiser", in denen wir gefährdete jugendliche Einzelpersonen ansprechen. Wichtig ist aus unserer Sicht, dass diese Präventionsarbeit als Aufgabe aller Institutionen unserer Gesellschaft gesehen und nicht an einzelne Akteure delegiert wird. Vom Erfahrungsaustausch, der Ihnen allen heute und morgen ermöglicht wird, profitieren wir alle. Der Bundeszentrale für politische Bildung, die heute und morgen ein so interessantes Forum hier in Bonn bietet, gilt daher mein herzlicher Dank. Und nun wünsche ich Ihnen eine spannende und ergebnisreiche Tagung und natürlich auch eine gute Zeit in unserer schönen Stadt Bonn!

Fussnoten