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Podiumsdiskussion Asyl und Flüchtlingsschutz in Deutschland | 14. Bensberger Gespräche 2016: Flucht und Asyl | bpb.de

14. Bensberger Gespräche 2016: Flucht und Asyl Keynote Address: Flucht und Asyl Gewaltmigration und Asyl Podiumsdiskussion Tag 1 Das europäische Asylsystem Workshop 1 Workshop 2 Workshop 3 Schutz im globalen Süden Flüchtlingsschutz im globalen Süden Workshop 4 Workshop 5 Workshop 6 Asyl und Flüchtlingsschutz in Deutschland Podiumsdiskussion Tag 2 Flucht und Asyl: Eine sicherheitspolitische Herausforderung?

Podiumsdiskussion Asyl und Flüchtlingsschutz in Deutschland

/ 4 Minuten zu lesen

Dr. Johannes Fritz (BAMF), Susanne Kremer-Buttkereit (kommunales Integrationszentrum Köln), Claus-Ulrich Prölß (Kölner Flüchtlingsrat e.V.), Nelli Foumba ( Jugendliche ohne Grenzen) und Alexander Wilhelm (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände) sprachen mit Moderatorin Anna Hoff über Ablauf und Fairness im deutschen Asylverfahren, über Integrationsmaßnahmen und Teilhabemöglichkeiten von Flüchtlingen in Deutschland. (© bpb)

Zu Beginn der Podiumsdiskussion erläuterte Claus-Ulrich Prölß (Kölner Flüchtlingsrat e.V.) verschiedene Formen des Aufenthaltsstatus und damit verbundene Rechte. In den aktuellen Gesetzesänderungen sieht er vor allem Verschlechterungen für die Menschen, die Asyl beantragen. Nelli Foumba (Jugendliche ohne Grenzen) ist als 16-jähriger aus Guinea nach Deutschland gekommen, weil er in seinem Land keine Zukunftsperspektiven für sich sah. Sein Antrag auf Asyl wurde abgelehnt, doch seine Duldung wurde wieder und wieder (zum Teil im wöchentlichen Rhythmus) verlängert. Ihm wurde aufgrund seines Duldungsstatus weder ein Sprachkurs finanziert, noch durfte er ein Praktikum oder einen 1-Euro-Job anfangen. Er blieb hartnäckig und jobbte ohne Zustimmung der Ausländerbehörde, um einen Sprachkurs zu finanzieren. Letztendlich schaffte er es, den Hauptschulabschluss und später sogar das Abitur zu machen und eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten. Heute engagiert er sich für die Rechte von Flüchtlingen.

Fairness der Asylverfahren

Auf die Frage von Anna Hoff, wie fair die Anhörungen im Asylverfahren seien, antwortete Dr. Fritz (BAMF), dass den Antragstellern genug Zeit gegeben werde. Auch im neuen beschleunigten Verfahren sollten die Menschen nicht direkt nach ihrer Ankunft zur Anhörung gebeten werden. Ihnen sollen in den Erstaufnahmeeinrichtungen Angebote zur Begleitung und Beratung gemacht werden. Claus-Ulrich Prölß bemerkte dazu, dass es bisher nur in NRW in den Erstaufnahme-Einrichtungen unabhängige Beratung der Antragsteller gebe. Dies wäre überall nötig und aus seiner Sicht Aufgabe des Bundes. Er bemängelte, dass die Menschen keine Chance auf Rechtsschutz hätten. Prölß betonte, dass Flüchtlinge Zeit bräuchten, um ihre Erlebnisse und Traumata zu verarbeiten. Sie müssten verstehen, was wichtig sei und wie die Anhörung durchgeführt werde. Dr. Fritz sagte dazu, dass perspektivisch solche Beratungsangebote geplant seien.

Integration in den Arbeitsmarkt

Alexander Wilhelm (BDA) sagte, dass man bei der Feststellung der Qualifikationen und Kompetenzen der neu Zugewanderten Neuland betrete. Erst seit August sei der Arbeitsmarkt für Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive geöffnet, die Bundesagentur für Arbeit beginne jetzt damit, in den Erstaufnahmeeinrichtungen durch Tests und Arbeitsproben berufliche Kompetenzen abzufragen. Dabei halte er es für nötig, den Fokus auf Menschen mit guter Bleibeperspektive zu setzen. Denn die aktuellen Ressourcen reichten ansonsten nicht. Größte Hürde bei der Arbeitsmarktintegration seien die mangelnden Sprachkenntnisse. In den Förderprogrammen stünde daher die Sprachförderung auch stark im Fokus. Die Arbeitgeber hätten großes Interesse, sich im Bereich Flüchtlinge einzusetzen, sie stellten Geld, Praktikums- und Ausbildungsplätze zur Verfügung. Bisher würden diese noch nicht umfassend genutzt, dies läge vor allem daran, dass die Asylbewerber und viele der anerkannten Flüchtlinge noch nicht bei der Agentur für Arbeit und den Jobcentern gemeldet seien. Ausschluss oder Teilhabe

Claus-Ulrich Prölß problematisierte die Unterscheidung in Bewerber mit guter Bleibeperspektive und ohne. Afghanistan etwa gehöre nicht zu den vier Ländern mit guter Bleibeperspektive, und doch bliebe ein Großteil der Antragsteller in Deutschland, sie hätten also eine de facto-Bleibeperspektive. Es könne nicht sein, dass Tausende von Menschen komplett ausgeschlossen würden. Es gebe 130.000 Geduldete in Deutschland, für die Perspektiven dringend nötig seien. Nelli Foumba schloss sich an und sagte, man dürfe nicht unterscheiden in "gute und schlechte Flüchtlinge". Man solle allen Menschen eine Chance geben – Zugewanderte könnten globale Probleme wie den demographischen Wandel lösen. Er bemängelte die hohen bürokratischen Hürden in Deutschland. Er wünschte sich nachhaltige Lösungen, die von verschiedenen Akteuren wie Arbeitgebern und Behörden gemeinsam entwickelt werden. Er appellierte an alle: "Wir müssen uns fragen: Was kann ich selbst zur Verbesserung der Situation beitragen?"

Susanne Kremer-Buttkereit (Kommunales Integrationszentrum Köln)sagte, dass Integration immer Teilhabe bedeute. "Sie betrifft Menschen, die kommen und Menschen die aufnehmen." Man müsse Zugänge schaffen und dürfe als Gesellschaft nicht Menschen ausschließen und zurücklassen. Orientierungsmaßnahmen und Sprachkurse müssten für alle offen sein, nicht nur für die "mit Bleibeperspektive". Es sei wichtig, die gesellschaftliche Entwicklung und die ankommenden Menschen differenziert zu sehen. Auch ein "Refugee-Welcome-Hype" sei da nicht unbedingt nur hilfreich. Sie beobachte "eine Verrohung der Sprache und des Umgangs miteinander". Kremer-Buttkereit sagte, viele Akteure seien nun gefordert: Bevölkerung, Fachleute, Politiker…

Wünsche und Ausblicke

Als positives Beispiel für gelungenes bürgerschaftliches Engagement stellte Susanne Kremer-Buttkereit ein Kölner Patenprojekt vor. Patinnen und Paten betreuten Grundschulkinder aus Flüchtlingsfamilien. Sie unternehmen Ausflüge in der Freizeit, helfen bei den Hausaufgaben und bringen die Kinder mit Sportvereinen in Kontakt. Parallel gebe es Begleitung und Qualifizierungsmaßnahmen für die Patinnen und Paten. Alexander Wilhelm betonte, wie wichtig es sei, sich gegen Fremdenfeindlichkeit auszusprechen, gleichzeitig aber Sorgen, die in der Gesellschaft da seien, ernst zu nehmen. Man müsse Erfolgsbeispiele zeigen, Menschen lokal zusammenbringen und Geflüchtete dorthin bringen, wo sie vor Ort eine Perspektive hätten.

Claus-Ulrich Prölß sieht die aktuellen Entwicklungen der deutschen Flüchtlingspolitik skeptisch. Gerade die Situation der Geduldeten habe sich verschlechtert. Als Wunsch habe er, dass die Europäischen Staaten sich auf ein einheitliches Asylsystem und rechtsstaatliche Verfahren (zurück)besinnen und diese auch umsetzen.

Dokumentation: Katharina Reinhold