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Wenn der Kopf etwas anderes macht als der Bauch | 14. Bundeskongress politische Bildung 2019 | bpb.de

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Wenn der Kopf etwas anderes macht als der Bauch Beitrag der Jugendredaktion

Leonie Asendorpf

/ 3 Minuten zu lesen

Politische Entscheidungen sollen von Vernunft geleitet werden. Ganz frei von der Beeinflussung von Emotionen auf unsere Meinung sind wir alle nicht. WissenschaftlerInnen auf dem Bundeskongress für politische Bildung erklären, warum.

In Zeiten in denen „Gutmensch“ als Schimpfwort benutzt wird und Wahrheiten nicht mehr an Fakten, sondern an persönlichen Empfindungen festgemacht werden, stellt sich die Frage welche Rolle Emotionen heute im politischen Diskurs haben sollten. Der 14. Bundeskongress Politische Bildung widmet sich der Frage mit Vorträgen, Workshops und Diskussionen. Um über Gefühle wie Angst oder Empörung, Populismus und den Umgang mit emotionalen Diskussionen zu sprechen wurden vier Vortragende aus der Politikwissenschaft, Soziologie und Philosophie nach Leipzig eingeladen.

Emotionen wurden und werden oftmals bewusst aus politischen Diskursen ausgeschlossen, weil sie im Gegensatz zu Vernunft begriffen werden. Die Professorin für Philosophie Prof. Dr. Sabine A. Döring ist jedoch davon überzeugt, Emotionen im politischen Diskurs seien sowohl unvermeidbar als auch unverzichtbar. Würden wir PolitikerInnen ihre Meinung abnehmen, wenn sie diese ohne jegliche Leidenschaft vertreten würden? Vermeintliche Rationalität ist hintergründig immer von persönlicher Haltung und Emotionen geprägt.

Ein Teil unserer Gefühle, so erklärt es Döring, ist abhängig von der Bewertung einzelner Situationen. Sehen wir beispielsweise eine Schlange, so bewerten wir die Situation als gefährlich und empfinden Angst. Automatische Reaktionen wie diese, sind sowohl kulturell als auch politisch geprägt. Von klein auf wird jeder und jedem von uns vorgelebt und beigebracht, wie wir verschiedene Gefühle zu bewerten haben. Außerdem lernen wir, in welchen Situationen sie angemessen sind und welchen nicht. Doch auch zunächst als negativ bewertete Emotionen können positive Ergebnisse hervorbringen. Wenn sich eine Gruppe Menschen beispielsweise über gesellschaftliche Missstände empört, werden diese in die Öffentlichkeit getragen und in den politischen Diskurs unserer Institutionen integriert.

Wenn das Gefühl nicht zur Meinung passt

Wenn wir eine bestimmte Meinung vertreten, heißt das aber noch nicht automatisch, dass diese auch mit unseren Emotionen zur Frage übereinstimmt. Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland sind die elementaren Werte unserer Gesellschaft festgelegt. Die Unantastbarkeit der Würde des Menschen, das Recht auf freie Entfaltung der eigenen Persönlichkeit, Rechte wie das auf freie Meinungsäußerung oder auf ungestörte Religionsausübung stellen den Kern dieser Werte dar.

Die Mehrheit unserer Bevölkerung erkennt diese Grundsätze an. Doch heißt das auch, dass sie sich bei spezifischen Fällen wie zum Beispiel dem Bau von Moscheen noch immer für eine freie Religionsausübung aussprechen würden? Mismatches nennt das die Soziologin und Migrationsforscherin Prof. Dr. Naika Foroutan. Damit meint sie den Widerspruch zwischen der kognitiven Befürwortung bestimmter Werte und unserer emotionalen Haltung dazu.

Es gibt Forschungen, die beispielsweise den Einfluss von Namen und Aussehen bei Bewerbungen analysieren. Sie zeigen, dass die kognitive Bewertung und in diesem Fall Einschätzung einzelner BewerberInnen durch potentielle ArbeitgeberInnen immer auch von Emotionalität und Vorurteilen geprägt sind: der empirische Beweis für kognitive Dissonanz. Unsere Emotionen können in einem Widerspruch mit der kognitiven Zustimmung zu Werten wie denen des Grundgesetztes stehen. Wenn wir also wollen, dass das Grundgesetz praktisch umgesetzt wird, müssen wir unsere Gefühle selbstkritisch reflektieren und mit ihnen umzugehen lernen.

Wie also begegnen wir Emotionen im politischen Diskurs?

Zuallererst, davon ist der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Schaal überzeugt, sollten diese in der Politik ernster genommen werden. Wenn eine Person behauptet, Angst zu haben, kann man nicht einfach widersprechen. Selbst wenn diese Ängste von außen nicht nachzuvollziehen sind, sind sie in dem Moment für diese Person real.

Doch was, wenn diese Angst gar nicht empirisch basiert ist? Wenn Menschen zum Beispiel Angst vor Menschen anderer Herkunft empfinden. Müsste man die Berechtigung dieser Angst dann nicht hinterfragen? Die Soziologin Foroutan findet, dass Ängste in der Gesellschaft von PolitikerInnen in letzter Zeit teilweise zu ernst genommen wurden. Denn wenn Angst wie hier auf Grundlage von rassistischen Einstellungen entsteht, sollte ein Dialog begonnen werden, anstatt die Angst unhinterfragt anzuerkennen.

Unsere Meinungen und Überzeugungen sind nie komplett von Emotionen entkoppelt. Anders würde es vermutlich zu keinen sozialen Umbrüchen oder Revolutionen kommen. Doch wenn Emotionen instrumentalisiert werden, können sie gefährlich werden und Fakten und Wahrheiten in der eigenen Wahrnehmung verzerren. Hier kommt Populismus ins Spiel. PD Dr. Paula Diehl, ebenfalls Politikwissenschaftlerin, betont: Populismus sei an sich nichts Schlechtes. Doch wenn Themen simplifiziert und Emotionen manipuliert werden, „wird die Suppe versalzen“.

Wir müssen uns der kulturellen und politischen Prägung unserer Gefühle und Emotionen bewusst werden. Erst, wenn wir Menschen darauf aufmerksam machen, wenn sie Fakten und Gefühle vermischen, können wir uns in einem gemeinsamen politischen Diskurs austauschen.