Ein klares "Jein" zum Digitalradio
Während sich in Deutschland die Zahl der Internetradios in den letzten drei Jahren verfünffacht hat, bleibt die Zukunft des terrestrisch verbreiteten Digitalradios weiter ungewiss. "DAB liegt auf der Intensivstation", sagen die Experten.17. Juli 2009. "Hit Radio FFH" ist seit mehr als einem Jahrzehnt Marktführer in Hessen. Der Privatsender aus Bad Vilbel erreicht laut der zuletzt im Juli dieses Jahres veröffentlichten Media-Analyse 499.000 Hörer in der Durchschnittsstunde, davon rund 90 Prozent über UKW. Das dürfte sich in den kommenden Jahren allerdings ändern. Nach Erkenntnissen von Geschäftsführer Hans-Dieter Hillmoth wird das Programm immer häufiger über das Internet gehört. Weil dort die Konkurrenz wesentlich größer und vor allem vielfältiger als auf der Ultrakurzwelle ist, bietet "FFH" inzwischen 16 Spezialprogramme als Webradios an, darunter Deutsche Schlager, Black Music, Hits für Kids und eine Jazzwelle. Nach dem Tod von Michael Jackson wurde für den "King of Pop" kurzfristig sogar ein eigener Kanal eingerichtet.

"Die Radio-Musik spielt längst im Internet"
Dennoch favorisieren VPRT-Vizepräsident Hans-Dieter Hillmoth und seine Kollegen im größten privaten Rundfunkverband das Internet als künftigen Verbreitungsweg für deutsche Radioprogramme. Nach dem von Hillmoth schon im Frühjahr vorgegebenen Motto "Die Radio-Musik spielt längst im Internet", erteilten sie Ende Juni DAB plus als gemeinsame technische Plattform eine klare Absage und gaben vor allem wirtschaftliche Gründe für ihren vorläufigen Rückzug aus dem terrestrischen Digitalradio an: "Für die nächsten fünf bis zehn Jahre bestehen nur geringe Chancen auf eine Refinanzierung aus dem Markt", hieß es in einer Pressemitteilung im Anschluss an eine außerordentliche Fachbereichsversammlung des VPRT in Berlin. Der eigentlich für den Jahreswechsel 2009/10 geplante "Neustart des Digitalradios" in Deutschland ist damit in weitere Ferne gerückt, auch wenn die öffentlich-rechtlichen Anstalten - zumindest offiziell - immer noch an DAB plus festhalten wollen. Unterstützung erhalten die ARD-Sender dabei von den Landesmedienanstalten, also den Aufsichtsbehörden des privaten Rundfunks.Landesmedienanstalten halten an DAB fest
Nur einen Tag nach der VPRT-Entscheidung gegen DAB plus, sprach sich der Direktor der Landesmedienanstalt Saarland (LMS), Dr. Gerd Bauer, im Namen aller Medienaufseher für "eine unverzügliche Ausschreibung der DAB plus-Kapazitäten aus". Auf den Lokalrundfunktagen 2009 in Nürnberg zeigte auch der Präsident der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien (BLM), Professor Wolf-Dieter Ring, kein Verständnis für die Entscheidung des VPRT gegen DAB plus. Für die Akzeptanz des digitalen Übertragungsweges sei es äußerst wichtig, dass Sender wie Antenne Bayern in DAB gehört werden könnten. Finanzielle Einwände fegte Ring in seiner Nürnberger Rede vom Tisch: "So würde für diese Sender eine Simulcast-Ausstrahlung ihrer UKW-Programme in DAB bzw. DAB plus keinerlei wirtschaftliches Problem darstellen", sagte Ring und zeigte sich zuversichtlich hinsichtlich eines weiterhin bestehenden Interesses deutscher Radiomanager am Digitalradio. Er verwies auf "eine ganz aktuelle Befragung aller privaten deutschen Hörfunkveranstalter", wonach sich ein gutes Drittel auf die kommenden Ausschreibungen bewerben bzw. bestehende Programme simulcast ausstrahlen wolle.Bundesnetzagentur schreibt nationalen Netzbetrieb aus
Unbeirrt von den Entscheidungen der im VPRT organisierten Privatradiomanager hat Anfang Juli 2009 die Bundesnetzagentur den nationalen Netzbetrieb des terrestrischen digitalen Hörfunks im Versorgungsgebiet Bundesrepublik Deutschland öffentlich ausgeschrieben. Damit wäre es erstmals möglich, neben dem Deutschlandradio private Rundfunksender bundesweit zu verbreiten. Steht der Netzbetreiber einmal fest, könnten vermutlich im Herbst rund 6 Sendeplätze für national verbreitete private Hörfunkprogramme von den Landesmedienanstalten ausgeschrieben werden. Für das Deutschlandradio sind drei Programmplätze vorgesehen.Bayerischer Rundfunk wirbt für Digitalradio

KEF stoppt vorläufig weitere Gelder für DAB
Mittlerweile braut sich neues Ungemach am DAB-Himmel zusammen. Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) hat in ihrer Sitzung am 15. Juli eine Fortführung der Finanzierung des Entwicklungsprojekts DAB wegen Erfolglosigkeit abgelehnt. Eine fast schon sibyllinische Entscheidung, liest man die Pressemitteilung über das vorläufige Aus der DAB-Mittel: "Die vorgesehenen Projektmittel für die digitale Zukunft des Hörfunks sind nicht gestrichen worden, sondern stehen für neue Initiativen weiter zur Verfügung." Welche Initiativen das sein könnten, lässt die KEF offen. "Denkbar sind IP-basierte Dienste (Internetradio) oder alternative terrestrische Ausstrahlungswege wie HD Radio oder DVB-H", spekuliert das Telekommunikationsmagazin teltarif.de. Ihre Ablehnung begründet die KEF zum einen mit der fehlenden Abstimmung der ARD und des Deutschlandradios mit der Mehrheit der privaten Hörfunkanbieter. Doch offensichtlich haben ARD und Deutschlandradio die Kommission nicht überzeugen können. Ausschlaggebend sei nicht allein die Entscheidung vieler Privater gegen DAB, argumentiert die KEF: " Hinzu kommen unzureichende Aussagen zu zukünftigen Programmangeboten, welche ausschließlich über das Digitalradio verbreitet werden sollen (dem Mehrwert gegenüber UKW), das Fehlen von Aussagen zu den bereits in der laufenden Gebührenperiode realisierbaren innovativen Zusatzdiensten sowie unklare Prognosen über den Termin einer möglichen Abschaltung von UKW. Auch erhielt die Kommission von der ARD keine Gesamtkostenprognose für das Projekt." Eine klare Ohrfeige für die öffentlich-rechtlichen Sender, die damit mehrere der 12 von der KEF im April 2008 aufgestellten Kriterien als Voraussetzung zur Förderzustimmung nicht zufriedenstellend beantwortet haben.Landesmedienanstalten hoffen auf die Politik
Großes Bedauern löste die Ablehnung der Projektanträge von ARD und Deutschlandradio durch die KEF beim Hörfunkbeauftragten der Gemeinschaft der Landesmedienanstalten und Direktor der Landesmedienanstalt Saarland, Dr. Gerd Bauer, aus. Es sei "ein schwarzer Tag für die Digitalisierung des Hörfunks", äußerte sich auch der Intendant des Deutschlandradios, Dr. Willi Steul. Bauer verwies auf Frankreich, Großbritannien oder die Schweiz, wo die Einführung eines modernen, leistungsfähigen Digitalradios bereits wesentlich konkreter sei. Die Entscheidung der KEF, so befürchten einige, könnte das Aus für die Digitalisierung des Radios in Deutschland bedeuten. Ob es zu den gesetzlichen Aufgaben der KEF gehöre, durch ihre Beschlussfassung prägend auf rundfunkpolitisch und andererseits technologisch ausgerichtete Entscheidungen einzuwirken, bezweifelt der Direktor der Landesmedienanstalt Saarland. Nun müsse die Politik entscheiden, ob die Digitalisierung des Hörfunks in Deutschland endgültig gescheitert sei.Es bleibt vorerst also weiter beim klaren "Jein" zum Digitalradio in Deutschland.