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Europa im Kleinen: Grenzüberschreitende Kooperation am Beispiel Lothringen | Deutschland und Frankreich | bpb.de

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Europa im Kleinen: Grenzüberschreitende Kooperation am Beispiel Lothringen

Gregory Dufour

/ 12 Minuten zu lesen

"Die Zukunft unserer beiden Völker, die Basis auf der Europa aufgebaut wird und aufgebaut werden muss, und die sicherste Grundlage für die Freiheit in der Welt, ist die gegenseitige Achtung, das Vertrauen und die gegenseitige Freundschaft des französischen und des deutschen Volkes."

Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wünschten sich viele ehemalige Deportierte und Widerstandskämpfer zum Aufbau des Friedens zwischen Frankreich und Deutschland beizutragen, dies insbesondere in den Grenzregionen wie Lothringen, aber auch im gesamten übrigen Europa. Viele dieser Menschen wollten ihren Beitrag zu diesem großen Ziel durch die Gründung von Städtepartnerschaften leisten. Diese Partnerschaften waren der eigentliche Kitt dieser deutsch-französischen Aussöhnung auf der Ebene der Zivilgesellschaft, ebenso wie die Gründung des Deutsch-Französischen Jugendwerks, das von Bundeskanzler Konrad Adenauer und General Charles de Gaulle initiiert wurde und dessen Leistung Staatspräsident François Hollande und Kanzlerin Angela Merkel aus Anlass des 50. Jahrestages der oben zitierten Rede des Generals an die deutsche Jugend im September 2012 besonders hervorgehoben haben.

Die Gebietskörperschaften (Conseils Régionaux, Départements, Communes) haben immer, insbesondere durch die Städtepartnerschaften, eine fundamentale Rolle innerhalb der deutsch-französischen Annäherung im Dienste Europas gespielt. Das gilt besonders in Lothringen, allein dort zählt man 115 Partnerschaften. Nancy und Metz waren unter den ersten, die diesen Weg beschritten, mit Karlsruhe 1955 und mit Trier 1957, also schon lange vor der Unterzeichnung des Élysée-Vertrags am 22. Januar 1963, welcher der eigentliche Eckpfeiler der deutsch-französischen Kooperation werden sollte und der es noch heute ist.

Obwohl Lothringen die Qualen mehrerer schrecklicher Kriege zwischen Deutschland und Frankreich (1870–1871, 1914–1918 und 1940–1945) durchgemacht und ein Teil dieses Landes, das Moseldepartement (Moselle), zwei dramatische Annexionen erlebt hat, übernahm es bei dieser Annäherung und im Bemühen um die Verbesserung der deutsch-französischen Beziehungen insgesamt eine Vorreiterrolle. Noch heute, 68 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und 50 Jahre nach der Unterzeichnung des Élysée-Vertrags, bleibt die Region einer der Hauptakteure der deutsch-französischen und grenzüberschreitenden Kooperation.

Enge Beziehungen

Die Vielzahl der Kontakte, die von lothringischen Gebietskörperschaften, Einrichtungen, Verwaltungen und Vereinen ins Leben gerufen und unterhalten wurden, spiegelt die enge Kooperation, aber auch die enge Freundschaft wider, die Lothringen mit Deutschland auf allen Ebenen verbindet. Von der politischen Arbeit des Regionalrats Lothringens (Conseil Regional) über die Gründung des Eurodistrikts Saarbrücken-Mosel bis hin zu den lokalen Initiativen, von der Dynamik der Université de Lorraine (Metz und Nancy), die auf dem Gebiet der deutsch-französischen Hochschulkooperation in Frankreich führend ist, bis zu den deutsch-französischen Abiturklassen ("AbiBac"), vom grenzüberschreitenden Zug "TER Metrolor" bis zum "TGV Grand Est" (der deutsche Großstädte mit Paris verbindet), von der Stationierung des 3. Husarenregiments, einer Einheit der deutsch-französischen Brigade, bis zum Sitz der französischen Abteilung des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge in Metz, von den 220 Betrieben mit deutschem Kapital bis zu den 24.000 Grenzgängern, die im Saarland oder in Rheinland-Pfalz arbeiten: Jede Form der Kooperation trägt auf ihre Art dazu bei, die deutsch-französische Freundschaft zu unterhalten, zu vertiefen und zu dynamisieren – und das in einer von der Geschichte geprägten, entschieden europäischen Region.

Dass Lothringen innerhalb der deutsch-französischen Beziehungen und der europäischen Integration einen bedeutenden Platz einnimmt, ist kein Zufall. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs waren Frankreich und Deutschland von dem Willen geleitet, Frieden zu finden und diesen dauerhaft zu bewahren. Zu einer der Grundlagen dieses Friedens wurde schließlich die vom französischen Außenminister Robert Schuman erdachte und 1951 gegründete Montanunion (Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, EGKS), in der Lothringen dank seiner Grenzlage, seiner Minen und seiner Eisen- und Stahlindustrie eine wichtige Rolle spielte. Das Entstehen Europas dank der deutsch-französischen Aussöhnung und dank der Wirtschaft sollte einen erheblichen Aufschwung in Lothringen auslösen – ein Aufschwung, von dem die Region heute noch profitiert.

Die lothringische Wirtschaft ist in wesentlichen Teilen tatsächlich von Deutschland abhängig: Ein Drittel basiert auf dem Austausch mit "dem Land Goethes", wie die Franzosen sagen. Die ausgesprochen günstige Lage dieser Region im Herzen Europas, seine Geschichte, die Qualität seiner Infrastruktur und die Fachkompetenzen seiner Bürgerinnen und Bürger sind einige der Gründe, warum zahlreiche deutsche Unternehmen hier investieren.

Von der bilateralen zur multilateralen Kooperation

Umgeben von drei Grenzen ist Lothringen im Laufe der Zeit zu einem der wichtigsten Ziele für deutsche Investitionen in Frankreich geworden und auch eine der Hauptregionen der deutsch-französischen Kooperation, insbesondere mit seinen direkten Nachbarregionen, den Bundesländern Saarland und Rheinland-Pfalz. Obwohl diese Beziehungen selbstverständlich bilateral sind, so bleiben sie doch nicht exklusiv, sondern sind nach allen Seiten offen. Denn Lothringen, das Saarland und Rheinland-Pfalz arbeiten auch auf verschiedenen Ebenen und auf anderen Gebieten mit ihren wallonischen und luxemburgischen Partnern im Rahmen der "Großregion" (ehemals "Saarlorlux") zusammen. Diese grenzüberschreitende deutsch-französische und auf andere Partner ausgeweitete Kooperation liegt in den Händen zahlreicher Institutionen:

  • der Gipfel der Großregion, auf dem sich die politischen Spitzen der Partnerregionen treffen (zum Beispiel für Lothringen: der Präsident des Regionalrats, der Präfekt der Region und die Präsidenten der Generalräte der Départements);

  • der Interregionale Parlamentarierrat, der die Repräsentanten der Parlamente der angrenzenden Länder vereint (Regionalrat von Lothringen, Landtage des Saarlandes und von Rheinland-Pfalz, Abgeordnetenhaus von Luxemburg, Französische und Deutschsprachige Gemeinschaften Belgiens, wallonisches Parlament);

  • der Wirtschafts- und Sozialausschuss der Großregion, der eine beratende Funktion für den sozioökonomischen Bereich hat und sich aus 36 von den regionalen Partnern ernannten Mitgliedern zusammensetzt;

  • der Interregionale Gewerkschaftsrat, in dem sich die Gewerkschaften des Saarlandes, Lothringens und Luxemburgs beraten;

  • sowie das Städtenetz QuattroPole, eine Kooperation der vier Städte Metz, Saarbrücken, Trier und Luxemburg.

Die Großregion, deren Vorsitz alle 24 Monate zwischen den Partnerregionen wechselt, steht nicht in Konkurrenz, wie manchmal behauptet wird, zur bilateralen deutsch-französischen Kooperation, die Lothringen mit seinem saarländischen Partner unterhält. Ganz im Gegenteil: Sie ergänzen sich bestens und bleiben ein wertvolles Laboratorium für Ideen und Initiativen, die für die Bürger sehr wichtig sind, selbst wenn dieses deutsch-französische und europäische Laboratorium von den Medien und den institutionellen Entscheidungsträgern in Paris und Berlin kaum wahrgenommen wird.

Doch was wird auf dieser Ebene nicht alles unternommen: Die erst kürzlich erfolgte Gründung der Universität der Großregion, die Schaffung eines gemeinsamen Kulturraums, die Existenz des Interregionalen Gewerkschaftsrates oder die Schaffung einer Task Force, die Vorschläge zur Verbesserung der sozialen Bedingungen der 200.000 Grenzgänger der Großregion erarbeiten soll – dies alles sind konkrete und wichtige Elemente für diesen im Entstehen begriffenen Raum, den man, zu Recht, als ein funktionierendes "Europa im Kleinen" bezeichnen könnte. Die zentrale Lage der Großregion im Herzen der Europäischen Union, seine kulturelle und linguistische Diversität, seine mehr als 30-jährige Tradition der grenzüberschreitenden Kooperation und die Dynamik seiner 11,4 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner prädestinieren sie, eine der Modellregionen Europas zu werden. Dennoch gibt es verschiedene Herausforderungen, auf die im Folgenden eingegangen werden soll.

Herausforderung Sprache

Obwohl die Region Lothringen an der Grenze zu Deutschland liegt und außerdem an zwei Länder und Regionen grenzt, die teilweise deutschsprachig sind (Luxemburg und Wallonien, oder genauer gesagt die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens), so ist doch das Erlernen der "Sprache Goethes" keine Selbstverständlichkeit für Lothringer. Der umgekehrte Fall gilt auch für die an Frankreich grenzenden Bundesländer und das Erlernen der französischen Sprache.

Als Teil eines zentralisierten Staats muss sich Lothringen, wie auch der Rest Frankreichs, mit den Sonntagsreden der Regierung in Paris begnügen. Selbstverständlich taucht die Frage des Erlernens der Partnersprache in den Sitzungen des deutsch-französischen Rats, in den offiziellen Reden und in der deutsch-französischen Agenda 2020, die eine Art Fahrplan der deutsch-französischen Kooperation ist, immer wieder auf. Aber die Wirklichkeit ist meilenweit von den dort geäußerten Wünschen entfernt. Die Stellenstreichungen für Deutschlehrer an den Collèges und Lycées, die Streichung von Unterrichtsstunden, der Wunsch mancher Eltern, ihre Kinder nicht mehr Deutsch lernen zu lassen (da sie Deutsch für eine schwere Sprache halten), und dies trotz der Berufschancen, die diese Sprache in dieser Grenzregion eröffnen könnte, ergeben eine Realität, die durchaus Probleme aufwirft für einen Landesteil, dessen Wirtschaft in nicht geringem Maße vom Austausch mit Deutschland abhängt.

Verschiedene Vereine, angefangen mit der Association pour le Développement de l’Enseignement de l’Allemand en France (ADEAF), die fast 2.000 Mitglieder zählt (darunter fast ein Viertel aller Deutschlehrer in Frankreich), bemühen sich in Lothringen und auch im übrigen Frankreich nach Kräften, dieser Entwicklung entgegenzutreten, aber sie finden kaum Gehör bei den verantwortlichen Politikern. Nach Schätzungen der Schulbehörde Nancy-Metz ist der Anteil der Collège-Schülerinnen und -Schüler (Sekundarstufe I), die Deutsch als erste Fremdsprache erlernen, in Lothringen innerhalb von zehn Jahren von 36 Prozent auf 25 Prozent gefallen. Auch auf dem Lycée (Sekundarstufe II) ist ein allgemeiner Rückgang des Anteils der Deutsch lernenden Schülerinnen und Schüler zu verzeichnen.

Der kontinuierliche Rückgang des Deutschunterrichts in Lothringen wird, wenn ihm nicht Einhalt geboten wird, die Grenzregion langfristig vor schwerwiegende Probleme stellen. So ist Lothringen in sprachlicher Hinsicht vom guten Willen der Regierung in Paris abhängig, denn Frankreich ist, das soll nochmals in Erinnerung gerufen werden, kein föderaler, sondern ein zentralistischer Staat. Der Umstand, dass Lothringen eine gemeinsame Grenze mit Deutschland teilt, wird dabei leider nicht berücksichtigt. Hier werden die Grenzen des Erlernens der deutschen Sprache gezogen, und sie stehen im diametralen Kontrast zu den offiziellen Reden.

Herausforderung Medien

Die zweite Herausforderung betrifft die Bereitschaft und die Möglichkeit der Bürgerinnen und Bürger, sich über die deutsch-französischen und grenznahen Neuigkeiten zu informieren. Heutzutage sind die lothringischen Medien in ihrer großen Mehrheit, ob Presse oder öffentliches Fernsehen, sehr zurückhaltend, was ihre Berichterstattung über deutsch-französische oder die Grenzlage betreffende Themen angeht. Auch hier gibt es zwischen der Realität und den sich wiederholenden offiziellen Reden über die Zukunft Europas in Paris und Berlin eine tiefe Kluft. Die auf dem deutsch-französischen Gipfel 2002 in Schwerin formulierten Vorschläge zur "Bedeutung der Medien für die Schaffung einer europäischen Öffentlichkeit" sind über das Stadium von Absichtserklärungen nicht hinausgekommen.

Stärker als anderswo ist in Grenzgebieten das eigentliche Europa zu erleben – seine Realität, seine Qualitäten und seine Mängel. Gerade angesichts der modernen Möglichkeiten, die Bürgerinnen und Bürger grenzübergreifend zu informieren, könnte sich ein Zugehörigkeitsgefühl zu einer Art europäischer "Schicksalsgemeinschaft" entwickeln. Dies wäre sicherlich der sinnvollste Weg, um dem Euroskeptizismus und der gefährlichen Abschottung wirkungsvoll zu begegnen, die in Frankreich mehr und mehr an Einfluss gewinnt, je länger die Wirtschafts- und Finanzkrise anhält. Es ist offensichtlich: Je weniger in den Medien über Europa geredet wird, desto weniger ist seine Rolle zu erklären und kann seine Bedeutung erkannt werden. Aber die Franzosen, und so auch die Lothringer, sind seit 1992 europäische Bürger (Vertrag von Maastricht). Als solche müssten sie ein unveräußerliches Recht haben, unentgeltlich im Radio und Fernsehen über Europa informiert zu werden und insbesondere über Nachrichten aus den Nachbarländern. Aber das ist leider nicht der Fall. Die Fernsehrealität ist weit entfernt von einer europäischen Kulturförderung und -werbung, die man in einer Region wie Lothringen mit ihren drei Grenzen zu Deutschland, Belgien und Luxemburg erwarten sollte.

Nehmen wir das Beispiel der beiden wichtigsten französischen Breitband-Anbieter, Free und SFR, die zusammen fast zehn Millionen Kundinnen und Kunden haben: Die Lothringer können bei diesen Betreibern kein öffentlich-rechtliches deutsches Fernsehen außer Arte und der Deutschen Welle empfangen, und für einige andere private Sender wie RTL und Sat.1 müssen sie zusätzlich zwischen sieben und neun Euro zum normalen Monatspreis zahlen (der bei 30 Euro liegen kann). Es ist schon kurios, dass es für diejenigen Bewohner einer Grenzregion, die nicht eine Satellitenantenne installieren können (beispielsweise weil es ihr Mietvertrag nicht erlaubt), nicht die Möglichkeit gibt, die deutschen öffentlich-rechtlichen Sender zu empfangen, deren Empfang per Satellit kostenlos ist, auch wenn diese sich zugegebenermaßen in erster Linie an ein deutsches Publikum richten. Dass die deutschen öffentlich-rechtlichen Sender nicht zu empfangen sind, hängt zwar auch mit bestimmten Ausstrahlungsrechten zusammen, aber letztlich obsiegen hier wirtschaftliche und juristische Überlegungen über den Willen, besser zu informieren, wie es auf dem deutsch-französischen Gipfel in Schwerin vorgeschlagen wurde.

In Frankreich und insbesondere in Grenzregionen wie Lothringen ist also eine informationelle Benachteiligung von Bürgerinnen und Bürgern festzustellen, die nicht die Möglichkeit haben, eine Satellitenschüssel zu installieren und deshalb dazu gezwungen sind, Zusatzabonnements abzuschließen. Schlimmer noch: Es wird eine neue Grenze geschaffen – nur ist sie dieses Mal digital und medial. 20 Jahre nach der Unterzeichnung des Maastrichter Vertrags ist das schon bemerkenswert.

Herausforderung Bürgerbeteiligung

Die grenzüberschreitende deutsch-französische Kooperation muss sich, wie auch die gesamte Großregion, stärker den Bürgerinnen und Bürgern öffnen. Mehr Demokratie wäre zweifellos auch in den Gremien der Großregion wünschenswert, in denen die politischen Repräsentanten, die auf verschiedenen grenzüberschreitenden Ebenen Entscheidungen treffen, im Wesentlichen ohne vorherige Konsultation der Bevölkerung von ihren eigenen Gremien ernannt wurden.

Im Saarland haben SPD und CDU in ihrem Koalitionsvertrag den Wunsch zum Ausdruck gebracht, dass die Mitglieder des Interregionalen Parlamentarierrates durch Direktwahl bestimmt werden sollten. Auch wenn dies utopisch erscheinen mag (ein solcher Vorschlag kann in Lothringen niemals Zustimmung finden, da er gegen die nationale Souveränität verstößt), so werden doch immer mehr Stimmen laut, die diesen grenzüberschreitenden Raum konkreter für den einfachen Bürger gestalten wollen, der nicht nur unzufrieden ist mit der mangelnden Information durch die Medien, sondern auch durch die politischen Institutionen. Es ist interessant zu beobachten, dass die Mängel auf der Ebene der Großregion dieselben sind, die auch bei der Europäischen Union zu beobachten sind. Die unzureichende Berichterstattung durch die Medien und das Fehlen von Erklärungen der Politiker führt im besten Fall zu einem allgemeinen Desinteresse, im schlimmsten Fall aber zu Euroskeptizismus oder Nationalismus. Dass sich dieser Effekt auch in Bezug auf die Großregion einstellt, ist dringend zu vermeiden.

Das kleine Europa

Zusammen mit seinen Partnern der Großregion bleibt Lothringen sowohl in bilateraler deutsch-französischer als auch in multilateraler Hinsicht ein Experimentierfeld, das sowohl für Deutschland und Frankreich wichtig ist, aber auch für die gesamte Europäische Union, so unvollkommen es auch sein mag. Es ist also kein Zufall, wenn von der Großregion als ein "kleines Europa" gesprochen wird. Was könnte es Selbstverständlicheres geben für eine Region, aus der ein Mann wie Robert Schuman stammt?

In einer Zeit, in der die Lage in Frankreich, in Deutschland und in Europa sehr besorgniserregend ist und in der nationale Abschottung droht, bleibt die Mobilisierung aller Akteure der Gesellschaft ein Muss – einerseits, um eine bessere Kooperation und ein besseres gegenseitige Verständnis zu erreichen, andererseits, um diesen langwierigen Prozess, der zum Aufbau der grenzüberschreitenden deutsch-französischen Kooperation, der Großregion und der Europäischen Union nötig war, zu konsolidieren. Von ihrer Fähigkeit, die Schwierigkeiten zu überwinden, hängt der Erfolg ab. Lothringen und das Saarland haben eine wichtige Rolle zu spielen. Sicherlich, "die deutsch-französische Freundschaft", wie der ehemalige französische Staatspräsident François Mitterrand völlig zu Recht betonte, "versteht sich nicht von selbst". "Sie ist", so sagte er, "weder natürlich noch automatisch". Sie ist in dieser Region vor dem Hintergrund der gemeinsamen Geschichte, vielleicht mehr als anderswo, eine "permanente Einrichtung", die mit jeder neuen Generation erneuert werden muss. Diese beiden Nachbarregionen versuchen letztendlich mit ihren anderen Partnern in der Großregion, "europäisch zu reden", wie es seinerzeit der französische Außenminister Aristide Briand hoffnungsvoll formulierte, der im Dezember 1926 zusammen mit seinem deutschen Amtskollegen Gustav Stresemann den Friedensnobelpreis erhielt.

Geb. 1974; seit 2004 persönlicher Beauftragter für die deutsch-französischen Beziehungen und die militärischen Angelegenheiten in einer Gebietskörperschaft, Metz; Vizepräsident des deutsch-französischen Vereins ORFACE (Observatoire des Relations franco-allemandes pur la Construction européenne).E-Mail Link: president@i-defense.org
Externer Link: http://www.gregorydufour.eu