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Globalisierung als Chance für Wohlstand und Arbeitsplätze | Globalisierung - Gesellschaftspolitik | bpb.de

Globalisierung - Gesellschaftspolitik Editorial David gegen Goliath: Seattle und die Folgen Globalisierung und Wirtschaftswachstum Wohlfahrtsmerkantilismus Zum Verhältnis von Globalisierung und Sozialstaat Globalisierung als Chance für Wohlstand und Arbeitsplätze Frauen und Globalisierung

Globalisierung als Chance für Wohlstand und Arbeitsplätze

Wilhelm Bürklin

/ 20 Minuten zu lesen

Mit der Globalisierung, der weltweiten Öffnung und Verschmelzung von Märkten werden alle Gesellschaftsbereiche vom Prinzip des Wettbewerbs erfasst. Kritiker der Globalisierung sehen hierin eine Bedrohung der Sozialen Marktwirtschaft.

I. Einleitung

Noch immer ist der Begriff "Globalisierung" in der gesellschaftspolitischen Diskussion in Deutschland mit negativen Assoziationen verbunden. Nach wie vor gilt die fortschreitende Globalisierung vielen als wesentliche Ursache für hohe Arbeitslosigkeit, als Auslöser der Krise der sozialen Sicherungssysteme sowie der öffentlichen Haushalte und als Bedrohung für die Soziale Marktwirtschaft . Diese häufig undifferenzierte und daher pessimistische Sichtweise ist unangebracht. Die Globalisierung birgt große Chancen für eine Mehrung des Wohlstandes und neue Beschäftigung in Deutschland. Wenn diese Chancen wahrgenommen werden sollen, sind in der Ordnungs- und Wirtschaftspolitik allerdings grundlegende Weichenstellungen erforderlich.

Im Folgenden wird zunächst differenziert aufgezeigt, in welchen Entwicklungen sich die Globalisierung manifestiert und worin ihre Herausforderung besteht. Anschließend wird dargelegt, welche Strategien auf einzelnen Feldern der Wirtschaftspolitik notwendig sind, damit die Globalisierung von einer vermeintlichen Bedrohung zu einer Chance für Deutschland werden kann.

II. Was ist Globalisierung?

Der Prozess der Globalisierung besteht in der weltweiten Öffnung und Verschmelzung von Märkten, in der Auflösung geschlossener Volkswirtschaften. Mit der Globalisierung wird das weltwirtschaftliche Beziehungsgeflecht größer und engmaschiger. Der Grad der internationalen Arbeitsteilung steigt exponenziell . Für den Ökonomen stellt die Globalisierung einen gewaltigen Schritt zum Ideal der perfekten Konkurrenz dar: Die Transparenz der Märkte wird bei erfolgreicher Globalisierung nahezu vollkommen, und Anbieter wie Nachfrager können sehr schnell aufeinander reagieren.

1. Der Wettbewerb erfasst alle Gesellschaftsbereiche

Das Wesen der Globalisierung liegt darin, dass das Prinzip des Wettbewerbs alle Gesellschaftsbereiche erfasst . Dabei bleibt der Wettbewerb nicht länger auf die private Wirtschaft beschränkt, sondern wirkt sich zunehmend und nachhaltig auch auf das politische, rechtliche und fiskalische System aus. Die Globalisierung verändert die Strukturen in den Unternehmen, sie verändert die Finanzwelt und den Arbeitsmarkt, das Transport- und Kommunikationswesen, das Bildungssystem und die Kultur. Es sind diese umfassenden und weitreichenden Auswirkungen der Globalisierung auf die Gesellschaft, die die Politik in eine neue Rolle zwingen .

Dabei ist die Globalisierung prinzipiell keine neue Entwicklung. Die älteste Form der Globalisierung ist der internationale Handel . Dieser ist auch heute ein Baustein der Globalisierung, doch Direktinvestitionen und strategische Allianzen sind als Instrumente global agierender Unternehmen hinzugekommen. Diese globalen Unternehmen unterscheiden sich von konventionellen Unternehmen durch die Form ihrer Organisation: Globale Unternehmen sind international teils weit verzweigte Geflechte von Firmenniederlassungen und Beteiligungen, in denen die Unternehmenszentrale die global ausgerichteten Tätigkeiten koordiniert. Die Waren und Dienstleistungen, die ein solches Netzwerk erstellt, sind das Ergebnis internationaler Zusammenarbeit.

2. Die Liberalisierung der Märkte und der technische Fortschritt geben die Impulse

Mit der Globalisierung der Unternehmen geht eine Globalisierung der Märkte einher. Ein Markt wird zu einem globalen Markt, wenn er aus anderen Ländern erreicht werden kann, ohne dass dazu wesentliche Schranken überwunden werden müssen. Die Triebkräfte dieser Entwicklung sind die Liberalisierung der Märkte für Güter, Dienstleistungen und Kapital sowie der rasante Fortschritt in der Informations- und Kommunikationstechnik.

Die Liberalisierung der Märkte beruht zum einen auf dem stetigen Abbau von Handelshemmnissen im Rahmen internationaler Abkommen (GATT, WTO, EU); sie hat den entscheidenden Schub aber durch das Ende der bipolaren Weltordnung erhalten. Seit Beginn der neunziger Jahre entstehen junge, aufstrebende und marktwirtschaftlich orientierte Volkswirtschaften in Mittel- und Osteuropa. Dort liegen Standorte mit teils extrem niedrigen Lohnkosten nun unmittelbar vor der westeuropäischen Haustür, doch auch in Asien und Südamerika erwächst deutschen Unternehmen zunehmend Konkurrenz.

Diese Konkurrenz wird wirksam, weil der Transport von Personen, Gütern und Kapital, vor allem aber von Informationen, immer schneller erfolgt und immer billiger wird. Weil die Kosten des Transports von Informationen (Transaktionskosten) dramatisch gefallen sind, fällt es globalen Unternehmen heute leicht, weltweit zu forschen, zu produzieren, zu verkaufen und zu kooperieren, sich weltweit zu finanzieren und Marketing zu betreiben.

3. Die Wettbewerbsvorteile in der Weltwirtschaft verschieben sich

Die Liberalisierung der Märkte und der technische Fortschritt haben die Mobilität des Kapitals deutlich erhöht. Deswegen geraten immer stärker auch die standortgebundenen Produktionsfaktoren - in erster Linie Arbeit - und die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen unter internationalen Anpassungsdruck. Weltweit haben die Fähigkeiten zugenommen, Waren und Dienstleistungen für einen globalen Markt herzustellen. Und längst steht nicht mehr nur die einfache Arbeit im weltweiten Wettbewerb, sondern alle Qualifikationsstufen vom Hilfsarbeiter bis hin zum Ingenieur und Investmentbanker.

Für die Produktions- und Investitionsentscheidung eines Unternehmens verliert die Verfügbarkeit von Arbeit und Kapital in einem einzelnen Land immer mehr an Bedeutung. In der internationalen Arbeitsteilung wird die Spezialisierung nach Produkten allmählich durch eine Spezialisierung nach Tätigkeiten verdrängt: Automobilunternehmen beispielsweise gehen mehr und mehr dazu über, bestimmte Gruppen von Vorprodukten wie Motoren und Getriebe jeweils nur noch in einem Land einer Weltregion zu produzieren. Auch Dienstleistungsunternehmen zentrieren weltweit einzelne Tätigkeitsbereiche, seien es Routineabläufe wie die manuelle Datenerfassung oder Serviceleistungen, die in Call-Centern erbracht werden.

Die Wettbewerbsvorteile eines Landes ergeben sich deshalb immer weniger aus seiner Ausstattung mit den Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital, sondern zunehmend aus den Wertschöpfungsbeiträgen, die die standortgebundenen Produktionsfaktoren für die globale Wirtschaft leisten können. Wissen und technische Fähigkeiten der Arbeitnehmer werden zu den entscheidenden Wettbewerbsparametern. Im Zuge der Globalisierung verschieben sich damit komparative Vorteile, die über lange Zeit Bestand hatten .

4. Ausmaß und Tempo der Globalisierung sind atemberaubend

Die Dramatik dieses Wandels zeigt sich in aller Deutlichkeit an der Entwicklung des Welthandels und der internationalen Direktinvestitionen, am Aufkommen transnationaler Unternehmen und an der neuen Struktur der Finanzmärkte.

In der Nachkriegszeit expandierte der Welthandel stets erheblich stärker als die Weltproduktion. Dabei nimmt der Anteil industriell gefertigter Produkte zu. Immer mehr rücken technologisch anspruchsvolle Produkte wie Fahrzeuge, Maschinen, Computer und Telekommunikationsausrüstung in den Vordergrund. Regional fällt die wachsende Bedeutung Südostasiens auf, vor allem die Dynamik der "vier kleinen Tiger" Hongkong, Singapur, Taiwan und Südkorea . Aber auch den Erfolg anderer asiatischer Länder wie China, Indonesien, Malaysia und Thailand sowie lateinamerikanischer Staaten bekommen die "alten" Industrieländer zu spüren. Auch die Dynamik in Mittel- und Osteuropa nimmt zu.

5. Durch Direktinvestitionen werden Produktionsstandorte miteinander verflochten

Im Zeitalter der Globalisierung erfordert die Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit eine stärkere direkte Marktpräsenz als in früheren Jahren. Dies hängt mit dem fortschreitenden Wandel zur Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft zusammen. Dienstleistungen und insbesondere kundenspezifische Problemlösungen können nicht wie Güter exportiert, sondern müssen vor Ort erstellt werden. Deswegen entwickeln sich die internationalen Direktinvestitionen noch dynamischer als der Welthandel. Im Jahr 1999 beliefen sich die Direktinvestitionen deutscher Unternehmen im Ausland auf 172 Milliarden DM, die Direktinvestitionen ausländischer Unternehmen in Deutschland auf 96 Milliarden DM . Die Industrieländer sind nach wie vor sowohl die größten "Geber" als auch die größten "Empfänger" von Direktinvestitionen. Doch der Zufluss von Direktinvestitionen ist international heute weit stärker diversifiziert als früher. Produktionsstandorte in Asien, Lateinamerika und Mittel- und Osteuropa sind in den Vordergrund gerückt.

6. Transnationale Unternehmen sind die Schrittmacher der Globalisierung

Schrittmacher der Globalisierung sind Unternehmen mit ausländischen Niederlassungen oder Tochterunternehmen, so genannte transnationale Unternehmen . Ihre Organisationsform ist ein Netzwerk mit einer Reihe wechselseitig abhängiger und geographisch verteilter Zentren, die von gemeinsamen Strategien, Normen und einem intensiven Austausch von Informationen, Erfahrungen und Ressourcen zusammengehalten werden. Mit ihren Direktinvestitionen vernetzen transnationale Unternehmen nationale Volkswirtschaften und werden damit zum Herzstück der globalen Weltwirtschaft. Transnationale Unternehmen treiben den grenzüberschreitenden Transfer von Finanzkapital, Technologie und Managementfähigkeiten voran.

Auch mittelständische Industrieunternehmen produzieren bereits zu einem großen Teil im Ausland. Kennzeichnend für die Globalisierung ist auch, dass Unternehmen - unabhängig von ihrer Konkurrenzbeziehung - zunehmend international kooperieren. Dabei beginnen die Konturen der einzelnen Firmen sich zu verwischen. Automobilfirmen beliefern sich gegenseitig mit Motoren und Getrieben oder produzieren gemeinsam identische Automobile, die sich nur im Markenemblem unterscheiden. Fluggesellschaften gehen weltweite Kooperationen ein und befördern gegenseitig die Fluggäste der jeweils anderen Gesellschaft. Klare Abgrenzungen der Verhältnisse zu Konkurrenten, Lieferanten und Kunden werden ersetzt durch eine Verflechtung von Wertschöpfungsaktivitäten. Die Fähigkeit, solche Systeme komplexer grenzüberschreitender Leistungserstellung zu organisieren, wird zum wichtigsten Wettbewerbsvorteil transnationaler Unternehmen .

7. Die New Economy bringt neue Produkte und Arbeitsformen

Transnationale Unternehmen sind zwar die Schrittmacher der Globalisierung, doch die Auswirkungen der weltwirtschaftlichen Verflechtungen sind in allen Bereichen der Wirtschaft zu spüren. Das hat zwei Gründe: Zum einen liegt ein wesentliches Charakteristikum der Globalisierung in der stärkeren Vernetzung aller Unternehmen, und zum anderen ist die Informations- und Kommunikationstechnik eine Querschnittstechnologie, die die gesamte Wirtschaft erfasst. Damit ändern sich die Produkte, die Arbeitsabläufe und die Beschäftigungsformen in der New Economy. Dienstleistungsfunktionen nehmen zu, relativ dazu verlieren reine Fertigungstätigkeiten an Gewicht, Teamwork und die Koordination komplexer und zunehmend arbeitsteiliger Abläufe gewinnen an Bedeutung, die Grenzen zwischen selbstständiger und abhängiger Beschäftigung verschwimmen, Telearbeit und Teilzeitbeschäftigung gewinnen an Bedeutung, Arbeitszeiten werden flexibler . Kurz: die Arbeitswelt folgt dem gesamtgesellschaftlichen Trend der Ausdifferenzierung und Individualisierung.

III. Die neue Rolle der nationalen Wirtschaftspolitik

Im komplexen Prozess der Globalisierung ist die nationale Wirtschaftspolitik in eine schwierige Position geraten. Ursprünglich geschlossene Volkswirtschaften werden zu Regionen der Weltwirtschaft und die Bürger eines Landes zu Arbeitnehmern auf einem globalen Arbeitsmarkt. Ehemals nationale Unternehmen wandeln sich in weltweit verflochtene Organisationen, die ihren Unternehmenserfolg auf globalen Märkten suchen und von nationalen Regeln zunehmend unabhängig werden. Die standardisierte Massenproduktion wird dahin verlagert, wo die Kosten der Arbeit am geringsten sind, und Tätigkeiten mit hohem Wertschöpfungsanteil erfolgen dort, wo genügend hoch qualifizierte Fachleute zur Verfügung stehen.

Die Wirtschaftspolitik kann sich diesen Veränderungen nicht entziehen. Sie muss Antworten darauf finden, wie sie die Auswirkungen der Globalisierung innerhalb ihres Geltungsbereichs beeinflussen kann. Ihr Handlungsbedarf und ihr Handlungsspielraum werden neu definiert. Fest steht dabei, dass ihre traditionell nationalstaatlich definierte Souveränität sinkt, weil Unternehmen, Kapitalanleger und zunehmend auch Arbeitnehmer Freiheitsgrade in Form von Mobilität hinzugewinnen. Doch folgt hieraus nicht die Ohnmacht der Wirtschaftspolitik.

Die Wirtschaftspolitik kann dem Dilemma zwischen globaler Wirtschaft und eigener nationaler Gebundenheit entgehen. Grundvoraussetzung dafür ist, dass sie ein stabiles makroökonomisches Umfeld mit hoher Preisstabilität und einem langfristig gesicherten Wirtschaftswachstum schafft und erhält. Dabei ist vor allem darauf zu achten, dass die Produktivität des standortgebundenen Produktionsfaktors Arbeit verbessert wird. Ebenso ist eine technisch anspruchsvolle Infrastruktur für den Transport von Menschen, Gütern und Informationen notwendig. Durch Investitionen in Bildung, Ausbildung, Forschung und Entwicklung kann das Wertschöpfungspotenzial der Bürger erhöht werden. Sollen die Chancen der Globalisierung genutzt werden, ist die Effizienz der Wirtschaftspolitik zu erhöhen. Insofern besteht der Souveränitätsverlust der Wirtschaftspolitik infolge der Globalisierung lediglich darin, dass wirtschaftspolitisches Fehlverhalten stärker geahndet wird. Eine wichtige Funktion haben in diesem Zusammenhang die globalen Finanzmärkte. Sie werden zu Sensoren für die Qualität der Wirtschaftspolitik. Betreibt ein Land etwa eine expansive Geld- oder Fiskalpolitik, die Inflationsgefahren birgt, reagieren die Anleihemärkte mit Zinserhöhungen und die Devisenmärkte mit einem Abwertungsdruck auf die Währung. Die Finanzmärkte übernehmen damit eine Wächterfunktion für die Konsistenz der Wirtschaftspolitik .

Für die Wirtschafts- und Sozialpolitik wird es vor allem schwieriger, wenn nicht unmöglich, Wechsel auf die Zukunft auszustellen, die nicht durch die Produktivität der Volkswirtschaft gedeckt sind. Der Staat wird seine Aktivität auf jene Bereiche beschränken müssen, in denen er tatsächlich den Märkten überlegen ist. Privatwirtschaftliche Lösungen werden in vielen Fällen wohlfahrtssteigernd wirken und das Subsidiaritätsprinzip mit neuem Leben erfüllen.

1. Nur eine offensive Strategie eröffnet Zukunftschancen

Welche Anforderungen stellt die Globalisierung an die Politik mit Blick auf die Erhaltung und Weiterentwicklung der Sozialen Marktwirtschaft? In der wirtschaftspolitischen Diskussion in Deutschland hat man sich lange auf die Frage konzentriert, wie die Kostenbelastung des Standortes, vor allem durch den Faktor Arbeit, zu reduzieren sei. Im Vordergrund stand das Ziel, das Kostenniveau über eine Verringerung der Abgaben- und Staatsquote zu senken. Wenn Deutschland von der Globalisierung profitieren soll, reicht es jedoch nicht aus, sich auf eine solche rein defensive Strategie zu beschränken .

Vielmehr muss die Wirtschaftspolitik die Voraussetzungen für dauerhafte Gewinne aus der Globalisierung schaffen. Wirtschaftspolitische Maßnahmen müssen danach ausgewählt werden, ob sie die Qualität des standortgebundenen Produktionsfaktors Arbeit direkt oder durch komplementäre Faktoren verbessern. Im Rahmen einer offensiven Strategie muss der Blick auf die Frage gerichtet werden, welche Produkte auf den globalisierten Märkten nachgefragt werden, wie deutsche Unternehmen diese Produkte herstellen können und welcher Rahmenbedingungen der Politik es bedarf, um Produkt- und Prozessinnovationen in Gang zu setzen und zu fördern. Sollen die Chancen der Globalisierung genutzt werden, dann kommt es darauf an, wie gut es deutschen Unternehmen gelingt, sich in den Wachstumsmärkten der Zukunft zu positionieren, also etwa in den Märkten für Information und Kommunikation, Bio- und Gentechnologie, Logistik, Automatisierung und Werkstofftechnik .

2. Die Wettbewerbspolitik steht vor einer doppelten Herausforderung

Die Globalisierung stellt in zweierlei Hinsicht eine Herausforderung für den marktwirtschaftlichen Ordnungsrahmen dar. Zum einen stößt die heimische Wettbewerbskontrolle dadurch an Grenzen, dass nationale Unternehmen sich zu transnationalen Netzwerken weiterentwickeln. Eine globale Wettbewerbsordnung mit geeigneten Sanktionsmechanismen ist allerdings nicht in Sicht.

Doch der Wettbewerb als Ordnungsprinzip wird nicht nur durch das Verhalten international tätiger Unternehmen potenziell gefährdet, sondern - und darin liegt die zweite Herausforderung - auch durch das Verhalten der nationalen Regierungen. Diese werden durch den internationalen Standortwettbewerb zu Wettbewerbern um Investitionen ausländischer Unternehmen. Als Instrument werden dabei mitunter beträchtliche Subventionszahlungen eingesetzt. Internationale Regelungen für diesen Wettlauf um ausländische Investitionen gibt es bislang nicht. Damit auch die globale Wirtschaft auf Dauer dem Wettbewerbsprinzip gehorcht, sind internationale Regelungen sowohl für diesen Subventionswettlauf als auch für internationale Unternehmenszusammenschlüsse und strategische Allianzen unabdingbar.

Dies heißt allerdings keineswegs, dass umfassende globale Regulierungen grundsätzlich und in jedem Politikfeld eine vorteilhafte Strategie wären, um auf die Globalisierung zu reagieren. Globale Regelwerke sind, im Gegenteil, stets sehr sorgfältig daraufhin zu prüfen, ob sie wirksam, durchsetzbar und effizient sind und ob ihr Nutzen eindeutig größer ist als mögliche Kosten und negative Nebenwirkungen .

3. Stabilität muss das wichtigste Ziel der Geldpolitik sein

Mit der Globalisierung der Finanzmärkte stehen den Kapitalanlegern Instrumente zur Verfügung, mit denen sie kostengünstig, schnell und international über Vermögenspositionen disponieren können, sobald sie auf Grund neuer Informationen monetäre Veränderungen erwarten. Spätestens mit der Globalisierung ist mithin der Spielraum der Geldpolitik für andere Ziele als den Erhalt der Geldwertstabilität enger geworden. Die neuen Instrumente und die technologischen Möglichkeiten verleihen den Erwartungen der Marktteilnehmer bezüglich des geldpolitischen Kurses ein größeres Gewicht.

In einem solchen Umfeld kann die Notenbank nur erfolgreich agieren, wenn sie eine konsequente Stabilitätspolitik verfolgt. Deshalb wäre es im Prinzip durchaus sinnvoll, die Geldpolitik durch internationale Vereinbarungen - wie beispielsweise Weltgeldmengenziele, Inflationsziele oder Wechselkursvereinbarungen - zu ergänzen. Solche Vereinbarungen werden erfahrungsgemäß jedoch kaum Erfolg haben. Viel wäre deshalb gewonnen, wenn alle relevanten Notenbanken sich zu einer konsequenten Stabilitätspolitik verpflichten würden. Von der Geldpolitik würden dann keine störenden Impulse mehr auf die Finanzmärkte ausgehen. Zugleich bliebe die Selbstverantwortung der einzelnen Länder erhalten. Gegenüber jeder Form einer interventionistischen "Weltgeldordnung" ist einer solchen Selbstverantwortung ordnungspolitisch ohnehin der Vorzug zu geben .

Das in die Stabilitätsorientierung gesetzte Vertrauen ist zum wichtigsten Transmissionsmechanismus der Geldpolitik in einem Umfeld globaler Finanzmärkte geworden. Das Ziel einer dauerhaften Stabilisierung der Erwartungen der Marktteilnehmer ist am ehesten mit einer regelgebundenen Geldpolitik zu erreichen. Eine solche, möglichst mittelfristig orientierte Regelbindung macht die Geldpolitik für die Marktteilnehmer kalkulierbar und grenzt gleichzeitig die wirtschaftspolitischen Verantwortlichkeiten eindeutig ab.

4. Neue Arbeitsplätze entstehen durch Innovationen und Innovationsbereitschaft

Dank moderner Kommunikationstechnik sind Wissen, Kenntnisse und Fertigkeiten überall auf der Welt praktisch gleichzeitig und gleichartig verfügbar. Dauerhafte Innovationsvorsprünge eines Landes kann es deshalb idealiter in Zukunft nicht mehr geben. Die Innovationsfähigkeit eines Landes, die Geschwindigkeit, mit der Wissen in neue Technologien umgesetzt wird, wird aber auch künftig standortgebunden bleiben. Sie hängt ab von der Organisation der Unternehmen, ihren Beziehungen untereinander, der technischen und sozialen Infrastruktur, den Bedingungen am Finanzmarkt und der Form der Humankapitalbildung. Diese Faktoren bestimmen die langfristigen Wachstums- und Beschäftigungsperspektiven eines Landes. Sollen die Chancen der wissensbasierten Gesellschaft genutzt werden, dann muss die Politik günstige Rahmenbedingungen für die Entfaltung der neuen Industrien und Tätigkeiten schaffen. Geeignete Instrumente dazu sind Anstrengungen in der Aus- und Weiterbildung der Beschäftigten, aber auch mehr Flexibilität am Arbeitsmarkt.

In besonders vielfältiger Weise gefordert ist die Forschungs- und Technologiepolitik. Ein Warnzeichen ist darin zu sehen, dass die Auslandsforschung deutscher Unternehmen stark zunimmt, während die Forschungstätigkeit ausländischer Unternehmen in Deutschland stagniert. Um als Forschungsstandort international attraktiv zu bleiben, muss Deutschland weltweit konkurrenzfähige Kompetenzzentren herausbilden. Die USA profilieren sich auf den Gebieten Mikroelektronik, Computer, Software, Pharmazeutika und Gentechnik. Deutschland muss hier aufholen, seine Chancen aber auch in einem Ausbau der Kompetenz in traditionellen Industriebereichen wie Fertigungstechnik und Fahrzeugbau suchen. Ziel der Forschungs- und Technologiepolitik muss sein, den Wettbewerb zwischen den verschiedenen Forschungseinrichtungen zu verstärken und eine engere Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu ermöglichen, um den Transfer von Forschungsergebnissen in Produkte zu beschleunigen. Nicht zu unterschätzen ist mit Blick auf diesen Prozess, dass Forschung und Innovation nur dort gedeihen, wo sie gesellschaftlich akzeptiert werden. Das gesellschaftliche Klima entscheidet mit darüber, ob ausländische Unternehmen in deutsche Forschungseinrichtungen investieren und ob deutsche Unternehmen ihre Forschungsinstitute in Länder mit einer höheren Akzeptanz für neue Technologien verlagern. Hier liegt eine der Führungsaufgaben für die Politik, den Prinzipien Wettbewerb und Innovation mehr Geltung zu verschaffen.

5. Wissen wird zum entscheidenden Produktionsfaktor

Eine der wichtigsten Triebfedern der Globalisierung sind neue wissensbasierte Technologien. Sie verändern das Anforderungsprofil an die schulische und berufliche Ausbildung. Einfache Qualifikationen verlieren an Bedeutung, gefragt ist eine höherwertige Ausbildung, die praxisorientiert erfolgen muss. Arbeitnehmer werden nur dann Kenntnisse und Fertigkeiten erlangen, die im globalen Produktionsprozess verwertbar sind, wenn die Ausbildung darauf abzielt, dass Schüler, Auszubildende und Studenten "in Problemlösungen" denken. Abstraktion, Systemdenken, Experimentieren und Teamfähigkeit sind Schlüsselfähigkeiten in der Berufswelt der Zukunft.

Im deutschen Bildungssystem besteht großer Handlungsbedarf: Internationale Leistungsvergleiche zeigen, dass deutsche Schüler im Fach Mathematik ihren Altersgenossen aus den meisten übrigen Industrieländern deutlich hinterherhinken . Die OECD bescheinigt dem deutschen Bildungssystem, im internationalen Vergleich zurückzufallen .

Reformvorschläge gibt es zahlreich: Studiengebühren, eine Verkürzung der Schulzeit und der Studiendauer, mehr Autonomie der einzelnen Schulen und Hochschulen, Wettbewerb zwischen und innerhalb der einzelnen Hochschulen. Konkrete Fortschritte sind bisher jedoch nur in Ansätzen erkennbar.

6. Die Finanz- und Steuerpolitik steht vor komplett neuen Rahmenbedingungen

Das Dilemma, das daraus entsteht, dass Unternehmen zunehmend global agieren, die Politik jedoch von der Zustimmung der Bürger des jeweiligen Landes abhängig ist, wird in der Finanzpolitik unmittelbar greifbar. Die Steuerbasis erodiert durch Abwanderung und Steuervermeidung, und der internationale Steuerwettlauf erhöht den Druck auf die nationalen fiskalischen Systeme. Die nationale Finanz- und Steuerpolitik als "Spielball" der internationalen Finanzmärkte und globaler Unternehmen - das ist das Schreckgespenst aller Finanzpolitiker. Denn neben dem Wähler sieht sich die Finanzpolitik nun mit den internationalen Finanzmärkten einem zweiten Kontrolleur ausgesetzt. Der Abbau von Budgetdefiziten und die Reduzierung der Steuerlast werden deshalb in einer globalen Weltwirtschaft zu den Aufgaben mit der höchsten Priorität.

Deswegen hat die Finanzpolitik als Instrument der traditionellen Beschäftigungspolitik ausgedient. Beschäftigungspolitisch motivierte Erhöhungen der Staatsausgaben keynesianischer Provenienz sind in einer globalen Wirtschaftsordnung mehr denn je kontraproduktiv, weil sie über eine erhöhte Steuer- und Abgabenlast das Wachstum bremsen und über inflationäre Impulse die ökonomische Stabilität gefährden. Die Beschäftigungschancen der immobilen Produktionsfaktoren erhöhen sie nicht.

Die neue Verantwortung der Finanzpolitik für die Beschäftigung liegt vielmehr darin, die Ausgaben stärker auf jene investiven Bereiche zu konzentrieren, die - wie Bildung, Forschung und Infrastruktur - zu einer Steigerung der Produktivität der standortgebundenen Produktionsfaktoren eines Landes beitragen. Aber: Nicht alles muss der Staat selbst produzieren, bereitstellen und finanzieren. Die Globalisierung zwingt zu einem Nachdenken darüber, welche Aufgaben der Staat in der sich neu bildenden Weltwirtschaftsordnung hat, aber auch darüber, wie die öffentlichen Güter möglichst effizient zu produzieren sind. Die Privatisierung von Staatstätigkeit hat deshalb hohe Priorität.

Auf der Einnahmenseite wird es zunehmend schwierig, die mobilen Produktionsfaktoren zu besteuern. Folglich droht die Steuerbasis in Ländern mit hohen Ertragssteuern zu erodieren . Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass das Niveau der Steuern und Abgaben auf ein weltweit einheitliches Niveau nivelliert werden müsste. Schließlich steht der Steuerlast auch ein Angebot an staatlicher Infrastruktur gegenüber, das die ökonomische Aktivität ermöglicht und fördert. Es kommt aber darauf an, das Steuer- und Abgabensystem wachstumsfreundlich auszugestalten. Sinnvoll ist neben international konkurrenzfähigen Steuersätzen da-bei auch eine Steuerpolitik, die den Schwerpunkt der Besteuerung von der Einkommenserzielung auf die Einkommensverwendung verlagert.

7. Mehr Eigenverantwortung in der sozialen Sicherung ist unausweichlich

Die Probleme des Sozialstaats, wie wir sie in Deutschland beobachten, haben ihren Ursprung nicht in der Globalisierung, sondern sie sind überwiegend hausgemacht. Die Folgen sind sichtbar in der Höhe der Arbeitskosten, der Höhe der Unternehmensbesteuerung und der ausufernden Staatstätigkeit. Lange vernachlässigt wurden auch die Folgen der demographischen Veränderungen für ein umlagefinanziertes Sozialsystem . Die Globalisierung hat diese Fehlentwicklungen lediglich aufgedeckt. Ein Sozialstaat, der die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft überfordert, löst in einer globalen Wirtschaft einen Teufelskreis aus wachsender Arbeitslosigkeit, steigender Staatsverschuldung und zunehmender Abgabenbelastung aus. Die zu seiner Finanzierung notwendigen Steuern und Abgaben vermindern die Leistungsanreize, die Bürger schränken ihr Arbeitsangebot ein, reduzieren die Ersparnisbildung und wandern in die Schattenwirtschaft ab.

Der durch die Globalisierung ausgelöste Wettbewerb zwischen den nationalen Sozialsystemen zwingt dazu, das Verhältnis von Solidarität und Selbstverantwortung in der sozialen Sicherung neu auszutarieren. Umverteilung wird in Zukunft nur noch dort finanzierbar sein, wo der Staat zweifelsfrei in der Pflicht ist. In diesem Sinne wandelt sich auch das Verständnis der Bürger von der Rolle des Staates in Wirtschaft und Gesellschaft. Der Ruf der Bürger nach dem Staat als Garant für Wohlstand und Beschäftigung wird leiser, und das Vertrauen der Bürger in die Leistungsfähigkeit des Staates nimmt ab . Die Globalisierung hat die Vision vom umfassenden Versorgungsstaat nachhaltig erschüttert. In allen sozialen Bereichen wird sich die staatliche Aktivität künftig auf die Absicherung elementarer persönlicher und familiärer Risiken beschränken müssen. Fehlschlagen werden alle Versuche, die die Reformen der sozialen Sicherungssysteme mit der Auslagerung und Steuerfinanzierung von versicherungsfremden Leistungen umgehen wollen. Primär muss es darum gehen, der Eigenverantwortung des Bürgers und privatwirtschaftlichen Formen der sozialen Absicherung bei Krankheit, Pflege und Lohnfortzahlung, vor allem aber in der Altersvorsorge, einen breiteren Raum zu geben als bislang. Das erreichte Einkommensniveau ermöglicht neue Formen privater Absicherung.

8. Die Tarifpolitik bleibt für Vollbeschäftigung verantwortlich

Der Mangel an Beschäftigung in Deutschland hat drei wesentliche Ursachen: ungeeignete Formen der Lohnfindung, die Höhe der Lohnnebenkosten und Regulierungen, die die Flexibilität des Marktes hemmen. Neue Arbeitsplätze entstehen im globalen Wettbewerb nur, wenn der Wettbewerb auch auf den Arbeitsmarkt zurückkehrt. Auf der Basis der bestehenden Höhe von Lohn- und Lohnnebenkosten muss dann für einen längeren Zeitraum auf Reallohnerhöhungen verzichtet werden und der Einkommenszuwachs hinter dem Produktivitätsanstieg zurückbleiben. Notwendig ist weiterhin eine größere Spreizung der Lohnstruktur, denn von Arbeitslosigkeit sind gering Qualifizierte überdurchschnittlich betroffen. Es muss Anreize geben, damit es sich für den Einzelnen lohnt, auch niedrigbezahlte Arbeit anzunehmen, anstatt die sozialen Sicherungssysteme zu beanspruchen. Die Erfahrungen in Großbritannien und Dänemark zeigen, zu welchen positiven Effekten auf dem Arbeitsmarkt solche Reformen führen können.

Ebenso muss das deutsche Tarifsystem an globale Lohnstrukturen angepasst und entsprechend reformiert werden. Der Tariflohn wird dabei von einem faktischen Mindestlohn zu einem Orientierungslohn werden. Der Flächentarifvertrag wird nur überleben können, wenn die Tarifverträge flexibler werden und durch Öffnungsklauseln in breitem Umfang betriebsindividuelle Lösungen erlauben. Gerade in Wachstumsbranchen wie Telekommunikation, Informationstechnologie und unternehmensnahe Dienstleistungen haben sich die Unternehmen faktisch schon heute längst von den starren Arbeitszeit- und Lohnmodellen der Vergangenheit gelöst. Je konsequenter der Arbeitsmarkt auf breiter Front von diesen Fesseln befreit wird, desto bessere Perspektiven für neue Arbeitsplätze werden sich eröffnen.

9. Die Einigung Europas ist eine Teilantwort auf die Globalisierung

Supranationale Vereinbarungen können sinnvolle Strategien sein, um auf die Herausforderungen der Globalisierung zu reagieren. So ist eine europäische Wettbewerbsordnung ein notwendiges und geeignetes Instrument zur Sicherung fairer Konkurrenz. Umgekehrt allerdings wäre eine für alle verbindliche Festschreibung der hohen europäischen Sozialstandards eine falsche Strategie; sie würde die Wettbewerbsfähigkeit Europas verringern.

Eine geeignete Teilantwort auf die Globalisierung ist auch die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) . Sie kann und muss angesichts der permanenten Kontrolle der Volkswirtschaften durch die internationalen Finanzmärkte ein stabiles makroökonomisches Umfeld sicherstellen. Dazu gehört eine Geldpolitik, die für einen stabilen Euro sorgt. Aufgrund der supranationalen Organisation und der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank und ihres klaren vertraglich fixierten Auftrags, die Preisstabilität zu sichern, stehen die Chancen hierfür gut. Ein gewichtiger Vorteil der EWWU liegt darin, dass alle Mitgliedsländer der Währungsunion mit dem Wachstums- und Stabilitätspakt unwiderruflich eine Verpflichtung zu einer stabilitätsorientierten Wirtschaftspolitik eingehen.

IV. Fazit: Neue Impulse für die Soziale Marktwirtschaft

"Alles muss sich ändern, damit alles so bleibt wie es ist." Diese Erkenntnis charakterisiert die Herausforderung, vor der die Soziale Marktwirtschaft in Deutschland im Zeitalter der Globalisierung steht. Deutschland sieht sich einer politischen Gestaltungsaufgabe gegenüber, die in ihrer Substanz mit der Schaffung der Wirtschaftsordnung in der Nachkriegszeit verglichen werden kann. Erfolgreich kann diese Aufgabe nur bewältigt werden, wenn ihre Bedeutung von Politik und Gesellschaft richtig erkannt wird.

So sehr Korrekturen und Einschnitte unerlässlich sind, so sehr steht fest, dass die tatsächlichen und potenziellen Erträge der Globalisierung ihre Kosten und Risiken weit überwiegen. Im Grunde ist diese Kosten-Nutzen-Abwägung jedoch müßig. Denn Deutschland kann sich der Globalisierung nicht entziehen. Als offene, exportabhängige und technologieintensive Volkswirtschaft muss es die Globalisierung und die mit ihr verbundenen Herausforderungen annehmen. Deutschland bleibt kein anderer Weg, als den Wettbewerb der Wirtschaftssysteme zu akzeptieren und das Modell der Sozialen Marktwirtschaft an die Bedingungen der Globalisierung anzupassen.

Je eher und je entschiedener die politische Gestaltungskraft hierzu aufgebracht wird, je schneller die Akzeptanz in der Gesellschaft wächst, dass von etablierten Strukturen Abschied genommen werden muss, je "offensiver" also die gesamtgesellschaftliche Strategie ist, desto stärker wird die Globalisierung ihre wohlfahrtssteigernde Wirkung auch in Deutschland entfalten. Die Verabschiedung der Steuerreform, Fortschritte in der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, die in Bewegung gekommene Diskussion über einen Umbau des Rentensystems, vergleichsweise moderate Lohnabschlüsse während der vergangenen Jahre - all das sind richtige Ansätze, die Anlass zu Hoffnung geben. Doch Demokratien lernen offensichtlich langsam. Es ist ein langer und mühsamer Weg, bis sich ökonomisch als richtig Erkanntes auch politisch durchsetzt. Dort, wo es sich durchsetzt, gibt die Globalisierung der Sozialen Marktwirtschaft neue Impulse und die Gelegenheit, ihre Zukunftsfähigkeit unter Beweis zu stellen.

Internetverweis des Autors:

www.BDB.de

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. beispielhaft Viviane Forrester, Der Terror der Ökonomie, München 1998; Hans-Peter Martin/Harald Schumann, Die Globalisierungsfalle, Reinbek 1996.

  2. Vgl. Wilfried Prewo/Martin Rudolph/Dirk Franke, Globalisierung und Handlungsverantwortung. Politik für das Informationszeitalter, Hannover 1998.

  3. Vgl. zum Wesen und zur produktiven Kraft des Wettbewerbs auch Klaus von Dohnanyi, Im Joch des Profits? Eine deutsche Antwort auf die Globalisierung, Stuttgart 1997, S. 90-107.

  4. Zu den soziologischen Implikationen der Globalisierung vgl. Ulrich Beck, Was ist Globalisierung?, Frankfurt/M. 1997.

  5. Vgl. Peter Sloterdijk, Philosophische Aspekte der Globalisierung, in: Bundesverband deutscher Banken (Hrsg.), Wohin führt der globale Wettbewerb?, Berlin 1999.

  6. Vgl. Juergen B. Donges, Was heißt Globalisierung?, in: Juergen B. Donges/Andreas Freytag (Hrsg.), Die Rolle des Staates in einer globalisierten Wirtschaft, Stuttgart 1998, S. 1-7.

  7. Vgl. Wilhelm Bürklin, Die "vier kleinen Tiger". Die pazifische Herausforderung. Hongkong, Singapur, Taiwan, Südkorea, München 1993.

  8. Vgl. Institut der deutschen Wirtschaft, Direktinvestitionen. Unternehmen streben nach Größe, in: Informationsdienst IWD, 14/2000, S. 2.

  9. Vgl. United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD), World Investment Report, 1996.

  10. Vgl. zum Wandel von Unternehmensstrukturen auch Helmut Maucher, Globale Unternehmensstrategie, in: Günther Würtele (Hrsg.), Agenda für das 21. Jahrhundert. Politik und Wirtschaft auf dem Weg in eine neue Zeit, Frankfurt/M. 1995, S. 337-353.

  11. Vgl. Gerhard Willke, Die Zukunft unserer Arbeit, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1998.

  12. Vgl. Rolf E. Breuer, Politik im 21. Jahrhundert - im Schlepptau der Finanzmärkte?, in: Deutsche Bank Research Bulletin vom 7. August 2000, S. 7 f.

  13. Vgl. auch Zukunftskommission der Friedrich-Ebert-Stiftung, Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, sozialer Zusammenhalt, ökologische Nachhaltigkeit. Drei Ziele - Ein Weg, Bonn 1998, S. 96 ff.

  14. Vgl. Dresdner Bank AG, Zukunftsbranchen - Schrittmacher des Strukturwandels, Frankfurt/M. 2000.

  15. Vgl. Rolf J. Langhammer, Globale Regelsysteme im Globalisierungsprozess: Wogegen, wofür, wo?, in: Volkswirtschaftliche Korrespondenz der Adolf-Weber-Stiftung, 39 (2000) 1, S. 1.

  16. Siehe hierzu auch Hans Willgerodt, Neue Kontrollen für den internationalen Kapitalverkehr?, in: J. B. Donges/A. Freytag (Anm. 6), S. 119-171.

  17. So das Ergebnis der Third International Mathematics and Science Study (TIMSS), durchgeführt von der International Association for the Evaluation of Educational Achievement (IEA), Den Haag; siehe dazu auch: Institut der deutschen Wirtschaft, Schulleistungen. Kein Ruhmesblatt für deutsche Kids, in: Informationsdienst IWD, 11/1997, S. 7.

  18. Vgl. Deutschland ist in der Bildung nur noch Mittelmaß, in: Handelsblatt vom 17. Mai 2000.

  19. Vgl. Werner Heß/Rolf Schneider, Realwirtschaftliche und wirtschaftspolitische Konsequenzen der Globalisierung, in: Dresdner Bank AG (Hrsg.), Globalisierung - Mythos oder Realität?, Frankfurt/M. 2000, S. 37-43, hier S. 40.

  20. Vgl. ebd., S. 41.

  21. Vgl. Bundesverband deutscher Banken, Deutschland im Wandel: Der Wirtschaftsstandort im Zeichen der Globalisierung. Ergebnisse einer repräsentativen Meinungsumfrage, Berlin 2000, S. 24-27.

  22. Vgl. Alexander von Tippelskirch, Vom Binnenmarkt zur globalen Wirtschaftsordnung, in: Bundesverband deutscher Banken (Hrsg.), Wohin jetzt, Europa?, Berlin 1999.

Dr. rer. pol., geb. 1949; Mitglied der Geschäftsführung des Bundesverbandes deutscher Banken, Berlin; 1992-1997 Professor für Politikwissenschaft, Universität Potsdam.

Anschrift: Bundesverband deutscher Banken, Burgstraße 28, 10178 Berlin.
E-Mail: Wilhelm Buerklin@BDB.de

Veröffentlichung u. a.: Eliten in Deutschland. Rekrutierung und Integration, Opladen 1997.