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Informelle Politik und ökonomische Krisen in jungen Demokratien | Demokratie in der Dritten Welt | bpb.de

Demokratie in der Dritten Welt Editorial Informelle Politik und ökonomische Krisen in jungen Demokratien Demokratie in Lateinamerika Der beschwerliche Weg zur rechtsstaatlichen Demokratie in Südostasien Autoritäre Präsidialregime statt Parteiendemokratien in Zentralasien

Informelle Politik und ökonomische Krisen in jungen Demokratien

Jörg Faust

/ 18 Minuten zu lesen

Worin liegen die Ursachen der ökonomischen Krisen der Neunzigerjahre in jungen Demokratien Lateinamerikas, Osteuropas und des pazifischen Asiens? Welche Rolle spielen hierbei die Verfahren informeller Politik?

Einleitung

Wie die Neunzigerjahre gezeigt haben, vollzieht sich der Wandel zu Demokratie und Marktwirtschaft in den meisten Staaten Lateinamerikas, Asiens und Osteuropas kaum ohne schmerzhafte Begleiterscheinungen. Ist die Phase der Errichtung formeller demokratischer Institutionen abgeschlossen, so droht zwar eher selten ein Rückfall in traditionelle Formen der Autokratie. Gleichwohl besteht nach wie vor die Herausforderung, zeitgleich die für liberaldemokratische Herrschaft und eine durch staatliche Regeln gebändigte Marktwirtschaft notwendigen Verfahren zu verfestigen, mit politischer Legitimität zu versehen und in der politischen Kultur der Gesellschaft zu verankern. Dies ist mit enormen Schwierigkeiten verbunden, da demokratische und ökonomische Reformprozesse eng miteinander verflochten sind. Dass hierbei das historische Erbe autoritärer Herrschaft in jungen Demokratien noch lange Zeit nachwirken kann, versucht dieser Beitrag herauszustellen.

Die folgende Argumentation betont die Bedeutung von Institutionen bei Prozessen des politischen und ökonomischen Wandels. Institutionen sind alle normativ gesetzten und empirisch beobachtbaren Regeln, mit deren Hilfe nutzenorientierte Akteure ihren Entscheidungsspielraum strukturieren und somit die Komplexität ihrer Umwelt verringern. Während Individuen oder Organisationen somit als Spieler im politischen Prozess aufgefasst werden, dienen politische Institutionen als Spielregeln der Gesellschaft . Diese handlungsregulierenden Regeln etwa in Form von Gesetzen und Verordnungen ermöglichen die "Herstellung und Durchführung verbindlicher und gesellschaftlich relevanter Entscheidungen" .

Diese funktionalen Anforderungen können in unterschiedlichem Maße von formellen, aber auch von informellen Institutionen erbracht werden. Hierbei verschafft überwiegend der Staat per Gesetz den formellen, gemeinhin kodifizierten Institutionen Geltung. Hingegen werden informelle, nicht kodifizierte Institutionen meist von gesellschaftlichen Akteuren sanktioniert. Letztere wirken also kraft gesellschaftlicher Einübung und sind daher oftmals historischer und kultureller Natur. Obwohl viele Institutionen informeller Politik öffentlich bekannt sind, existieren sie im Unterschied zu den formellen Regeln nicht aufgrund von Kodifizierung, sondern sind das Ergebnis gesellschaftlicher Selbstorganisation . Demokratisierung und die Einführung ökonomischer Reformen können vor diesem Hintergrund als Phasen eines institutionellen Wandels begriffen werden, in welchem oftmals ein Konflikt zwischen alten tradierten Spielregeln informeller Art und den neuen formellen Verfahren fairen politischen und ökonomischen Wettbewerbs auftritt.

Auffällig bei der Betrachtung der von Finanzkrisen in den Neunzigerjahren betroffenen jungen Demokratien sind die Ähnlichkeiten zwischen bestimmten informellen politischen Verhaltensmustern trotz verschiedener kultureller Kontextfaktoren, Unterschieden in den wirtschaftlichen Reformpfaden und Differenzen im formellen Aufbau der Demokratie. Dies gilt insbesondere für soziale Regeln, die sich jenseits formeller Gesetze an den Schnittstellen zwischen politischem und wirtschaftlichem System eingenistet haben. Problematisch erscheint hierbei, dass die Regeln informeller Politik in vielen Transformationsländern noch einen illiberalen Charakter besitzen, also gegen die Grundsätze des politischen und ökonomischen Liberalismus verstoßen . So behindern etwa ausufernde Korruption oder klientelistische Verfahren die Entfaltung nachhaltigen Wettbewerbs. Kennzeichnend hierfür sind Formen neopatrimonialer Herrschaft, bei denen zwar die moderne, rational-legale Staatlichkeit vordergründig sichtbar ist, jedoch vielfach noch traditionale Herrschaftsmuster dominieren, die sich auf persönliche Beziehungen gründen und keine Unterscheidung zwischen Öffentlichem und Privatem kennen.

Im Folgenden sollen die Zusammenhänge zwischen diesen Spielarten informeller Politik sowie ökonomischer Labilität in jungen Demokratien näher beleuchtet werden. Zunächst wird ein Strang der jüngeren Demokratieforschung aufgegriffen, der die vielfach mangelnde Rechtsstaatlichkeit und geringe Gewaltenkontrolle in jungen Demokratien auf tradierte politische Spielregeln informeller Natur zurückführt . In einem zweiten Schritt wird die These vertreten, dass entlang solcher Verfahren informeller Politik, die inkompatibel mit fairem politischen Wettbewerb sind, auch ökonomische Reformen meist zugunsten kleiner Interessengruppen konstruiert werden. Dies verhindert die Entstehung einer gesamtwirtschaftlich effizienten Wettbewerbsordnung. In einem Ausblick wird schließlich auf mögliche Chancen institutionellen Wandels im Anschluss an ökonomische Krisen eingegangen.

I. Demokratie, Rechtsstaat und informelle Politik

Wie auch der wirtschaftliche Wettbewerb, so ist der demokratische Wettbewerb ein offener Prozess, dessen Ergebnisse im Voraus kaum zu prognostizieren sind. Wettbewerb über Partizipation lautet denn auch eine bekannte Definition von Polyarchie als der real existierenden Form von Demokratie . Wahlen und die Bildung von politischen Parteien und Verbänden, die den demokratischen Wettbewerb austragen, sind demnach der Kernbestand jeder Demokratie. Weitgehend unberücksichtigt bleibt hierbei jedoch, dass es vorgeschriebener Regeln bedarf, die in Form politischer und teilweise sozialer Grundrechte dauerhaften politischen Wettbewerb erst ermöglichen. Neben dem demokratischen Herrschaftsauftrag des Bürgers an den Staat sind daher Rechtsstaat und Gewaltenkontrolle konstitutive Elemente der liberalen Demokratie , schützen sie doch die Grundrechte des Einzelnen. Auch der Staat selbst wird vor einer Vereinnahmung durch bestimmte Interessengruppen oder eine Tyrannei der Mehrheit bewahrt. Somit garantiert erst der auf einer unabhängigen Justiz basierende Rechtsstaat "die Übereinstimmung von Verfassung und Gesetzen mit dem Regierungshandeln" .

In vielen jungen Demokratien basierten jedoch die Ablösung autoritärer Eliten und die Einführung demokratischer Verfahren vielfach auf dem Konsens, lediglich die vertikalen Elemente der Demokratie zu akzeptieren. Entsprechend sind mittlerweile freie und auf den ersten Blick faire Wahlen, Presse- und Meinungsfreiheit sowie die Möglichkeit zur Gründung von Parteien und Verbänden Bestandteil der politischen Landschaft in vielen jungen Demokratien. Problematischer hingegen ist die Verfestigung von Rechtsstaat und Gewaltenkontrolle. So bestehen etwa zwischen Verwaltung und gesellschaftlichen Akteuren alte Seilschaften fort, die sich über das Gesetz stellen und von den demokratisch legitimierten Repräsentanten der neuen Ordnung kaum beeinträchtigt werden. Auch die Regierungen selbst greifen in verfassungsrechtlich höchst bedenklicher Weise auf Dekrete oder Notverordnungen zurück, setzen ihre Ziele gegen den Willen der Parlamentsmehrheit durch und behindern so die Konsolidierung einer gewaltenteiligen Ordnung . Daneben ist zu beobachten, dass mittels verfassungsbeugender Maßnahmen vielfach die Obersten Richter gegen Gefolgsleute der Regierung ausgetauscht wurden. Ist die Unabhängigkeit der Justiz solchen Erosionserscheinungen ausgesetzt, können wiederum Verfassungsklagen abgeschmettert werden. Plebiszite, die oftmals gar nicht von der Verfassung vorgesehen waren und sich unter der Nutzung staatlicher Ressourcen und mittels populistischer Strategien über die Parteien- und Verbändelandschaft hinwegsetzen, wirken ebenfalls als Instrumente zur Verwirklichung kurzfristiger politischer Ziele. Auch kann die Reform formeller Institutionen wie etwa des Wahlsystems so gestaltet werden, dass bestimmte Interessengruppen überproportional große Chancen bei der Erlangung von Parlamentsmandaten haben . Die liberalen Verfassungsgrundsätze verlieren auf diese Weise an Kraft, freier und fairer politischer Wettbewerb kann sich nur schwerlich etablieren.

Ursächlich für die skizzierte Entwicklung sind eine Vielzahl informeller und gleichzeitig illiberaler Verfahren, die gleichsam als historische und kulturelle Erfahrung eine handlungsleitende Wirkung entfalten . Zwar existieren informelle Institutionen in allen politischen Systemen, ob Demokratie oder Autokratie. Doch die informellen Spielregeln in konsolidierten Demokratien sind in weit stärkerem Maße als in den meisten jungen Demokratien mit den Normen der Verfassung kompatibel . Sie steigern somit die Effektivität formelldemokratischer Regeln, senken die Kosten für politisches Handeln und erhöhen die Transparenz für die am politischen Prozess beteiligten Akteure. Gleichwohl bestehen auch in konsolidierten Demokratien andere informelle Beziehungen wie klientelistische und personalistische Loyalitäten. Diese finden allerdings gemeinhin ihre Grenzen in den formellen Institutionen, die durch soziale Normen gestärkt sind. Korruption als Verfahren zur Erlangung ökonomischer und politischer Ziele wird auch in gefestigten Demokratien als zunehmende Bedrohung wahrgenommen. Sie erreicht jedoch nicht das Ausmaß wie in vielen Transformationsländern. Erstens ist sie in stärkerem Umfang sozial geächtet, d. h., der Vorrat an politischem Vertrauen wirkt sich auf das Verhalten der Akteure aus. Zweitens ist die Gefahr der Aufdeckung größer, und drittens greifen im Falle der Aufdeckung die vorgesehenen formellen Sanktionsmechanismen vergleichsweise stärker. Politisches Vertrauen zeigt sich somit darin, dass die liberaldemokratischen Regeln, nach denen das demokratische Spiel abläuft, bekannt sind und von den Bürgern als stabil wahrgenommen werden. Die demokratischen Institutionen sind also nur so lange verlässlich, wie sie bei den meisten Akteuren "den Status einer respektwürdigen Selbstverständlichkeit genießen" .

In vielen jungen Demokratien sind diese Risiken infolge nicht gesetzeskonformen Verhaltens jedoch wesentlich geringer. Gleiches gilt für das Vertrauen zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppierungen. Loyalität gegenüber dem eigenen sozialen Umfeld, wie sie in klientelistischen Beziehungen mit der Betonung von Hierarchie und treuer Gefolgschaft gepflegt wird, entfaltet eine höhere Wirkung als das formelle Regelwerk, das für die gesamte Gesellschaft geschaffen ist. Hinzu kommt, dass die Exklusivität solch informeller Beziehungsmuster die Schaffung eines funktionierenden Rechtssystems für die gesamte politische Gemeinschaft behindert und konsensorientierte Institutionen der Demokratie beschädigt.

Sind Regierung und/oder Verwaltung Teile eines solch dominanten Geflechts gegenseitiger Abhängigkeiten, wie etwa in Clans und Patronagesystemen, so strukturieren diese Verbindungen die Beziehungen zwischen Staat und Gesellschaft. Im Dunst präsidialer Küchenkabinette oder hinter den verschlossenen Türen der Ministerialbürokratie werden die Leitlinien der Politik festgelegt. Sind diese aufgrund der formellen Spielregeln nicht durchsetzbar, etwa weil die notwendigen Mehrheiten fehlen, werden die formellen Institutionen vielfach umgangen, gebeugt oder gebrochen. Eine Orientierung an Gesetz und Verfassung wird zum Nachteil im politischen Wettbewerb. Der dadurch ausgelöste Erosionsprozess rechtsstaatlicher Herrschaft reduziert zwangsläufig das Vertrauen von gesellschaftlichen und politischen Akteuren mit unterschiedlichen Zielvorstellungen.

Zwar mögen sich die wichtigsten Eliten aus Politik und Gesellschaft darauf einigen, bestimmte Verfahren wie Wahlen oder Parteienwettbewerb zu etablieren. Doch aufgrund von Erfahrungen in der politischen Vergangenheit mit Repression und Ausschluss besteht ein geringer Grad an Vertrauen zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Akteuren. Die Unsicherheit darüber, ob sich Bürokraten, Minister, Parteien, Verbände oder religiöse Gruppen tatsächlich an die Spielregeln eines fairen und verfassungskonformen politischen Wettbewerbs halten, nimmt zu. Die aus den Erfahrungen mit autoritärer Herrschaft resultierende Hypothek erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass für die Gesamtheit ineffiziente Verfahren informeller Politik erneut zur Anwendung kommen, die im "Schatten demokratischer Legitimität" die formellen Institutionen unterwandern. Je länger die Phase einer schwachen Institutionalisierung demokratischer Regeln andauert, "desto größer wird die Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich institutionelle Überbleibsel aus der Vergangenheit strukturprägend durchsetzen und die ohnehin fragilen Demokratien weiter gefährden" . Die Kluft zwischen Verfassungsnorm und Verfassungswirklichkeit vergrößert sich, da die sozialen Normen in Konflikt mit rechtsstaatlicher Herrschaft stehen.

II. Informelle Politik und wirtschaftliche Krisen

Welchen Einfluss hat die Dominanz der skizzierten informellen Verfahren auf den wirtschaftlichen Wandel und die Wahrscheinlichkeit ökonomischer Krisen? Wie erfolgt die Machtkonzentration in Märkten durch informelle Politik in jungen Demokratien? Bei der Beantwortung dieser Fragen ist zunächst eine historische Perspektive angebracht.

Meist handelte es sich bei den betroffenen Ländern wie Mexiko, Thailand, Südkorea oder Brasilien um Ökonomien, die bereits unter autoritärer Herrschaft Phasen starken Wachstums durchlaufen hatten. Dieses Wachstum war jedoch stärker durch einen hohen Grad an Ressourcenmobilisierung als durch große Produktivitätssteigerungen gekennzeichnet . Vielfach förderte ein großer Staat die wirtschaftliche Entwicklung, indem er weite Teile der zunächst brachliegenden Produktionsfaktoren in den gesamtwirtschaftlichen Kreislauf integrierte. Personalistische und klientelistische Verfahren, die Staat und Gesellschaft aneinander koppelten, konnten in dieser Phase der Ressourcenmobilisierung durchaus die Funktion von formellen Regeln übernehmen. Allerdings überforderte die über ressourcenmobilisierendes Wachstum erreichte Ausdifferenzierung der Volkswirtschaften zunehmend die Steuerungskapazitäten eines interventionistischen Entwicklungsstaates. Gleichzeitig wurde in autoritären Systemen der Ausbau staatsinterventionistischer Wirtschaftspolitik meist von einer zunehmenden Vereinnahmung des Staates durch exklusive Verteilungskoalitionen begleitet. Eine kleine Zahl dieser Interessengruppen betrachtete den Staat gleichsam als Beute und verhielt sich diesem gegenüber loyal, solange er die Wirtschaftspolitik zu ihren Gunsten gestaltete. Ein umfassender Staatsapparat, staatliche Preispolitik, außenwirtschaftliche Abschottung und Subventionierung degenerierten von ursprünglich sinnvollen Instrumenten zur Überwindung von Entwicklungsblockaden zu bloßen Verteilungsmechanismen für die das Herrschaftssystem stützende Koalition. Ein durch den eigenen Erfolg an seine Grenzen gelangtes Entwicklungsmodell und die zunehmende Verkrustung wirtschaftspolitischer Entscheidungsprozesse erschwerten es daher zusehends, die für die Legitimation autokratischer Herrschaft notwendigen Wachstumsraten beizubehalten. Das Zusammenwirken dieser Faktoren resultierte in ökonomischer und auch politischer Labilität und forcierte einen wirtschaftspolitischen Wandel hin zu mehr Marktwirtschaft. Beispiele für eine derartige Entwicklung waren die lateinamerikanische Schuldenkrise der Achtzigerjahre, aber auch die Einführung ökonomischer und politischer Reformen in vielen ost- und südostasiatischen Staaten kann hierdurch erklärt werden . Durch internationale Einflussfaktoren noch verstärkt, zielten die ökonomischen Reformen formell auf die Erfüllung der vier wirtschaftlichen Wettbewerbsfunktionen: 1) eine effizientere Verteilung der Produktionsfaktoren, 2) die Orientierung an Konsumentenbedürfnissen, 3) Innovation und 4) die Verbreitung von Innovationen durch Imitation.

Der Übergang von einer primär auf Ressourcenmobilisierung gerichteten staatsinterventionistischen Wachstumsstrategie zu einer Wettbewerb und Produktivität betonenden Strategie ist jedoch ein schwieriges Unterfangen und eröffnet erneut vielfältige Möglichkeiten für nicht leistungsbezogene Gewinne. So krankten die Politikempfehlungen der Achtziger- und beginnenden Neunzigerjahre vielfach daran, lediglich den Abbau des Staates in den Mittelpunkt zu stellen. Die einseitige Betonung von Privatisierung, Deregulierung und Liberalisierung als Kernbestandteile eines superliberalen Reformprogramms verkennt jedoch, dass der Markt lediglich eine notwendige, nicht aber die hinreichende Bedingung für anhaltendes Wachstum über Produktivitätssteigerungen ist. Die Eigendynamik der Marktkräfte muss um ordnungspolitische (ordoliberale) Regeln ergänzt werden, die Marktversagen oder wettbewerbsfeindliches Verhalten verhindern. Die Entfaltung der positiven Wirkungen des wirtschaftlichen Wettbewerbs bedarf daher genau wie auf der Ebene des politischen Wettbewerbs der rechtsstaatlichen Absicherung . Anhaltende sozioökonomische Modernisierung und rechtsstaatliche Einhegung der gesellschaftlichen Modernisierungskräfte sind somit zwei Seiten einer Medaille .

Genau an dieser Stelle tritt in vielen jungen Demokratien erneut der Konflikt zwischen formellen und informellen Regeln auf. So wurden während der mehr oder weniger umfangreichen Reformmaßnahmen vielfach die formellen Verbindungen zwischen staatlichen und gesellschaftlichen Akteuren gekappt. Die informellen Verfahren, die Regierung, Verwaltung und bestimmte wirtschaftliche Interessengruppen miteinander verbanden, blieben jedoch bestehen oder wurden neu geknüpft. Die Vereinnahmung des Staates durch bestimmte Interessengruppen konnte eine gesamtwirtschaftlich destruktive Wirkung entfalten.

Nun mag man argumentieren, dass auch in konsolidierten Demokratien vielfältige informelle Verknüpfungen zwischen gesellschaftlichen und staatlichen Akteuren bestehen. Gleichwohl können solche Verhandlungssysteme den formellen politischen Institutionen auch Steuerungsaufgaben abnehmen, ohne zwangsläufig deren demokratischen Auftrag zu unterminieren. Bedingung ist jedoch ein stärker einschließender Charakter jener Netzwerke, der dann als stützender Pfeiler demokratischer Legitimität wirken kann und gleichzeitig die Aufgabenüberlastung der staatlichen Institutionen aufgrund zunehmender gesellschaftlicher Komplexität verhindert . Die formellen Institutionen werden so in ein informelles Umfeld eingebettet, das kompatibel mit dem formelldemokratischen Institutionengefüge ist, sich auf Konsens und Kompromiss gründet und somit Vertrauen zwischen gesellschaftlichen Akteuren mit unterschiedlichen Interessen produziert.

In jungen Demokratien besteht allerdings vielfach das Problem, dass die an Regierung und Verwaltung gekoppelten Netzwerke mit gesellschaftlicher Beteiligung nicht nur intransparent, sondern vor allem durch einen weit höheren Grad an Exklusivität gekennzeichnet sind. Ganz bewusst werden gesellschaftliche Gruppen, die nicht zur jeweiligen Herrschaftskoalition gehören, ausgeschlossen. Ein gemeinsames und argumentatives Aushandeln von Konflikten konnte kaum initiiert werden. Informelle Netzwerke begünstigen hier aufgrund ihrer Exklusivität lediglich partikulare Interessen und nicht das Gros der Gesellschaft. Phänomene wie die kaum durchschaubaren Verquickungen zwischen Bürokratie und Großkonglomeraten (Chaebol) in Südkorea, zwischen Landoligarchie und Parlament in Brasilien oder zwischen Konzernen, dubiosen "politischen Unternehmern" und alten Apparatschiks in Russland zeugen hiervon.

Über derartig informelle, exklusive und intransparente Entscheidungswege wurden wirtschaftliche Reformen derart konstruiert, dass sie der alten oder im Zuge der Demokratisierung neu entstandenen Herrschaftskoalition aus gesellschaftlichen und staatlichen Akteuren als wichtige Instrumente der Legitimationsbeschaffung dienen. Ein neoliberales Programm ohne gleichzeitige Setzung eines ordnungspolitischen Rahmens eröffnet in zweierlei Hinsicht Möglichkeiten zur kurz- bis mittelfristigen Steigerung der politischen Legitimation:

- Privatisierung, Deregulierung und Liberalisierung erweiterten den finanziellen Handlungsspielraum des Staates: erstens durch die Privatisierungserlöse und zweitens durch die damit verbundenen Erleichterungen bei der Gewährung neuer Kredite durch internationale Geberorganisationen. Die Ressourcenkonzentration in den Händen der Exekutive und die dort angesiedelten intransparenten Entscheidungsprozesse in kleinen und abgeschotteten Netzwerken begünstigen die Tendenz zu populistischem Regieren. Vielfach wurde das Parlament als Hort der Opposition geschwächt und die Herausbildung eines unabhängigen, zwischen Staat und Gesellschaft konstruktiv vermittelnden Parteien- und Verbändewesens verhindert.

- Deregulierung und Privatisierung ohne die Setzung eines effektiven ordnungspolitischen Rahmens erleichterten weiterhin die Versorgung gesellschaftlicher Eliten, die sich im Gegenzug loyal gegenüber dem politischen Regime verhalten. Geleitet von informellen Verfahren, die auf den Erwerb nicht leistungsbedingter Gewinne zielten, wurden Marktreformen dergestalt konstruiert, dass als Ergebnis erneut wettbewerbsfeindliche Marktstrukturen entstehen konnten, etwa in Form von engen (kleinen) Oligopolen oder privaten Monopolen . Insbesondere die Deregulierung der Finanzmärkte ermöglicht es Teilen der Unternehmerschaft, sich am internationalen Finanzmarkt zu versorgen und damit hohe Wachstumsraten erneut über externe Ressourcenmobilisierung (Verschuldung) und weniger durch schmerzhafte Produktivitätssteigerungen zu erreichen.

Zwar erhöhten die skizzierten Strategien kurzfristig die Legitimation junger Demokratien, langfristig jedoch destabilisieren sie das volkswirtschaftliche Gleichgewicht. In Kombination mit Wechselkursregimen, die sich der realen Abwertung nur unzureichend anpassten (Mexiko, Brasilien, Thailand, Korea, Indonesien, Russland), wirkten sich schwache Produktivitätssteigerungen, verbunden mit zunehmender privater und/oder staatlicher Verschuldung, tendenziell negativ auf die Leistungsbilanz aus und führten zu stärkerer Abhängigkeit von internationalen Zinsbewegungen und Finanzinvestitionen. Die dadurch hervorgerufene Verwundbarkeit gegenüber internationalen Einflüssen schaffte so den Nährboden für destruktive Spekulationsstrategien internationaler Anleger, wie sie 1994/1995 (Mexiko, Argentinien), 1997/1998 (Tschechische Republik, Thailand, Korea, Indonesien, Russland) und 1999 (Brasilien) zu beobachten waren. Insofern sind die Ursachen der ökonomischen Krisen der Neunzigerjahre maßgeblich auf interne Faktoren bei der politischen Konstruktion der ökonomischen Reformen zurückzuführen. Lediglich als Auslöser und teilweise krisenverschärfende Faktoren wirkten internationale Einflüsse, die in der Struktur der internationalen Finanzbeziehungen zu suchen sind .

III. Zum Wandel informeller Politik

In Transformationsprozessen kommt es meist zu Konflikten zwischen tradierten, illiberalen und auf informeller Ebene wirkenden Regeln und den neuen, den politischen und wirtschaftlichen Wettbewerb betonenden formellen Institutionen. Gesamtwirtschaftlich ineffiziente Regeln mögen dabei politische Funktionsleistungen erbringen, welche die wirtschaftliche Ineffizienz kurz- bis mittelfristig kompensieren. Langfristig sind sie jedoch zumindest aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive äußerst kostspielig.

Dieser Befund legt daher die Vermutung nahe, dass eine erfolgreiche Durchbrechung von ökonomischen Modernisierungsblockaden zunächst nicht so sehr davon abhängt, ob der Herrschaftszugang demokratisch oder autokratisch geregelt ist. Vielmehr kommt es darauf an, ob bei der Wirtschaftspolitik rechtsstaatliche Verfahren zur Anwendung kommen und Institutionen zum Schutz gegen die nachhaltige Vereinnahmung des Staates durch Partikularinteressen existieren. Die sich hieran anschließende Frage ist, unter welchen Bedingungen sich informelle Institutionen wandeln. Aus einer theoretischen Perspektive kann hierbei die Hypothese aufgestellt werden, dass sich Verfahren und Regeln vor allem dann ändern, wenn deren Anwendungskosten größer sind als die Summe aus dem damit verbundenen Nutzen und den Kosten für die Veränderung des Institutionengefüges. Die Finanzkrisen können in diesem Zusammenhang als Auslöser einer nicht beabsichtigten Veränderung von Rahmenbedingungen aufgefasst werden, welche die Kosten-Nutzen-Kalküle der beteiligten Akteure verändert haben.

Aus einer optimistischen Perspektive mag man daher folgern, dass ökonomische Krisen einen Lernprozess im Sinne einer Anpassung informeller Institutionen bewirken. Dies würde bedeuten, dass die beteiligten Akteure die Ineffizienz tradierter Institutionen erkannt haben, dass sich die Interessen hinsichtlich der Anwendung spezifischer Institutionen wandeln. Die Kosten für die Schaffung nachhaltigen politischen und ökonomischen Wettbewerbs für die politische Gemeinschaft könnten geringer werden als die eines Festhaltens an illiberalen Institutionen. Problematisch bei einer solchen Sichtweise ist jedoch, dass die von ökonomischen Krisen Geschädigten nicht identisch mit den dafür Verantwortlichen sein müssen. Letztere erlangen aufgrund ihrer Mitgliedschaft in intransparenten Entscheidungsnetzwerken auf nationaler Ebene einerseits und ihres Wissens über die internationalen Finanzbeziehungen andererseits oftmals einen strategischen Informationsvorteil. Dieser ermöglicht es ihnen vielfach, kurz vor der Eskalation ökonomischer Krisen hohe Gewinne zu realisieren. Die informellen Institutionen erwiesen sich daher trotz Krise für viele der Konstrukteure jener Wirtschaftspolitik als effektiv . Gesamtwirtschaftliche Instabilität ist daher nur in Kombination mit weiteren Faktoren für die Herausbildung eines effektiven liberaldemokratischen Verfassungsstaates bzw. einer ordnungspolitisch gemäßigten Wettbewerbswirtschaft förderlich.

Zunächst kann auf der internationalen Ebene der Einfluss internationaler Organisationen Positives bewirken. So deutete sich zeitweise ein programmatischer Wandel des Internationalen Währungsfonds (IWF) an, der sich in der ordnungspolitisch geprägten Betonung von good governance und in einem Abrücken von der superliberalen Programmatik der Achtzigerjahre manifestierte. Qualitatives Wachstum, Transparenz und Armutsbekämpfung werden mittlerweile als strategische Stoßrichtungen für makroökonomische Stabilität empfohlen. Aufgrund der in ökonomischen Krisen gestiegenen Verhandlungsmacht des IWF als Geberorganisation versucht dieser daher, sich möglichst früh in wirtschaftspolitische Reformprogramme einzuklinken und nationale Entscheidungsprozesse transparenter zu gestalten. Problematisch an dieser Lösungsstrategie ist jedoch, dass sie einem tiefgreifenden Eingriff in die nationalstaatliche Souveränität gleichkommt, dem nicht nur junge Staaten mit negativen Erfahrungen hinsichtlich Interventionen von außen skeptisch gegenüberstehen. Weiterhin ist die Politik des IWF aufgrund der Stimmenmehrheit der Industriestaaten in der Organisation deren Interessen besonders verpflichtet. Diese müssen jedoch nicht ausschließlich kompatibel mit good governance in den emerging markets sein .

Darüber hinaus können auch internationale Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) die Veränderung informeller Verfahren unterstützen, indem sie eine Ausdehnung der politischen Partizipationskanäle und der politischen Öffentlichkeit auf der nationalen Ebene fördern. In Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen kann so die Intransparenz der wirtschaftspolitischen Entscheidungsnetzwerke verringert werden. Der mögliche Druck von NGOs und Zivilgesellschaft auf die Regierung kann diese zu Reformen veranlassen, an deren Konstruktion ein breiteres Spektrum gesellschaftlicher Interessengruppen beteiligt wird. Die auf diese Weise gesteigerten Kontrollmöglichkeiten sind Voraussetzung für den Beginn eines Prozesses zum Abbau gegenseitigen Misstrauens zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Interessengruppen. Doch auch eine solch positive Entwicklung muss nicht zwangsläufig eintreten. Erstens bevorzugen oppositionelle Gruppen der Gesellschaft nicht immer Verhandlungslösungen, so dass auch eine destabilisierende Verschärfung innergesellschaftlicher Konflikte die Konsequenz von wirtschaftlichen Krisen sein kann. Wird das Parlament weitgehend aus neu entstehenden Verhandlungsmechanismen ausgeschlossen, so stellt sich zweitens die Frage nach dem demokratisch legitimierten Mandat sowohl internationaler Organisationen wie auch zivilgesellschaftlicher Gruppen. Drittens kann es den tatsächlich für die Krise Verantwortlichen gelingen, die Schuld für die Misere alleine auf internationale Rahmenbedingungen (Globalisierung, internationales Finanzsystem) oder die Herrschaftsform der Parteiendemokratie abzuwälzen. In der Vergangenheit war daher auch zu beobachten, dass ökonomische Krisen gleichfalls Chancen für populistisches oder gar autokratisches Regieren eröffneten und sich illiberal-informelle Verfahren erneut durchsetzen konnten.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Douglas North, Institutionen, institutioneller Wandel und Wirtschaftsleistung, Tübingen 1992, S. 5.

  2. Gerhard Göhler, Die Eigenart politischer Institutionen: Zum Profil politischer Institutionentheorie, Baden-Baden 1994, S. 22.

  3. Zur Unterscheidung von formellen und informellen Institutionen vgl. Hans-Joachim Lauth, Informelle Institutionen politischer Legitimation und ihre demokratietheoretische Bedeutung. Klientelismus, Korruption, Putschdrohung und ziviler Widerstand, in: ders./Ulrike Liebert (Hrsg.), Im Schatten demokratischer Legitimität. Informelle Institutionen und politische Partizipation im interkulturellen Demokratievergleich, Opladen 1999.

  4. Vertreter des politischen als auch des ökonomischen Liberalismus sehen in individueller Freiheit die notwendige Voraussetzung für dauerhaft prosperierende Gesellschaften, wobei Freiheit immer nur als relative Freiheit gegenüber der Freiheit des Anderen verstanden wird. Die Anhäufung politischer oder ökonomischer Macht wird hingegen als zentrale Bedrohung der persönlichen Freiheit gesehen. Daraus folgt, dass liberale Ordnungen mit Institutionen zur Kontrolle von Macht ausgestattet sein sollten bzw. über Verfahren verfügen müssen, die eine Akkumulation von Macht in den Händen weniger verhindern.

  5. Vgl. u. a. Wolfgang Merkel/Aurel Croissant, Formelle Institutionen und informelle Regeln in illiberalen Demokratien, in: Politische Vierteljahresschrift, 41 (2000) 1.

  6. Vgl. Robert Dahl, Polyarchy. Participation and Opposition, New Haven - London 1971, S. 6 ff.

  7. Vgl. Wolfgang Merkel, Defekte Demokratien, in: ders./Andreas Busch (Hrsg.), Demokratie in Ost und West. Festschrift für Klaus von Beyme, Frankfurt/Main 1999.

  8. Hans-Joachim Lauth, Drei Dimensionen der Demokratie und das Konzept einer defekten Demokratie, in: Gert Pickel/Susanne Pickel/Jörg Jacobs (Hrsg.), Demokratie: Entwicklungsformen und Erscheinungsbilder im interkulturellen Vergleich, Frankfurt/Oder 1997, S. 45.

  9. Der argentinische Präsident Menem, der zwischen 1989 und 1998 alleine 472 Notverordnungen erließ, oder die dekretistische Politik der russischen Präsidenten sind Beispiele, wie es der Exekutive gelingen kann, die in den Verfassungen formell angelegte Gewaltenkontrolle auszuhebeln.

  10. So hat etwa in Brasilien eine Stimme in den durch Stimmenkauf und Wahlbetrug am stärksten gekennzeichneten Bundesstaaten des Nordostens bis zu 30-mal mehr Gewicht bei Kongresswahlen als in den Ballungszentren São Paulo, Rio de Janeiro oder Porto Alegre. Vgl. hierzu Harald Barrios/Jörg Röder, Entwicklungsfortschritte und Entwicklungsblockaden in Brasilien, in: Jörn Dosch/Jörg Faust (Hrsg.), Die ökonomische Dynamik politischer Herrschaft. Lateinamerika und das pazifische Asien, Opladen 2000.

  11. Vgl. W. Merkel/A. Croissant (Anm. 5).

  12. Die Bestimmung des Vizekanzlers durch den kleineren Koalitionspartner, der indirekte Einfluss des Bundespräsidenten über informelle Gespräche, die handlungsleitende Wirkung von Koalitionsverträgen oder die Institution des "runden Tisches" sind Beispiele für informelle Gepflogenheiten unseres politischen Systems.

  13. Claus Offe, Wenn das Vertrauen fehlt, in: Die Zeit vom 9. Dezember 1999, S. 12-14.

  14. Vgl. H.-J. Lauth/U. Liebert (Anm. 3).

  15. Birgitta Nedelmann, Gegensätze und Dynamik politischer Institutionen, in: dies. (Hrsg.), Politische Institutionen im Wandel, Opladen 1995, S. 32.

  16. Wachstum über Ressourcenmobilisierung ist die Zunahme des Outputs über ein Mehr an Input. Die Verbesserung der Produktivität hingegen bedeutet eine Verbesserung des Verhältnisses von Input und Output, da etwa durch eine Verbesserung der Produktionsverfahren mit dem gleichen Input ein höherer Output erlangt wird. Vgl. Paul Krugman, The Return of Depression Economics, New York-London 1999, S. 21-37.

  17. Vgl. u. a. Stephen Haggard/Robert Kaufman, The Political Economy of Democratic Transitions, Princeton 1995.

  18. Umweltschutz mit marktwirtschaftlichen Anreizsystemen sowie Regeln gegen eine Konzentration von Marktmacht durch Kartellierung oder wettbewerbsschädliche Konzentrationsstrategien von Unternehmen sind Bestandteile einer ordnungspolitischen Wettbewerbsordnung.

  19. Vgl. Jürgen Habermas, Zur Legitimation durch Menschenrechte, in: ders., Die postnationale Konstellation. Politische Essays, Frankfurt/Main 1998.

  20. Vgl. hierzu Arthur Benz, Postparlamentarische Demokratie? Demokratische Legitimation im kooperativen Staat, in: Michael Greven (Hrsg.), Demokratie - eine Kultur des Westens?, Opladen 1998.

  21. Als Beispiele hierfür können Privatisierungen im Banken-, Telekommunikations-, Infrastruktur- und Rohstoffsektor angeführt werden, die zu Marktstrukturen mit hoher Machtkonzentration führten.

  22. Hierbei ist insbesondere das Problem des moral hazard (moralisches Risiko) zu nennen. Internationale Anleger tätigten dabei trotz der Kenntnis über die Reformdefizite in den emerging markets große Mengen an riskanten Investitionen, da sie davon ausgingen, dass internationale Geberorganisationen wie der IWF im Notfall einspringen und somit das Risiko ihres Engagements in jenen Märkten reduzieren würden.

  23. Ein Indiz hierfür ist, dass es etwa in Mexiko, Thailand und Russland vor allem inländische Akteure waren, die als Erste aus den nationalen Währungen "ausstiegen" und damit den Abwertungsdruck mit initiierten.

  24. Wie das Beispiel Russland zeigt, werden Verhandlungsprozesse des IMF oftmals indirekt durch Interessen aus anderen Politikfeldern, etwa der Sicherheitspolitik, beeinflusst, so dass wirtschaftspolitisch lediglich suboptimale Lösungen entstehen.

Dr. phil., Dipl.-Kfm., geb. 1967; wissenschaftlicher Assistent am Institut für Politikwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Anschrift: Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Institut für Politikwissenschaft, Colonel-Kleinmann-Weg 2, 55099 Mainz.

Veröffentlichungen u. a.: Diversifizierung als außenpolitische Strategie. Chile, Mexiko und das pazifische Asien, Opladen 2000.