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Wasser und Ernährungssicherheit | Internationale Wasserpolitik | bpb.de

Internationale Wasserpolitik Editorial Politische Antworten auf die globale Wasserkrise: Trends und Konflikte Wasser und Ernährungssicherheit Mehr Nutzen aus Staudamm-Großprojekten? Die Wasserkrise im Nahen Osten

Wasser und Ernährungssicherheit Problemlagen und Reformoptionen

Susanne Neubert

/ 25 Minuten zu lesen

Wasserressourcen sind global gesehen in ausreichender Menge vorhanden. Regional kommt es aber insbesondere im Nahen Osten und in Subsahara-Afrika bereits zu drastischen Engpässen.

Einleitung

Waltina Scheumann und Andreas Kuck gilt mein herzlicher Dank für die anregende Kritik und die wertvollen Hinweise zum Manuskript.

Seit den sechziger Jahren leistet die Bewässerungslandwirtschaft einen zunehmend wichtigen Beitrag zur globalen Nahrungsproduktion. Der aktuelle Beitrag liegt bei 42 Prozent , und Prognosen gehen davon aus, dass er in Zukunft noch weiter ansteigen wird. Für die Wasserressourcen bedeutet dies, dass Oberflächengewässern und Grundwasser in steigendem Maße Frischwasser ("blaues Wasser") entzogen wird, das anderen Nutzern dann nicht mehr zur Verfügung steht. Jede Tonne Weizen benötigt zu ihrer Produktion 1 000 Tonnen Wasser. Heute kommen bereits 72 Prozent der weltweiten und 90 Prozent der Wasserressourcen in Entwicklungsländern der Bewässerungswirtschaft zugute. Angesichts der wachsenden Bevölkerung und der begrenzten globalen Wasserressourcen stimmen diese Zahlen nachdenklich.

Dem Regenfeldbau, bei dem das im Boden gebundene Wasser genutzt wird ("grünes Wasser") und auf dessen Basis aktuell rd. 58 Prozent der Nahrungsmittel produziert werden, wird in der Debatte um Wasserressourcen bei weitem nicht die gleiche Aufmerksamkeit entgegengebracht, obwohl er hier eigentlich von gleichrangiger Bedeutung sein müsste. Zwar kann "grünes Wasser" nicht anderweitig alloziiert werden, jedoch besitzt der Regenfeldbau einen Substitutionswert, denn jede Tonne Nahrung, die zusätzlich im Regenfeldbau produziert wird, spart potenziell 1 000 Tonnen Bewässerungswasser ein. Es ist deshalb von großem Interesse, die Zukunftspotenziale für den Regenfeldbau abzuschätzen, und neue Modellrechnungen zeigen, dass diese rein rechnerisch gesehen durchaus bedeutend sind. Parallel hierzu muss sich aber auch die Bewässerungslandwirtschaft weiterentwickeln, wenn der zukünftige Bedarf an Nahrungsmitteln gedeckt werden soll.

Daten über den Status quo und technisches Know-how sind wichtig als Grundlage für die Identifizierung von Politiken, Möglichkeiten und Zielen einer nachhaltigen Ernährungs- und Bewässerungswirtschaft. Sowohl für die Ursachenanalyse als auch für die Entwicklung von Zukunftsstrategien ist jedoch darüber hinaus die Betrachtung der ökonomischen, sozialen und politischen Dimension essenziell. So ist es schon lange Konsens unter den Fachleuten, dass der Welthunger nicht in erster Linie ein Produktionsproblem ist, sondern dass die Hauptursachen die ungleiche Verteilung von Einkommen und politische Krisen sind. Deshalb kann dieses Problem auch nur unter Einbeziehung der sozioökonomischen und politischen Dimension gelöst werden. Diese Sicht wurde auch kürzlich wieder auf der International Conference on Sustainable Food Security for all by 2020 vom 4. bis 6. September 2001 in Bonn bestätigt.

Über die globalen Wasserressourcen wird aktuell jedoch noch auf eine andere Weise diskutiert. Häufig dominiert die Sichtweise von der absoluten Knappheit der Ressource. Dabei spricht vieles dafür, dass Süßwasserressourcen global gesehen ähnlich wie Nahrungsmittel in ausreichender Menge vorhanden sind. Allerdings ist die Datenlage bis heute sehr unsicher, und die Angaben in Studien schwanken in Abhängigkeit von den jeweils getroffenen Grundannahmen um den Faktor 2-400. Bis heute ist es deshalb eine subjektive Einschätzungsfrage, ob Wasserressourcen insgesamt als knapp oder ausreichend angesehen werden. Die entscheidenden Unsicherheitsfaktoren bei den Prognosen sind die Entwicklung der Bevölkerungszahlen (sie schwanken um 40 Prozent) und die Annahmen über den zukünftigen Wasserbedarf pro Person (er schwankt um 100 Prozent). Beide Faktoren hängen hochgradig von der wirtschaftlichen Gesamtentwicklung, von Politikmaßnahmen sowie der Entwicklung und Umsetzung technischer Möglichkeiten ab, die nicht vorhergesagt werden können. Sehr unterschiedliche Einschätzungen bestehen auch im Hinblick auf die Beurteilung der gegenwärtig verfügbaren Wasserressourcen, denn in vielen Ländern ist die Datenlage hierüber vollkommen unzureichend.

Wie die oben genannten Zahlen zum Wasserverbrauch für die Ernährungssicherheit verdeutlichen, können das Hunger- und das Wasserproblem im Grunde nicht getrennt voneinander diskutiert werden, sie hängen unmittelbar zusammen. Wassernutzung in der Landwirtschaft ist immer auch Bodennutzung und umgekehrt.

II. Wasserökonomische versus agrarökonomische Sichtweisen

Wasserökonomen gehen bei ihrer Statusanalyse von Wasserverbräuchen der einzelnen Wassersektoren (Haushalte, Industrie und Landwirtschaft) aus und setzen die Höhe der Wertschöpfung pro Volumeneinheit Wasser als Maßstab für eine effiziente Wassernutzung an. Da die Agrarproduktion eine viel geringere Wertschöpfung pro Volumeneinheit aufweist als der Industriesektor, plädieren viele Wasserökonomen für eine drastische Einschränkung der Bewässerungslandwirtschaft. Zielvorgabe ist, eine höhere Produktivität, z. B. in Form von Arbeitsplätzen pro Wassereinheit zu verträglichen Preisen, zu erreichen, nach dem Leitsatz: more jobs per drop at reasonable cost. Die Logik dieser Forderung besteht darin, dass Wasser in der Industrie einen höheren ökonomischen Wert besitzt und dass die Kapazität der Wirtschaft als Ganzes es erforderlich macht, Wasser dem ökonomisch produktivsten Sektor zuzuteilen.

Agrarökonomen nehmen in der Regel eine andere Perspektive ein. Statt der Wasserproduktivität setzen sie die Flächenproduktivität als Maßstab an, d. h. den landwirtschaftlichen Ertrag, der pro Flächeneinheit erwirtschaftet wird. Da die Flächenproduktivität gerade in trockenen Ländern mit Bewässerung wesentlich höher ist als im Regenfeldbau, ist es aus agrarökonomischer Sicht Ziel, die Bewässerungslandwirtschaft, wo immer es möglich und rentabel ist, stärker auszuweiten. Dieser Ansatz wird von Turton nicht ganz zu Unrecht mit more crop per drop at whatever cost bezeichnet.

In Bezug auf den Wasserverbrauch bestehen für die Wassernutzer tatsächlich kaum Sparanreize. Der Gedanke, Wasser als landwirtschaftlichen Input - etwa wie Düngemittel und Pestizide - zu betrachten, ist für Landwirte zumeist fremd, denn auch das im Boden gebundene Wasser wird weltweit als freies Gut betrachtet. Um ihre Allokationsentscheidungen zu beeinflussen, d. h. einen relevanten Anteil an der Betriebskostenrechnung einzunehmen, müsste der Wasserpreis um ein Vielfaches steigen. Ein so hoher Preis würde zwar zum Sparen führen, er wäre politisch jedoch kaum durchsetzbar und mit gravierenden Nachteilen für den gesamten Landwirtschaftssektor verbunden.

Bis heute wird die Bereitstellung von Wasser mit Hilfe von Bewässerungssystemen in den meisten Ländern als Staatsaufgabe begriffen, für die als Gegenleistung die Landwirte Nahrungsmittel produzieren und hiermit einen Beitrag zur nationalen Selbstversorgung und volkswirtschaftlichen Entwicklung leisten. Auch wenn im Zuge der Privatisierungsdebatte vielerorts verstärkte Mitverantwortung der Bauern in Wassernutzergruppen eingefordert und auch umgesetzt wird, dominiert im landwirtschaftlichen Sektor doch nach wie vor das Selbstverständnis, nicht nur eine betriebswirtschaftlich, sondern auch eine volkswirtschaftlich und gesellschaftlich wichtige Funktion zu erfüllen.

Die unterschiedlichen Perspektiven der Wasser- und Agrarökonomen lassen sich auch auf die öffentliche Debatte und die zuständigen Wasser- und Agrarinstitutionen in ariden Ländern übertragen. Die einzelnen Sektoren und Subsektoren erheben konkurrierende Ansprüche auf Frischwasserressourcen. Hierbei wird jedoch zumeist vergessen, dass es nur einen gemeinsamen Wasserkreislauf gibt und zwischen den beiden Sektoren Siedlungswasserwirtschaft und Bewässerungswirtschaft grundsätzliche Interdependenzen bestehen: Jeder Mensch benötigt im Jahr rd. 100 m³ Wasser für Trink- und Brauchwasserzwecke, und gleichzeitig benötigt er 1 000 m³ Wasser pro Jahr, um sich mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Die Betonung des Konkurrenzverhältnisses zwischen den Sektoren ist für die Lösung des Wasserproblems kontraproduktiv. Statt dessen müsste es Ziel sein, die Wasseransprüche komplementär zu organisieren.

III. Ungleiche Verteilung und prinzipielle Lösungsmöglichkeiten

Zunächst soll jedoch auf die Verteilungsfrage näher eingegangen werden. Denn während vieles dafür spricht, dass global gesehen beide Ressourcen - Frischwasser und Nahrung - auch zukünftig in ausreichendem Maße vorhanden sind, ist ihre Verteilung über den Globus extrem ungleich. Die geringsten Wasserressourcen entfallen hierbei auf die Länder des Nahen Ostens und Nordafrikas sowie auf Länder in Subsahara-Afrika, die alle bereits unter drastischen Engpässen zu leiden haben. Neben der geografischen Lage sind hierfür hauptsächlich dem Bevölkerungs- und Wohlstandswachstum nicht angepasste Managementsysteme verantwortlich. Diese führen zu fortschreitenden Land- und Wasserverlusten in Form von Verwüstung, Versalzung und Verschmutzung beider Ressourcen.

Da besonders die Länder des Nahen Ostens ihre Wasserressourcen bereits weitgehend erschlossen haben und die weitere Erhöhung des Wasserdargebots sehr hohe Kosten verursacht, bleiben abgesehen von bevölkerungspolitischen Maßnahmen, die hier nicht betrachtet werden sollen, da sie nur indirekt beeinflussbar sind, prinzipiell nur noch folgende Optionen, um den Versorgungsengpässen zu begegnen:

1. Import von virtuellem Wasser in Form von Getreideimporten aus Ländern mit Wasser- und Bodenreichtum (sektorales Allokationsmanagement),

2. Stabilisierung oder Senkung der Nachfrage durch Sparen und Effizienzsteigerung bei vorhandenen Nutzungssystemen (Endnutzereffizienz),

3. Reform und Reorganisation der Wasser- und Landnutzungssysteme (Anpassungsmanagement).

Im Folgenden werden die erste und die dritte Strategie näher betrachtet. Die zweite Strategie wird nur kurz erwähnt, da hierüber umfangreiche Literatur existiert.

IV. Kann der Handel mit virtuellem Wasser das Wasserproblem lösen?

Die grundsätzliche Idee dieses Ansatzes besteht darin, das Wasserdefizit in ariden Ländern durch den Import von Getreide aus wasserreichen Ländern auszugleichen ("virtuelles Wasser") . Aus globaler wasserökonomischer Sicht ist es für aride Länder sinnvoller, Nahrungsmittel zu importieren, als die knappen Wasserressourcen in die eigene, möglicherweise nicht rentable Produktion von Grundnahrungsmitteln zu investieren. Da zur Produktion einer Tonne Weizen tausend Tonnen Wasser benötigt werden, sprechen sowohl ökologische als auch ökonomische Gründe dafür, virtuelles Wasser in Form von Getreide (soft option) und nicht das Mengenäquivalent von tausendmal so viel Wasser (hard option) einzuführen.

In der Tat zeigen Modellrechnungen von Rosegrant, dass dies eine Strategie ist, mit der beträchtliche Wasserressourcen eingespart werden könnten. Aus wasserökonomischer Sicht besteht das einzige Problem in der Finanzierung der Importe, die aus Exporterlösen der ariden Länder, d. h. aus der industriellen Produktion oder aus dem Verkauf von Rohstoffen (z. B. Öl), stammen müssten. Da die industrielle Produktion wassereffizienter ist als die Agrarproduktion, würden die Wasserressourcen auf diese Weise tatsächlich effizienter genutzt.

Aufgrund der Devisenarmut der meisten ariden Länder muss das tatsächliche Potenzial des Imports virtuellen Wassers allerdings als begrenzt angesehen werden. Nur wenige Länder weisen eine positive Zahlungsbilanz auf, diese ist jedoch Voraussetzung für eine entsprechende politische Strategie. Manche Wasserökonomen fordern daher von den USA und der EU, ihre Getreide- und Rindfleischüberschüsse wie bisher zu subventionieren, damit die Importe sich im Vergleich zur Eigenproduktion rechnen.

Bei dieser Argumentation werden allerdings die Interessen derjenigen Länder nicht berücksichtigt, deren Entwicklung von der Agrarwirtschaft und von Agrarexporten abhängt. Zahlenmäßig ist dies die weitaus größere Gruppe von Ländern. Subventionierte Getreide- und Rindfleischpreise laufen den Interessen dieser, namentlich afrikanischer Länder diametral entgegen. Denn sie können zu solch niedrigen Preisen nicht produzieren und verlieren damit ihre Konkurrenzfähigkeit, d. h., ihre Marktchancen auf eigenen und auf Drittmärkten werden hierdurch untergraben. Teilweise bewirken die niedrigen Weltmarktpreise, dass die betreffenden Länder selbst Agrargüter importieren und damit ihre eigenen ländlichen Regionen marginalisieren. Sie verlieren hierdurch nicht nur zusätzlich wertvolle Devisen, sondern behindern ihre eigene Entwicklung tiefgreifend.

Aber auch für Länder mit Marktchancen außerhalb der Agrargüterproduktion und größerem Devisenreichtum sprechen gute Gründe gegen ein zu starkes Einschlagen der Virtuelles-Wasser-Strategie. Sie würden sich hiermit zunehmend von den wasserreichen Ländern, überwiegend den Ländern des Nordens, abhängig machen und könnten Preismanipulationen oder anderen politisch-strategischen Überlegungen der Getreideexporteure nichts entgegensetzen. Aber noch ein anderes Argument spricht gegen die unbegrenzte Ausweitung einer Virtuelles-Wasser-Strategie: Sie führt zur kulturellen und ökologischen Uniformität der Ernährung und Kulturlandschaft. Vielfalt ist jedoch ein wichtiger Bestandteil der menschlichen Lebensqualität und auch von hoher Bedeutung für die Erhaltung der genetischen Ressourcen landwirtschaftlicher Nutzpflanzen. In jedem Fall erscheint es daher sinnvoll, Süd/Süd-Getreideimporte verstärkt ins Auge zu fassen und diese zu diversifizieren. Voraussetzung ist auch hier der Abbau der Preissubventionen für die Agrarüberschüsse des Nordens.

Die Debatte um das Für und Wider von Getreideimporten als prioritäre Lösung des Wasserproblems wird nicht nur wegen der aufgeführten Argumente überflüssig. Sie wird rein faktisch derzeit vom Bevölkerungswachstum überholt. Denn jeder Vorteil, der mit einem bewussten Strategiewechsel geschaffen werden könnte, wird faktisch zeitgleich durch dieses Wachstum kompensiert. So wird der Getreideimport auch ohne eine bewusste Strategie seine Bedeutung lediglich für diejenigen Länder beibehalten, die es sich leisten können. Jeweils sind jedoch gleichzeitig auch Eigenanstrengungen zur inländischen Agrarproduktion notwendig, um den Bedarf an Wasser und Nahrung befriedigen zu können.

Eines zeigt die hier geführte Diskussion dennoch: Es ist wichtig, Wasserknappheit nicht isoliert, sondern im Lichte der ökonomischen und gesellschaftlichen Gesamtentwicklung eines Landes zu betrachten. Der Engpass für die wirtschaftliche und industrielle Entwicklung wasserknapper Länder besteht nicht in der Wasserknappheit als solcher, sondern in ihrer mangelnden Kapazität, dieser Knappheit zu begegnen - also in einer Knappheit zweiter Ordnung.

V. Effizienzsteigerung und Reorganisation der Wassernutzung

Diese Knappheit zweiter Ordnung kann auch als mangelnde soziale Anpassungskapazität bezeichnet werden. Für die betroffenen Länder besteht die einzige Chance darin, ihre Wassernachfrage durch Effizienzsteigerung zu stabilisieren oder ihre Nutzungssysteme so zu überdenken und zu reorganisieren, dass hierdurch Wasserressourcen tatsächlich eingespart werden. Ob sie dazu in der Lage sind, hängt von ihrem Reformwillen und ihrer ökonomischen Kapazität, von ihrem intellektuellen Potenzial, der Funktionstüchtigkeit ihrer Institutionen und der Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit ab.

Im Folgenden werden für zwei Problemlagen, zutreffend auf zwei Ländertypen, Konzepte für diesen Anpassungsprozess aufgezeigt. Hierbei geht es weniger um die Beschreibung der Konzepte als solche, denn diese sind keineswegs neu. Stattdessen geht es um die Frage, warum diese Konzepte nur punktuell und nicht flächenübergreifend umgesetzt werden, welches also die Hemmfaktoren für eine Institutionalisierung der Maßnahmen sind und wie sie abgebaut werden könnten.

Die gewählten Problemlagen betreffen zum einen das so genannte "blaue" und zum anderen das so genannte "grüne" Wasser. Der Problemcharakter ist hierbei völlig unterschiedlich, er betrifft verschiedene Weltregionen mit divergierenden Ökonomien und verschiedenen Wirtschaftsweisen und Techniken. Ebenso divergieren die technischen Lösungsvorschläge. Im ersten Fall geht es direkt um eine effizientere Wassernutzung, im zweiten um eine nachhaltige Bodennutzung.

Das Ziel der gemeinsamen Betrachtung besteht zum einen darin, den Zusammenhang zwischen Wasser- und Bodennutzung exemplarisch zu verdeutlichen, zum anderen soll gezeigt werden, dass trotz der unterschiedlichen Problemlagen ähnliche Faktoren eine Institutionalisierung der Konzepte behindern.

Problemlage

1: Wasserknappe, urbanisierte Länder mit Bewässerungswirtschaft und niedrigen bis mittleren Einkommen 

Angesprochen sind insbesondere Länder des Nahen Ostens und Nordafrikas. Beispielhaft wird hier näher auf Jordanien eingegangen. Wasserknappheit, eine stark zunehmende Verstädterung und ein rasant steigender Wasserbedarf sind hier die hervorstechenden Charakteristika. Trotz der rückläufigen volkswirtschaftlichen Bedeutung des Agrarsektors werden in Jordanien noch knapp 70 Prozent der Wasserressourcen der Bewässerungslandwirtschaft zugeteilt. Die industrielle Entwicklung ist in den meisten der angesprochenen Länder nicht so dynamisch, wie noch vor rund zehn Jahren angenommen werden konnte. Der Bevölkerungszuwachs ist dagegen weiterhin hoch, und der Industriesektor kann den steigenden Bedarf an Arbeitsplätzen bei weitem nicht abdecken. Somit geraten gerade in Jordanien immer mehr Menschen auch in den Städten unter die ökonomische Armutslinie.

Während im Falle Jordaniens die Land- bzw. Weidewirtschaft im Hochland unter marginalen Bedingungen erfolgt, befindet sich das Jordantal in einer landwirtschaftlichen Gunstlage, dort kann prinzipiell rentable und intensive Bewässerungslandwirtschaft betrieben werden. Es ist bekannt, dass alleine mit der Umstellung von Oberflächen- auf Tropfbewässerung rund 50 Prozent des Wasserbedarfs eingespart werden kann, und bereits 60 Prozent der Agrarflächen im Jordantal sind mit dieser Technologie ausgestattet. Unter den harten Konkurrenzbedingungen und unter dem durch die Wasserknappheit verursachten hohen Produktionsrisiko verfügen aber gerade die kleineren Betriebe nicht über das notwendige Investitionskapital, das solche und weitere Modernisierungsmaßnahmen erfordert. Aber auch durch Managementverbesserungen, wie z. B. wassersparende Anbausysteme, Nacht- oder Unterfolienbewässerung, Optimierung der Bewässerungsmengen u. a., könnten noch große Wassereinsparungen erreicht werden. Hier liegen die begrenzenden Faktoren für die Umsetzung in mangelnden Anreizen, mangelnder landwirtschaftlicher Beratung und dem fehlenden Vertrauen zwischen beratenden Institutionen und den Landwirten.

Die Wasserpreise in Jordanien sind bis heute niedrig, jedoch ist die Wasserverfügbarkeit extrem unsicher, d. h., die Landwirte müssen mit großen Schwankungen bei der Wasserzuteilung zurechtkommen. Prinzipiell können landwirtschaftliche Kredite von der zuständigen staatlichen Bewässerungsinstitution, der Jordan Valley Authority (JVA), vergeben werden, jedoch kann diese mangels Flexibilität und praktisch ausgebildeten Personals auf die Bedürfnisse der Landwirte zumeist nicht eingehen, d. h., die Zusammenarbeit funktioniert nicht.

Große Einsparungen bzw. Effizienzsteigerungen wären in Jordanien und anderen urbanisierten Ländern außerdem durch eine systematische Mehrfachnutzung von Wasser möglich. Haushaltsabwässer könnten nach der Klärung zu Bewässerungszwecken verwendet werden, bevor sie in die Umwelt entlassen werden. Eine Mehrfachnutzung des Wassers erhöht die Wertschöpfung pro Mengeneinheit automatisch um einen sehr bedeutenden Faktor, auch wenn nur ein gewisser Anteil des Abwassers zur Wiederverwendung zur Verfügung steht, da ein Teil verbraucht wird bzw. im System verloren geht. Das Konzept der Mehrfachnutzung existiert seit vielen Jahren und wird de facto besonders in Israel und Tunesien, aber auch in Jordanien von einer beträchtlichen Anzahl von Landwirten praktiziert. Warum kommt es aber nicht zu einem Durchbruch dieser Technologie, d. h. zu einer politisch-strategischen Umorientierung der Bewässerungslandwirtschaft in diese Richtung?

Umsetzungsvoraussetzungen und -hemmnisse einer systematischen Wiederverwendung von Abwasser

Die Umstellung auf eine systematische Mehrfachnutzung von Wasser verlangt institutionelle Reformen und sektorübergreifende Regulierungsmechanismen, welche die Siedlungswasserwirtschaft, Bewässerungslandwirtschaft und den Umweltsektor gleichzeitig berühren.

Primäre und sekundäre Bewässerungssysteme werden in den meisten Ländern von staatlichen Institutionen, aber zunehmend auch von Zusammenschlüssen verschiedener Wassernutzergemeinschaften bewirtschaftet. Insbesondere die Investitionen müssen vom Staat oder gemeinschaftlich unternommen werden, einzelbetrieblich sind sie keinesfalls leistbar.

Bei der Umstellung auf die Bewässerung mit geklärtem Abwasser müssten streckenweise getrennte Leitungssysteme errichtet werden, d. h., dies wäre mit beträchtlichen Investitionskosten verbunden. Um für Landwirte Anreize zur Verwendung des Abwassers zu setzen, müssten die Preise nach Qualitätskriterien gestaffelt werden. Voraussetzung hierfür wäre wiederum die Schaffung einer transparenten Datenlage, zentraler Steuerungsmöglichkeiten sowie einer funktionierenden Qualitätsüberwachung. Darüber hinaus müssten Berater, Landwirte und Fachpersonal entsprechend geschult werden, um die neue Technologie zu beherrschen.

Entscheidend für eine erfolgreiche Umstellung ist zunächst die Akzeptanz der Wiederverwendung bei Landwirten und Verbrauchern, und diese setzt die kontinuierliche hygienische und chemische Unbedenklichkeit der geklärten Abwässer voraus. Es darf weder zu größeren Ertragsdepressionen bei den landwirtschaftlichen Kulturen kommen noch zu Gesundheitsgefahren für Landwirte oder Konsumenten. Nicht zuletzt sollte das Abwasser frei von nicht abbaubaren und toxischen Substanzen sein, um die Umwelt nicht zu gefährden, und es darf nicht zu einer Akkumulation von Salzen in den Böden kommen.

Rein technisch ist es möglich, diese Vorgaben zu erfüllen, jedoch erfordert ihre Einhaltung neben beträchtlichen Investitionen politischen Reformwillen und die Schaffung eines ausgeklügelten Systems an Regulierungsmechanismen. Hierbei ist es von zentraler Bedeutung, wie die Vor- und Nachteile der Reform auf die einzelnen betroffenen Sektoren und Interessengruppen verteilt sind und welche Kompensationsmöglichkeiten bestehen, um Risiken für einzelne Sektoren abzufedern. Die nachstehende Übersicht (S. 19) zeigt die zu erwartenden Vor- und Nachteile bei einer solchen Umstellung des Wassernutzungssystems.

Es wird deutlich, dass mit der systematischen Wiederverwendung von Abwasser viele sektorübergreifenden Risiken verknüpft sind, die jeweils den "nachgelagerten" Sektor negativ betreffen. Solange ein Landwirt individuell marginales Wasser verwendet, trägt er auch das hiermit verknüpfte Risiko, weiß aber sogleich, dass die Verantwortung für Konsumentenrisiken schwer nachweisbar sind. Bei einer institutionellen Verankerung können diese Risiken nicht mehr verallgemeinert werden, sondern sie fallen auf den jeweiligen Sektor zurück. Schon deshalb müssen sie so niedrig wie möglich gehalten werden. Zudem müssen sie mit Kompensationsmechanismen abgefedert werden, um überhaupt als solche akzeptiert werden zu können. Qualität und Zuverlässigkeit der Abwasserklärung sind daher die Schlüsselfaktoren, die über die landwirtschaftliche Rentabilität, die Konsumentensicherheit und Umweltverträglichkeit der Mehrfachnutzung entscheiden.

Hieraus folgt, dass die Ansprüche an die Klärtechnik durch eine systematische Mehrfachnutzung komplexer werden und sich die Verantwortungsbereiche der einzelnen Sektoren für die Einhaltung von Qualitätsstandards bei einem solchen System verschieben und ausweiten. Die Übersicht zeigt darüber hinaus, dass für den Konsumenten die Abwägung zwischen Vor- und Nachteilen der Wiederverwendung von Abwasser u. a. davon abhängt, ob ihm der Zusammenhang zwischen dem verbesserten Zugang zu Trinkwasser und der Wiederverwendung von Abwasser in der Nahrungsmittelproduktion bewusst wird.

Ein weiterer wichtiger Punkt, der über die Realisierungschancen einer systematischen Wiederverwendung von gereinigten Abwässern entscheidet, ist, ob in allen Sektoren eine umfassende und transparente mengen- und qualitätsbezogene Datenlage hergestellt werden kann, die eine zuverlässige Bewertung, Steuerung und Überwachung erst ermöglicht. Nicht nur in Ländern des Nahen Ostens zeichnen sich Wasserinstitutionen jedoch dadurch aus, dass sie schwerfällige Apparate mit Personalüberhang sind. Charakteristisch ist auch die Bedeutung von informellen Beziehungsnetzen, die innerhalb der Institutionen eher negativ für den Informationsfluss entscheidend sind. Die Transparentmachung von Daten über Sektorgrenzen hinweg und für die Öffentlichkeit ist daher gerade in diesen Ländern ein schwieriges und zeitaufwendiges Vorhaben.

Schlussfolgernd kann zunächst gesagt werden, dass die Institutionalisierung des Konzepts für eine Wiederverwendung geklärter Abwässer zwar interessante Perspektiven eröffnet, dass sie aber mit zahlreichen Problemen verknüpft ist. Die größten Probleme bestehen in der Haftung für mögliche Schäden, die durch eine unzureichende Abwasserqualität für die Landwirte, Konsumenten und die Umwelt entstehen könnten, wenn die Klärtechnik nicht zuverlässig funktioniert.

Um die Zuverlässigkeit abschätzen zu können, dürften hierbei zunächst das Sammeln und Zusammentragen von Erfahrungen und darauf aufbauend die Bildung von Vertrauen bei den Entscheidungsträgern und Akteuren aus den unterschiedlichen Sektoren zuträglich sein. Die Klärtechnik muss sich darüber hinaus neuen Fragen stellen, denn die Wasserqualität der Klärabläufe sollte in ihrer Zusammensetzung, inklusive Nährstoffgehalte, den Ansprüchen der Landwirtschaft entgegenkommen. Entfallen diese Vorteile, wird es umso schwieriger, dem Landwirtschaftssektor das Vorhaben plausibel zu machen.

Die Umstellung auf die Wiederverwendung von Abwasser bedarf beträchtlicher sektorenübergreifender Reformen. Damit diese ausgewogenen Charakter erlangen, ist es von zentraler Bedeutung, alle beteiligten Sektoren und möglichst viele Untergruppen mit Partikularinteressen in den Planungsprozess einzubeziehen. Im Vorfeld sollte zudem eine breite Aufklärungskampagne für die Öffentlichkeit stehen.

Insgesamt machen die Ausführungen deutlich, dass die Umstellung der Wasserversorgungssysteme von der Einfach- zur Mehrfachnutzung weit mehr ist als eine technische Frage. Im Mittelpunkt stehen institutionelle Fragen, wobei in manchen Ländern der Reformprozess erst damit beginnen müsste, die Wasserinstitutionen selbst handlungsfähiger zu machen.

Problemlage

2: Wasserknappheit in Agrarländern mit Regenfeldbau und niedrigen Einkommen 

Eine andere große Ländergruppe mit wachsender Wasserknappheit sind die Länder Subsahara-Afrikas, wobei insbesondere die wirtschaftlich sehr einkommensschwachen Länder in der Sahel- und Sudanzone betroffen sind, aber auch Länder des südlichen Afrikas. Die meisten dieser Länder sind agrarisch geprägt, und die Mehrheit der Bevölkerung lebt unter Armutsbedingungen auf dem Lande, wobei die Landwirtschaft zu über 90 Prozent auf Regenfeldbausystemen basiert, d. h. weitgehend ohne Bewässerungstechnik funktioniert.

Das vorrangige Problem der auf Agrar- und Weidewirtschaft basierenden Länder in der südlichen Sahelzone besteht darin, dass die landwirtschaftlichen Böden und Weideflächen einer zunehmenden Degradierung unterliegen. Gleichzeitig wächst die Bevölkerungsdichte in den meisten Ländern stark an. Der Degradationsprozess ist sowohl auf globale Prozesse (Klimaverschiebung, Veränderung der Niederschlagsmuster) als auch auf Bewirtschaftungsweisen zurückzuführen, die der wachsenden Bevölkerungsdichte nicht angepasst sind. Die Degradation des Bodens geht mit einer zunehmenden Bodenerosionen einher, so dass schließlich "sterile" Böden mit harter Bodenoberfläche entstehen. In harte Bodenoberflächen kann das Wasser nicht mehr infiltrieren, der Grundwasserspiegel sinkt ab, und es entstehen die typischen Erosionsrillen - Ertragsminderungen sind die Folge.

Für die Sahelländer stellt sich somit das Wasserproblem in einer ganz anderen Form als für Gesellschaften mit Bewässerungstechnik. Ziel von Maßnahmen ist es hier zunächst, das Bodenwasser wieder pflanzenverfügbar zu machen, indem die Infiltrationsrate von Wasser und die Wasserhaltekapazität erhöht wird. Auf diese Weise käme es auch zu einem Anstieg der Grundwasserspiegel, ein weiterer Engpass für Mensch und Tier, da der Zugang zu Trinkwasser über Brunnen, d. h. direkt aus dem Grundwasser, erfolgt.

Entgegen der häufig anzutreffenden Vorstellung in der öffentlichen Debatte, der Degradationsprozess sei unumkehrbar, ist die Wiederherstellung der Ertragsfähigkeit degradierter Böden rein technisch gesehen kein sehr großes Problem. Seit vielen Jahren ist die afrikanische Bevölkerung mit internationaler Unterstützung dabei, solche Böden wieder in Wert zu setzen. Mit Hilfe von kleinen Erosionsschutzwällen werden zunächst die baulichen Voraussetzungen dafür geschaffen, Niederschlagswasser zur Infiltration zu bringen. Mit biologischen Begleitmaßnahmen (Aufforstung, Bepflanzung der Steinwälle, organische Düngung) werden die Humusgehalte angehoben und die dauerhafte Wirksamkeit der Maßnahme gewährleistet. Wenn dies so problemlos möglich ist, warum ist eine flächendeckende nachhaltige Bewirtschaftung der Agrarflächen Afrikas dennoch bis heute nicht erreicht?

Um den Degradationsprozess flächendeckend zu stoppen bzw. umzukehren, müsste das beschriebene Erosionsschutzkonzept in breitem Maßstab umgesetzt werden. Folgende Faktoren behindern jedoch die Umsetzung von Bodenschutzmaßnahmen:

1. Das Transportkostenproblem

Die flächendeckende Umsetzung bodenstabilisierender Maßnahmen erfordert zunächst die Grundmelioration in Form der baulichen Maßnahmen, d. h. die Errichtung von Steinwällen und Ravinen. Besonders in steinarmen Gegenden verursachen diese Maßnahmen hohe Transportkosten. Auf kleinbäuerlicher Ebene sind diese nicht finanzierbar, und per Kopflast- oder Ochsenkarrenverfahren sind sie auch nicht rentabel.

2. Das Gemeinwesenproblem

Ein wirksamer Erosionsschutz verlangt eine überbetriebliche und überdörfliche Planung, in etwa vergleichbar mit der Planung weiträumiger Bewässerungs- und Drainagevorhaben.

Außerdem erfordert er auch eine Planung unter Einbeziehung verschiedener Bevölkerungsgruppen. So sind die Ackerbauern und Viehzüchter in unterschiedlichem Maße von Erosionsschutzmaßnahmen betroffen. Während die Ackerbauern auf Basis individueller Nutzungsrechte für Ackerflächen agieren, gelten für Viehzüchter gemeinschaft-

liche Nutzungsrechte, und dies fördert bekanntermaßen die Übernutzung der Flächen (tragedy of the commons).

3. Unklare Bodenrechtsregelungen und Konflikte zwischen Bevölkerungsgruppen

Die Einführung moderner Bodenrechtsregelungen im Sahel haben vielerorts zur Existenz zweier paralleler Rechtssysteme geführt. Die Bevölkerung hält vielerorts noch an den traditionellen Regeln fest und besitzt über das moderne Rechtssystem kaum Informationen. Die Existenz zweier gleichzeitig gültiger Regelsysteme bewirkt Unsicherheit und verhindert somit Investitionsabsichten in den Boden.

Durch die Expansion des Ackerbaus in den letzten Jahrzehnten wurde in vielen Regionen des Sahels die Viehwirtschaft immer stärker eingeschränkt. Moderne staatliche Rechtssysteme und auch die meisten international unterstützten Ressourcenmanagementprojekte stützen diese Tendenz, da sie sich primär auf den sesshaften Lebensstil beziehen. Erosionsschutzmaßnahmen kommen bisher tendenziell eher den Ackerbauern zugute. Wie Viehzüchter hiervon verstärkt profitieren könnten, ist bisher noch nicht ausreichend geklärt.

Die Auflistung zeigt, dass auch bei dieser Problemlage Investitions- und Regulierungsprobleme dominieren und die flächendeckende Umsetzung der Konzepte verhindert.

In den Ländern Subsahara-Afrikas weisen die Institutionen im Allgemeinen noch eine geringere Kapazität auf als in Ländern des Nahen Ostens oder Nordafrikas. Dies bedeutet, die Institutionen sind für die Bevölkerung kaum wahrnehmbar, sie haben kaum finanzielle Mittel und setzen diese wenigen Mittel auch nicht in erster Linie armutsorientiert ein. Während bei der zuerst geschilderten Problemlage insbesondere die unterschiedlichen Sektoren und deren institutionelle Zusammenarbeit angesprochen waren, werden hier vor allem Interessengegensätze zwischen Bevölkerungsgruppen identifiziert, die harmonisiert werden müssen, wenn ein flächendeckender Boden- und damit Wasserschutz umgesetzt werden soll.

Zur Durchführung von Bodenschutzmaßnahmen durch die Bevölkerung bedarf es einer Reihe günstiger Rahmenbedingungen:

1. Die Maßnahmen am Standort müssen deutliche und sofortige Ertragswirkungen aufweisen.

2. Die Opportunitätskosten der Arbeit müssen zum Zeitpunkt der Erosionsschutzmaßnahmen gering sein.

3. Die externe Finanzierung des monetären Kostenanteils, d. h. die Übernahme der Transportkosten, muss gegeben sein.

Sollten Gemeinde- und Weideflächen einbezogen werden, dann müssen weitere Voraussetzungen erfüllt sein:

- klare und gerechte Bodenrechtsregelung und wirksame Kontroll- sowie Sanktionsmechanismen, die allen Nutzergruppen als gemeinsame Planungs- und Handlungsgrundlage dienen können;

- Dezentralisierung der Administration, damit die Bevölkerung zu staatlich autorisierten Stellen als Verhandlungspartner Zugang bekommt und Vertrauen gewinnen kann;

- Partizipation aller Betroffenen an der Planung (partizipative Landnutzungungsplanung, LNP) der Maßnahmen. Betrachtung von Ackerbau und Viehzucht als komplementäre Formen der Bodenbewirtschaftung;

- Partizipation möglichst vieler Betroffener am Nutzen, Einzelfallvereinbarungen mit den zuständigen Institutionen oder Projektträgern.

Im Sahel ist der institutionelle Dezentralisierungsprozess, der u. a. eine effektive Zusammenarbeit zwischen Bevölkerung und Institutionen auf allen Ebenen erleichtern soll bzw. erst möglich macht, bei weitem noch nicht abgeschlossen. Zusätzlich leiden die Institutionen noch stärker als in anderen Regionen unter einer chronischen Kapital- und Kapazitätsschwäche. Solange hier ein Vakuum herrscht, sind weiterhin internationale Geberbeiträge gefragt, die diese Unterstützung auch mittelfristig leisten. Zu begründen sind diese Beiträge auch damit, dass die Länder des Nordens für Preisverzerrungen und globale Klimaveränderungen die Hauptverantwortlichen sind und somit die Bodendegradierung mit verursacht haben. Ein anderes Argument sind die hohen Folgekosten, falls die Unterstützung nicht gewährt wird. Ein entvölkerter Sahel ohne aufnahmefähige Fluchtziele in den umliegenden Ländern kann nicht im globalen Interesse sein. Neben direkten Investitionshilfen für die Grundmelioration sollte parallel hierzu jedoch ein Programm zum Capacity Building der nationalen Institutionen und Nutzergruppen durchgeführt werden, um diese dabei zu unterstützen, die Steuerungs- und Finanzierungsaufgaben langfristig selbst zu übernehmen.

VI. Schlussfolgerungen

Wasserressourcen sind zwar - wie Nahrungsressourcen - global gesehen nicht knapp, jedoch ist die Verteilung auf der Erde so ungleich, dass es besonders im Nahen Osten und in Afrika bereits zu drastischen Versorgungsengpässen kommt. Mehr als zwei Drittel der globalen Wasserressourcen werden zur Nahrungsmittelerzeugung verbraucht, in ariden Ländern sind es häufig 90 Prozent. Das Wasserproblem ist somit ohne Berücksichtigung des Nahrungsproblems nicht zu lösen.

Global gesehen könnten mit Hilfe des internationalen Getreidehandels nicht nur beträchtliche Frischwassermengen umverteilt werden. "Blaues Wasser" für die Bewässerung in ariden Ländern könnte durch "grünes Wasser" aus wasserreichen Ländern ersetzt werden. Da Bodenwasser am effizientesten im Regenfeldbau genutzt werden kann, erscheint dieser Ansatz zunächst auch ökologisch sinnvoll. Als politische Strategie basiert er allerdings auf subventionierten Getreidepreisen von Ländern mit Agrarüberschüssen, denn nur so können eine bedeutende Anzahl von Ländern die erforderlichen Devisen für die Importe aufbringen. Preisverzerrungen auf dem Weltmarkt schaden jedoch denjenigen Entwicklungsländern, die ein eigenes Agrarpotenzial aufweisen, da auf diese Weise ihre Konkurrenzfähigkeit untergraben wird. Indirekt hemmt daher ein bewusstes Ausweiten der Virtuelles-Wasser-Strategie nicht nur die Agrar- und Wirtschaftsentwicklung der meisten Entwicklungsländer, sondern sie schadet auch dem Ziel einer effizienten Bodenwassernutzung, die dann in diesen Ländern nicht mehr stattfinden kann.

Erfolg versprechende Lösungsstrategien sind nicht globaler Natur, sondern sie müssen sich an den unterschiedlichen regionalen Problemlagen orientieren und deren Gesamtwirtschaft und Gesellschaft mit berücksichtigen. In urbanisierten Ländern mit mittleren Einkommen und Bewässerungswirtschaft bestehen andere Wasserprobleme als in ländlich geprägten Ländern mit niedrigen Einkommen, deren Agrarwirtschaft auf Regenfeldbau basiert. In beiden Fällen geht es aber um die Steigerung der Effizienz der Wassernutzungssysteme: zum einen durch die Wiederverwendung von gereinigten Abwässern in der Landwirtschaft, zum anderen durch die Wiederherstellung des Bodenwasserhaushalts zur Sicherstellung der Ernteerträge.

So weit entfernt die beiden Problemlagen und die technischen Lösungsansätze voneinander auch sein mögen, so ähnlich erscheinen demgegenüber die Umsetzungsprobleme. In beiden Fällen dominieren Investitions- und institutionelle Probleme, die die flächendeckende Umsetzung und Institutionalisierung der Maßnahmen verhindern. Der effizienten Bewässerung und dem Erosionsschutz gemeinsam sind der überbetriebliche Charakter beider Zielrichtungen, der nur gemeinschaftliche Lösungen zulässt. Während dies in Bezug auf Bewässerungssysteme im allgemeinen Bewusstsein ist, wird der Erosionsschutz häufig noch heute auf einzelbetrieblicher Ebene behandelt, d. h., die Verantwortung wird an die einzelnen Bodennutzer gegeben. Diese können organisiert oder nicht organisiert für die Unterhaltung von Erosionsschutzanlagen aufkommen - wie es vielerorts bereits geschieht -, sie können jedoch nicht überbetriebliche Investitionen leisten und überbetriebliche Planungen organisieren, die für einen Durchbruch des Konzepts jedoch notwendig sind. Hier bleiben administrative Aufgaben von zentraler Bedeutung bestehen, die auch nicht durch die Privatisierungsdebatte oder die Bildung von Wasser- bzw. Bodennutzergemeinschaften obsolet werden.

Bei der Entscheidung über die Regelungsfragen, die mit der Umsetzung der Konzepte verknüpft sind, sollten möglichst alle Interessenlagen einbezogen werden. Dies erscheint nicht unmöglich, da die Interessen - ob nun zwischen den verschiedenen Sektoren oder den Bevölkerungsgruppen - nur oberflächlich betrachtet entgegengesetzt sind. Bei näherem Hinsehen bestehen jeweils zwingende Interdependenzen, und deshalb kann auch die Berücksichtigung aller Interessen in gemeinsame Vorhaben münden. Das Aushandeln der jeweiligen Bedingungen und Kompensationsmechanismen erfordert jedoch Geduld und das richtige Verhandlungssetting.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. M. W. Rosegrant u. a., The Role of Rainfed Agriculture in the Future of Global Food Production, IFPRI, Studie im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zur Vorbereitung der International Conference on Freshwater vom 3. bis 7. Dezember in Bonn / DIE, Bonn 2001, S. 1.

  2. Vgl. ebd.

  3. Vgl. M. W. Rosegrant, Water Scarcity and Food Security: Alternative Futures for the 21st Century, IFPRI, Washington, D.ÄC. 2000.

  4. Grundlegende Arbeiten zur politischen Ökonomie des Hungers verfasste der Ökonom und Nobelpreisträger A. Sen, Food, Economics and Entitlements, Helsinki 1986.

  5. Diese Sicht dominierte auch wieder die World Water Week vom 12. bis 18. August in Stockholm.

  6. Die Prognosen reichen von 7,7 Mrd. bis 11,1 Mrd. Menschen für das Jahr 2020.

  7. Die Angaben reichen von 1 000 m³ pro Jahr bis 2 000 m³ pro Jahr.

  8. Die Erstellung einer realistischen Datengrundlage über die Wasserressourcen würde viele Millionen Dollar kosten. Versuche globaler Wasservoraussagen wurden unter anderem von der Food and Agricultural Organisation (FAO) und vom International Food Policy Research Institute (IFPRI) unternommen.

  9. Vgl. Argumentationen von A. R. Turton, ebd., und von A. Allan, "Virtual Water": A long term solution for water short Middle Eastern economies. Vortrag zum British Association Festival of Science, Water and Development Session, 9 September 1997, University of Leeds 1997.

  10. Diese Zahl gilt für Industrienationen und ist in vielen Entwicklungsländern weitaus niedriger (im Sahel beträgt der Bedarf an Trinkwasser z. B. rd. 3,5 m³ im Jahr).

  11. Sein industrieller Verbrauch ist geringfügig und beträgt durchschnittlich nur 20 m³.

  12. Inklusive direkter Wasserimporte aus anderen Ländern (grenzüberschreitendes Angebotsmanagement) und der Meerwasserentsalzung (Angebotsmanagement), die Optionen für die Trinkwasserversorgung, bis heute aber nicht für große Bewässerungsflächen sind.

  13. Das Bevölkerungswachstum stellt eine abhängige Variable der wirtschaftlichen Entwicklung dar und ist daher erfahrungsgemäß als Ansatzpunkt für entwicklungspolitische oder Ressourcenschutzmaßnahmen nicht Erfolg versprechend.

  14. Der Begriff des virtuellen Wassers wurde von A. Allan geprägt (Anm. 9).

  15. Vgl. A. R. Turton, Precipitation, People, Pipelines and Power: Towards a "Virtual Water" Based Political Ecology Discourse, MEWREW Occasional Paper No. 11, SOAS, London 2001.

  16. Vgl. A. Allan (Anm. 9) und A. R. Turton/L. Ohlsson, Scarcity and Social Stability: Towards a deeper understanding of the key concepts needed to manage water scarcity in developing countries. Unv. Manuskript, SOAS Water Issues Study Group, University of London.

  17. Vgl. H. Brandt, The Effect of EU Export Refunds on West African Countries Beef Sector, in: Economics, 52 (1995); ders./S. Neubert, Ressourcenmanagement im Sahel als politische Herausforderung an die Entwicklungszusammenarbeit (EZ). Vortrag zur Tagung "Ressourcenmanagement im Sahel" vom 6. bis 8. 11. 2000 in Zschortau, hrsg. von Deutsche Welthungerhilfe, Bonn 2001 (i.ÄE.). Vgl. ebenfalls Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Herausforderungen und Ansätze für eine strategische Entwicklungspolitik in Subsahara - Afrika. Impulspapier zur Fachtagung des BMZ und des DIE am 3. Mai 2001 in Bonn, S. 16-18.

  18. Vgl. M. W. Rosegrant (Anm. 3); A. R. Turton (Anm. 15).

  19. Vgl. A. R. Turton/L. Ohlssen (Anm. 16).

  20. Vgl. A. R. Turton (Anm. 15).

  21. Jordaniens Wasserdargebot ist mit rd. 180 m³ pro Person und Jahr extrem gering und beträgt weniger als ein Fünftel des Wertes, unter dem von Wasserknappheit gesprochen wird. Zur Wasserproblematik in Jordanien vgl. auch Publikationen von M. Schiffler.

  22. Vgl. z. B. O. Köndgen, Jordanien, München 1999, sowie Loewe u. a., Improving the Social Protection of the Urban Poor and Near-Poor in Jordan, DIE, Bonn 2001.

  23. Vgl. hierzu W. Huppert/K. Urban, Institutional Analysis of Water Delivery and Maintainance Service Provision in Irrigation: The Example of the Jordan Valley. Maintain - Case Study Nr. 3, Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), Eschborn 1999, S. 13.

  24. Vgl. A. Kuck, Water for Peace - Water for Food - Water for People - Perspectives for irrigated agriculture in the Middle East. Vortrag für "The 11th Stockholm Water Symposium" vom 13. bis 16. August 2001, Stockholm 2001, S. 307.

  25. Wie weit die Übernahme von Kosten durch Nutzerzusammenschlüsse erfolgen kann oder sollte, um den Staat zu entlasten, ist ein hochaktuelles Thema, aber hier nicht Gegenstand der Betrachtung.

  26. Vgl. A. Dinar, Reforming Ourselves Rather than Our Water Resources - Politics of Water Scarcity at Local, National and International Levels. Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit, DIE, Bonn 2001.

  27. Vgl. ebd.

  28. Vgl. H. Brandt/S. Neubert (Anm. 17).

  29. Im Sahel sind die Transportkosten pro Gewichtseinheit aufgrund der schlechten Infrastruktur ganz allgemein wesentlich höher, als in den meisten anderen Regionen der Welt. Dennoch besteht ein beträchtlicher Unterschied zwischen den Transportverfahren. Per Kopflast entstehen ca. die fünffachen Kosten im Vergleich zu Transporten mit Ochsenkarren und die zehnfachen Kosten im Vergleich zu LKW-Transporten; vgl. H. Brandt/S. Neubert (Anm. 17).

  30. Vgl. G. Hardin, Tragedy of the Commons, in: Science, 162 (1968), S. 1243-1248.

  31. Vgl. S. Neubert u. a., Armutsmindernde Wirkungen des Ressourcenmanagementprojekts PATECORE in Burkina Faso, DIE, Bonn 2000.

Dr. agr., geb. 1958; Studium der Agrar- und Umweltwissenschaften; derzeit wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE) in Bonn.

Anschrift: Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Tulpenfeld 4, 53113 Bonn.
E-Mail: susanne.neubert@die-gdi.de

Veröffentlichungen u. a.: Armut und Ansatzpunkte zur Selbsthilfe in der Baumwollregion des Tschad. Eine ökonomische Analyse kleinbäuerlicher Betriebs-Haushalts-Systeme, Socioeconomic Studies on Rural Development, Bd. 119, Kiel 1998; zahlreiche Beiträge zur Armutsbekämpfung in Entwicklungsländern.