Ostdeutsche Kindheiten im sozialgeschichtlichen Wandel
Familiale Generationenlinien der Jahrgänge 1908 - 1929, 1939 - 1953 und 1968 - 1975
Familie und Erziehung vollzieht und verändert sich im Kontext von drei Generationen. Die Analyse von drei familialen Generationenlinien zeigt die unterschiedlichen Kindheitsmuster.I. Einleitung
Kindheit und Erwachsenenalter sind aufeinander bezogen. Ohne eine Vergegenwärtigung von Sozialgeschichte und der sozialen Typisierungen der Lebensphasen Kindheit, Jugend, Erwachsenenalter und Alter ist Kindheit nicht nachvollziehbar. Kindheit enthält durch Interaktionen mit Anderen [1] immer auch Begrenzungen und Freiräume. Familienkonstellationen, das Verständnis von Erziehung und der konkrete Umgang mit Kindern in der Familie sind zentrale Erfahrungsräume von Kindern.Kindheitserinnerungen verschiedener Generationen, in denen sich die Erziehungsanforderungen der jeweiligen Eltern- und Großelterngeneration widerspiegeln, lassen sich am besten herausarbeiten, indem man sich diesem Thema qualitativ-biografisch nähert, Zeitzeugen aus unterschiedlichen Generationen befragt und sie über ihre Kindheitserfahrungen erzählen lässt. Im Projekt "Sozialgeschichte, Erziehung und Lernen in familialen Generationsbeziehungen in Ostdeutschland. Wandlungsprozesse im intergenerativen Vergleich über drei Generationen" sind insgesamt 22 Generationenlinien in Familien biografisch befragt worden. Interviewt wurden jeweils drei Generationen in einer Familie, wobei entweder männliche oder weibliche Linien der Altersgruppen 1908 - 1929, 1939 - 1953 und 1968 - 1975 ausgewählt wurden. [2] Im Zentrum der Analyse stehen die subjektiven Erfahrungen der drei Generationen, ihr Erleben von Kindheit, die Anforderungen und Freiräume in der Familie und die Erziehungspraxis der Eltern und Großeltern. Die Analyse umgreift weniger gemeinschaftliches Fühlen, Denken und Handeln, wie Karl Mannheim [3] betont, sondern Generationeneffekte, das spezifische Erleben von sozialgeschichtlichen Räumen der Kindheit sowie der Bewertung von Kindheitserfahrungen. Theoretisch wird an modernisierungs- und zivilisationstheoretischen Annahmen in Anlehnung an Ulrich Beck und Norbert Elias angesetzt. Dabei gehe ich davon aus, dass in familialen Generationsbeziehungen in besonderer Weise die Verflechtung individueller Erfahrungen von Kindheit und sozialer Zeitgeschichte zum Tragen kommt. In Anlehnung an Elias [4] kann soziales Handeln generell nur im strukturierten Wandel begriffen werden. Beide Bereiche, die Beziehungen der Individualstrukturen und die Gesellschaftsstrukturen, sind als sich wandelnde, werdende und gewordene Strukturen zu verstehen, die ineinander greifen. Familie ist ein soziales, intergenerationales Gefüge über zwei, in der Regel mehrere Generationen, in denen an Kinder grundlegende Wissensbestände und working-models des Handelns vermittelt werden. [5] In der Familie finden die zentralen Sozialisations- und Erziehungsprozesse statt. Die befragten Personen aus drei Generationen in einer Familie stehen als RepräsentantInnen unterschiedlicher historischer Generationen.