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Die deutschen Parteien: Defizite und Reformideen | Innenpolitik | bpb.de

Innenpolitik Editorial Vom Elend des Reformierens Regieren ohne inneren Kompass Die deutschen Parteien: Defizite und Reformideen Parteien und die Politik der Zumutungen Rot-grüne Zwischenbilanz Zurück zum alten Bürgertum: CDU/CSU und FDP

Die deutschen Parteien: Defizite und Reformideen

Jürgen Dittberner

/ 21 Minuten zu lesen

Die Reform gesellschaftlicher Strukturen muss mit innerparteilichen Reformen einher gehen, um die Glaubwürdigkeitskrise der Parteien zu überwinden. Welche Maßnahmen sollten sowohl zum Nutzen der Parteien als auch zum Wohle der Gesellschaft dringend umgesetzt werden?

Einleitung

Parteien sind nicht das Ganze, doch sie erwecken oft diesen Eindruck. Die politischen Parteien gehören im Verfassungsstaat zum politischen System. Aber sie sind nicht das politische System, sondern ein Teil davon. Die Parteien sind schon gar nicht das Volk. In Wahlen erhalten sie von diesem die Legitimation zur Teilhabe an der politischen Willensbildung auf Zeit. Je mehr Wählerstimmen Parteien auf sich vereinigen, desto größer ist ihr politischer Einfluss. Wenn Parteien die Mehrheit erhalten oder sich dazu zusammenschließen, können sie regieren, wodurch sie befristet über erhebliche Macht verfügen und große Verantwortung tragen. Die Parteien sind umso mächtiger, je breiter ihre Verankerung in der Bevölkerung ist. Ein Indikator für diese Verwurzelung sind die Wahlergebnisse, ein anderer der Organisationsgrad.

In Deutschland ist seit den achtziger Jahren eine Abnahme der Wahlbeteiligung zu beobachten. Bei Landtagswahlen beteiligt sich oft ein Drittel der Berechtigten nicht, bei Europawahlen ist die Wahlenthaltung noch größer. Kritischer für die Parteien ist, dass höchstens vier Prozent der Bürger Mitglied einer politischen Partei sind. Diese schmale Mitgliederbasis wird als Folge und Ausdruck einer "Parteienverdrossenheit" gesehen. Haben sie genügend Wählerstimmen gewonnen, wollen die Parteien in der Politik alles bestimmen. Aber mit ihrem geringen Organisationsgrad sind sie nur Ausschnitte der Gesellschaft. Auf diesem Missverhältnis zwischen allgemeinem Machtanspruch und schmaler sozialer Basis beruht die Parteienverdrossenheit. Dieses Unbehagen wird noch dadurch gesteigert, dass es keine Alternative zur Parteienherrschaft gibt, wenn man nicht auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit als Grundlagen des politischen Systems verzichten will.

Das Parteiensystem in der Bundesrepublik Deutschland wurde nach 1945 zu einem Erfolg. Es ermöglichte das Wirtschaftswunder, festigte den Rechtsstaat, bewältigte drei Machtwechsel und erweiterte sein Spektrum um die "Grünen". In dem Maße, wie die Parteien erfolgreich waren, steigerten und überzogen sie ihren Machtanspruch. Sie setzten sich mit dem politischen System gleich.

Die Parteien trugen weiter zu einer Minderung ihres Ansehens bei, weil sie sich bei der Finanzierung ihrer Arbeit bis an die Grenze des Rechts und öfter darüber hinaus bewegten. Ihre Abgeordneten strebten an der Öffentlichkeit vorbei lukrative Diätenregelungen an. Spätestens seit der deutschen Wiedervereinigung wuchsen obendrein die Zweifel an der Problemlösungskompetenz. Die Parteien schienen machtlos zu sein gegenüber mehr als vier Millionen Arbeitslosen und den Problemen, die aus der Globalisierung folgen. Die Parteien versuchten, das durch eine umfassende Mediatisierung der Politik zu kompensieren: Kandidaten, Duelle, Bilder traten an die Stelle von Worten, Argumenten und Entscheidungen. 2003 sahen sie sich so sehr in die Enge gedrängt, dass sie den als diskreten Ort politischer Sachentscheidungen gedachten Vermittlungsausschuss zur Bühne machten, um dort unter Aufmarsch der "Spitzen"-Politiker das Stück "Parteien reformieren das Land" aufzuführen und die "Agenda 2010" durchzusetzen.

Zwar wurden die Parteien nach 1945 in der Bundesrepublik von der Verfassung anerkannt und erfolgreiche Träger der politischen Willensbildung: Infolge ihrer schwachen Verankerung im Volk, ihrer überbordenden Machtlust, ihrer Finanztricks, vor allem wegen ihrer sinkenden Problemlösungskompetenz gerieten sie mehr und mehr in die Kritik. Es zeigt den Januskopfcharakter der politischen Parteien, dass sie Verdrossenheit erzeugen und doch gewählt werden.

Die erste moderne Partei war die SPD. Schon ihr wohnte das Dilemma späterer Parteien inne: Robert Michels diagnostizierte 1910 für die Frühphase der SPD den Widerspruch zwischen demokratischem Anspruch und oligarchischem Charakter. Es ist der Widerspruch zwischen dem Postulat der Willensbildung von unten nach oben und der Machtausübung von oben nach unten. Nicht die Mitglieder, sondern eine festgefügte, sich selbst rekrutierende Führungsschicht - die Oligarchie - beherrschten die moderne Partei, stellte Michels fest und sprach vom "ehernen Gesetz der Oligarchie": Wer Organisation sage, sage Oligarchie. Dass in den politischen Parteien wie in allen anderen Organisationen die Oligarchien - heute sagen wir die Führungseliten, das Management oder die Cliquen - den Ton angeben und die einfachen Mitglieder sich dagegen schwer durchsetzen können, wird von wissenschaftlichen Beobachtern seit Michels als Tatsache anerkannt. Viele Anstrengungen und Überlegungen richten sich darauf, wie man das Demokratieprinzip - die Willensbildung von unten nach oben - innerhalb der Parteien dennoch durchsetzen kann.

Ein Beispiel aus der Praxis liefert die Partei "Bündnis 90/Die Grünen": In ihrer Entstehungsphase hatten die Grünen versucht, Oligarchien nicht aufkommen zu lassen. Das Rotationsprinzip, die Öffentlichkeit aller Zusammenkünfte, Gehälter nicht über Facharbeiterniveau waren Maßnahmen, mit denen man eine verfestigte Parteiführung verhindern wollte. Dennoch wurden die Grünen eine Partei mit etablierter Führungsschicht. Die Doppelspitzen bei Partei- und Fraktionsführungen sind Rudimente aus der bewegten Zeit dieser politischen Kraft.

Als Mittel gegen die Oligarchisierung gilt eine Konkurrenz der Eliten. Der Grundgedanke ist, dass innerparteilich und zwischen den Parteien mehrere Führungsgruppen platziert werden, um zu verhindern, dass eine Gruppe die ganze Macht erobert. Das Wechselspiel zwischen Regierung und Opposition, die Kompromisse in Koalitionen oder das sich in der starken Stellung des Bundesrates manifestierende Föderalismusprinzip begrenzen die Macht der ganz an der Spitze stehenden "Oligarchie", den engeren Kreis um den Bundeskanzler. Diese einst so gelobte Konsensdemokratie wird mittlerweile als entscheidungshemmend kritisiert. Die moderne und populäre Polemik gegen den Föderalismus und gegen das angebliche Parteienpalaver erscheint gefährlich, weil sie die Macht weniger stärken und die Teilhabe vieler abbauen will.

Die Konkurrenz der Eliten kann auch innerparteilich funktionieren. Die politischen Parteien in der Bundesrepublik haben keine Führungsgruppen mit Monopolstellung. Zwar ist in allen Parteien der Bundesparteivorstand, die Führung der Bundestagsfraktion oder der Bundesregierung die jeweils mächtigste Gruppe. Daneben jedoch gibt es Kreise, die deren Macht wiederum begrenzen: die Führungen der Landesverbände - so genannte "Provinzfürsten" - die Spitzen von Suborganisationen der Parteien wie der Sozialausschüsse bei der CDU/CSU, der Jungsozialisten bei der SPD und die Sprecher von Flügeln innerhalb der Parteien, die um die politische Linie der Mutterparteien kämpfen. Bei der FDP gibt es einen linksliberalen "Freiburger Kreis", der die wirtschaftsliberale Parteiführung begrenzen will. Bei der PDS ist die dogmatische "Kommunistische Plattform" bekannt, die gegen die pragmatische Linie der Parteiführung arbeitet. Derartige Konkurrenzgruppen stärken die innerparteiliche Demokratie. Moderne Parteimanager jedoch sind bemüht, Konflikte nicht an die Öffentlichkeit dringen zu lassen. Das ist absurd, denn Flügelkämpfe gehören zu einer politischen Partei wie Tore zum Fußballspiel. Die Propheten der Mediatisierung allerdings halten Flügel für kampagnenuntauglich. Die Parteivorsitzenden und Medien haben diese Einschätzung übernommen und damit zur Regression der politischen Bildung beigetragen. Offene Parteien sind aber für die Demokratie unentbehrliche Organisationen, sie gilt es zu verbessern und nicht abzuschaffen. Die Mängel der politischen Parteien in Deutschland indes sind offensichtlich:

- Ihre Problemlösungskompetenz ist begrenzt. Immer mehr Bürger trauen den Parteien nicht zu, dass sie ihre sachlichen Aufgaben bewältigen können.

- Die Mitgliederbasis ist schwach und nimmt weiter ab.

- Die Parteienidentifikation in der Wählerschaft ist rückläufig.

- Innerorganisatorisch setzt sich eine Funktionärsherrschaft durch, für die Machterhalt zum Maßstab der Politik wird.

- Die politischen Parteien sind immer häufiger in Filzskandale und Affären verstrickt.

Seit langem ist von einer "Legitimationskrise" der politischen Parteien die Rede. Gleichzeitig wird deren "elektorale Stabilität" konstatiert: die fortwährende Bestätigung der Herrschaft der Parteien durch allgemeine Wahlen. Zwar ist die Wahl einer Partei für einen zunehmenden Anteil der Bürger kein Bekenntnis, sondern eine notgedrungene Auswahl, aber den Parteien genügt das als Grundlage für ihre Macht. So entsteht der Widerspruch, dass die politischen Parteien bei der Bevölkerung unpopulär sind, zugleich aber von dieser regelmäßig bestätigt werden.

Wie lange sich mit diesem Widerspruch leben lässt, ist ungewiss. Die Mittel einer Therapie der Parteien sind in der politischen und wissenschaftlichen Diskussion wohlfeil, werden aber in der Praxis nur zögerlich angewandt. Das kommt daher, dass die Parteien und vor allem ihre führenden Oligarchien ihre Macht nicht einschränken wollen. 1990, im Zuge der Wiedervereinigung, schienen Reformen möglich. Aus der Protestbewegung der DDR hatten sich "Runde Tische" und direkte Demokratie als Ergänzungen zur westdeutschen Parteiendemokratie angeboten. Doch deren Macht und Verharrungsvermögen selbst im Umbruch waren zu groß, als dass sich Grundlegendes änderte. Als Therapiemöglichkeiten für die politischen Parteien bieten sich verschiedene Vorschläge an.

Reformen des Wahlrechts

Praxis in einigen Regionen sind Kumulieren und Panaschieren. Anhand dieser Möglichkeiten können Wähler die Listen der Parteien durch Veränderung der Reihenfolge der Kandidaten, mit Stimmenhäufung bei einzelnen Bewerbern oder das Streichen bestimmter Vorschläge verändern. Da diese Verfahren das Vorschlagsrecht der Parteifunktionäre für Wahlen relativieren, haben sie sich nicht flächendeckend durchgesetzt. Da, wo sie angewandt werden, haben sie das Vertrauen in die Parteien nicht grundlegend gestärkt, weil sie allein nicht genügend Wirkung entfalten können.

Nach 1945 wurde die Fünf-Prozent-Klausel eingeführt, um eine Zersplitterung der Parlamente wie beim Weimarer Reichstag zu verhindern. Seit einiger Zeit wird argumentiert, mittlerweile seien die Wähler so reif, dass diese Sperrgrenze ihren Sinn verloren habe. Immerhin haben diese Diskussionen an manchen Orten zum Wegfall dieser Sperrklausel auf kommunaler Ebene geführt. In den Bundesländern und auf Bundesebene gilt sie jedoch weiterhin. Die etablierten Parteien werden vor aufkeimender Konkurrenz geschützt und halten folglich an der Fünf-Prozent-Marke fest.

Mittels der direkten Demokratie durch Befragung, Begehren und Entscheiden soll der Wille der Wähler ohne die Filter der Parteien unmittelbar zum Ausdruck gebracht werden. Das Grundgesetz favorisiert die repräsentative Demokratie. Nach den Erfahrungen mit der Weimarer Demokratie und der nationalsozialistischen Diktatur herrschte bei den Verfassungsgebern Misstrauen gegen jegliche Formen des Plebiszits. Dieses Misstrauen ist geschwunden. Auf kommunaler und auf Länderebene ist direkte Demokratie alltägliche Praxis, auf der Ebene des Bundes nicht. In den Gemeinden und Ländern kommt es immer wieder zu Volksbegehren, über deren Petitum die Gemeindevertretungen oder Landesparlamente abzustimmen haben. Volksentscheide werden vorwiegend auf kommunaler Ebene praktiziert. In vielen Gemeinden werden die Bürgermeister direkt gewählt. Im Bund gibt es eine Diskussion darüber, ob die Bevölkerung über die Neustrukturierung der Europäischen Union und deren Erweiterung - bezogen auf die Türkei - befragt werden sollte. Die Forderung nach der Direktwahl des Bundespräsidenten taucht regelmäßig auf, wenn die Amtszeit eines Präsidenten zu Ende geht. Die Formen der außerparteilichen direkten Demokratie lassen sich zur Therapie der politischen Parteien einsetzen. Sie reduzieren die von den Parteien angestrebte Machtfülle und mindern deren Dominanz bei der politischen Willensbildung. Die Parteien praktizieren darüber hinaus in ihrem Innern direkte Demokratie. Da die Mitgliederbasis aber schmal ist, lässt sich dadurch keine allgemein legitimationsfördernde Wirkung erzielen.

In den USA werden Wahlen als Prozesse gesehen. Diese beginnen mit den Vorwahlen, den "Primaries". Die Wähler können sich für die Vorwahlen in Listen der Parteien ihrer Wahl eintragen und die Auswahl des politischen Führungspersonals mitbestimmen. Dieses Modell könnte übernommen werden. Wenigstens in Vorwahlzeiten könnten die Parteien so ihre Basis verbreitern. Diejenigen Sympathisanten, die es wollen, könnten sich bei "ihren Parteien" als Vorwähler einschreiben lassen, um in der ersten Phase am Prozess der Wahlen mitzuwirken.

Es ist zu erwarten, dass "die Politik" manchem unbefangenen Bürger näher rückte, wenn dieser sich frühzeitig an der Auswahl der Kandidaten für eine Wahl beteiligen könnte. Interessant wäre es allemal, wenn die Entscheidungen nicht in Hinterstübchen fielen, sondern offen unter Beteiligung jener, die sich in Listen der Parteien eintragen ließen. Dabei wäre nicht auszuschließen, dass am Ende andere Leute im Parlament säßen als die ungeliebten Funktionärstypen - farbigere Charaktere womöglich.

Elemente von Vorwahlen gibt es bereits. So machte die SPD im Vorfeld der Bundestagswahlen 1998 die Entscheidung, wer von den Konkurrenten - Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine - Kanzlerkandidat werden sollte, von dem Ausgang der der Bundestagswahl vorausgegangenen Landtagswahl in Niedersachsen abhängig. Die Wähler in Niedersachsen nahmen der Partei eine Entscheidung ab, und die elektorale Eignung des Kandidaten Gerhard Schröder wurde belegt. Im Allgemeinen jedoch sind die Parteien nicht gewillt, sich auf Vorwahlen als durchgängiges Prinzip einzulassen. Sie würden ihr Monopol bei der Kandidatenaufstellung verlieren, und ihr Einfluss auf die Fraktionen ginge stark zurück. Genau das aber wäre wichtig für die Freiheit der Abgeordneten. Gerade diese Wirkungen könnten zu einer Belebung des politischen Systems beitragen, so dass der Druck zur Einführung von Vorwahlen außerhalb der Parteien aufgebaut werden müsste. Die Medien und die Wissenschaft könnten das tun.

Mandate für die "Partei der Nichtwähler"

Anfang des Jahres 2000 haben nur 56,7 Prozent der Wahlberechtigten Nordrhein-Westfalens bei der Landtagswahl ihren Stimmzettel abgegeben. 43,3 Prozent der Bürger verzichteten auf ihr Wahlrecht. Sie bildeten eine unsichtbare "Partei der Nichtwähler". Diese Partei war stärker als jede andere, die nun in den Düsseldorfer Landtag einzog. In Zahlen ausgedrückt: Wäre die "Partei der Nichtwähler" im Landtag vertreten, so verfügte sie dort über 100 von 231 Sitzen. Die SPD erhielte 58 Mandate, die CDU 50, die FDP 14 und die Grünen 10. Aber natürlich ist es unsinnig und unmöglich, Nichtwähler im Parlament zu repräsentieren. So wurden die 56,7 Prozent aktiver Wähler gleich 100 Prozent gesetzt, die SPD erhielt 102 statt 58 Mandate, die CDU 88 statt 50, die FDP 24 statt 14, die Grünen 17 statt 10. Die Repräsentation der Nichtwähler wurde von den gewählten politischen Parteien usurpiert.

So war das immer, ob in der Landes-, der Kommunal- oder der Bundespolitik. "Wenn Bürger auf ihre Staatsbürgerschaftsrechte verzichten, nehmen diese eben andere für sie wahr. Das ist recht und billig," lautet die Begründung für dieses Verfahren. Und doch lässt sich auch anders argumentieren. Dass es Nichtwähler gibt, ist kein Schaden für die Demokratie. Dem Recht zum Reden entspricht das Recht zum Schweigen. Wahlverzicht kann Ausdruck der Zufriedenheit mit den politischen Zuständen oder auch das Gegenteil sein. Tatsächlich setzt sich die "Partei der Nichtwähler" aus den verschiedensten "Flügeln" zusammen. Neben den Zufriedenen gibt es Unzufriedene, Unentschlossene, Anhänger einer richtigen Partei mit Denkzetteln in der Hand, Freizeitfetischisten sowie Wahlunfähige. Die Stimmen all derer übernehmen Repräsentanten von den Listen der gewählten Parteien. Das ist für diese bequem. Sie können sich in den Parlamenten mit der Repräsentation derjenigen brüsten, die nicht gewählt haben. Am Wahlabend wird bedauert, dass die Wahlbeteiligung gering gewesen sei. Anschließend werden die zusätzlichen Mandate eingeheimst. Warum sollen sich die Parteien Mühe geben, etwas für eine höhere Wahlbeteiligung zu tun? Sie erhalten ihre Beute auch so.

Warum wurden in Düsseldorf alle 231 Landtagsmandate vergeben und nicht 132, wie es nach dem Wahlergebnis gerechtfertigt wäre? Aus der Sicht der Parteiorganisationen ist die Sache klar: Mehr Mandate bedeuten mehr Pfründe und Geld. Für die Effektivität des Parlamentes hingegen muss die volle Ausschöpfung der Mandatszahlen kein Vorteil sein: Es lässt sich gut vorstellen, dass Nordrhein-Westfalen von einem Parlament mit 132 Abgeordneten ebenso regiert wird wie von einem mit 231. Zöge man überall in Deutschland von den möglichen Mandatszahlen die Anteile der Nichtwähler ab, käme man auf angemessene Größen der Parlamente und würde zusätzlich erhebliche Mittel einsparen.

Mit einer an den Nichtwählern orientierten Brutto-Netto-Regelung bei den Parlamentssitzen würde obendrein erreicht, dass die Nichtwähler wenigstens eines bewirkten: Zwar könnten sie nicht den Gang der politischen Ereignisse beeinflussen - darauf haben sie ja verzichtet -, aber die Trägheit der Parteien könnten sie mindern. Diät statt Diäten bekäme den Parteien nicht schlecht. Das würde sie motivieren, mehr zu unternehmen, um möglichst nahe an allen Gruppen der Bevölkerung zu sein.

Die Politiker sollten nicht mehr Geld bekommen

Vielfach wird behauptet, der vermeintlich glattgeschliffene Funktionärscharakter der Politiker rühre daher, dass diese unterbezahlt seien. In der Tat: Im Vergleich zu überbezahlten Wirtschaftsmanagern sind die Politiker arm dran. Sie kassieren keine Millionengehälter, sie dürfen sich obendrein nicht einmal einen Kugelschreiber schenken lassen. Ihre Geburtstagsempfänge finanzieren sie aus ihrem Privateinkommen. Privilegien beim Erwerb und Verkauf von Aktien ihrer "Firma" genießen sie auch nicht. Der Bundestrainer des DFB verdient mehr als der Bundeskanzler. Jeder Minister würde beim Gehalt gerne mit den Profifußballern tauschen.

Andererseits: In der deutschen Hauptstadt Berlin leben etwa 13 Prozent der Menschen in Armut. Die Hälfte der alleinerziehenden Mütter sind auf staatliche Unterstützungen angewiesen. Familien mit drei und mehr Kindern können ihren Standard nicht halten. 43 500 Berliner haben im Monat weniger als 546 Euro zur Verfügung. Da beklagen Unternehmensberater, die Politiker seinen "tendenziell unterbezahlt". Ein normaler Bundestagsabgeordneter hätte mit 7 900 Euro Gehalt und 3 417 Euro steuerfreier Kostenpauschale zu wenig. Mit diesem Einkommen sei er anfällig für Bestechungen, und er müsse sich minderwertig fühlen, weil kein anständiger Manager sein schlecht bezahltes Amt je haben wolle.

Solche Berater scheinen zu meinen, Politiker wären höchstens zweite Wahl. Denn die fähigen Leute gingen in die Wirtschaft. Andere Talente würden Fußballtrainer, Fernsehmoderatoren, Showmaster, PR-Berater oder Chefredakteure und entgingen dem Los, etwa als Landesminister nur 9 762 Euro Grundgehalt zu bekommen. So gesehen seien die Politiker nicht zweite, sondern dritte Wahl. Wer das so sieht, für den ist unser Land eine Ständegesellschaft: Zuerst kommen die Bank- und Industriemanager; an zweiter Stelle die Trainer, Stars unter Sportlern oder Schauspielern, bestallte Journalisten, Professoren 1. Klasse und Lobbyisten; an dritter Stelle die Politiker, Ärzte, Rechtsanwälte mit Klienten und die echten Selbständigen; den vierten Stand bildet das große Heer der von 5 000 bis 3 000 Euro zu taxierenden Arbeiter, Angestellten, Beamten und Professoren 2. Klasse. Schließlich existieren am Ende der Pyramide als fünfter Stand die Armen, zu denen sich zunehmend arbeitslose Anwälte und Journalisten gesellen. Als Unternehmensberater sieht man offenbar in den Bestverdienenden die Qualifiziertesten und in den Armen die Nichtskönner. Der soziale Rang wird mit der Qualifikation gleichgesetzt. Maßstab ist das Einkommen.

Während Millionen mit weniger als 546 Euro über die Runden kommen müssen - schlagen andere vor, die Offenlegungspflicht bei Einkommen von Politikern zu verschärfen. Offenbar gibt es noch immer nicht den "gläsernen Abgeordneten", für den sich das Bundesverfassungsgericht seit Jahr und Tag einsetzt. Oppositionspolitiker im Deutschen Bundestag lehnen solche Verschärfungen ab. Es muss mithin mehr Abgeordnete geben als bekannt, denen ihre monatlichen 7 900 Euro ebenso viele Sorgen machen wie den armen Armen ihre höchstens 546 Euro. Diese Abgeordneten würden es bestimmt begrüßen, folgte man den Beratern und rückte die Einkommenslage der Spitzenpolitiker derjenigen der Wirtschaftsbosse näher. Dadurch bekämen wir aber kaum andere oder bessere Politiker. Die bestehende politische Klasse würde das zusätzliche Geld mitnehmen, aber deswegen ihre Plätze nicht räumen. Sie würde weder bessere noch schlechtere Politik machen. Die Manager würden bleiben, wo sie sind. Warum sollten sie sich auf den Präsentierteller begeben, sich der Kritik der Medien aussetzen und sich gleichzeitig im Ortsverband Hannover den Genossen Hinz und Kunz stellen?

Der Vorschlag, die Politiker mit Gehältern wie Manager auszustatten, beruht auf dem Irrglauben, dass wer viel hat, nicht korrumpierbar sei. Die Erfahrung lehrt jedoch: In allen Gehaltsklassen gibt es Bestechliche und Unbestechliche. Das ist eine Frage des Charakters, nicht des Geldes. Politiker haben die Aufgabe, Strategien zu entwickeln, um die Gesellschaft zusammenzuhalten. Wenn die Politiker nicht zu denen gehören, die üppig kassieren, können sie ihre Fürsorge eher dem unteren Ende der Pyramide zuwenden, und das ist für den Zusammenhalt dieser Gesellschaft dringend nötig.

Die Kandidaten müssen nicht "Spitze" sein

Der Zwang zur Personalisierung beherrscht die politischen Parteien. Es ist fraglich, ob mit den ausgesuchten Personen eine Wählermobilisierung gelingt. In Berlin wurde 2001 das Abgeordnetenhaus aufgelöst. Die Empörung über den Skandal der Verschuldung der Landesbank machte sich in der Forderung nach Neuwahlen Luft. Über den Termin der Neuwahlen war noch nichts bekannt, da hatten sich alle Parteien schon für "Spitzenkandidaten" entschieden. Es gab keinen einzigen wirklich aufgestellten Kandidaten für das Abgeordnetenhaus, da geisterten schon fünf Spitzenkandidaten durch die Medienlandschaft: Klaus Wowereit, der neue Regierende Bürgermeister mit dem Segen aus dem Kanzleramt, hatte den Kultspruch kreiert "und das ist gut so". Frank Steffel, das Kennedy-Imitat der Berliner CDU, sah seine Stadt bereits in einer kommunistischen Reihe hinter Peking und Havanna. Gregor Gysi von der PDS zog einen tiefen mentalen Graben zwischen sich und den Dogmatikern seiner Partei. Sybill Klotz von den Grünen war die Unschuld aus dem Osten. Günter Rexrodt wurde von seinem Chef Guido Westerwelle auserkoren um den Münchhausen der FDP zu spielen und diese am Zopf seiner Bekanntheit als Ex-Minister Helmut Kohls wieder an die Oberfläche zu ziehen.

Die Rollen waren besetzt, das Stück konnte beginnen. "Wowi", Gysi und die anderen waren die Protagonisten einer Wanderbühne, welche die Studios der Fernseh- und Rundfunkstationen abklapperte und unterm Volk Handzettel verteilte. Diese Wanderbühne würde am Wahltag ihre letzte Vorstellung haben. Die Veranstalter hofften, dass sich das Publikum für die Darsteller und weniger für die Texte des Stückes interessiere. Das Publikum schien mitzuspielen: Zwar hörte man in den Talkshows die Worte "Bankenkrise", "Berliner Filz", "Pleite" und "PDS". Aber gepackt wurden die Menschen von der Art und Weise, wie die Steffels und Klotzens sich beim Gebrauch dieser Begriffe gegenseitig ins Wort fielen, wie sie aneinander vorbei redeten, wie sie Simultansprechen für Diskussion ausgaben.

Es war geschafft: Größenwahn, Unfähigkeit und Selbstbedienung der Berliner Politik über die Jahre hinweg waren verdrängt, die Personalisierung und Problemverschiebung hatte funktioniert. Wen interessierten noch die Verstrickungen eben Abgewählter in den früheren "Antes-Skandal", wen die Steuergelder fressende Hybris der Olympiabewerbung, das Finassieren und Verschleiern politischer Handlungsunfähigkeit vergangener Tage? Auch an die Wertberichtigungen in Milliardenhöhe bei der Landesbank, die in den Tagträumen der gesamten Berliner Politik die Milchkuh der Stadt hätte sein sollen, hatte man sich gewöhnt. Vor allem, wie man Derartiges zukünftig vermeiden könne, wusste keiner.

Es war das alte Lied: Die Politik ist nicht durchschaubar - auch im Stadtstaat nicht. Sie kann in Sekundenstatements nicht vermittelt werden. Sie will auch nicht in ihrer ganzen Alltäglich- und Ratlosigkeit präsentiert werden. Deswegen haben Parteimanager und Werbestrategen die Personalisierung erfunden. Bei Bundestagswahlen wird - wie das Wort sagt - eigentlich der Bundestag gewählt. Aber für die großen Parteien ist vor allem eines spannend: Wer wird Kanzlerkandidat? Ganz Kecke meinten vorübergehend, auch die Kleinen müssten auf den Kanzler setzen, dann würden sie durch Eigensuggestion groß. Vor der Bundestagswahl 1961 reiste Klaus Schütz für die SPD in die USA und studierte die Kampagne von John F. Kennedy. Das Resultat war die in der deutschen Verfassung nicht bekannte Figur des "Kanzlerkandidaten": Der junge Regierende Bürgermeister von Berlin, Willy Brandt, forderte den "Alten" aus Rhöndorf, Konrad Adenauer, als Kanzlerkandidat heraus.

Für die Berliner Neuwahl waren die Spitzenrollen schnell besetzt. Welches Engagement die Darsteller eingehen würden, wenn das Stück "Berliner Wahlen" abgesetzt sein würde, wollte keiner wissen. Die Spitzenkandidaten waren nicht für eine vielleicht mühsame Wirklichkeit da, sondern für eine spritzige Show engagiert. Diese Show hieß Wahlkampf. Mittlerweile sind die Darsteller von einst in andere Rollen geschlüpft: Klaus Wowereit war Präsident des Bundesrates und als solcher der Öffentlichkeit aufgefallen, als er das Abstimmungsverhalten des Landes Brandenburg falsch gedeutet hatte. Gysi war kurzzeitig Senator, hatte aber plötzlich Hals über Kopf die Bühne verlassen, Klotz und Rexrodt versicherten sich in "Koalitionsverhandlungen" ihrer gegenseitigen Abneigung. Die Show des Wahlkampfes war vergessen. Und ob es den politischen Parteien in Berlin je gelingen wird, ihr Land zu sanieren, ist völlig ungewiss. Das Publikum hat wieder einmal seine Machtlosigkeit erfahren.

Was wäre die Show ohne Spitzendarsteller gewesen? Man hätte Tausenden von Bibliothekaren, Erzieherinnen, Verwaltungsangestellten, Polizeibediensteten, Bankangestellten und vielen anderen sagen müssen, dass sie demnächst entlassen werden, weil die Stadt nicht weiter über ihre Verhältnisse leben will. Es hätte zugegeben werden müssen, dass drei Opernhäuser, zwei Zoologische Gärten und drei Universitäten so nicht am Leben gehalten werden könnten. Es hätte der Leerstand in der Stadt im Wohn- und Gewerbebereich präzisiert werden müssen. Der geplante Großflughafen hätte auf den Prüfstand gehört. Hätten diese eher spröden Themen im Mittelpunkt des Wahlkampfes gestanden und die Parteien dabei ehrlich argumentiert, wäre dem Volke zwar der Spaß verdorben worden, aber die Wahl hätte womöglich einen anderen Ausgang genommen.

Man sollte auf Spitzenkandidaten verzichten, wenn bei ihnen nur das Aussehen, der Kult, das Showtalent oder die Bekanntheit Spitze sind. Die Werbeprofis dagegen sagen: Personalisierung, Mediatisierung und Professionalisierung brächten Erfolge in der Mediengesellschaft. Versammlungen, Hausbesuche und Referate wären "Opas Wahlkampf", einfach unprofessionell. Womöglich wären die Parteien mit "Opas Wahlkampf" näher an den Problemen als mit ihren Schauspielern der zu "Events" degenerierten Kampagnen.

Die Reduzierung der öffentlichen Zuschüsse für die Parteien

Seit Bestehen der Bundesrepublik vermochten es die Parteien, die finanziellen Zuschüsse aus öffentlichen Kassen zu vermehren. Dies geschah im Wechselspiel mit dem Bundesverfassungsgericht, das den Zugriff der Parteien auf öffentliche Kassen einerseits regulieren und eindämmen, andererseits nicht gänzlich abschaffen will, um die Parteien gegen die Abhängigkeit von Spenden zu immunisieren. Das Ergebnis ist nicht eine Eindämmung des Finanzbedarfs der Parteien gewesen, sondern deren Ausweitung: Den Werbeberatern ergeben, leisten sich die Parteien immer teurere Wahlkämpfe, bei denen sie bestrebt sind, mit fernsehgerechten Inszenierungen präsent zu sein. Die wachsende Geldnot führt auch auf dem mittlerweile hohen Niveau der staatlichen Parteienfinanzierung zu stets neuen Finanzskandalen. Das Bekanntwerden solcher Skandale wird in der Regel von der Konkurrenz publizistisch ausgeschlachtet. Der Schaden für die "schuldige" Partei ist jedoch zeitlich begrenzt, wie das Hoch der Union nach ihren Spendenskandalen im Bund und in Hessen zeigt. Aber es sinkt das Ansehen des Parteiensystems insgesamt.

Daher ist es an der Zeit, nicht fortwährend die Einkommenslage der Parteien zu regulieren, sondern diese zu veranlassen, ihre Ausgabenpolitik zu ändern. Es kann von den Parteien erwartet werden, dass sie ihre Wahlkämpfe bescheidener durchführen. Die Zuschüsse zu Fraktionen, Stiftungen und anderen parteinahen Einrichtungen können reduziert werden, ohne dass deren Arbeitsfähigkeit darunter leiden müsste.

Am Ende könnten die Parteien sich einigen oder durch öffentlichen Druck gezwungen werden, tatsächlich zu "Opas Wahlkampf" zurückzukehren. Die Mitglieder könnten Plakate fertigen und kleben, Hausbesuche machen und Straßendiskussionen durchführen. Würden alle Parteien das tun, gäbe es keine Wettbewerbsverzerrungen. Das Publikum würde aufhorchen: Abgestumpft durch die Methoden der kommerziellen Medienwerbung würde ihm die Laienwerbung auffallen. Es könnte meinen, die Parteienvertreter suchten das Gespräch mit ihnen wirklich aus Interesse. Die Parteien würden sich dem Volke annähern.

Auch innerparteilich würden mit "Opas Wahlkampf" die Verhältnisse geändert. Für die Parteiführungen gewönnen die Mitglieder an Bedeutung. Sie könnten nicht mehr über deren Köpfe hinweg Kampagnen veranstalten. Das innerparteiliche Gespräch käme in Gang. Damit wäre eine Aufwertung der Rollen der Parteimitglieder verbunden, was wiederum wegen der gesteigerten Attraktivität Mitgliederzulauf bringen könnte. Die Parteien befänden sich auf dem Weg zu wirklichen Organisationen des ganzen Volkes. Sie müssen sich selber nur realistisch sehen, damit sie den Willen zu Reformen auch bei sich selber entwickeln können. Aus dem jeder Organisation immanenten Selbsterhaltungstrieb heraus werden sie nach und nach auch darauf kommen. So gesehen täten die Parteien etwas für ihre Zukunft, öffneten sie sich folgenden Reformvorschlägen:

- Überall bei Wahlkämpfen - auch auf der Bundesebene - wird das Kumulieren und Panaschieren eingeführt. So würde die Macht der Parteifunktionäre durch Partizipation der Wähler bei der Führungsauswahl und Konkurrenz gegen ihre Apparate begrenzt. Durch Wegfall der Sperrgrenze würde der Konkurrenzdruck auf die Parteiführung erhöht.

- Die repräsentative Demokratie wird systematisch auf allen Ebenen der Politik durch Elemente der plebiszitären Demokratie ergänzt. Die Dominanz der Parteien bei der politischen Willensbildung würde dadurch gemindert werden.

- In Vorwahlen werden Bürger, die nicht Parteimitglieder sind, an der Kandidatenauswahl beteiligt. Die Macht der Hinterstübchen würde dadurch reduziert werden.

- Bei der Zuweisung von Mandaten werden durch eine Netto-Brutto-Regelung anteilig nur so viele Mandate vergeben wie die Parteien Stimmenanteile erhalten haben. Die Parteien würden gezwungen, sich um die Nichtwähler zu kümmern.

- Da die Politikereinkommen mittlerweile auskömmlich sind, werden sie festgeschrieben. Die Politiker sollen nicht abheben vom Volk.

- In Wahlkämpfen wird das Gebot der Personalisierung aufgegeben. Mit an Sachthemen orientierten Wahlkämpfen gewönnen die Partei Vertrauen bei den Wählern zurück.

- Die öffentlichen Zuschüsse für die Parteien und ihre Umfelder werden abgebaut. So würden die Parteien gezwungen, auf die Ressourcen ihrer Mitglieder zurückzugreifen. Das Funktionärsdenken würde an Bedeutung verlieren, und die Mitgliedschaft in Parteien für mehr Bürger interessant werden.

Die Parteien müssen bei sich selber praktizieren, was sie von den Bürgern fordern: Einschränkungen hinnehmen, und dies als Reform begreifen. Die Beschränkungen bei den Parteien betreffen ihre Macht, ihre Präsentation und ihre Finanzen: Das ist bitter für sie. Aber so kommen sie dem Volke näher. Denn wer selber tut, was er von anderen verlangt, gewinnt Glaubwürdigkeit.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Jürgen Dittberner, "Sind die Parteien noch zu retten?" Die deutschen Parteien: Entwicklungen, Defizite und Reformmodelle, Berlin 2004.

  2. Robert Michels, Zur Soziologie des Parteiwesens in der modernen Demokratie. Untersuchungen über die oligarchischen Tendenzen des Gruppenlebens, Stuttgart 1925(2).

  3. Jürgen Dittberner/Rolf Ebbighausen, Parteiensystem in der Legitimationskrise. Studien und Materialien zur Soziologie der Parteien in der Bundesrepublik Deutschland, Opladen 1973.

  4. Dass die Sperrgrenze aber kein sicherer Schutz gegen aufkommende Konkurrenz ist, hat das Eindringen der Grünen in das etablierte Parteiensystem ab 1982 gezeigt.

  5. Vgl. Theo Schiller/Volker Mittendorf (Hrsg.), Direkte Demokratie. Forschung und Perspektiven, Wiesbaden 2002.

  6. Vgl. Jürgen Dittberner, Vom Irrweg des innerparteilichen Plebiszits, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen (ZParl), (1998)2.

  7. Vgl. Sven T. Siefken, Vorwahlen in Deutschland? Folgender Kandidatenauswahl nach U.S.-Vorbild; in: ZParl, (2002)3.

  8. Vgl. Thomas Kleinhenz, Die Nichtwähler. Ursachen der sinkenden Wahlbeteiligung in Deutschland, Opladen 1995.

  9. Der CDU-Stadtrat Antes gab einem Bauskandal seinen Namen.

  10. Vgl. Thomas Drysch, Parteienfinanzierung. Österreich, Schweiz, Bundesrepublik Deutschland, Opladen 1998; J.Dittberner/R. Ebbighausen (Anm. 3).

Dr. rer. pol., geb. 1939; 1975-1986 für die FDP Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin; 1986-1993 Staatssekretär in Berlin und Brandenburg; seit 1993 Professor für Politikwissenschaft an der Universität Potsdam.
Anschrift: Universität Potsdam, Karl Marx Str. 67, 14482 Potsdam.
E-Mail: E-Mail Link: jdittb@rz.uni-potsdam.de

Veröffentlichungen u. a.: Neuer Staat mit alten Parteien? Die deutschen Parteien nach der Wiedervereinigung, Opladen-Wiesbaden 1997; "Sind die Parteien noch zu retten?" Die deutschen Parteien: Entwicklungen, Defizite und Reformmodelle, Berlin 2004.