Editorial
- "Meine Herren! Mißverstehen Sie mich nicht: Ich schreibe diese Adresse nicht trotzdem, daß ich ein schwaches Weib bin – ich schreibe sie, weil ich es bin. Ja, ich erkenne es als meine heiligste Pflicht, der Sache Derer, welche nicht den Muth haben, dieselbe zu vertreten, vor Ihnen meine Stimme zu leihen. Sie werden mich deshalb keiner Anmaßung zeihen können, denn die Geschichte aller Zeiten hat es gelehrt und die heutige ganz besonders, daß Diejenigen, welche selbst an ihre Rechte zu denken vergessen, auch vergessen wurden."
Louise Otto (1848)
Als Revolutionärin und Gründungsfigur der bürgerlichen Frauenbewegung in Deutschland hat sie Eingang vor allem in die Stadtgeschichtsschreibung Leipzigs und Meißens und das kollektive Gedächtnis der Frauenbewegung gefunden. In diesem Jahr jährt sich ihr Geburtstag zum 200. Mal. Ihr Differenzfeminismus, der – verkürzt dargestellt – davon ausgeht, dass Mann und Frau vom Wesen her grundverschieden, aber gleichwertig sind, wirkt wie aus der Zeit gefallen. Ihre Überzeugung, dass jeder Mensch das gleiche Recht hat, sich in Freiheit zu entfalten und teilzuhaben am gesellschaftlichen und politischen Leben, ist nach wie vor hochaktuell.