Die Rolle des Internationalen Strafgerichtshofs
Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) ist eine junge, aber schon sehr beanspruchte Institution. Die derzeitigen Ermittlungen bringen das Gericht an die Grenze seiner Belastbarkeit. Grundsätzlich stellt sich die Frage, welche Rolle der IStGH bei der Aufarbeitung massiver Menschenrechtsverletzungen spielen kann und soll.Einleitung
Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) beruht auf einem völkerrechtlichen Vertrag, welcher - nach einer bis zu den Nürnberger Prozessen zurückreichenden Entstehungsgeschichte[1] - am 17. Juli 1998 in Rom verabschiedet wurde (IStGH-Statut).[2] Wider Erwarten ist das Statut schon nach vier Jahren am 1. Juli 2002 in Kraft getreten und wurde bis zum 1. September 2006 von 102 Staaten ratifiziert.[3] Das Statut besteht aus 13 Teilen und 128 Artikeln, mit denen die materiell- und verfahrensrechtlichen Grundlagen des Völkerstrafrechts erstmals zusammenfassend kodifiziert werden.[4] Es wird ergänzt durch weitere Rechtsinstrumente, nämlich die "Verbrechenselemente" und "Verfahrens- und Beweisregeln", die von der Vertragsstaatenversammlung (dazu sogleich) am 9. September 2002 verabschiedet wurden,[5] sowie die vom Gericht selbst am 26. Juni 2004 erlassenen "Regulations of the Court" und die von der Kanzlei am 6. März 2006 erlassenen "Regulations of the Registry".[6]Der IStGH wurde als ständige Einrichtung in Den Haag errichtet (Art. 1, 3).[7] Er ist kein Organ der Vereinten Nationen (UN), mit diesen aber durch eine Sondervereinbarung ("relationship agreement" vom 4. Oktober 2004) verbunden (Art. 2). Das Gericht besteht aus dem Präsidenten, einer Vorverfahrenskammer ("Pre-Trial Chamber") und zwei Hauptverfahrenskammern ("Trial und Appeals Chamber") sowie der Anklagebehörde ("Office of the Prosecutor") und der Kanzlei ("Registry", Art. 34ff.); (siehe Schaubild 1 der PDF-Version). Derzeit beschäftigt es 409 Personen aus 71 Ländern.[8] Zur Unterstützung der Verteidigung wurde ein "Office of Public Counsel" bei der Kanzlei eingerichtet. Die ersten 18 hauptamtlichen Richterinnen und Richter wurden im Februar 2003 für drei, sechs bzw. neun Jahre von der Vertragsstaatenversammlung gewählt, am 26./27. Januar 2006 fand die erste Neu- bzw. Wiederwahl von sechs Richtern statt; dabei wurden fünf "alte" Richter wiedergewählt.[9]
Die Anklagebehörde ist eine vom Gericht unabhängige und hierarchische Behörde und wird von dem Argentinier Luis Moreno-Ocampo ("The Prosecutor") geleitet (Art. 42).[10] Er wurde am 21. April 2003 gewählt und trat am 16. Juni sein Amt an. Er hat zwei Stellvertreter für die Bereiche "investigations" (Serge Brammertz, Belgien) und "prosecution" (Fatou Bensouda, Gambia), wobei Brammertz seit Januar 2006 in den Libanon zur Leitung der UN-Ermittlungen wegen der Ermordung des ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafiq Hariri abgeordnet ist.[11] Die Anklagebehörde hat u.a. mit Interpol am 22. Dezember 2004 eine Kooperationsvereinbarung geschlossen; auf dieser Grundlage wurden am 1. Juni 2006 die Haftbefehle gegen fünf Kommandanten der ugandischen Lord's Resistance Army (LRA) an 184 Länderpolizeien übermittelt.[12] Die Kanzlei ist für die Verwaltung und den Dienstleistungsbereich des Gerichts zuständig. Die Vertragsstaatenversammlung (Assembly of States Parties - ASP) besteht primär aus den Vertragsstaaten, doch haben in ihr auch solche Staaten Beobachterstatus, die lediglich das Statut oder die Abschlusserklärung unterzeichnet haben. Sie soll normalerweise jährlich, in besonderen Fällen auch in außerordentlichen Sitzungen zusammentreten. Derzeit finden die Sitzungen jährlich abwechselnd in Den Haag und New York statt. Die ASP ist das politische Entscheidungsorgan des Gerichts, sie soll auch Streitigkeiten über die Auslegung des Statuts schlichten und gegebenenfalls eine Vorlage an den Internationalen Gerichtshof (IGH) empfehlen (Art. 119 Abs. 2).