Politische Bildung in der dualen Berufsausbildung
Berufsausbildung im dualen System
Mit der Berufsausbildung im dualen System mit ihren Trägern Betrieb und Berufsschule unterscheidet sich Deutschland von anderen Ländern. Die duale Berufsausbildung kann unter verschiedenen Aspekten betrachtet werden.[4] Unter rechtlichem Aspekt ist die Berufsausbildung im dualen System Gegenstand verschiedener Rechtsbereiche. Die Betriebe sind überwiegend Privatunternehmen, die Berufsschulen zumeist öffentliche Einrichtungen. Die Ausbildung im Betrieb ist durch bundeseinheitliche Ausbildungsordnungen geregelt, während der Unterricht in den Berufsschulen anhand von Rahmenlehrplänen erfolgt. Die duale Berufsausbildung wird erst unter berufspädagogischen Aspekten verständlich. Die Abgrenzung der Aufgaben von Ausbildungsbetrieb und Berufsschule ist schwierig. Häufig geht man davon aus, dass im Betrieb mehr die praktischen Fertigkeiten und Erfahrungen erworben werden, während in der Berufsschule die Berufstheorie vermittelt und der allgemeine Unterricht weitergeführt wird. In der Realität sind jedoch die praktische Ausbildung im Betrieb und die theoretische Ausbildung in der Berufsschule nicht voneinander zu trennen.Im Alltag der Berufsausbildung besteht oft ein Nebeneinander von betrieblicher und schulischer Ausbildung. Außerdem wird seit langem eine strikte Trennung von beruflicher und politischer Bildung beobachtet und bewertet: hier berufsspezifisches Lernen im Betrieb - dort gesellschaftsbezogenes Lernen in den allgemeinbildenden Fächern, besonders im Politikunterricht der Berufsschule.[5] In dieser Separierung liegt der Grund dafür, dass die Potenziale politischer Bildung in der betrieblichen Berufsausbildung verkannt werden. Die Vorteile betrieblicher Berufsausbildung gegenüber schulisch organisierten Bildungsgängen bestehen gerade darin, dass themenbezogen konkrete Anlässe Auszubildende zur Kommunikation und Interaktion, zum Erwerb sozialer und politischer Erfahrungen anregen können.[6] Insofern bietet die betriebliche Berufsausbildung jungen Erwachsenen einen Ort, um soziale Verhaltensweisen und die Erfahrung von Möglichkeiten und Grenzen der Selbst-, Mit- und Fremdbestimmung zu erproben.
Jenseits der Trennung von berufsspezifischem und gesellschaftsbezogenem Lernen benötigen Schulabsolventen für die Aufnahme einer Berufsausbildung in einem der 350 Ausbildungsberufe grundlegende Kenntnisse und auch Fähigkeiten. Nach jahrzehntelangem Streit haben Fachleute im Rahmen des Nationalen Paktes für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in Deutschland Merkmale der Ausbildungsreife definiert. Demnach ist eine Person dann ausbildungsreif, "wenn sie die allgemeinen Merkmale der Bildungs- und Arbeitsfähigkeit erfüllt und die Mindestvoraussetzungen für den Einstieg in die berufliche Ausbildung mitbringt".[7] Aus Sicht der Experten gehören zu den unverzichtbaren Mindeststandards schulische Basiskenntnisse, psychologische Leistungsmerkmale, physische Merkmale, psychologische Merkmale des Arbeitsverhaltens und der Persönlichkeit sowie Berufswahlreife.
Wird dieser Kriterienkatalog auf die politische Bildung bezogen, fällt auf, dass keine politischen Kenntnisse für die Aufnahme einer Berufsausbildung gefordert werden. Doch genauer betrachtet sind verschiedene Merkmale der Ausbildungsreife der politischen Bildung zuzuordnen. Hierzu gehören beim Merkmalsbereich "schulische Basiskenntnisse" wirtschaftliche Grundkenntnisse; zu den Merkmalen der "Persönlichkeit" zählen "Kommunikationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Kritikfähigkeit, Selbstsicherheit, Teamfähigkeit, Umgangsformen und Verantwortungsbewusstsein". Diese persönlichen Charakteristika lassen sich indirekt der politischen Bildung zuordnen, ohne dass dies im Kriterienkatalog ausgewiesen wäre. Anders gesagt: Die wirtschaftlichen Grundkenntnisse und die genannten sieben Fähigkeiten sind gleichsam Ziele und Leistungen der politischen Bildung allgemeinbildender Schulen, worauf die Berufsausbildung aufbauen kann.