Indiens internationale Klimapolitik
Aspekte der indischen Klimapolitik
Keine Treibhausgas-Reduktionsziele: Indien, das die UN-Klimarahmenkonvention und das Kyoto-Protokoll unterzeichnet hat, lehnt es ab, auf internationaler Ebene Treibhausgas-Reduktionsziele zu vereinbaren. Angesichts seiner begrenzten Rolle bei der Entstehung des Problems, seiner übergeordneten Entwicklungsbedürfnisse sowie der historischen Verantwortung der Industrienationen könne nicht von ihm erwartet werden, derartige Ziele mitzutragen.[5] Weiter betont Indien, dass eine Reduktion der Treibhausgase um 9,7 % bis zum Jahr 2036 über 2,5 Billionen US-Dollar kosten würde - selbst einen Bruchteil davon könne es nicht einfach von den Entwicklungsinvestitionen abzweigen.[6] Gleichzeitig wird auf die zunehmenden Emissionen sowie die mangelnde Führungsrolle der Industrienationen hingewiesen.[7] Auf pragmatischer Ebene heißt es, dass die eigenen Emissionen keinen signifikanten Einfluss auf die Klimakurve hätten, da sie überschaubar seien und es bedeutende Umweltverschmutzer außerhalb der internationalen Regelwerke gebe.[8] Freiwillige Maßnahmen zur CO2-Reduktion: Nach Indiens Ansicht kann von den Entwicklungsländern nicht mehr erwartet werden, als freiwillige Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Wirtschaften zu "dekarbonisieren". Unter Dekarbonisierung versteht Indien, dass die mit der Zeit die CO2-Intensität einer Wirtschaft abnimmt - nicht jedoch die absolute Menge an Treibhausgasen.[9] Dazu gehört, dass Energie effizienter genutzt wird, dass eine Verlagerung von fossilen Brennstoffen zu erneuerbaren Energien (einschließlich Wasserkraft) und Atomenergie stattfindet und dass sich Produktions- und Konsumgewohnheiten verändern.In zahlreichen internationalen Stellungnahmen listet Indien die Maßnahmen auf, die es im Sinne der Dekarbonisierung eingeleitet hat.[10] So gibt es Initiativen zur Förderung erneuerbarer Energien, zur Energieeffizienz und Energieeinsparung; zur Säuberung des Verkehrs (durch Einführung von Euronormen) und zur Umstellung aller öffentlichen Verkehrsmittel in Neu Delhi auf Gasantrieb; zur Entwicklung treibstoffeffizienter Maschinen und Geräte; sowie zur Aufforstung und Wiedernutzbarmachung von Land. Auf verschiedenen Gebieten werden zudem die Möglichkeiten zur weiteren Emissionsreduktion ermittelt, zum Beispiel das Potential im Rahmen des Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung (CDM, Clean Development Mechanism).[11] Der notwendige Investitionsaufwand für den Übergang zu einem geringeren CO2-Verbrauch wird dabei während des nächsten Fünfjahresplans (2012 bis 2017) auf 25,1 Milliarden US-Dollar geschätzt.[12]
2008 versprach der indische Premierminister Manmohan Singh, dass eine umfassende Neuregelung des öffentlichen Verkehrs kurz bevorstehe und ein nationales Netzwerk verschiedener Institutionen zum Thema Klimawandel gebildet werden solle. Zudem erwäge die Regierung, einen Risikokapitalfonds zu errichten, der grüne Technologien unterstützt.[13] Für Indien sei aber auch ganz klar, dass die für die Entwicklungsländer notwendigen Anstrengungen "nicht ihren Möglichkeiten beschleunigter sozialer und wirtschaftlicher Entwicklung entgegenstehen sollen".[14] Faire Pro-Kopf-Emissionsrechte und Angleichung der Pro-Kopf-Emissionen: Indien tritt für gleiche Emissionsrechte für alle ein.[15] Der vormalige Premierminister Atal Bihari Vajpayee betonte, "[we] do not believe that the ethos of democracy can support any norm other than equal per capita rights to global environmental resources."[16] Im Hinblick auf eine Verringerung der Unterschiede der Pro-Kopf-Emissionen bedeutet Gleichheit in den Klimaverträgen für Indien, dass die Industrieländer akzeptieren, dass die Emissionen der Entwicklungsländer zunehmen werden und die entwickelten Länder sich bemühen, ihre Emissionen zu senken. Deutschland hat dieser Ansicht zugestimmt[17] - doch nur wenige andere Länder haben dies auch getan oder werden es noch tun. Beim G8-Gipfel in Heiligendamm im Juni 2007 verpflichtete sich Indien, dass seine Pro-Kopf-Emissionen die Werte der Industrieländer nicht überschreiten werden.[18] Nach Ansicht des Premierministers werde dies die entwickelten Länder anspornen, innerhalb kurzer Zeit ihre Pro-Kopf-Emissionen zu reduzieren.[19]
Ein entwicklungsorientierter Begriff der Generationengerechtigkeit: Von diesem Aspekt führt Indien eine interessante Variante ins Feld: Sollte sich sich das heutige Wirtschaftswachstum nicht auf gleichbleibend hohem Niveau fortsetzen, so die offizielle Position, werden zukünftige Generationen noch viel stärker vom Klimawandel betroffen sein. Gerechtigkeit würde daher erfordern, dass die heutige Generation der Entwicklung und einem anhaltend hohen Wirtschaftswachstum oberste Priorität einräumt.[20] Laut Premierminister Singh ist es eine "Tatsache", dass nur "mehr und nicht weniger Entwicklung gewährleistet, dass sich die Entwicklungsländer des Umwelt- und Klimaschutzes annehmen".[21] Ein Fonds zur Schaffung sauberer Technologien: Indien schlägt die Schaffung eines "Clean Technology Acquisition Fund" vor. In Gleneagles 2005, bei den UN-Generalversammlungen 2006 und 2008 sowie bei der 15. Sitzung der UN-Kommission für nachhaltige Entwicklung 2007 wiesen die indischen Vertreter darauf hin, dass Indien sich jene Technologien, die helfen könnten, das CO2-Level des Landes zu senken, aufgrund der Urheberrechte und hoher Kosten einfach nicht leisten könne.[22] Da das Thema des geistigen Eigentums bereits im Zusammenhang mit HIV/AIDS in Entwicklungsländern erfolgreich behandelt wurde, plädiert Indien dafür, dass dies nun auch auf dem Gebiet der nachhaltigen Entwicklung geschehen solle.[23] Der Premierminister hat in jüngerer Vergangenheit immer wieder betont, dass "Klimagerechtigkeit" aus seiner Sicht "eine gerechte, ausgewogene und transparente weltweite Regelung für den Technologietransfer" darstelle.[24]