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Kinder und Karrieren: Die neuen Paare

Kathrin Mahler Walther Helga Lukoschat Helga Kathrin Mahler Walther / Lukoschat

/ 15 Minuten zu lesen

Paare, die sich Familien- und Erwerbsarbeit partnerschaftlich teilen, müssen hohen persönlichen Einsatz bringen. Doch das anspruchsvolle Lebensmodell lohnt sich nicht nur für die Paare selbst.

Einleitung

Viele junge Paare wünschen sich, Familien- und Erwerbsarbeit partnerschaftlich zu teilen. Knapp zwei Drittel aller Eltern mit Kindern unter elf Jahren streben ein Lebensmodell an, in dem beide Partner Berufstätigkeit mit familiärem Engagement verbinden können - dies bekräftigt unter anderem eine repräsentative Forsa-Umfrage aus dem Jahr 2008. Doch bisher gelingt es wenigen, diesen Wunsch zu realisieren. Meist ist es die unzureichende Infrastruktur zur Betreuung und Bildung von Kindern im Zusammenspiel mit überlieferten Rollenmustern und Erwartungen, an denen die Umsetzung scheitert. Eine zukunftsfähige Gesellschaft braucht jedoch Frauen und Männer in beiden Rollen: als kompetente Fach- und Führungskräfte und als engagierte Eltern.


Wie kann ein solches Lebenskonzept gelingen? Diese Frage stand im Zentrum der Studie, für welche die EAF - Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft im Auftrag der Bertelsmann Stiftung und des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) rund 1200 Doppelkarrierepaare mit Kindern in Deutschland befragt hat.


Angesichts der aktuellen demografischen, kulturellen und politischen Entwicklungen gewinnen die Faktoren, unter denen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gelingen kann, immer mehr an Bedeutung. Das neue Unterhaltsrecht zum Beispiel unterstützt die traditionelle Aufgabenteilung zwischen Frauen und Männern nicht mehr, sondern geht von der (überwiegenden) Berufstätigkeit der Frau aus - doch dafür müssen die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen werden! Vor diesem Hintergrund will die Studie aufzeigen, welche Rahmenbedingungen von Wirtschaft und Politik gefördert werden müssen, damit es in der Zukunft mehr Paaren gelingt, ihre Lebenswünsche zu verwirklichen und Kinder und Karrieren miteinander zu verbinden.

Für junge, gut qualifizierte Frauen und Männer ist mit der Familiengründung in der Regel ein schwieriger Prozess der Auseinandersetzung verbunden. Die Geburt des ersten und vor allem des zweiten Kindes führt in den meisten Fällen zur traditionellen Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern, weil nicht nur die kulturellen Muster, sondern vor allem die infrastrukturellen Rahmenbedingungen in Deutschland diese begünstigen. Damit wird eine Entwicklung in Gang gesetzt, die kaum noch umkehrbar ist: Die ohnehin geringeren Karrierechancen von Frauen werden durch die Unterbrechung und Reduktion der Erwerbstätigkeit zusätzlich beeinträchtigt, während sich die Männer in der Verantwortung sehen, für den finanziellen Unterhalt der Familie weitgehend allein sorgen zu müssen.

Die von uns nach ihren Erfahrungen und Erfolgsstrategien befragten Paare haben dagegen - mit sehr viel Einsatz und Engagement - einen anderen Weg für sich gefunden. Es geht bei ihnen nicht um Karrieren um jeden Preis, doch handelt es sich bei den Frauen eben um jene, die nicht automatisch zurückstecken. Wir verstehen die "neuen Paare" als Avantgarde unserer Gesellschaft in dem Sinne, als ihr Lebensmodell wegweisend ist. Denn langfristig können Frauen und Männer die Herausforderungen moderner Lebens- und Erwerbsverhältnisse nur im partnerschaftlichen Miteinander schultern.

Ausgangspunkt der Untersuchung bildeten nicht zuletzt die Ergebnisse unserer Studie über Mütter in Führungspositionen, welche die EAF gleichfalls gemeinsam mit der Bertelsmann Stiftung und dem BMFSFJ 2006 angestellt hatte. Hier zeigte sich, dass es für erfolgreiche Mütter entscheidend ist, männliche Partner an der Seite zu haben, die sie voll und ganz unterstützen und bereit sind, eine aktive Rolle in der Familie auszuüben. Deshalb haben wir mit der vorliegenden Studie unser Augenmerk verstärkt auf die Männer und auf das Miteinander der Paare gerichtet.

Zugleich ist der Fokus der Untersuchung bewusst auf Führungskräfte ausgerichtet, weil sie es sind, welcher die Unternehmenskultur stark beeinflussen und verändern können. Wenn sie sich für Familienfreundlichkeit einsetzen, dann hat das positive Auswirkungen für zahlreiche Beschäftigte im Unternehmen. Wenn männliche Führungskräfte mehr Freiraum für familiäre Interessen fordern, können sie das Väterthema durch ihr Beispiel im Unternehmen und in der Gesellschaft stärker voranbringen, als nur durch zahlreiche Verlautbarungen und Absichtserklärungen. Nicht zuletzt haben wir unseren Blick auch deshalb auf Führungskräfte gerichtet, weil sie häufig über finanzielle Ressourcen verfügen, um ein Lebensmodell zu leben, das viele andere sich wünschen, aber eben noch nicht umsetzen können.

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie bestätigen, dass es derzeit noch eines Höchstmaßes an Engagement und Einsatzbereitschaft bedarf, um Kinder und Karriere miteinander zu vereinbaren. In jedem Fall haben die Paare einen Preis zu zahlen, und das durchaus nicht nur in finanzieller Hinsicht. Die Organisation der Kinderbetreuung und das Zeitmanagement werden als größte Herausforderung gesehen: Rund die Hälfte der Mütter und Väter ist unzufrieden mit der eigenen work-life-balance.

Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass sich der hohe Einsatz lohnt. Es ist für die Paare charakteristisch, dass beide Partner in beiden Welten - der beruflichen und der familiären - zu Hause sind, was das gegenseitige Verständnis und die Bereitschaft zur Unterstützung verstärkt und sich stabilisierend auf die Partnerschaft auswirkt. Insgesamt sind die Paare mit ihrem Lebensmodell, der Entwicklung ihrer Kinder und ihrer eigenen beruflichen Entwicklung sehr zufrieden. Die Familie stärkt ihnen den Rücken und ist ein wichtiger Ausgleich zum Berufsleben, wie die Aussage eines befragten Vaters bestätigt: "Wir haben ein gemeinsames Verständnis unseres Lebenskonzepts, das aus dem Herzen kommt. Für uns ist das ein echtes Erfolgsmodell - es macht sehr viel Spaß und ist extrem zukunftsfähig. Die Familie leidet nicht darunter und das Umfeld auch nicht. Wir können beide sowohl im Beruf erfolgreich als auch mit den Kindern aktiv sein."

Methodisches Vorgehen

Für die Untersuchung wurden etwa 1200 Frauen und Männer befragt, die in Paaren mit Kindern leben und in denen beide Partner eine Fach- oder Führungsposition ausüben oder anstreben. In einer Fallstudie wurden zunächst 25 Paare interviewt, bei denen beide Partner überwiegend hohe Führungspositionen in der Privatwirtschaft innehaben. In der anschließenden Online-Befragung haben wir den Kreis der Befragten auf Paare erweitert, die auch im öffentlichen Dienst und in anderen Bereichen tätig sind. Bei der Studie handelt sich damit um die bisher umfangreichste Untersuchung von Doppelkarrierepaaren mit Kindern in Deutschland. Sie stellt keine repräsentative Befragung dar: Die große Zahl von Teilnehmenden gewährleistet jedoch empirisch fundierte Angaben mit hoher Aussagekraft.

Die hohe Zahl der Teilnehmenden unterstreicht das große Interesse der "neuen Paare" und die Brisanz der Thematik. Dass vor allem Frauen großes Interesse an dem Thema haben, zeigte sich sowohl im Rahmen der Interviews, als auch in der Tatsache, dass 85 Prozent der Teilnehmenden Frauen waren. Tendenziell sind es die Frauen, die ein partnerschaftliches Lebensmodell und eine entsprechende Aufgabenverteilung vorantreiben. Die Teilnehmenden kamen außerdem ganz überwiegend aus den westlichen Bundesländern. Wir vermuten, dass das Thema in Ostdeutschland weniger brisant ist, weil die Vereinbarung von Beruf und Familie für beide Partner hier selbstverständlicher ist, wie auch andere Untersuchungen zeigen.

Berufs- und Lebenssituation

Die Frauen und Männer besitzen durchgehend eine hohe berufliche Qualifikation, in der Regel einen Hochschulabschluss, und verfügen häufig über ein überdurchschnittlich hohes Einkommen. Sie sind mehrheitlich als Angestellte in großen Organisationen mit mehr als 500 Beschäftigten tätig. Die Paare leben häufig in oder in der Nähe von Großstädten. Das Alter liegt im Durchschnitt zwischen Mitte 30 und Mitte 40. Mehr als die Hälfte der befragten Paare hat zwei oder mehr Kinder, zum Zeitpunkt der Befragung ist der Großteil der Kinder jünger als sechs Jahre gewesen. Bei der Geburt des ersten Kindes waren die Frauen im Durchschnitt Anfang 30, jede zehnte hat ihr erstes Kind ab einem Alter von 37 Jahren bekommen.

Rollen, Muster und Motive im Wandel

Die "neuen Paare" haben sich ganz bewusst für ihr Lebensmodell entschieden. Häufig haben sie sich während der Ausbildung kennengelernt und der intellektuelle Austausch war von Anfang an wichtiger Bestandteil der Beziehung. Auch die Erfahrungen im eigenen Elternhaus und das Erleben selbstverständlicher Vereinbarung von Beruf und Familie im Rahmen von Auslandsaufenthalten sind bedeutende Einflussgrößen. Die Begegnung auf Augenhöhe stellt für die Paare einen wichtigen Wert dar, sie wünschen sich eine egalitäre Partnerschaft. 76 Prozent der Teilnehmenden der Befragung streben eine gleiche Rollenverteilung an und haben sich deshalb für dieses Lebensmodell entschieden. Dazu gehört für sie auch die finanzielle Unabhängigkeit - sowohl die der einzelnen Partner als auch die der Familie, die nicht am "seidenen Faden" eines einzelnen Einkommens hängen soll.

Angesichts vieler Widerstände ist jedoch eine starke innere Überzeugung und Entschiedenheit notwendig, um dieses Lebensmodell tatsächlich umzusetzen. Die frühzeitige Thematisierung und Aushandlung gemeinsamer Zukunftsentwürfe ist daher eine wichtige Erfolgsstrategie der untersuchten Paare. Als Pioniere eines neuen Rollenverständnisses gehen sie eigene Wege jenseits ausgetretener Geschlechterpfade und benötigen dazu eine hohe Souveränität und eine starke Kommunikations- und Reflexionsbereitschaft. Denn jenseits überlieferter Rollenmodelle sind sie gezwungen, sich und ihr Leben in gewisser Weise selbst zu erfinden. Die Paare sind bereit, ihre Erfahrungen immer wieder gemeinsam zu reflektieren, sich mit Problemen auseinanderzusetzen, Verhaltensmuster und Überzeugungen in Frage zu stellen. Dabei müssen beide Seiten loslassen und alte Vorstellungen aber auch Gestaltungsmacht aufgeben - durchaus kein leichter Prozess. Doch auf diese Weise konnten sie vermeiden, unbewusst gesellschaftlich vorstrukturierten Mustern zu folgen und sich ungewollt in einem traditionellen Arrangement der Geschlechter wieder zu finden.

Die befragten Paare zeigen, dass in ihrer Lebensform ein besonderes Potenzial liegt: Die geteilte Verantwortung entlastet beide - sowohl in finanzieller als auch emotionaler Hinsicht. So zeigte eine Studie von Wassilios Fthenakis und Beate Minsel über junge Eltern, dass ungleiche Aufgabenverteilung zwischen den Partnern tendenziell zu Unzufriedenheit und Verschlechterung der Partnerschaftsqualität führt. Wenn Frauen voll berufstätig sind, beschäftigen sich Väter mehr allein mit den Kindern, wodurch die Mütter entlastet und die Väter zufriedener werden. Zugleich wächst die Beziehungszufriedenheit beider Partner.

Die Ergebnisse unserer Studie bestätigen diesen Befund. Die Paare streben zwar eine egalitäre Aufteilung von Haus- und Familienarbeit an, doch nur einem Fünftel gelingt dies tatsächlich. Sie sind im Durchschnitt zufriedener als jene Paare, bei denen ein Partner die Hauptlast der Arbeit schultert.

Arbeit und Familie neu bewertet

Die "neuen Paare" sind stark berufs- und aufstiegsorientiert. Sie verfügen über eine hohe Einsatzbereitschaft und sind bereit, im Bedarfsfall das Private zurückzustellen. Aber sie wollen keine Karriere auf Biegen und Brechen, vor allem nicht auf Kosten der Kinder. Mit ihnen verschieben sich die Prioritäten. Die Paare nehmen Auszeiten oder reduzieren ihre Arbeitszeit, schlagen ein Angebot zunächst aus oder verzichten auf den Ortswechsel. Das Besondere an den Paaren ist: Es sind nicht automatisch die Frauen, die wegen der Kinder beruflich kürzertreten. Die Kunst der Paare besteht darin, immer wieder aufs Neue auszuhandeln, wer welche Stufe der Karriereleiter nimmt.

Bei immerhin 15 Prozent der Teilnehmenden der Online-Befragung haben beide eine Auszeit genommen, die Männer in der Regel kürzer als die Frauen. In der Fallstudie gelang es immerhin 40 Prozent der Paare, sich die Auszeiten zu teilen. Zum Vergleich: Der bundesweite Durchschnitt lag zum Zeitpunkt, als die hier Befragten Väter wurden, bei etwa 4 Prozent. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang, dass sich nur ein knappes Drittel der Befragten bei der Entscheidung für oder gegen die Elternzeit des Mannes an der Gehaltsdifferenz zwischen den Partnern orientierte. So sagten lediglich 31 Prozent der Teilnehmenden der Online-Befragung, dass "Der/die Partner/in mit dem geringeren Lohn zu Hause bleibt bzw. reduziert." Deutlich wichtiger ist den Paaren eine gleiche Rollenverteilung und dass beide Elternteile einen engen Bezug zum eigenen Nachwuchs aufbauen - 70 Prozent der Paare geben dies als wichtiges Entscheidungskriterium an.

Insgesamt lässt sich sagen: Während sich bei Männern die Orientierung hin auf die Familie erweitert, lässt bei den Frauen die Orientierung auf den Beruf nicht nach. In der Regel halten die Mütter die berufliche Auszeit aufgrund der Geburt eines Kindes relativ kurz - drei Viertel der in der Fallstudie interviewten Frauen setzten bis höchstens sechs Monate komplett aus und stiegen danach mit reduzierter Vollzeit oder flexiblen Möglichkeiten zur Telearbeit wieder in den Beruf ein. Die Ergebnisse unserer Studie "Karrierek(n)ick Kinder" bestätigen sich hier: Frauen in Führungspositionen zeichnet eine starke Proaktivität und Kompromissbereitschaft aus. Sie entwickeln gegenüber dem Unternehmen eine Haltung des Gebens und Nehmens - sie treten für ihre Interessen ein, ohne die Interessen der Organisation aus dem Auge zu verlieren.

Lebensmodell mit Ausstrahlung

Vom Lebensmodell der "neuen Paare" geht in vielerlei Hinsicht hohe Strahlkraft aus. Als Motor dringend notwendiger Bewegung in Richtung Rollenwandel, Partnerschaftlichkeit und Familienfreundlichkeit bringen sie gesellschaftliche Entwicklungen voran. Dies gilt insbesondere für die Arbeitswelt.

Die "neuen Paare" setzen sich aktiv für die Erweiterung von Spielräumen zur Vereinbarung von Beruf und Familie ein - sowohl für sich selbst als auch für andere. Die finanzielle Unabhängigkeit, die sie durch das doppelte Einkommen gewinnen, wirkt hierfür unterstützend. Entscheidungsspielräume werden erweitert, denn Arbeitsbedingungen können ohne wirtschaftlichen Druck überprüft und gestaltet werden. Sie zeigen an ihrem eigenen Beispiel, dass es möglich ist, eine anspruchsvolle berufliche Position mit einer aktiven Rolle in der Familie zu verbinden und üben damit eine Vorbildfunktion aus. Zugleich sind sie als Führungskräfte Förderer von Chancen- und Familienfreundlichkeit in ihrem betrieblichen Umfeld. So sagt die Hälfte der Teilnehmenden der Fallstudie, dass ihr Verständnis für andere Beschäftigte mit Familie gewachsen sei und sie selbst an Glaubwürdigkeit hinzugewonnen hätten.

Auch ins persönliche Umfeld strahlt das Modell der "neuen Paare" aus. Mehr als die Hälfte berichtet von positiven Reaktionen und Nachahmern im Freundes- und Bekanntenkreis. Viele der Eltern sehen sich als auch Vorbilder für ein modernes Rollenverständnis ihrer Kinder, die durch das Lebensmodell in ihrer Selbständigkeit gestärkt werden.

Herausfordernde Arbeitswelt

Die moderne Arbeitswelt ist gekennzeichnet von grundlegenden Veränderungsprozessen. Neue Technologien eröffnen Gestaltungsspielräume für flexible Arbeitsmodelle, können aber auch zu einer permanenten Präsenz der beruflichen Arbeit in allen Bereichen des Lebens führen. Die zunehmende Entgrenzung muss durch eigene Abgrenzung individuell gestaltet werden. Den Erwartungen des Unternehmens, dem eigenen beruflichen Enthusiasmus und Engagement Grenzen setzen - das ist durchaus kein leichter Prozess.

Doch für die "neuen Paare" überwiegen die Chancen, welche die Wandlungsprozesse bieten. Flexible Arbeitsbedingungen gehören für sie zu den wichtigsten Voraussetzungen, um Kinder und Karriere miteinander vereinbaren zu können. So sind 98 Prozent der Befragten der Ansicht, dass Unternehmen sie vor allem durch die Erweiterung von Handlungsspielräumen zur individuellen Beeinflussung von Lage, Dauer und Verteilung der Arbeitszeit unterstützen sollten. 90 Prozent wünschen sich, bei Bedarf auch zu Hause arbeiten zu können.

Viele Unternehmen kommen diesem Wunsch bereits nach. So geben 82 Prozent der Befragten an, dass ihr Unternehmen Arbeitszeitflexibilität ermögliche, 62 Prozent können auch ihren Arbeitsort flexibel gestalten. Doch die entscheidende Barriere für die tatsächliche Nutzung solcher Angebote liegt in der Unternehmenskultur: 46 Prozent der Befragten kritisieren, dass in ihrem beruflichen Umfeld ein hohes Maß an täglicher Anwesenheit für künftige Karrierechancen entscheidend sei. Nur in 36 Prozent der Unternehmen wird individuelle Flexibilität unterstützt, hier zählen Arbeitsergebnisse und nicht die Dauer der Anwesenheit.

Die Erfahrungen der interviewten Führungskräfte verweisen darüber hinaus auf zwei weitere wichtige Erfolgsfaktoren für das Gelingen eines Lebens mit Kindern und Karrieren: Zum einen bedarf es eines Förderers im Unternehmen, der trotz des Familienmodells keine Zweifel an der Leistungsbereitschaft der Mutter oder des Vaters hegt. Das kann der unmittelbare Vorgesetzte sein oder auch ein Mentor an einer anderen Stelle im Unternehmen. Zum anderen ist die eigene proaktive und kompromissbereite Haltung bedeutsam. So haben die befragten Führungskräfte eigeninitiativ nach geeigneten Modellen gesucht, die sowohl zu den Interessen des Unternehmens als auch den eigenen Bedürfnissen passen.

Auf der Seite der Unternehmen findet die Thematik der Doppelkarrierepaare bisher nur wenig Beachtung. Ein dual career service, wie er derzeit an vielen Hochschulen Einzug hält, hat sich hier noch nicht etabliert. Unternehmen unterstützen berufsbedingte Umzüge durch Hilfe bei der Wohnungssuche oder einen Sprachkurs für den Partner, doch die Suche nach einer Fortführung der Berufstätigkeit wird nur selten gefördert.

Väter stoßen auf starke Widerstände

Unsere Studie zeigt, dass heutige Männer sich gemeinsame Zeit mit ihren Kindern wünschen. Und sie sind wichtig für deren Entwicklung - gerade für Jungen, die in eine neue Rollenverteilung hineinwachsen. Sie brauchen dringend Vorbilder und Mentoren, die in ihrem Leben präsent sind, sie motivieren und ihnen mögliche Wege aufzeigen.

Doch während bei Frauen im Allgemeinen zumindest akzeptiert wird, dass sie sich neben dem Beruf auch um ihre Familie kümmern müssen und dafür gewisse Spielräume brauchen, wird von Männern stärker die bedingungslose Einsatzbereitschaft für die Karriere erwartet. Insofern ist die Vereinbarung von Karriere und Kindern für sie oft schwieriger. Die männlichen Teilnehmer unserer Fallstudie berichten besonders häufig von Widerständen und Unverständnis, die Frauen bestätigen dies durch Beobachtungen in ihrem eigenen beruflichen Umfeld. Nur in jedem achten Unternehmen - so die Ergebnisse der Online-Befragung - wird in Betracht gezogen, dass Väter eine aktive Rolle in der Familie ausüben wollen. Vor diesem Hintergrund halten 91 Prozent der Befragten Unterstützungsangebote der Unternehmen für dringlich, die sich explizit an Väter richten.

Dabei zeigte die Fallstudie, dass Väter vor allem im Vorfeld einer familienfreundlicheren Neuregelung auf Unverständnis trafen und sich das Unternehmen anschließend, nachdem ein Weg gefunden war, mit der Situation arrangierte. Das heißt, dort, wo sich Betroffene aktiv für ihre familiären Interessen einsetzen, bewegt sich etwas. Nur wenn noch mehr Führungs- und Führungsnachwuchskräfte - vor allem Männer - offensiv zu ihren Familienambitionen stehen, wird sich die Akzeptanz erhöhen und werden mehr Männer sich ermutigt fühlen, diesen Weg zu gehen.

Modell voller Herausforderungen

Die Studie zeigt: Wenn es gelingt, eine anspruchsvolle Berufstätigkeit mit Kindern zu vereinbaren und für sich selbst eine stimmige Balance zu erreichen, ist dieses Lebenskonzept ein Erfolgsmodell. Doch es bedarf hoher persönlicher Leistung und Entschiedenheit, entgegen dem immer noch tief verankerten Modell zu leben, wonach der Mann der Haupternährer ist und die Frau doch vorwiegend für die Kinder und den Haushalt zuständig zu sein hat.

Eine der größten Herausforderungen liegt in der fehlenden Infrastruktur für die Vereinbarung von Beruf und Familie. Von Betreuungs- und Bildungseinrichtungen über Behörden und Arztpraxen - alles ist darauf ausgerichtet, dass ein Familienmitglied tagsüber frei verfügbar ist. Die Kinderbetreuung stellt dabei das größte Problem dar - geringe Abdeckung, kurze Öffnungszeiten, mangelnde Flexibilität und unzureichende Qualität - eine Vollzeittätigkeit beider Partner ist da schwer zu realisieren. In der Regel ist es unumgänglich, zusätzlich privat finanzierte Hilfe zu organisieren, was mit hohen Kosten verbunden ist. Ihre privilegierte finanzielle Situation hilft den Paaren aus unserer Studie, dieses anspruchsvolle Lebensmodell überhaupt zu verwirklichen.

Ist für die Betreuung der Kinder schließlich das passende Modell gefunden, stellen sich mit der Einschulung des Kindes die Probleme erneut. Schwierig wird es vor allem dann, wenn ein Umzug von einem Bundesland in ein anderes ansteht und die Kinder ein neues Schulsystem mit neuen Lehrplänen und -inhalten adaptieren müssen.

Zeit ist ein besonders knappes Gut. Immer wieder stehen die "neuen Paare" vor der Zerreißprobe: Sie brennen für ihren Job und genießen den beruflichen Erfolg. Andererseits lieben sie ihre Kinder und ihren Partner, ihre Familie hat einen hohen Stellenwert. Angesichts des engen zeitlichen Korsetts wünschen sich mehr als die Hälfte der Männer und ein Drittel der Frauen, weniger zu arbeiten. Fast die Hälfte der Teilnehmenden hätte gern mehr Zeit für die Kinder. Fast 90 Prozent wünschen sich mehr Zeit für den Partner bzw. die Partnerin.

Politik und Wirtschaft sind gefordert

Unsere Gesellschaft ist gefordert, geeignete Rahmenbedingungen für berufstätige Eltern zu schaffen. Hierzu wurden in den vergangenen Jahren sowohl seitens der Politik als auch seitens der Wirtschaft erste Schritte getan. Weitere sind jedoch dringend notwendig: Die Politik sollte

  • den Wandel von Geschlechterrollen und Einstellungen gegenüber berufstätigen Eltern fördern,

  • Väter stärker ins Blickfeld rücken,

  • Bildung- und Betreuungseinrichtungen ausbauen und deren Angebot miteinander verzahnen,

  • familiennahe Dienstleistungen vor Ort bzw. in den Kommunen stärken und

  • Familien steuerlich entlasten. Unternehmen sollten

  • eine familienfreundliche Unternehmenskultur fördern,

  • Spielräume zur bedarfsgerechten Gestaltung von Lage und Dauer der Arbeitszeit und des Arbeitsortes erweitern,

  • Serviceangebote für Eltern schaffen,

  • neue Karrieremuster entwickeln und

  • Doppelkarrierepaare in den Blick nehmen.

Chancengleichheit betrifft heute nicht nur die Frauen. Wir benötigen - in der Politik, aber vor allem auch in den Unternehmen - ein ganzheitliches Konzept, das Männer bzw. Väter einbezieht. Während die weiblichen Rollenbilder sich vervielfältigt haben, sind die männlichen Rollen vergleichsweise starr geblieben. Es geht heute darum, für beide Geschlechter mehr Optionen zu eröffnen, mehr Handlungsspielräume und letztlich Freiheiten zu gewinnen - zum Wohl der Paare als auch zum Wohl der Gesellschaft. Es würden große Chancen verspielt, wenn das Erfolgsmodell der "neuen Paare" nur einer gesellschaftlichen Elite vorbehalten bleiben würde.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Kathrin Walther/Helga Lukoschat, Kinder und Karrieren: Die neuen Paare, Gütersloh 2008.

  2. Christoph Wortig (39 Jahre), Mitglied der Deutsche Bank Geschäftsleitung Region Nordbaden.

  3. Vgl. Angelika Scheuer/Jörg Dittmann, Berufstätigkeit von Müttern bleibt kontrovers - Einstellungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie in Deutschland und Europa, in: Informationsdienst Soziale Indikatoren, (2007) 38, S. 1 - 5; Isolde Ludwig u.a., Managerinnen des Alltags. Strategien erwerbstätiger Mütter in Ost- und Westdeutschland, Berlin 2002.

  4. Vgl. Wassilios E. Fthenakis/Beate Minsel, Die Rolle des Vaters in der Familie, Stuttgart 2002.

  5. Helga Lukoschat/Kathrin Walther, Karrierek(n)ick Kinder. Mütter in Führungspositionen - ein Gewinn für Unternehmen, Gütersloh 2006.

Geb. 1970; Mitglied des Vorstandes und stellvertretende Geschäftsführerin der EAF - Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft Berlin e. V., Schumannstraße 5, 10117 Berlin.
E-Mail: E-Mail Link: mahler-walther@eaf-berlin.de

Dr. phil., geb. 1957; Mitglied des Vorstandes und Geschäftsführerin der EAF Berlin (s. o.) sowie Geschäftsführerin der Femtec, Hochschulkarrierezentrum für Frauen Berlin GmbH.
E-Mail: E-Mail Link: lukoschat@eaf-berlin.de