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Africa Command: "Pentagonisierung" oder integrierter Ansatz in der US-Afrikapolitik?

Stefan Gänzle

/ 16 Minuten zu lesen

Die Schaffung des neuen militärischen Regionalkommandos AFRICOM zeigt die strategische Bedeutungszunahme Afrikas in der US-Außenpolitik. Ziel ist, Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik stärker miteinander zu verzahnen.

Einleitung

Am 1. Oktober 2008 hat ein neues militärisches Regionalkommando der USA, das sogenannte Africa Command (AFRICOM), seine Arbeit aufgenommen. Eines seiner Hauptziele besteht darin, zivile und militärische Aspekte in der US-Afrikapolitik stärker miteinander zu verbinden und umfassend tätig zu sein. Dabei soll es sich vorrangig mit Fragen der Friedenserhaltung auf dem afrikanischen Kontinent beschäftigen. Der damalige US-Präsident George W. Bush kündigte an, dass AFRICOM "uns in unseren Bemühungen unterstützen wird, den Völkern Afrika Frieden und Sicherheit zu bringen und unseren gemeinsamen Zielen wie Entwicklung, Gesundheit, Bildung, Demokratie und wirtschaftliches Wachstum in Afrika näher zu kommen."


Damit zielt das Kommando darauf ab, eine engere Verknüpfung zwischen Entwicklungs-, Außen- und Sicherheitspolitik der USA gegenüber Afrika herzustellen. Während es gerade in dieser Hinsicht von einigen Beobachtern als ein neuartiges Experiment nach dem Ende des Kalten Krieges bezeichnet worden ist, ist die Schaffung von AFRICOM bei vielen anderen und insbesondere bei den Betroffenen selbst, den afrikanischen Staaten, auf heftige Kritik und Ablehnung gestoßen, die in dem Vorwurf einer schleichenden Militarisierung der US-Afrikapolitik gipfelte. Bereits in der Entstehungsphase sah sich AFRICOM so einer Reihe von Schwierigkeiten gegenüber, die im Rückblick deutlich werden lassen, vor welchen besonderen Herausforderungen die Zusammenarbeit von Akteuren an der Schnittstelle von Entwicklung und Sicherheit generell steht. Somit ist AFRICOM auch ein Lehrstück für die zivil-militärische Zusammenarbeit über den US-amerikanischen bzw. afrikanischen Kontext hinaus. Im Kern geht es dabei um die Frage, wie sich ein militärisches Kommando aufbauen lässt, das zivile Organisationen integriert, ohne dabei den Eindruck zu erwecken, die zivilen Komponenten instrumentalisieren zu wollen. Welche Implikationen ergeben sich aus dem Aufgabenspektrum von AFRICOM für die US-amerikanische Außen- und Entwicklungspolitik gegenüber Afrika? Welche Interessen verfolgen die USA überhaupt in Afrika? Und welche Bedeutung hat diese Politik gerade für die Europäer als zentrale Akteure in der Entwicklungszusammenarbeit im Übergang von der Regierung Bush zu der unter Barack Obama?

US-amerikanische Interessen in Afrika

Wie andere Akteure - zum Beispiel China, Indien oder etwa europäische Staaten - auch, haben die USA eine Reihe von Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen in Afrika. Diese befinden sich teilweise in einer komplexen Gemengelage, wie die Frage der Rohstoffversorgung und Energieversorgungssicherheit, die es nicht immer leicht macht, den jeweiligen Staaten entweder Altruismus oder pures Eigeninteresse vorzuwerfen. Aufgrund unterschiedlicher rechtlicher und normativer Standards beäugen sich diese Akteure sehr kritisch, gerade im Hinblick auf die wachsende Präsenz Chinas in Afrika, eines möglichen globalen Rivalen für "den Westen".

Obschon von offizieller Seite stets regelmäßig relativiert bzw. verneint, befinden sich die USA grundsätzlich in einer Konkurrenzsituation mit den an weltpolitischer Bedeutung gewinnenden Akteuren aus Asien. Gerade Chinas verstärkte Rolle in Afrika bedeutet aber auch eine Herausforderung für die Europäer, die wirtschaftlich noch immer die wichtigsten Partner Afrikas sind. China ist mittlerweile - nach den USA und Frankreich - drittwichtigster Handelspartner Afrikas und deckt ungefähr 30 Prozent seines Ölbedarfes vor allem aus Angola, Sudan und Kongo. Darüber hinaus unterhält die kommunistische Partei Chinas formelle Beziehungen zu fast allen afrikanischen Staaten und bietet "Entwicklungshilfe" jenseits der Konditionalität westlicher Entwicklungszusammenarbeit an. Gerade mit Blick auf die wichtigen Erdöllieferanten, zum Beispiel den Sudan, steht China allerdings im Verdacht, durch sein Stimmverhalten im UN-Sicherheitsrat das Regime in Khartum nicht nur passiv zu schützen, sondern auch UN-Sanktionen aktiv zu umgehen und die Regierung in Khartum mit Waffen zu versorgen.

Bereits heute stammt rund ein Fünftel aller US-Ölimporte aus Afrika, um 2015 sollen es mindestens 25 Prozent sein. Nigeria und Angola, deren Ausfuhren in die USA kombiniert im Jahr 2007 bereits höher lagen als jene aus Saudi-Arabien, finden sich unter den führenden Exporteuren. Es verwundert daher auch nicht, dass im Rahmen der "African Oil Policy Initiative" seit 2002 der Golf von Guinea als ein wichtiges Interessengebiet definiert worden ist und in den folgenden Jahren zum Gegenstand weiterer Initiativen wurde, die mit der Unterstützung der Küstenwache der Anrainerstaaten und der Einrichtung eines Radarsystems auf den Kapverdischen Inseln zur Erhöhung der maritimen Sicherheit beitragen sollte.

Grundzüge der US-Afrikapolitik seit 1990

Die Einrichtung von AFRICOM spiegelt zunächst einmal das neu erwachte Interesse der USA an Afrika wider - vor allem im Hinblick auf die geostrategische und ökonomische Wertschätzung des Kontinents. Nach den Anschlägen auf die US-Botschaften in Daressalam und Nairobi 1998, vor allem aber nach dem 11. September 2001, erfolgte ein Umdenken in der zuvor stark auf humanitäre Ziele ausgerichteten Afrikapolitik. Mit direkten militärischen Einsätzen in Afrika haben sich die USA nach ihrem zwar gescheiterten, aber humanitär begründeten Einsatz in Somalia Anfang der 1990er Jahre selbst weitgehend zurückgehalten. Der afrikanische Kontinent verlor für die US-Außenpolitik insgesamt an Bedeutung. So stellte die Clinton-Administration 1995 lapidar fest, dass "Amerikas Sicherheitsinteressen in Afrika sehr begrenzt" seien. Einer solchen Einschätzung mochte die Regierung Bush nicht mehr folgen: Sie umriss vielmehr relativ scharf ihre strategischen Ziele in Afrika. Dazu gehörten insbesondere der Aufbau afrikanischer Kapazitäten, Demokratieförderung, die Unterstützung zerbrechlicher Staaten, die Stärkung regionaler Organisationen und regionaler Sicherheit, die Anregung von wirtschaftlicher Entwicklung und Wachstum sowie der Ausbau der humanitären Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit.

Viele der Initiativen der Bush-Administration wurden durch die seit dem 11. September 2001 radikal veränderte Sicherheitslage und -wahrnehmung der USA nicht nur motiviert, sondern auch ausgelöst. So wurde in der US-Strategie für Nationale Sicherheit von 2002 die Gefahr betont, die von den vielen fragilen Staaten Afrikas ausgehe, und nachdrücklich gefordert, die sogenannten Ankerländer für regionale Sicherheit - insbesondere Kenia, Äthiopien, Südafrika und Nigeria - zu stärken. Die entwicklungs- und vor allem sicherheitspolitische Unterstützung Afrikas wurde damit entscheidend durch die US-amerikanische " Counter-terrorism Strategy" motiviert.

Unter der Regierung Bush wurden die Mittel für die Entwicklungshilfe in Afrika erheblich aufgestockt. Diese beliefen sich im Jahr 2005 auf 27,5 Milliarden US-Dollar und hatten sich damit gegenüber dem Wert von 2002 nahezu verdoppelt. Hinsichtlich des absoluten Umfangs von Entwicklungshilfe sind die USA weiterhin unangefochten auf dem ersten Platz unter den OECD-Staaten. Entsprechend der OECD-Definition repräsentiert die geleistete Entwicklungshilfe jedoch nur rund 0,22 Prozent des US-Bruttosozialprodukts - gemessen daran, leisten viele europäische Staten tatsächlich mehr. Neben der offiziellen staatlichen Entwicklungszusammenarbeit mit Großprojekten wie dem "Millennium Challenge Account", dem "President's Emergency Plan for AIDS Relief" mit einem Volumen von 15 Milliarden Dollar über einen Zeitraum von fünf Jahren sowie der "Initiative for Education in Africa", ausgestattet mit rund 400 Millionen Dollar für den Zeitraum von 2006 bis 2010, sind zudem zahlreiche private Großstiftungen mit Sitz in den USA, insbesondere die Bill and Melinda Gates Foundation, in Afrika aktiv.

Die Regierung Bush entwickelte eine Reihe von entwicklungspolitischen Instrumenten jenseits der klassischen Entwicklungshilfe weiter: Vom "African Growth and Opportunity Act" aus dem Jahr 2000, der Staaten in Subsahara-Afrika freien Warenzugang zum US-Markt bietet, profitieren mittlerweile rund 40 afrikanische Länder. Und auf internationaler Ebene hat die Bush-Administration die "Global Peace Operation Initiative" angeregt, deren Ziel es ist, bis 2010 rund 75 000 vor allem aus Afrika stammende Soldaten für friedenserhaltende Einsätze einsatzbereit zu haben und in der African Stand-by Force der Afrikanischen Union zu organisieren. Dieses erhöhte Engagement ist durchaus zum Nutzen afrikanischer Staaten. Die Behauptung, dass sich das wiedererwachte Interesse der USA ausschließlich an nationalen (Sicherheits-)Interessen oder einem neokonservativen Missionsgedanken orientiere, greift also zu kurz. Problematisch ist allerdings, dass die Summe der genannten Maßnahmen zu einem "institutionellen Wildwuchs" geführt hat, der einhergeht mit einer Schwächung der Entwicklungshilfe-Behörde USAID und des Außenministeriums. Darüber hinaus ist das strategische Gesamtbild von Afrika sehr stark aus der Perspektive des globalen Antiterrorkampfes gezeichnet worden - eine Herausforderung, der sich auch die Regierung Obama stellen muss.

Die US-Außenpolitik misst der regionalen Stabilität und der Terrorismusbekämpfung weltweit große Bedeutung bei. So heißt es in der nationalen Sicherheitsstrategie der USA von 2006 im Hinblick auf Afrikas Rolle für die US-Politik: "Afrika ist von wachsender geostrategischer Bedeutung und für diese Regierung von hoher Priorität. (...) Die USA erkennt, dass ihre eigene Sicherheit davon abhängig ist, mit Afrika partnerschaftlich zusammenzuarbeiten, um fragile und zerfallende Staaten zu stützen und unkontrollierbare Gebiete unter die Kontrolle von effektiven Demokratien zu bringen. (...) Um diese Herausforderungen zu bewältigen, denen Afrika gegenübersteht, ist Partnerschaft und nicht Paternalismus vonnöten. Unser Strategie besteht darin, wirtschaftliche Entwicklung und die Ausweitung effektiven, demokratischen Regierens zu fördern, so dass afrikanische Regierungen eine führende Rolle bei der Lösung afrikanischer Probleme übernehmen können."

Dementsprechend konzentrierten sich Initiativen wie beispielsweise die "Pan-Sahelian Initiative" (PSI) aus dem Jahre 2002 ausschließlich auf den Antiterrorkampf mit erheblichen Folgen für die betroffene Zivilbevölkerung (z.B. durch verschärfte Grenzkontrollen). Das seit 2005 bestehende und mit einem Jahresbudget von 100 Millionen Dollar ausgestattete "Trans-Saharan Counterterrorism Partnership" erweiterte die PSI um die Länder Algerien, Marokko, Nigeria, Senegal und Tunesien. Das Programm sieht erstmals auch eine verstärkte interministerielle Zusammenarbeit zwischen USAID (Bildung) und Außenministerium (Flughafensicherheit) vor. Mit ähnlichen Zielen richtet sich das unter Federführung des Außenministeriums stehende "East African Counter-Terrorism Program" mit dem Schwerpunkt Ausbildung von Grenzbeamten an die ostafrikanischen Staaten. Auch wenn die Förderung regionaler Stabilität für die Entwicklung wichtig erscheint, verengt sich der Blick doch stark auf die Bedingungen für eine aktive Einbindung afrikanischer Staaten in den globalen Antiterrorkampf.

AFRICOM: Aufgaben und Ziele

Mit der Einrichtung von AFRICOM reagierte die Regierung Bush schließlich auf die politischen Veränderungen und den Bedeutungszuwachs Afrikas. Gleichzeitig bot sie dem Pentagon die Möglichkeit, eine führende Rolle bei der Politikformulierung und -gestaltung zu übernehmen. Treibende Kraft war hierbei der damalige Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, der die Kompetenzen seines Hauses - auf Kosten des State Departments - im Zuge des globalen Antiterrorkampfes massiv ausgebaut hatte. Nach einer mehrjährigen Planungsphase entschied die Regierung im Januar 2007, ein eigenes Regionalkommando für Afrika einzurichten. Nur wenige Monate später, am 1. Oktober 2007, hat sich AFRICOM innerhalb des in den Kelley Barracks (in Stuttgart-Möhringen) stationierten Militärkommandos für Europa (EUCOM) konstituiert.

Bis dahin hatten sich insgesamt drei Regionalkommandos die Zuständigkeit für Afrika geteilt (vgl. Grafik in der PDF-Version): das EUCOM, das den Großteil des Kontinents abdeckte, sowie das CENTCOM (Central Command) und das PACOM (Pacific Command) mit Verantwortlichkeiten für Ostafrika (Horn von Afrika) bzw. die östlichen Inselstaaten (Komoren, Mauritius, Madagaskar). Mit der Umstrukturierung verknüpfte die Regierung Bush die Absicht, den Kontinent nunmehr als Ganzes - mit Ausnahme Ägyptens, das aufgrund seiner strategischen Nähe zum Nahen Osten und Israel bei CENTCOM verbleibt - ins Blickfeld zu nehmen. Ein erklärtermaßen partnerschaftlicher Ansatz, der die afrikanischen Staaten, Regionalorganisationen und die Afrikanische Union (AU) umfasst, soll dabei im Mittelpunkt der Arbeit stehen. Die Betonung der Zusammenarbeit mit Regionalorganisationen ist auch aus der europäischen Politik bekannt, hier vor allem in einer Partnerschaft zwischen EU und AU. Mit diesem Ansatz rücken auch für die Amerikaner Fragen der Koordination der Regierungspolitik sowie das Bemühen um Kohärenz in den Mittelpunkt.

Mit William E. Ward steht ein sehr erfahrener General an der Spitze des Kommandos. Anders als in den übrigen US-Regionalkommandos, ist einer seiner beiden Stellvertreter ein Zivilist bzw. eine Zivilistin. Bis Anfang des Jahres 2009 übte Mary C. Yates, eine Karrierediplomatin mit umfangreicher Afrika-Erfahrung, diese Funktion aus und war für die zivil-militärischen Aspekte von AFRICOM zuständig. Mit dieser Konstruktion versucht das Kommando seinen Anspruch sichtbar werden zu lassen, neben militärischer auch über Expertise im zivilen und humanitären Bereich zu verfügen.

Nach mehrfachen Präzisierungen lautet das aktuelle Mandat von AFRICOM nunmehr, die Zusammenarbeit mit anderen US-Behörden und internationalen Partnern zu fördern und ein nachhaltiges Engagement für Sicherheit durch das Militär im Sinne einer generellen Unterstützung der Außenpolitik der USA zu leisten. Der Auftrag von AFRICOM besteht darin, sich auf friedenserhaltende Maßnahmen und humanitäre Aufgaben zu konzentrieren und damit die Sicherheit in afrikanischen Staaten durch militärische, aber auch zivil-militärische Zusammenarbeit mit Partnerländern und -organisationen zu stärken. Ward hat in diesem Zusammenhang ausdrücklich von AFRICOM als einer "zuhörenden, wachsenden und sich noch entwickelnden Organisation" gesprochen. Im Bereich der friedenserhaltenden Maßnahmen führt AFRICOM die bereits seit mehr als zehn Jahren bestehenden US-Ausbildungsprogramme für afrikanische Partnerländer und -organisationen fort. Neben Programmen zur Förderung der maritimen wie auch der Luftsicherheit (z.B. "Safe Skies for Africa") bzw. im Rahmen der Terrorismusbekämpfung, ist es bemüht, auch als Akteur bei der medizinischen Versorgung und humanitären Unterstützungsmaßnahmen wahrgenommen zu werden.

Die US-Administration versichert, dass mit der Schaffung von AFRICOM nicht beabsichtigt sei, die eigene Militärpräsenz in Afrika auszubauen. Aufgrund der Irritationen, welche die Diskussionen um eine mögliche Verlegung des Hauptquartiers (mit bis zu 700 Mitarbeitern) von Deutschland nach Afrika auf Seiten afrikanischer Staaten hervorgerufen hatten, ist auch diese Frage bis 2012 zunächst einmal vom Tisch. Das Budget für operative Aufgaben von AFRICOM selbst beträgt 2009 rund 390 Millionen Dollar. Vorläufig bleiben die erheblichen Kosten noch unberücksichtigt, die mit der Schaffung eines dauerhaften Hauptsitzes verbunden wären - diese Unwägbarkeiten bei der Finanzierung haben mehrfach zu Kritik des amerikanischen Rechnungshofes an AFRICOM geführt. Das Kommando sieht zunächst auch von der Bildung von bis zu fünf regionalen Integrationsteams ab, die eine enge Zusammenarbeit mit den subregionalen Wirtschaftsorganisationen anstreben sollten. Stattdessen soll seine Präsenz innerhalb ausgewählter US-Botschaften verstärkt werden.

Gerade in den afrikanischen Regionalorganisationen hatte sich gegen die oben genannten Pläne Widerstand geregt. Die Diskussionen um mögliche Hauptquartier-Standorte wurden bereits zu einem Zeitpunkt geführt, als noch Unklarheit über Aufgaben und Ziele des Kommandos bestanden, wodurch das Verhältnis der USA zu einer ganzen Reihe von afrikanischen Staaten erheblich belastet worden ist. Da sich heute mit Ausnahme von EUCOM alle Regionalkommandos in den USA befinden, war es für das Pentagon kaum möglich, ausgerechnet in Afrika einen Standort zu legitimieren, ohne sich dabei dem Verdacht neokolonialer Attitüden auszusetzen.

Probleme der zivil-militärischen Verzahnung

Mit der Betonung der zivilen Komponente und dem partnerschaftlichen wie auch ressortübergreifenden Ansatz sind durchaus zukunftsweisende Elemente in die AFRICOM-Planung aufgenommen worden. Problematisch ist allerdings, dass bis heute gerade in diesen beiden Aufgabenbereichen erhebliche strukturelle Defizite und Schwierigkeiten zu beobachten sind:

Erstens ist die Personalausstattung bei AFRICOM noch unbefriedigend. Das Ziel, etwa ein Viertel der Stellen mit primär aus dem Außenministerium bzw. USAID stammenden Zivilisten zu besetzen, wurde weit verfehlt. Aufgrund des Personalmangels, aber auch wegen der unzureichenden Kompatibilität interministerieller Laufbahnen ist der perspektivische Anteil von Besetzungen aus State Department und USAID mittlerweile auf 4 Prozent reduziert worden. Bis heute stammen nur 27 Personen innerhalb des rund 1300 Personen zählenden Regionalkommandos aus zivilen Behörden oder Ministerien.

Zweitens hat der partnerschaftliche Ansatz gegenüber im Entwicklungsbereich tätigen NGOs und Regionalorganisationen in Afrika bislang versagt. AFRICOM hat erst relativ spät damit begonnen, afrikanische Regierungen und Organisationen über Aufgaben und Ziele ins Bild zu setzen. Es ist also nicht nur ein antiamerikanischer Reflex vieler Afrikaner, dass kein Staat sich bereit erklärte, das Hauptquartier von AFRICOM zu beherbergen - mit der Ausnahme Liberias, welches den USA traditionell sehr eng verbunden ist. Auch wichtige Partner wie Südafrika und Nigeria sowie Regionalorganisationen haben sich sehr ablehnend geäußert. Selbst amerikanische NGOs und Dachverbände (z.B. Global Impact oder Inter Action) verhalten sich zurückhaltend gegenüber AFRICOM, da sie Nachteile befürchten, die aus einer zu großen Nähe entstehen könnten.

AFRICOM hat seit dem Amtsantritt von Verteidigungsminister Robert Gates, der Donald Rumsfeld ablöste und als einziger Minister aus dem Bush-Kabinett von der Obama-Regierung übernommen worden ist, auf diese Entwicklungen mit einer stärkeren Fokussierung des Mandates und einer Betonung der militärischen Komponenten - insbesondere mit Blick auf Ausbildungshilfe - reagiert. Deutlich stärker müsste bei AFRICOM jedoch über Grundfragen diskutiert werden, die sich aus einer kooperativen Nähe von Außen-, Verteidigungs- und Entwicklungspolitik ergeben. Aufgrund der bestehenden außenpolitischen Herausforderungen der USA im Irak und Afghanistan ist allerdings zu nicht erwarten, dass in dieser Frage - selbst unter der Obama-Administration - rasch eine Grundsatzentscheidung herbeigeführt werden kann.

Lehren für Europa

Die USA sind in Afrika verstärkt aktiv und müssen in ihren Ansätzen und der politischen Praxis von der europäischen Afrikapolitik mit berücksichtigt werden. Welche Lehren kann Europa, das sich immer stärker im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) auf dem afrikanischen Kontinent engagiert, aus den amerikanischen Planungen zu AFRICOM ziehen:

Erstens: Es ist ratsam, die zielgerichtete Zusammenarbeit von Diplomatie, Verteidigung und Entwicklung (die drei Ds: diplomacy, development und defence) zu fördern. Fraglich ist allerdings, ob es sinnvoll ist, dies unter dem Primat der Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu tun. Hier steht die US-Außenpolitik in den kommenden Jahren vor einer großen Herausforderung, um die in der Ära George W. Bushs erfolgte "Pentagonisierung" in den US-Außenbeziehungen zu korrigieren.

Zweitens zeigen die amerikanischen Schwierigkeiten, dass afrikanische Staaten bzw. Regionalorganisationen möglichst frühzeitig in die Entscheidungsbildung über Einsatzformen eingebunden werden sollten, auch wenn sich diese Organisationen mitunter als schwierige Partner mit geringen Kapazitäten erweisen. Mit Blick auf mögliche militärische Einsätze in Afrika sollte es ohnehin ein vorrangiges Ziel sein, afrikanische Kapazitäten - im Rahmen von Afrikanischer Union und Vereinten Nationen - bei der Friedenserhaltung zu stärken. Dies ist in der europäischen Sicherheitsstrategie und ihrer Betonung auf effektiven Multilateralismus zwar angelegt, wird sich jedoch in der Praxis bewähren müssen.

Für die Europäer bedeutet dies, bei militärischen Einsätzen, etwa im Rahmen der ESVP, auf eine zielgerichtete und integrierte Strategie von Außen-, Verteidigungs- und Entwicklungspolitik zu achten. Dabei sollte nicht ein Politikbereich der ausschließlichen Logik eines anderen unterstellt werden. Eine enge Koordination und die Weiterentwicklung der Ressortkooperation auf europäischer Seite sind dabei unbedingt erforderlich.

Zusammenfassung und Ausblick

AFRICOM ist Ausdruck eines seit dem Ende der 1990er Jahre zu beobachtenden Umdenkens in der Afrikapolitik der USA. Seit dem Jahr 2000 ist ein erheblicher Anstieg der US-Entwicklungshilfe für Afrika zu verzeichnen. Dabei ist aber auch Washingtons wirtschaftliches, geostrategisches und militärisches Interesse an diesem Kontinent wiedererwacht, vor allem nach den Anschlägen vom 11. September 2001. In dem sich anschließenden globalen Antiterrorkampf machte das Pentagon dem State Department den politischen Führungsanspruch im Hinblick auf die US-Außenpolitik gegenüber Afrika streitig.

Vor diesem Hintergrund entstand der Eindruck, AFRICOM würde dauerhaft eine zentrale Koordinationsaufgabe im Rahmen der amerikanischen Afrikapolitik zufallen. Das Kommando geriet dabei aufgrund einer Reihe von innovativen Zielen unter einen (teilweise selbst verschuldeten) hohen Erwartungsdruck. Gleichzeitig konnte es sich aber auch nicht restlos dem Verdacht entziehen, ein Werkzeug des US-geführten globalen Antiterrorkampfes zu sein und primär den wachsenden sicherheitspolitischen und geostrategischen Eigeninteressen (z.B. der Rohstoffversorgung) der USA zu dienen.

AFRICOM versucht mit der Betonung der zivilen Komponenten - insbesondere bei zivil-militärischen Einsätzen - sowie dem partnerschaftlichen und ressortübergreifenden Ansatz wichtige und zukunftsweisende Elemente aufzunehmen. Problematisch ist aber, dass AFRICOM gerade in dieser Hinsicht, das heißt bei der Einbindung von Mitarbeitern aus Entwicklungsbehörde und Außenministerium (USAID und State Department) sowie bei der Umsetzung eines partnerschaftlichen Ansatzes mit afrikanischen Regionalorganisationen, bislang den hohen Zielmargen "hinterherläuft".

Trotz dieser Anfangsschwierigkeiten kann das Kommando grundsätzlich von einer enger werdenden interministeriellen Kooperation profitieren und Ansätze aus USAID und State Department aufgreifen. Dafür müssen aber die Behörden und Ministerien selbst zu einer stärkern Koordination bereit sein. Eine in diese Sinne mit dem Amtsantritt Barack Obamas erfolgte Wiederentdeckung des Nationalen Sicherheitsrates unter dem Vorsitz von James L. Jones und die (wieder aufgenommene) Diskussion um eine institutionelle Stärkung bzw. Aufwertung der Entwicklungszusammenarbeit in den USA sind als erste Schritte anzuerkennen. In jedem Falle ist es richtig, den besonderen Einfluss des Pentagons zu reduzieren und das Primat der Außenpolitik gerade auch bei integrierten Ansätzen wiederherzustellen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. So George W. Bush bei der Ankündigung zur Einrichtung des Africa Commands am 6. Februar 2007.

  2. Vgl. Sean McFate, U.S. Africa Command: A new strategic paradigm?, in: Military Review, (2008) January/February, S. 10. Zur Kritik an AFRICOM aus afrikanischen Staaten vgl. Berouk Mesfin, The establishment and implications of the United States Africa Command. An African perspective, ISS Paper, 183 (April 2009); Diana B. Putman, Addressing African Questions about legitimacy of the U.S. Africa Command (AFRICOM), in: Amy Richmond Krakowka/Laurel J. Hummel (eds.), Understanding Africa: A geographic approach, West Point, NY 2009, S. 123 - 155.

  3. Vgl. Christine Hackenesch, China and the EU's engagement in Africa: setting the stage for competition, conflict or cooperation?, DIE Discussion paper, (2009, i.E.).

  4. Vgl. Carmel Davis, AFRICOM's relationship to oil, terrorism and China, in: Orbis, 53 (2009) 1, S. 127ff.

  5. Vgl. National Intelligence Council, External Relations and Africa, Discussion paper, The Africa in 2020 Workshop, Washington, DC, March 16, 2004.

  6. U.S. Department of Defense, U.S. Security Strategy for Sub-Saharan Africa, Report published by the Office of International Security Affairs, Washington, DC, August 1, 1995.

  7. Der Begriff "Ankerländer" wird hier in einem militärischen Kontext verwendet, anders als in der deutschen bzw. europäischen Diskussion um Ankerländer und ihre aus dem ökonomischen Gewicht abgeleitete Rolle für global governance. Zur deutschen Diskussion siehe Jörg Faust/Dirk Messner, Arm, aber einflussreich: "Ankerländer" als außenpolitische Herausforderung, in: APuZ, (2009) 43, S. 28 - 34.

  8. OECD = Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Problematisch an staatlicher amerikanischer Entwicklungshilfe ist, dass im Jahr 2005 etwa 21,7 Prozent der geleisteten Gelder über das Verteidigungsministerium abgerechnet wurden, was jedoch darauf zurückzuführen ist, dass ein Großteil der Mittel für Maßnahmen im Irak und in Afghanistan ausgegeben wurde. Vgl. Center for Strategic and International Studies, Integration 21st century development and security assistance, Washington, DC 2008, S. 33.

  9. Vgl. Erik Lundsgaarde/Stefan Gänzle, With the passing of the torch, a new dawn for US foreign assistance?, DIE, Aktuelle Kolumne vom 19. Januar 2009.

  10. Nicolas van de Walle, US-Afrikapolitik: Bushs Vermächtnis und die Regierung Obama, GIGA Focus, (2009) 5, S. 6.

  11. The White House, The National Security Strategy, Washington, DC 2006, S. 37 (Übersetzung d. Verf.).

  12. Vgl. Robert G. Berschinski, AFRICOM's dilemma: The "global war on terrorism", "capacity building", humanitarianism and the future of U.S. security policy in Africa, Carlisle 2007.

  13. Derzeit prüft auch SOUTHCOM die Einrichtung einer derart organisierten Führungsspitze.

  14. William E. Ward, Statement before the House Armed Service Committee, Washington, DC, March 13, 2008, in: www.africom.mil/getArticle.asp?art=1679 (3. 7. 2009).

  15. Zum Beispiel mit der ECOWAS (Economic Community of West African States) in West- und der SADC (Southern African Development Community) in Südafrika.

  16. Vgl. US Government Accountability Office, Force structure. Preliminary observations on the progress and challenges associated with establishing the US Africa Command, Washington, DC, July 15, 2008.

  17. Zum Beispiel jew. vier aus dem Heimatschutzministerium und USAid, und jew. drei aus dem Außen- und dem Finanzministerium. Vgl. US AFRICOM, Inter-agency dashboard, data snapshot, April 1, 2009 (unclassified).

  18. Siehe hierzu auch die Äußerungen von Secretary of State Hillary R. Clinton anlässlich des Quadrennial Diplomacy and Development Review (QDDR), Washington, DC, am 10. Juli 2009, in: www.state.gov/ secretary/rm/2009a/july/125949.htm (21. 7. 2009).

Dr. phil., geb. 1970; wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt "Europäische Politik für globale Entwicklung", Abteilung Bi- und multilaterale Entwicklungspolitik, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Im Tulpenfeld 6, 53113 Bonn.
E-Mail: E-Mail Link: stefan.gaenzle@die-gdi.de