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Editorial | bpb.de

Editorial

Anne Seibring

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Vor gut 30 Jahren hörte die Sowjetunion auf zu existieren, symbolisiert durch den Rücktritt ihres Präsidenten Michail Gorbatschows am 25. Dezember 1991 und das Einholen der roten Unionsfahne über dem Kreml. Bereits am 8. Dezember hatten die Staatsoberhäupter Russlands, der Ukraine und Belarus beschlossen, die Union Sozialistischer Sowjet-Republiken aufzulösen, und die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten gegründet. Auch eine zweite sozialistische und multinationale Föderation ging in diesem Jahr ihrem Ende entgegen: In Südosteuropa zerfiel Jugoslawien, und die Kriege ab 1991 brachten überwunden geglaubte Bilder von Vertreibung und Völkermord zurück nach Europa.

Mit Perestroika und Glasnost, den Revolutionen von 1989 und dem Fall des Eisernen Vorhangs hatte sich nicht nur die individuelle Freiheit Bahn gebrochen, sondern auch das Verlangen nach nationaler Selbstbestimmung. Dass in einem anderen Teil des Kontinents mit dem Vertrag von Maastricht der Übergang von der Europäischen Gemeinschaft zur Europäischen Union die Verlagerung weiterer Kompetenzen auf eine supranationale Ebene nach sich zog, ist eine Ungleichzeitigkeit, die manche Friktion zwischen alten und neueren EU-Mitgliedern erklären mag. Doch spielen auch andere Faktoren eine Rolle bei der Frage, ob und wie sich die (Post-)Transformationsländer als Demokratien konsolidieren konnten oder sich re-autokratisierten.

Die geografische oder politische Nähe zur Russischen Föderation, der größten ehemaligen Teilrepublik der UdSSR, ist ein solcher Faktor. In Belarus herrscht trotz massiver Proteste "Europas letzter Diktator" mit Unterstützung Moskaus weiter. In Bosnien und Herzegowina betreiben die Vertreter der bosnischen Serben die Abspaltung des serbischen Teils, wohlwollend begleitet von Russlands Präsident Wladimir Putin. Und in der Ukraine wird angesichts der massiven russischen Militärpräsenz an der Ostgrenze eine Invasion befürchtet. Welche Antworten werden die europäischen und transatlantischen Partner auf diese und andere Herausforderungen geben, die in den Ereignissen von 1989/91 wurzeln?