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"Die Wahlnacht ist ein besonders sensibler Zeitraum" | Themen | bpb.de

"Die Wahlnacht ist ein besonders sensibler Zeitraum"

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Lange bevor wir am 25. Mai das Europäische Parlament wählen, beginnen die Vorbereitungen: Was alles zu tun ist, erklärt Bundeswahlleiter Roderich Egeler im Interview. Besonders wichtig sei bei seiner Arbeit die Technik.

Die lokale Wahlkommission zählt in Freiburg die abgegebenen Stimmen zur Europawahl 2009 ihres Wahlbezirks aus. (© picture-alliance/dpa)

Herr Egeler, nach der Wahl ist vor der Wahl: Die Bundestagswahl im vergangenen September liegt erst wenige Monate zurück, nun stehen die Europawahlen vor der Tür – wann haben Sie eigentlich mit den Vorbereitungen begonnen?

Roderich Egeler: Für uns beginnt das Geschäft schon gut ein Jahr vor dem Wahltag. Die Parteien und politischen Vereinigungen müssen die Wahlvorschläge aufstellen, auch das geschieht teilweise bereits gut ein Jahr vor der Europawahl.

Was sind Ihre Aufgaben als Bundeswahlleiter bei einer Europawahl?

Meine Hauptaufgabe ist es, die Europawahl in Deutschland zu organisieren, durchzuführen und das Ergebnis bekanntzugeben. Ich achte darauf, dass die Vorgaben des Wahlrechts in allen Phasen der Wahl angewendet werden. Eine der wichtigsten Aufgaben ist die Vorbereitung der ersten Sitzung des Bundeswahlausschusses, bei der über die Zulassung der Wahlvorschläge der Parteien und politischen Vereinigungen entschieden wird. Der Bundeswahlausschuss wird speziell für Wahlen, für Bundestags- ebenso wie für Europawahlen gegründet. Ich stehe diesem Gremium vor. Die Parteien im Bundestag benennen insgesamt acht Beisitzer. Außerdem werden zusätzlich zwei Richter des Bundesverwaltungsgerichts in den Bundeswahlausschuss berufen.

Was ist für Sie bei Europa- anders als bei Bundestagswahlen?

Ich mache ziemlich genau das, was ich bei Bundestagswahlen auch mache. Die Vorschriften für Europa- sind ähnlich wie die für Bundestagswahlen. Zwei wichtige Unterschiede sind zu nennen. Erstens: Bei Europawahlen haben die Wähler nur eine Stimme. Es gibt keine Direktkandidaten, die Wähler können nur Parteien wählen. Und zweitens: Das Zulassungsverfahren ist unterschiedlich. Bei Bundestagswahlen sind drei Wahlausschüsse beteiligt. Der Bundeswahlausschuss lässt die Parteien zu, die Landeswahlausschüsse lassen die Landeslisten zu und die Kreiswahlausschüsse lassen die Direktkandidaten zu. Das ist bei der Europawahl anders, denn da gibt es nur die Listen der Parteien, die der Bundeswahlausschuss zulässt.

Der Bundeswahlleiter

(© Bundeswahlleiter)

Roderich Egeler ist Bundeswahlleiter. Traditionell wird der Präsident des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden zum Bundeswahlleiter bestellt. Der Bundesminister des Innern ernennt ihn auf unbestimmte Zeit.Mehr Informationen: Externer Link: http://www.bundeswahlleiter.de/

Welche Etappen legen Sie bei den Vorbereitungen der Wahl zurück?

Das Team des Bundeswahlleiters besteht aus einem Büro mit etwa zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und wird vor der Wahl sukzessive je nach Bedarf verstärkt. Beispielsweise um Experten für die Übermittlung der Wahlergebnisse und um Fachleute, die die technische Infrastruktur betreuen. Die IT spielt für den gesamten Prozess der Ergebnisfeststellung und der Sitzverteilung eine herausgehobene Rolle. Sie muss bei Änderung wahlrechtlicher Vorschriften entsprechend angepasst werden.

Hat sich das Wahlgesetz im Vergleich zu den Europawahlen 2009 verändert?

Ja, deutlich, der Bundeswahlleiter hat mehr Aufgaben bekommen. In der Vergangenheit spielten die Landeswahlleiter bei der Organisation und dem Ablauf der Wahl eine größere Rolle, nun sind manche Aufgaben dem Bundeswahlleiter übertragen worden. Ein Beispiel ist, dass der Bundeswahlleiter erstmals bei der Wahl 2014 nicht nur die sogenannten gemeinsamen Listen der Parteien annimmt und prüft, sondern auch die Listen für ein Land, wie zum Beispiel die der CDU. Das war bisher die Aufgabe der Landeswahlleiter. Hinzu kommen weitere neue Zuständigkeiten. Die Kommunen müssen den Bundeswahlleiter nun informieren, wenn EU-Bürger, die nicht Deutsche sind, in Deutschland wählen wollen oder wenn Deutsche, die im Ausland wohnen, ihr Wahlrecht in Deutschland wahrnehmen wollen. Diese Informationen müssen wir mit den anderen EU-Staaten austauschen. Damit soll verhindert werden, dass ein Bürger der EU zwei Mal wählt: Einmal an seinem Wohnort und einmal in seinem Heimatland.

Stehen Sie mit den Wahlleitern der anderen EU-Länder in Kontakt?

Wir tauschen wie gesagt die Informationen aus, damit kein Wähler seine Stimme doppelt abgibt. Persönlich haben wir dabei keinen Kontakt.

Stichwort Kosten: Was gibt Deutschland für die Europawahlen aus?

Die Kosten setzen sich zusammen aus den Kosten des Bundes und den Kosten der Kommunen. Der Bund erstattet den Kommunen manche Aufwendungen, beispielsweise die Kosten für die Versendung der Wahlbenachrichtigungen und der Briefwahlunterlagen sowie die Aufwandsentschädigungen für die Wahlhelfer. Das waren bei der Europawahl 2009 insgesamt 61,8 Millionen Euro. Was der Bund nicht erstattet, sind zum Beispiel Mietkosten für Wahllokale.

Am 25. Mai ist es soweit. Was machen Sie selbst am Wahltag?

Ich reise am Vortag der Wahl nach Berlin. Wir sind ein großes Team: 60 Mitarbeiter sind in Berlin im Einsatz, noch einmal 60 in Wiesbaden. Der Grund ist, dass wir mit redundanten technischen Systemen arbeiten. Stellen Sie sich vor: Im Reichstag in Berlin würde jemand – bildlich gesprochen – den Stecker ziehen und die Ergebnisse der Stimmenauszählung könnten nicht übermittelt werden. Dann würde automatisch das Rechenzentrum in Wiesbaden einspringen. Solche unvorhersehbaren Ereignisse müssen geübt werden. Auch dazu dient unter anderem die Generalprobe am Tag vor der Wahl. Am Wahltag haben wir Besucher und sprechen mit Journalisten. Ich besuche mit der Landeswahlleiterin von Berlin ein Wahllokal und bedanke mich dort stellvertretend bei den Wahlhelferinnen und Wahlhelfern für ihren ehrenamtlichen Einsatz. Gegen 15.30 Uhr werde ich der Öffentlichkeit die vorläufige Wahlbeteiligung bekanntgeben. Dafür bekommen wir entsprechende Informationen aus den Bundesländern.

Um 18 Uhr schließen die Wahllokale – beginnt dann für Sie die spannendste Phase?

Ja. Wir haben eine tolle Aufgabe, denn wir sind die ersten, die das Wahlergebnis erfahren. Wir sehen, wie es wächst. Manchmal fragen wir uns: Kann das so richtig sein? Dann fragen wir bei den Kreisen nach. Und außerdem: Wir sind ja auch selbst Wähler. Da gibt es in der Nacht natürlich spannende Diskussionen unter den Kollegen. Weil wir europaweit wählen, dürfen wir ausgezählte Ergebnisse erst nach der Schließung des letzten Wahllokals in Europa bekanntgeben. Zu diesem Zeitpunkt wollen wir der Öffentlichkeit auf unserer Webseite bereits möglichst viele Ergebnisse aus den Kreisen mitteilen. Etwa eine halbe Stunde nachdem das Ergebnis des letzten Wahlkreises bei uns eingegangen ist, teile ich der Öffentlichkeit das vorläufige amtliche Ergebnis mit. Das wird irgendwann in der Nacht sein. Selbst dann sind immer noch Journalisten da, die auch nachts um drei oder vier Uhr Fragen stellen.

Wann und wie geben Sie selbst Ihre Stimme ab?

Ich bin Briefwähler. Ich wähle zwei bis drei Wochen vorher.

Sie benachrichtigen auch die Gewählten. Wie machen Sie das?

Das machen wir per Post. Zwei bis drei Wochen nach der Wahl gebe ich das endgültige Wahlergebnis bekannt, das der Bundeswahlausschuss vorher bestätigt. Damit ist die Wahl offiziell abgeschlossen.

Noch haben Sie zwei Monate Zeit bis zum Wahltag - was ist für Sie eigentlich die "Achillesferse", wenn Sie eine Wahl durchführen?

Wir müssen uns gut vorbereiten: Was in der Vorbereitung schief läuft, kann am Wahltag nicht klappen. Die Wahlnacht ist ein besonders sensibler Zeitraum. Wir wollen der Öffentlichkeit frühzeitig das Wahlergebnis mitteilen. Das bedeutet, dass die Technik sowie die Kommunikation zwischen den Wahlhelfern, die die Stimmen auszählen, und uns funktionieren müssen. Letztlich geht es um die Datenverbindung: Sie muss stabil stehen. Die Organisation vor Ort klappt nach unseren Erfahrungen gut. Die Deutschen wählen ja schließlich öfters, da geht die Erfahrung nicht verloren.