Mehr als nur Dekoration: Wie Bürgerbeteiligung gelingen kann
Spätestens nach den Protesten um Stuttgart 21 und dem kometenhaften Aufstieg der Piraten scheint es breiter Konsens, dass die Bürger nicht mehr länger über Partizipation reden, sondern sie auch wirklich einfordern. Es ist der Wunsch nach gesellschaftlicher Beteiligung bei politischen Entscheidungsprozessen, nach Mitsprache und Partizipation.Wie diffus die Vorstellung von Beteiligung im Zeitalter der digitalen Demokratie noch ist, hatte schon die re:publica Session "Deliberation 3.0 – Das Gespenst der digitalen Demokratie geht um" (siehe netzdebatte.bpb.de-Bericht: Fürchtet euch nicht!) gezeigt. Da klingt es doch verlockend zu erfahren, wie „gelingende Partizipation“ aussehen kann. Jürgen Ertelt will es uns das auf dem Panel „#Partizipation #wtf“ erklären. Dabei verrät der Titel bereits viel über den Hintergrund des Referenten. Wenn Ertelt nicht gerade auf der re:publica referiert, setzt sich der Sozial– und Medienpädagoge im Rahmen der Initiative „youthpart – ePartizipation vor Ort“ für mehr Jugendbeteiligung in der digitalen Gesellschaft ein. Eins wird bei Ertelt schnell klar, seine Vorschläge funktionieren nicht nur im Kontext der Erfahrungswelt von Jugendlichen, sondern finden ihre Entsprechung bei Überlegungen zu gesamtgesellschaftlichen Partizipationskonzepten.
Viele der heute laufenden Bürgerbeteiligungsprojekte scheitern Ertelt zufolge daran, das sie zur „Dekoration“ oder „Alibi-Teilhabe“ verkommen, sie zwar zur Mitbestimmung auffordern, letztlich aber ihre Versprechen nicht halten können. Ist es die Angst vor der eigenen Courage, die z.B. in Schwäbisch Gmünd den „Bud Spencer Tunnel“ – obwohl mehrheitlich von den Bürgern in einer Online-Abstimmung gewollt – verhindert hat? Oder sind die Bürger noch nicht soweit, wirklich mitzubestimmen?
Wie können wir es also besser machen, wo sieht Ertelt Bedingungen für eine "gelingende Partizipation"?
So offensichtlich es klingt, grundsätzlich geht es laut Ertelt erst einmal darum, dass es überhaupt etwas zu entscheiden gibt. So seien Konsultationen häufig "Fragen ohne Ziel", ohne den konkreten Wunsch der Initiatoren nach Entscheidung oder wirklicher Beteiligung. Neben dem konkreten Bezug zur Lebenswirklichkeit, den Ertel beispielhaft in der überdurchschnittlichen Protestbereitschaft von Jugendlichen im Rahmen der ACTA-Diskussion verwirklicht sieht, sollten Beteiligungsverfahren von Transparenz und verbindlichen Spielregeln getragen sein.Die Wirksamkeit der Beteiligung sollte dabei klar definiert sein, damit am Ende der Frust nicht größer als der Spaß an der Beteiligung ist. Mit auf den Weg gibt uns Ertelt auch eine Roadmap für gelingende Partizipation. Am Anfang stehe die "Information", also der möglichst umfassende Zugang der Bürger zu Daten von Verwaltung und Staat, wie er auch in der Open Data Debatte gefordert wird, was bisher allerdings nur auf kommunaler Ebene in Ansätzen verwirklicht wird. Wichtig sei darüber hinaus, dass sich Partizipation als Prinzip in den politischen Strukturen wiederfinde und in öffentlich rechtlichen Netzen stattfinden sollte.
Wenn wir auf institutioneller Ebene gelingende Partizipation anstreben, so können wir von Unternehmen wie einer großen Fast-Food-Kette viel lernen. Doch kann man die Gestaltung eines eigenen Burgers, den es dann auch wirklich zu kaufen gibt, mit der Komplexität politischer Entscheidungsprozesse vergleichen? Sicher, ganz so verkürzt würde das Ertelt selbst nicht darstellen. In einem hat er in jedem Fall Recht: Beteiligung sollte Spaß machen!