Unsere re:publica 2011 — Fazit des Netzdebatte-Teams
Heute geht das letzte der Interviews online, die netzdebatte.bpb auf der re:publica 2011 geführt hat. Damit ist unser Gastspiel als Redaktionsteam erst mal zu Ende. Das bedeutet nicht, dass es für euch an der Zeit ist, das Lesezeichen zu löschen oder das RSS-Abo abzubestellen — die Bundeszentrale für politische Bildung wird das Blog bei geeigneten Anlässen wieder aktivieren, um netzpolitische Fragen zu dikutieren.Nach der re:publica wurde von Besuchern viel Unmut geäußert. Kritik gab es zuallererst an der Qualität der Panels, aber auch Grundsätzliches der Organisation wurde bemängelt, etwa das wacklige WLAN-Netz und die Wahl der Räumlichkeiten, die den Andrang kaum fassen konnten. Und tatsächlich, ein wenig chaotisch war es durchaus, als es am Mittwochvormittag voriger Woche losging. Unter diesen Bedingungen Interviews zu planen und zu führen, Videos zu produzieren und Texte zu tippen ist, nun ja, eine Herausforderung. Wir haben es trotzdem hinbekommen.
Wie war es für uns, von der Konferenz zu berichten? Hier einige Stimmen aus dem Netzdebatte-Team:
Fast Forward. So eine Konferenz ist schneller vorbei als gedachtTobias Asmuth
Der Plan war jeden Tag ein, zwei Panels, einen Workshop und vielleicht so etwas wie ein Powerpoint-Karaoke oder Twitter-Lesung zu besuchen. Als Newbie der digitalen Gesellschaft die ganzen wirklich heißen Themen eins nach dem anderen abhaken. Am Ende sollte so etwas wie die dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung in der digitalen Gesellschaft stehen, zwar selbst ausgestellt, aber irgendwie auch beglaubigt.
Doch schon nach ein paar Stunden war klar: Den Plan kannst du vergessen. Es gab ja schließlich den Auftrag (und den eigenen Ehrgeiz) als Chef vom Dienst (CvD) Interviews zu organisieren mit interessanten Speakern der Konferenz. Und diese Speaker wollten erstmal angesprochen, betreut und vor die Kamera gestellt werden. Und das muss schließlich mit dem Team abgestimmt werden.
Außerdem sind Zeitpläne ja dafür da, dass sie sich ständig ändern und angepasst werden müssen. Was uns irgendwie immer gelang. Unser Austoß an Videos und Texten steigerte sich jeden Tag, bis zum Schluss Netzdebatte.bpb.de eine wirklich schöne Zusammenfassung der re:publica XI lieferte: Ob Datenschutz oder Netzneutralität, Kampagnen mit oder ohne Journalismus und Revolutionen im und außerhalb des Internets. Wer die re:publica verpasst hat, sollte sich das Blog unbedingt anschauen. Ich hab’s getestet und denke, es lohnt sich für Neu– als auch Dauerbewohner der digitalen Gesellschaft.
Selbstverständlich Video
Silke Albrecht
Hatte die Empfindung, dass wir als Videoteam nicht journalistisches Beiwerk, sondern unabdingbarer, auf eine gewisse Art selbstverständlicher Teil der Sichtbarmachung der Veranstaltung und ihrer Besucher_innen waren. Geldbeutel irgendwo verlegt — wurde bei der Fundstelle abgegeben. Fundstücke wurden getwittert.
Tweets aus den Tiefen des Friedrichstadtpalasts
Till Steinmetz
Meine Anwesenheit auf der re:publica 2011 beschränkte vorwiegend darauf, in den Tiefen des Friedrichstadtpalastes – im Raum E09 – Videos für die Netzdebatte zu bearbeiten, Rücken an Rücken mit den "offiziellen" Bewegtbild– und Tweet-Lieferanten von Spreeblick (@cripple_me et. al.). Dieser Prozess wurde unterbrochen durch die Interviewtermine, in denen Silke und ich uns das Equipment umhängten, aus unserem Kabuff rannten, um unsere Gesprächspartner aufzuzeichnen.
Neben einigen anderen Dingen, von denen ich bei der re:publica gelernt habe, habe ich seitdem einen Twitter-Account (@rinnzekete, siehe Schwitters "Ursonate"). Ich habe gelernt, dass es "Hashtags" gibt und man automatisch versteht, was ein Shitstorm ist, sobald man nach #rp11 sucht (welches die Bezeichnung für die re:publica XI auf Twitter ist). Und ich habe gesehen, dass man innerhalb einer Gruppe von Leuten, die Twitter benutzen, sehr schnell an Informationen gelangen kann. ("Wie bezeichnet man Björn Grau in der Bauchbinde?" – "Hat jemand einen Geldbeutel gefunden?")
Wenn man dem Gezwitscher im Netzwerk folgt, stellt man fest, dass es "Stars" der Twitterei zu geben scheint, die durch irgendwelche – mir bisher unerfindliche – Alleinstellungsmerkmale von mehr Leuten "gefollowed" werden als andere. Diese wiederum fanden sich anscheinend auch sehr häufig als Redner auf der #rp11 wieder. Da gibt es digitale Feministinnen, digital-reaktionäre (nicht reaktionäre) Nerds und viele, viele selbst ernannte digitale Witzbolde. Insofern eine ziemlich heterogene (digitale) Gesellschaft – mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner des Twitter-Accounts und des Smartphones in der Tasche.
Ich habe das alles noch nicht 100-prozentig verstanden, in Hinblick auf Gehalt und Relevanz – aber ich denke weiter darüber nach.
Verdammt, den Agenturpunk auf der Bloggerkonferenz verpasst!
Robert Pitterle
Am Ende sah ich doch noch Rot. Gerade war gegen Mittag des letzten Tages der re:publica die Sonne herausgekommen, um die müden Gesichter der Besucher vor dem Friedrichstadtpalast aufzubacken, da blitzte der berühmt-berüchtigte Iro in mein Sichtfeld: Sascha Lobo stand in der Schlange beim Kaffee-Ausschank. Der Agenturpunk wartete, bis er dran war, als sei er einer von uns. Dabei hatte ich am Abend zuvor noch in der "Stuttgarter Zeitung" gelesen, Lobo sei einer der Mächtigen unter den in Berlin versammelten Tastendrückern:
- Auch wenn sich 3000 Netzaktivisten zu einem Kongress treffen, geht es zu wie in der realen Welt: Einige wenige haben das Sagen, andere ein Kommunikationsproblem. Einer, der das Sagen hat, ist Sascha Lobo.
Was Lobo zu sagen hatte (hier ein Video-Mitschnitt), hätte ich aber tatsächlich gern live gehört, war doch die Troll-Plage einer meiner Schwerpunkte bei der re:publica 2011. Doch es gab viel anderes, was mich interessierte, und so musste ich unentschuldigt bei seinem Vortrag fehlen. Im Panel "Media and Democratisation in Africa" erfuhr ich etwa von Jörn Schultz (GIZ) von einem digitalen Bildungsprojekt in Äthiopien, und Adam Thomas berichtete im Anschluss, an welcher Open-Source-Software die aus Prag stammende Non-Profit-Organisation Sourcefabric bastelt, um die lebendige westafrikanische Radio-Landschaft zu vernetzen und zu computerisieren.
Der Deutsche-Welle-Redakteur Zahi Alawi, ein Beobachter der arabischen Blog-Szene, klärte mich in seinem Panel zur "digitalen Revolution" darüber auf, dass die Demokratie-Bewegungen in der Region tatsächlich von Social Media profitierten (ich hatte da Zweifel). Und Jaclyn Friedman, eine Frauenrechtlerin aus den USA, brachte als "Action-Woman" zum Thema Netzaktivismus in Online-Netzwerken so viel We-can-do-it!-Stimmung auf die Bühne des Friedrichstadtpalasts, dass ich meine persönlichen Vorbehalte gegenüber Facebook vergessen konnte (zumindest für die Dauer ihres energiegeladenen Vortrags).
Verfolgt man die viel gelesenen deutschsprachigen Blogs, könnte man gelegentlich auf den Gedanken kommen, ein weltbewegender Konflikt sei das in Online-Kommentaren erbittert geführte Scharmützel zwischen Fanboys von Apple und Microsoft. Und um Freiheit im Internet werde hauptsächlich zwischen Gegnern und Befürwortern von Google Street View gerungen. Dass die digitale Welt ein bisschen größer ist, davon konnte ich mich auf der re:publica wieder mal überzeugen.
Was bleibt… was war noch mal die Frage?
Sebastian Kauer
"Meine re:publica" fand — wie im letzten Jahr — vor der Tür statt. Bis auf zwei Sessions und einige Ausschnitte habe ich keine der offiziellen Veranstaltungen mitbekommen. Stattdessen stand ich im Foyer und sprach mit Leuten. Und wenn es die Netzverbindung zuließ, habe ich in den Tweets zur #rp11 nachgelesen, was ich gerade verpasse.
Was bleibt unter diesen Umständen von der re:publica? Vor allem zwei Eindrücke. Erstens: Viele Themen der Konferenz sind ungeheuer spannend für jemanden wie mich, der sich leidenschaftlich (und beruflich) mit Politik beschäftigt. Zweitens: Wenn Menschen diskutieren, die sich mit den Fragestellungen rund um die "digitale Gesellschaft" wirklich auskennen, passiert das in den seltensten Fällen in allgemeinverständlicher Form. Auch die Relevanz der Inhalte ist für Außenstehende schwer einzuschätzen, gerade wenn sie — wie eine ganze Reihe Sessions der re:publica — mit bemüht originellen oder witzigen Überschriften daherkommen. Viele Vorträge empfand ich als Entertainment-Programm für Insider.
Mein Verständnis der politischen Dimension des Internets hatte einen Tag vor der re:publica Jan-Hinrik Schmidt in seinem Vortrag bei einer Veranstaltung der bpb ganz gut auf den Punkt gebracht: "Es ist eine Schlüsselfrage des 21. Jahrhunderts, wie wir unsere Kommunikationsräume gestalten". Vielleicht ein bisschen pathetisch formuliert, aber genau darum geht es.
Mein Fazit: Irgendjemand sollte das alles übersetzen. Ich hoffe, wir haben mit netzdebatte.bpb.de ein bisschen dazu beigetragen.