Beschleunigt durch Social Media? Revolutionen in der arabischen Welt
Wie konnten sich vereinzelte Proteste zu Massenunruhen ausweiten? Und das in einem Land der arabischen Welt, der westliche Kommentatoren jeden Willen zur Veränderung absprachen? Diese Fragen wurden auch in Deutschland diskutiert, als ab Mitte Dezember 2010 Berichte von dem Aufstand in Tunesien über soziale und etablierte Medien die Öffentlichkeit erreichten.Bald wurde die Debatte über die Ursachen als eine über die technischen Hilfsmittel geführt. Die Rede war von einer Facebook– oder einer Twitter-Revolution. Nein, die Verbreitung von Mobiltelefonen sei entscheidend, warfen andere ein. Und WikiLeaks-Fürsprecher forderten wiederum, der Einfluss von Enthüllungen der Whistleblowing-Plattform sollte stärker beachtet werden.
Aber innerhalb der Netzdebatte wurde auch Selbstkritik laut: Wir loben nur deshalb die Rolle unserer Online-Netzwerke und technischen Gadgets, um uns selbst ins Zentrum des Geschehens hineinzufantasieren, schrieben Blogger und mahnten: Eine derartige Aneignung von Definitionsmacht sei eine Form von Kolonialismus.
Die offiziellen Medien in den USA und Europa jedenfalls waren dankbare Abnehmer der Geschichte von der Social-Media-Revolution in Tunesien: Der Nachrichtenwert des Aufstandes wurde wohl zunächst als gering eingeschätzt, das Thema schien über Schlagwörter wie Internet, Twitter und WikiLeaks leichter an Leser und Zuschauer zu bringen.
Zahi Alawi: Mit Blogs begann die "digitale Revolution"
Was ist nun dran an der These von den Social-Media-Revolutionen in der arabischen Welt? Zahi Alawi, der als freier Redakteur für die Deutsche Welle arbeitet, meinte in seinem heutigen re:publica–Vortrag zur "Facebook-Revolution“: Online-Netzwerke hätten durchaus eine wichtige Rolle als Beschleunigungsfaktoren für die jüngsten Demokratiebewegungen gewirkt. Aber in den Jahren vor Twitter & Co. hätten vor allem Blogs die Publikationswege geboten, auf denen politische Aktivisten in der Region Meinungsfreiheit wagten (und deswegen brutaler staatlicher Repression ausgesetzt waren). Wir trafen Alawi hinterher zum Interview und fragten noch mal nach, was der Journalist unter "digitaler Revolution“ versteht.