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Drei Prozent wären besser als fünf Prozent | Themen | bpb.de

Drei Prozent wären besser als fünf Prozent

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Der Rechtswissenschaftler Ulrich Battis ist der Meinung, dass Deutschland die Fünf-Prozent-Hürde im Wahlsystem nicht brauche. Das Land habe sich als stabiles Gemeinwesen erwiesen. Besser wäre seiner Ansicht nach eine Drei-Prozent-Hürde - damit würde die Wahlgerechtigkeit vergrößert.

Ulrich Battis (© privat)

Fast sieben Millionen Wählerinnen und Wähler haben bei der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag ihr Wahlrecht zu Gunsten von Parteien ausgeübt, die an der Fünf-Prozent-Klausel gescheitert sind. Das sind fast 14 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen.

Die Wählervoten waren nicht wie es gelegentlich heißt verloren. Nein, schlimmer noch, die Stimmabgaben sind Parteien zu Gute gekommen, die die Wählerinnen und Wähler gerade nicht wählen wollten. Nur deshalb konnte zum Beispiel die CDU/CSU mit 41,5 Prozent der Stimmen 311 Mandate erringen, weshalb sie um nur fünf Mandate sogar die absolute Mehrheit im Bundestag verfehlte.

Sperrklausel nur einfaches Gesetz

Der das Wahlrecht in der repräsentativen Demokratie prägende Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien ist verfassungsrechtlich verankert im Grundsatz der Gleichheit der Wahl (Art. 38 Abs. 1 I Grundgesetz). Dieser Grundsatz wird schwerwiegend beeinträchtigt, wenn die Fünf-Prozent-Hürde den Wählerwillen derart verfälscht.

Die Fünf-Prozent-Klausel des § 6 III Bundeswahlgesetz ist nicht verfassungsrechtlich vorgegeben, sondern ein einfaches Gesetz, das der Bundestag mit einfacher Mehrheit ändern kann. Gerechtfertigt wird die Fünf-Prozent-Klausel als eine der »Lehren aus der Weimarer Republik«. Eine mit dem geltenden (personalisierten) Verhältniswahlrecht einhergehende Zersplitterung des Parlaments durch eine Vielzahl kleinerer untereinander zerstrittener Parteien soll verhindert werden, die Arbeitsfähigkeit des Parlamentes und insbesondere der Regierung soll gefördert werden.

Nicht an Splitterparteien gescheitert

Zunächst sei daran erinnert, dass die Weimarer Republik nicht an den Splitterparteien, zum Beispiel den drei Abgeordneten der Deutschen Staatspartei, zu denen auch Theodor Heuss zählte, gescheitert ist, sondern eher an den beiden größten Parteien, der NSDAP und der KPD. Die letzten Reichsregierungen wurden vor allem deshalb vom Reichspräsidenten eingesetzt, weil gegen die beiden Flügelparteien keine ausreichende parlamentarische Mehrheit zustande kam. Vor allem aber ist die Weimarer Republik daran zugrunde gegangen, dass es in Staat und Gesellschaft zu wenige Demokraten gab.

Die Bundesrepublik Deutschland hat sich in über 60 Jahren, einschließlich den Jahren nach der Wiedervereinigung, als ein stabiles Gemeinwesen erwiesen, das der Fünf-Prozent-Klausel nicht mehr bedarf. Fünf-Prozent- oder gar Zehn-Prozent-Klauseln wie in der Türkei mögen in fragilen politischen Gemeinwesen vertretbar sein, nicht aber im Deutschland der Gegenwart.

Unter fünf Prozent (© dpa)

Das Bundesverfassungsgericht hat zwar mehrfach die Fünf-Prozent-Klausel gebilligt und anlässlich der ersten gesamtdeutschen Wahl und der Wiedervereinigung ihre Modifikation veranlasst. In jüngster Zeit hat das Bundesverfassungsgericht die Fünf-Prozent-Klausel bei veränderten Verhältnissen für verhandelbar erklärt. Für die Wahl des Europäischen Parlamentes hat das Bundesverfassungsgericht ursprünglich die Fünf-Prozent-Klausel gebilligt, sie dann aber in jüngster Zeit für verfassungswidrig verworfen. Für die Wahl der kommunalen Vertretungen galt die Fünf-Prozent-Klausel ebenfalls über einen langen Zeitraum, doch inzwischen ist sie von den meisten Landesverfassungsgerichten verworfen und von den Landesparlamenten durch niedrigere Prozent-Hürden (Quoren) ersetzt worden.

Mehr Wahlgerechtigkeit

Der legitime Zweck von Wahlrechtsquoren, die Arbeitsfähigkeit des Parlamentes und der Regierung zu sichern, kann für die Wahl des Deutschen Bundestages auch eine Drei-Prozent-Klausel erfüllen. Die jüngsten Wahlen in Österreich zeigen, dass bei einer Vier-Prozent-Klausel unterschiedliche Regierungskoalitionen aus jeweils zwei Parteien möglich sind.

Staatsrechtler mögen darüber streiten, ob es verfassungsrechtlich geboten ist, die Fünf-Prozent-Klausel durch eine Drei-Prozent-Klausel zu ersetzen. Als Mittel für mehr Wahlgerechtigkeit, mehr Chancengleichheit und gegen Wählerverdruss und damit zur Stärkung der parlamentarischen Demokratie ist die Drei-Prozent-Klausel politisch sinnvoll. Der (einfache) Gesetzgeber sollte handeln. Etwaige Missbräuche wird das Bundesverfassungsgericht zu verhindern wissen.

Fussnoten