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Die Galerie Eigen+Art | Autonome Kunst in der DDR | bpb.de

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Die Galerie Eigen+Art

Uta Grundmann

/ 3 Minuten zu lesen

Von 1985 bis 1990 fanden in der Galerie Eigen+Art in der Fritz-Austel-Straße 31 insgesamt 58 Ausstellungen vor allem junger Leipziger Künstler statt.

Bildergalerie "Eigen + Art"

(© Christian Günther, Archiv Uta Grundmann) (© Karin Wieckhorst) (© Archiv Uta Grundmann (Fotograf unbekannt), (c) courtesy Galerie EIGEN+ART Leipzig/ Berlin/ VG Bild-Kunst, Bonn 2018) (© 2011 Matthias Hoch / VG Bild-Kunst, Bonn 2018) (© Ernst Goldberg) (© Ernst Goldberg) (© Archiv Uta Grundmann (Fotograf unbekannt)) (© Archiv Uta Grundmann (Fotograf unbekannt)) (© Jens Rötzsch) (© Entwurf: Jan Raue, Archiv Uta Grundmann) (© Archiv Uta Grundmann) (© Archiv Uta Grundmann (Grafiker unbekannt)) (© Archiv Uta Grundmann (Grafiker unbekannt))

Die Entstehung der Galerie Eigen+Art verdankt sich einer Reihe von Zufällen. Nach seiner Entlassung als "Instrukteur für Jugendklubs“ beim Rat des Stadtbezirks Südost – er hatte sein Amt genutzt, unerwünschten Bands, Liedermachern und Schriftstellern Auftrittsmöglichkeiten zu verschaffen – begann Gerd Harry Lybke, genannt Judy, 1983 an der Interner Link: Hochschule für Grafik und Buchkunst Modell zu stehen. Im "Abendkurs“, einer Art Vorbereitung auf das Studium, lernte er Gleichgesinnte kennen, denen das festumrissene akademische Profil der künstlerischen Ausbildung wenig zuzusagen schien. Bald fanden sich einige von ihnen zusammen und arbeiteten gemeinsam in einer ausgedienten Werkhalle im Leipziger Industrieviertel Plagwitz. Als es darum ging, ihre dort entstandenen "Kunstwerke“ öffentlich zu zeigen, schlug Judy vor, das doch in seiner Wohnung am Körnerplatz zu tun. Die Auseinandersetzung mit ästhetischen Positionen interessierte den frischgebackenen Galeristen dabei nicht. Ihm ging es eher darum, ein spielerisches und kommunikatives Ambiente zu schaffen, in das die jungen Künstler, viele davon Autodidakten, und ebenso ihr Publikum – Lehrlinge, Fachschüler, Studenten der Universität und des Theologischen Seminars, Schauspielschüler und Musikstudenten – unbeschwert eintauchen konnten.

Ein Jahr später nutzten sechs Leipziger Künstler, ihrerseits Mitglieder des Verbands Bildender Künstler, Gesetzeslücken der Bürokratie und mieteten eine ganze Etage des Messehauses am Markt, um endlich eine Ausstellung ohne ideologische Bevormundung durchzuführen – den Interner Link: "1. Leipziger Herbstsalon“. Wenige Wochen nach diesem erfolgreichen Unternehmen versteigerten sie bei "Mutter Krause“, einer in Theologen- und Künstlerkreisen bekannten Kneipe in der Leipziger Südvorstadt, einige ihrer Werke, um eine Gruppe jüngerer Absolventen der Hochschule bei ihrem Vorhaben zu unterstützen, eine eigene Galerie zu eröffnen. Was fehlte, war ein Galerist, der den Aufwand kontinuierlicher Kleinarbeit nicht scheute.

Gerd Harry Lybke bot sich dafür an. Anfang 1985 gelang es ihm mithilfe des Malers Akos Novaky, ebenfalls Verbandsmitglied, einen Mietvertrag für die kleine Fabriketage der ehemaligen Firma "Rohrer & Klinger“ in der Fritz-Austel-Straße 31 zu erhalten. Nach dem Stifterfest am 27. Juni und dem folgenden Ausbau des zweiteiligen Werkstattraums wurde die Galerie Eigen+Art am 25. Oktober mit den Werken der "Stifter“ Lutz Dammbeck, Klaus Elle, Günther Firit, Hans Hendrik Grimmling, Andreas Hanske, Frieder Heinze, Michael Kunert, Akos Novaky, Peter Oehlmann, Gundrun Petersdorf, Ingo Regel, Hans Scheuerecker, Tobias E. und Olaf Wegewitz eröffnet. Bis 1990 fanden in der Galerie am selbigen Standort insgesamt 58 Ausstellungen vor allem junger Leipziger Künstler statt. Die Mehrzahl von ihnen war nach wie vor im Verband integriert, und von der nicht offiziell genehmigten Ausstellungstätigkeit der Galerie gingen kaum politische Impulse aus. Deshalb verzichteten die Behörden darauf, Maßnahmen zur Verhinderung ihres Fortbestehens zu ergreifen – zumal die Staatssicherheit im Besucherkreis der Galerie ein neues Selbstbewusstsein konstatierte, das eine verordnete Schließung nicht stillschweigend hingenommen hätte.

"Wir bewegten uns plötzlich im luftleeren Raum"

Dossier

"Wir bewegten uns plötzlich im luftleeren Raum"

Der Gründer der Galerie Eigen+Art, Gerd Harry "Judy" Lybke, spricht über Autonome Kunst und Kultur in der DDR, u.a. darüber, wie er den ersten Messeauftritt als revolutionären Akt empfand.

Nicht zuletzt verdankte die Eigen+Art ihr Bestehen und ihren Erfolg bis in die Gegenwart der erstaunlichen Professionalität, mit der Gerd Harry Lybke von Anfang an den "Betrieb“ der Galerie organisierte. Er sorgte dafür, dass die Galerie regelmäßig geöffnet war (Mi 17–19, Sa 14–18 und So 16–20 Uhr), und fand in dem Siebdrucker Hartmut Tauer einen Mitstreiter, der im Auftrag der Galerie die Herstellung von Einladungen, Plakaten und Katalogen wagte, ohne eine Druckgenehmigung einzuholen. Damit war eine breite Öffentlichkeit über den kleinen Kreis der Eingeweihten hinaus sichergestellt. Die Einrichtung eines Dia- und Videoarchivs sowie die jährlich im Selbstverlag herausgegebene Dokumentation erwiesen sich im Nachhinein als besonders vorausschauende Investition für den Eingang in die Geschichte.

Mit den Initiatoren kam es nach einigen Monaten zum Streit über das Profil der Galerie, auch weil sich die Künstler die Eigen+Art als eine Art Produzentengalerie vorgestellt hatten. Zu diesem Zeitpunkt hatte Gerd Harry Lybke mit seiner in kurzer Zeit erworbenen Erfahrung und Kompetenz das Zepter längst übernommen. Heute zählt die Galerie Eigen+Art zu den erfolgreichsten deutschen Galerien auf dem internationalen Kunstmarkt.

Literatur: Revolution im geschlossenen Raum. Die andere Kultur in Leipzig 1970–1990. Hrsg. von Uta Grundmann, Klaus Michael und Susanna Seufert. Leipzig 2002.

Fussnoten

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Geb. 1965, Kunsthistorikerin, arbeitet als freiberufliche Autorin und Lektorin in Berlin.