Eine deutsch-deutsche Koproduktion:
die "Orientalische Bibliothek"
Die Devisenpolitik der DDR als Hintergrund
Wieso ließ die Zensur in der DDR solche Bücher aber überhaupt zu? Offiziell begründet wurde der Nutzen der Reihe mit dem umfassenden Bildungsanspruch, den der Staat für die Bürger stellte. Dass die Verlagsgruppe als geeigneter Herausgeber erschien, ergab sich aus der Profilierung der Erbegruppe. Diese resultierte aus den Traditionen der vorher selbstständigen Verlage, die sich erstens miteinander verbinden ließen und zweitens orientalische Titel bereits im Verlagsprogramm aufweisen konnten. Die Möglichkeit des Exports war jedoch das wichtigere Argument für die Genehmigung der Reihe. Schließlich musste sich die für die Wiedergabe von Eigennamen
Der Verlagsgruppe selbst kam höchstens die Erwerbung ausländischen Bildmaterials zugute, da illustrierte Bücher mit einem besseren Absatz in der DDR rechnen durften. Da die Bildbeschaffung im Westen meist mit der Lektoratsarbeit im Osten verrechnet wurde, waren hierfür auch kaum Devisen aufzubringen.[6] Dies war ein zusätzliches Argument, illustrierte Bände herauszubringen, obwohl die Polygrafie in der DDR aufgrund der unzureichenden Technik meist Probleme beim Druck hatte.
Der Export – und damit der Devisengewinn – war also der vorrangige Grund für die Koproduktion seitens der DDR. Folglich war ein maximaler Gewinn an Devisen bei minimalem Material- und Arbeitsaufwand anzustreben. Es wurde versucht, die Minimierung des Aufwands mittels Verordnungen in den Verlagen durchzusetzen.[7] Maximale Devisen konnten dagegen nur durch Verhandlungen bzw. eine gute Verhandlungsposition und durch attraktive Produkte erlangt werden. Mit der Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in der DDR wurde ihr Devisenhunger größer. Mithin wurden sowohl die Verhandlungsbasis als auch die Produkte schlechter, sodass man zwangsläufig bei den Devisen Abstriche in Kauf nehmen musste. Um die Produktqualität sicherzustellen, wurden Beistellungen (Westpapier etc.) genehmigt. Traten trotzdem Produktmängel auf, wurde meist der Preis gedrückt oder die Ware nicht abgenommen. Alle drei Möglichkeiten bedeuteten einen Verlust an Devisen. Sieht man die Verlagswirtschaft als einen Mikrokosmos der gesamten DDR-Ökonomie, zeigt sich deutlich die Abwärtsspirale aus Devisenknappheit, dadurch bedingter Nutzung veralteter Technik und damit einhergehender niedriger Produktivität, was die Staatsverschuldung der DDR mit der Zeit immer schneller ansteigen ließ.
Die Verhandlungsbasis hätte nur durch eine generelle Verbesserung der Wirtschaftslage konsolidiert werden können, die aber bis zum Ende der DDR nicht erreicht wurde. Dazu soll noch einmal die Exportsituation in der Verlagslandschaft vergegenwärtigt werden. In den 1980er-Jahren waren bei einer Verlagsproduktion von circa 90 Titeln "fünfzig Titel jährlich" durch Mitdruckgeschäfte gebunden.[8] Dazu kam noch der Sortimentsexport, der bei ungefähr 20 Prozent lag.[9] Für die Koproduktionen waren regelmäßig persönliche Absprachen nötig, die durch gegenseitige Messebesuche in Frankfurt und Leipzig abgedeckt wurden. Der beschriebene Devisenmangel wirkte sich nicht nur auf Materialmenge und -qualität aus, sondern auch auf den Umfang der Reisemöglichkeiten, da hierfür ebenfalls Devisen benötigt wurden. So wurde der Etat der Verlagsgruppe für Reisen ins westliche Ausland 1987 von 32 auf 26 Tage gekürzt. Andere Verlage wie zum Beispiel Reclam Leipzig mussten empfindlichere Einschränkungen hinnehmen. Dass damit die Exportplanerfüllung zusätzlich erschwert wurde, liegt auf der Hand, folglich lösten diese Einschränkungen vehementen Protest bei den Verlagen aus.[10]
Zum Umfang der Ausfuhr von Büchern gibt es verschiedene Einschätzungen. Der Export in das "SW", das sozialistische Wirtschaftsgebiet, habe 30 Prozent der gesamten Verlagsproduktion in der DDR betragen, meint Nils Kahlefendt.[11] Der durchschnittliche Gesamtexport der DDR-Verlage habe bei 24 Prozent gelegen, heißt es dagegen bei Reinhard Wittmann.[12] Die Wahrheit dürfte irgendwo dazwischen liegen, kann hier jedoch nicht näher bestimmt werden. Der Hauptverwaltung für Verlage und Buchhandel unterstanden Mitte der 1980er-Jahre 55 Verlage. Darunter war die Kiepenheuer Verlagsgruppe mit 84.500 Valutamark im NSW-Export zunächst relativ klein. Verlage wie beispielsweise der Verlag der Kunst erwirtschafteten im gleichen Zeitraum 356.000 VM und auch Henschel und E. A. Seemann rangierten in der gleichen Größenordnung, um nur einige zu nennen.[13]
Für den illustrierten "OB"-Band "Schahname", der in einer kleinen Auflage von 4.500 Exemplaren erschien, wurde bei einem Verlagsabgabepreis (VAP) von 55,25 Mark ein Exportpreis von 85,– Mark verlangt. Bei geplanter Abnahme von 400 Stück durch Sortimentsexport in den Westen lag der Erlös bei 17.000 Valutamark.[14] Der Valutapreis ergab sich durch das "Preisniveau der kapitalistischen Märkte, das durch Preisbeobachtung und Preisforschung im Prozeß der Valutapreisbildung ermittelt werden muss."[15] Der Wert war also keine feste Größe und wurde zur Zeit der Planung, folgt man der Planrechnung, auf das Doppelte einer DDR-Mark geschätzt.[16] Der Erlös wäre nach Plan einer der höchsten für ein einzelnes Werk gewesen. Die Pläne wurden im Laufe eines Jahres immer wieder der tatsächlichen Produktion angepasst. Da sie auf realen Vorgaben beruhen, soll diese Rechnung als Beispiel für tatsächliche Preisbildung stehen. Illustrierte Sonderbände waren also selbst bei kleinen Auflagen im Export lukrativ. Durch Mitdruck des "Vishnu-Schreins" zum Beispiel wurde bei einer Westauflage von 2.000 Stück ein Erlös von 37.000 VM erzielt. Insgesamt wurden 1988 im NSW-Export 592.900 VM durch die Verlagsgruppe erwirtschaftet. Der Exportpreis wurde in einem verlagsinternen Entscheidungsprozess, dem sogenannten Titelannahmeverfahren (TAV), "inhaltlich in keiner Beziehung zu inländischen Preisen oder Kosten" stehend, festgelegt.[17] Der Export der Verlagsgruppe hatte sich seit 1977 innerhalb von fünf Jahren auf das Elffache gesteigert und wuchs somit schneller als die allgemeine Produktion der Verlagsgruppe. Zu Recht monierten die Verantwortlichen für die "18." im Verlag: "Export ist eine wichtige, aber nicht die einzige Aufgabe dieser Bibliothek".[18]
Für die Kiepenheuer Gruppe ging es zu 80 Prozent um Mitdruckgeschäfte, und nur 20 Prozent des Exports wurden durch Sortimentsausfuhren erzielt.[19] Die größten Partner waren hierbei Beck, Schünemann und Dausien. Durch den Exportdruck konkurrierte die Erbegruppe, neben anderen Verlagen, zunehmend mit den sortimentsexportierenden Verlagen, die ebenfalls die wenigen qualitativ guten polygrafischen Einrichtungen für sich in Anspruch nehmen wollten. Bei gleichzeitiger Androhung von Prämienkürzung[20] wurden die staatlichen Auflagen immer so hoch angesetzt (1986: 725.000 VM), dass Kiepenheuer und seine Partner nur in Ausnahmefällen diese "Kampfziele" erreichen konnten.[21] Durch die langfristig gebundenen Mitdruckgeschäfte bei den Reihen war es dem Verlag nur schwer möglich, den jährlich geforderten Exporterhöhungen Folge zu leisten. Außerdem drohten bei Ausfall eines Exporttitels finanzielle Vertragsstrafen von der HV. Dies führte immer wieder zu Querelen mit den Druckereien, die hauptsächlich für die Terminverzögerungen verantwortlich waren.[22] Dass die Verlagsgruppe trotzdem eine gute Exportarbeit leistete, erkannte auch der (Außenhandelbetrieb) AHB Buchexport an. Dieser Erfolg wird auch daran ersichtlich, dass Mitarbeiter der Verlagsgruppe anlässlich einer Arbeitstagung über die "erfolgreiche Realisierung der Exportgeschäfte" sprechen sollten.[23]