Kulturelle Bildung im Übergang Schule-Beruf
Wovon reden wir?
Der Übergang Schule-Beruf – das ist (a) das für viele Jugendliche und junge Erwachsene sehr, wenn nicht gar endlos lang gewordene Stück Weg, das zwischen den allgemeinbildenden Schulen verschiedenen Typs und der regulären Berufsausbildung, d.h. dem Dualen System, den vollqualifizierenden beruflichen Schulen und den Hochschulen, liegt. In einem weiteren Sinne ist der Übergang Schule-Beruf (b) auch der Weg von Schule und/oder Ausbildung in Beschäftigung überhaupt. Als Praxisfeld ist der Übergang Schule-Beruf (c) die Gesamtheit der Bemühungen, die Lehrer, Ausbilder, Sozialpädagogen, Coaches, Bildungsbegleiter, Berater, Fallmanager, Vermittler mit den Jugendlichen unternehmen, damit sie diesen Weg gehen können.Dieses Praxisfeld hat sich zum Teil (d) als "Übergangssystem Schule-Beruf" institutionalisiert. Das sind zum einen die Anbauten ans Schulsystem wie z.B. das Berufsgrundbildungsjahr, zum anderen vor allem die Berufsvorbereitenden Maßnahmen der Arbeitsagenturen. Sinnvollerweise sind hier (e) die gesamten von zahlreichen Länderprogrammen flankierten Maßnahmen des Hartz-IV-Systems einzubeziehen: die Bewerbertrainings, Computerführerscheine, Aktivierungsmaßnahmen und die 1,50-Jobs, die hier nach wie vor den Löwenanteil ausmachen. In diesem weiten Sinne ist das Übergangssystem ein Labyrinth von Behelfsbauten, die die Bildungspolitik und – hier mehr und mehr dominierend – die Arbeitsmarktpolitik geschaffen haben, damit etwa eine Million junge Menschen zwischen Schule, Beruf und Beschäftigung nicht ganz im Regen stehen – sondern eher in der Traufe: Es ist geradezu ein Definitionsmerkmal all dieser Maßnahmen, dass sie keine anerkannten Abschlüsse verleihen. [5]
Und kulturelle Bildung?
Das ist, im allgemeinen Sprachgebrauch, die künstlerisch-kulturelle Bildung. "Kultur" meint hier weniger das, was etwa die Ethnologen darunter verstehen, sondern eher das, was in Theatern, Konzerthäusern, Galerien, Kinos stattfindet und in Kunstmuseen aufbewahrt wird. Traditionellerweise sind es die Kunstschulen und kulturpädagogischen Einrichtungen, die die Kinder und Jugendlichen hier heranführen. Das tun sie auf vornehmlich praktische Weise. Zum einen unterrichten sie die künstlerischen Techniken wie z.B. Klavier- und Schauspiel. Zum anderen knüpfen ihre Künstler und Künstlerinnen und ihre Kulturpädagoginnen und -pädagogen an spontane und/oder subkulturelle ästhetische Praktiken der Kinder und Jugendlichen an und machen mit ihnen künstlerische Projekte. Vor allem um solche größeren und kleineren Projekte geht es, wenn von Interventionen "kultureller Bildung" im Übergang von der Schule in den Beruf die Rede ist.Zwei Beispiele
Künstlerische Projekte stehen hier im Kontext von "Aktivierung", Berufsorientierung, Berufswahlvorbereitung, Berufsvorbereitung und allgemeiner "Kompetenzförderung". Insbesondere der Begriff der "Kompetenz", der in den vergangenen Jahren im bildungspolitischen Diskurs eine bemerkenswerte Karriere gemacht hat, ist für diese Projekte argumentationsstrategisch wichtig. Sie nehmen seinen theoretischen Gehalt ernst: Kompetenzen sind Selbstorganisationsdispositionen. [6]Wie sieht dies konkret aus? – Zwei Beispiele: Ein kleinformatiges aus der schulischen Praxis der Berufsorientierung, ein großformatiges aus dem "Übergangssystem" Schule-Beruf.
Ability plus
Projekt der Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung (LKJ) Thüringen
Das Projekt mit Schülern der siebten bis zehnten Klasse an Thüringer Regelschulen analysiert mit künstlerischen oder kreativen Methoden konkret ein Segment der Arbeitswelt und fördert so insbesondere soziale und kommunikative Kompetenzen, es trainiert zudem analytisches und methodisches Herangehen. Die Schülerinnen und Schüler unternehmen an den ersten Projekttagen Exkursionen in verschiedene Berufsfelder und fragen dort nach, was man alles können muss. Anschließend versuchen sie, in spielerischen Tests miteinander herauszubekommen, ob sie diesen Anforderungen schon entsprechen. In einem weiteren Schritt erschaffen sie dann in einem theatralen Planspiel eine ganze Firma namens "Speed FF" und simulieren dort Handlungsabläufe und mögliche Konflikte.
Zukunft 2013 (Baden-Württemberg)
Projekt des NewLimes e.V. im Ostalbkreis (Baden-Württemberg)
Hierbei handelt es sich um ein großes Community-Theater-Projekt, das sich seit langem auch im Bereich der aktivierenden Maßnahmen engagiert und seine Produktionen mit aus Profis und Amateuren zusammengesetzten Ensembles in der Region in einer Saison 75-mal aufführen kann. "Zukunft 2013" baut um sein Theater herum eine kleine Welt von Werkstätten auf, in denen Jugendliche dem Theater zuarbeiten. Dabei bezieht es viele ehemals Arbeitslose, die älter als 50 Jahre sind, als Meister und Anleiter in seine Werkstätten ein. Es organisiert Unternehmerstammtische, an denen auch die Chefs von Arbeitgeberverbänden teilnehmen – und zugleich die Jugendlichen des Projekts selbst. Und "Zukunft 2013" bietet überaus gut besuchte regelmäßige Weiterbildungsveranstaltungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der örtlichen Arbeitsverwaltungen sowie Kollegen aus ähnlich arbeitenden Projekten und Theatern aus dem Bundesgebiet an.