"Die Politik ist gefragt, damit alle Haushalte vom Kita-Ausbau und Rechtsanspruch profitieren können"
Die Nutzung von Kindertageseinrichtungen, besonders bei jüngeren Kindern, hängen sehr stark von ihrem Elternhaus ab. Die Bildungs- und Familienökonomin Katharina Spieß über die Effekte des Rechtsanspruchs auf einen Kitaplätze, den Ganztagsausbau und welche Kinder davon am meisten profitieren.
Frau Spieß, die Nutzung der Kindertagesbetreuung hängt stark vom Elternhaus ab. Inwieweit unterscheidet sich die Nutzung zwischen unterschiedlichen Haushalts- und Familiengruppen?

Für welche Kinder ist die Kita-Betreuung besonders förderlich?
C. Katharina Spieß: Bildungsökonomische Studien zeigen, dass insbesondere Kinder aus bildungsferneren und anderen ressourcenarmen Haushalten, also aus Haushalten mit geringerem Einkommen, von einer Kindertageseinrichtung besonders profitieren. Das gilt allerdings nur, und das ist ein ganz wichtiger Aspekt, wenn es sich um eine qualitativ hochwertige Kindertagesbetreuung handelt.
Im Jahr 2013 wurde der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für Kinder ab dem zweiten Lebensjahr eingeführt. Haben sich die Nutzungsunterschiede in der Folge verringert?
C. Katharina Spieß: Vor dem Rechtsanspruch gab es eine massive Ausbauphase, bedingt durch das sogenannte TAG- und KiföG-Gesetz. In dieser Phase haben sich die Nutzungsunterschiede noch verstärkt. Die Hoffnung war, dass diese sich mit dem Rechtsanspruch verringern oder sogar verschwinden. Unsere Analysen haben aber gezeigt, dass die Nutzungsunterschiede im Bereich der Kinder unter drei Jahren keinesfalls kleiner geworden sind. Allerdings konnten wir auch keine Hinweise finden, dass sie massiv weiter zugenommen haben.
Welche Haushalte nutzen die Kitas für unter dreijährige Kinder, also im U3-Bereich, am häufigsten?
C. Katharina Spieß: Vom Ausbau und auch vom Rechtsanspruch im U3-Bereich profitieren besonders die ressourcenstarken Haushalte, also Kinder aus Akademikerhaushalten und Kinder, deren Eltern keinen Migrationshintergrund haben. Interessant ist, dass auch Kinder, bei denen nur ein Elternteil einen Migrationshintergrund hat, vom Kita-Ausbau profitieren. Mit Blick auf Migrationsunterschiede fällt auf, dass insbesondere Kinder, bei denen beide Elternteile einen Migrationshintergrund haben, nicht in gleichem Umfang vom Ausbau profitiert haben und in Kitas nach wie vor unterrepräsentiert sind.
Welche Haushalte haben vom Ganztagsausbau für Kinder ab drei Jahren, also im Ü3-Bereich, profitiert?
C. Katharina Spieß: Im Ü3-Bereich war es interessanterweise so, dass vor Beginn der Ausbauphase ganztägiger Angebote insbesondere Kinder mit Migrationshintergrund und auch armutsgefährdete Kinder diese Angebote besonders häufig nutzten. Vom Ganztagsausbau haben aber auch hier die ressourcenstarken Haushalte besonders profitiert.
Was muss die Politik tun, damit wirklich jene Familien die Kita-Angebote nutzen, die davon am meisten profitieren würden?
C. Katharina Spieß: In der Tat ist hier die Politik gefragt. Es gibt auf Bundesebene schon Programme, die niedrigschwellige Angebote für diese Familien anbieten, um den Zugang zu Kindertageseinrichtungen zu erleichtern. Es bleibt aber auch eine Frage, inwiefern zum Beispiel der Rechtsanspruch für Kinder ab dem zweiten Lebensjahr schon so bekannt ist, dass Familien in allen Bevölkerungsgruppen ihn nutzen.
Das vollständige Interview zum Anhören finden Sie auf
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Das Gespräch führte Erich Wittenberg.
Quelle: Erstveröffentlichung im DIW Wochenbericht am 19.9.2018, http://www.diw.de