Gender Mainstreaming: überflüssig oder kontraproduktiv? Eine Diskussion
Kritik an der Strategie des Gender Mainstreaming gibt es aus unterschiedlichen Richtungen: Die einen halten sie für überflüssig, weil sie geschlechtsspezifische Unterschiede als naturgegeben betrachten, die anderen halten sie für kontraproduktiv, weil sie befürchten, dass dadurch Geschlechterrollen eher manifestiert denn aufgelöst werden. Der Beitrag beschäftigt sich mit beiden Argumenten.
Widerstände gegen Gender Mainstreaming (GM) - gegen das Verfahren aber auch gegen die Umsetzung - sind vielfältig. Im Folgenden sollen zwei Argumente diskutiert werden, die von sehr verschiedenen Seiten vorgebracht werden. Die einen, einem verbreiteten Alltagsverständnis von Geschlecht folgend, halten GM für überflüssig: Reale Differenzen zwischen den Geschlechtern sehen sie als Folge natürlicher Geschlechterunterschiede und können deshalb auch keine Ungerechtigkeiten darin entdecken. Andere, vor allem aus dem wissenschaftlichen Bereich, gehen von einem fortschrittlichen Geschlechterverständnis aus und sehen in GM ein problematisches Potential zur Stereotypisierung und Homogenisierung. Sie behaupten, dass die bei der Umsetzung von GM vorzunehmenden Genderanalysen automatisch wieder zu den Kategorien "Mann" und "Frau" zurückführten, die es geschlechterpolitisch gerade aufzulösen gelte. Sie kritisieren also das Instrument GM als unzureichend, um Geschlechterdifferenzen abzubauen.
Zum ersten Argument: Gender Mainstreaming ist überflüssig
Arbeit, Einkommen und Macht sind (noch) nicht gleich zwischen den Geschlechtern verteilt. Gender Mainstreaming soll daher der Herstellung geschlechtergerechter Rahmenbedingungen und Strukturen dienen, unter denen diese Unterschiede nicht mehr existieren. Das Alltagsverständnis von Geschlecht geht aber von grundsätzlichen Differenzen zwischen den Geschlechtern aus, die als Begründung für die ungleiche Verteilung dienen können. Es besagt:- Ob jemand Mann oder Frau ist, wird durch körperliche Merkmale eindeutig bestimmt.
- Es gibt nur zwei Geschlechter.
- Jeder Mensch ist entweder Mann oder Frau.
- Ein Mensch ändert sein Geschlecht nicht.
- Das Geschlecht eines Menschen prägt sein Verhalten.