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Begriffe und Entwicklungen | Deutsche Fernsehgeschichte in Ost und West | bpb.de

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Begriffe und Entwicklungen Fast wie ein Kinofilm: Vom Fernsehspiel zum TV-Movie

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Szene aus "Dinner for One oder 'Der 90. Geburtstag'" – mit Freddie Frinton und May Warden. (© NDR/Annemarie Aldag)

Live-Fernsehspiele nach dem Vorbild des Theaters

Seit den frühen Anfängen gehören fiktionale Darstellungen zum Programmangebot. Im Fernsehen des "Dritten Reiches" (1935–1944) gab es deshalb bereits Sendungen, die "Fernsehspiel" genannt wurden. Der Begriff war eine analoge Bildung zur Kunstform im anderen Rundfunkmedium, dem "Hörspiel", das es seit 1924 gab. Als Fernsehspiel wurden alle vom Fernsehen selbst produzierten fiktionalen Formen des Fernsehens bezeichnet. Dieser Begriff wurde dann auch ab 1945 im neu entstehenden Fernsehen der Bundesrepublik verwendet. Im DDR-Fernsehen setzte sich stattdessen die Bezeichnung "Fernsehdramatik" durch, um damit den Zusammenhang der fiktionalen Fernsehform mit den anderen dramatischen Kunstformen deutlich zu machen.

Für die weitere Begriffsverwendung wurden die Produktionsmittel und -formen bestimmend. Das Fernsehspiel war entsprechend den technischen Bedingungen der Anfangszeit zunächst ein live im Studio produziertes Spiel. Es wurde meist von drei oder vier elektronischen Kameras, aufgenommen, dessen Bilder im Regieraum gemischt und sofort gesendet wurden. Dieses Live-Fernsehspiel war deshalb sehr stark an Theateraufführungen orientiert, weil auch dort in sich geschlossene Stücke vom Anfang bis zum Ende durchgespielt wurden, und zwar – den Bedingungen des Theaters gemäß – ebenfalls 'live'. Am Ende der 1950er Jahre wurde die elektronische Aufzeichnung im Fernsehen möglich. Nun konnte man auch das Spiel nicht-chronologisch spielen und aufzeichnen, um es dann am Mischpult (analog dem filmischen Schneidetisch) folgerichtig zusammenzusetzen. Trotzdem wurde diese Produktionsform weiterhin Fernsehspiel genannt. Verallgemeinert kann man bis heute sagen: Ein Fernsehspiel ist eine inhaltlich in sich geschlossene, elektronisch hergestellte fiktionale Fernsehproduktion.

Einsatz der Filmkamera

Schon in den 1950er Jahren stellte sich jedoch heraus, dass bestimmte Geschichten nicht allein auf diese Weise zu erzählen waren. Denn die elektronische Produktion war – zumindest bis in die 1970er Jahre hinein – an das Studio gebunden. Brauchte man Außenaufnahmen, sollte die Geschichte also zum Beispiel an wechselnden Orten in der Natur spielen, musste die Filmkamera eingesetzt werden. Anfangs versuchte man noch, diese Außenszenen filmisch vorzuproduzieren und sie dann in das elektronische Live-Spiel einzubauen. Da aber aus technischen Gründen nicht mehr als drei oder vier Filmszenen in das Live-Spiel eingefügt werden konnten, verlegte man sich bald auf eine andere Produktionsweise: Man begann, die Geschichten mit der Filmkamera zu drehen. Eine solche Produktion nannte man dann "Fernsehfilm". Fernsehfilme waren anfangs wegen ihrer höheren Kosten nur vereinzelt im Programm präsent, wurden dann jedoch immer häufiger produziert. Dies geschah vor allem, als Kinoregisseure begannen, auch für das Fernsehen zu arbeiten und auf diese Weise Fernsehfilme drehten – mit ähnlichen Längen wie im Kino (i. d. R. 90 Minuten) und teilweise auch als Mehrteiler bzw. Miniserie (i. d. R. 2 bis 4 Teile). Seit den 1970er Jahren setzte sich deshalb die Bezeichnung "Fernsehfilm" durch, auch wenn die entsprechenden Abteilungen in den Fernsehanstalten weiterhin "Fernsehspiel" hießen .

TV-Movies – Spielfilme für das Fernsehen

Als die kommerziellen Programmanbieter ab 1992 begannen, eigene Fernsehfiktionen zu produzieren, wollten sie sich bewusst von den Produktionen der öffentlich-rechtlichen Sender absetzen. Sie nannten ihre Fernsehfilme daher "TV-Movie", angelehnt an die amerikanische Bezeichnung "Movies made for television". Auch sie wurden (und werden) mit der Filmkamera aufgenommen, filmisch geschnitten und montiert. In den 1990er Jahren war ihre Dramaturgie schneller als die der öffentlich-rechtlichen Fernsehfilme. Häufig widmeten sie sich sensationalistischen, reißerischen Themen, auf die schon mit dem Filmtitel aufmerksam gemacht wurde (z. B. "Die Singlefalle – Liebesspiele bis zum Tod", RTL, 1999, oder "Anna H. – Geliebte, Ehefrau und Hure", RTL, 2000). Sie wurden mit meist einem oder zwei prominenten Schauspielern besetzt und mit entsprechenden Ankündigungen als großes neues Fernsehereignis ("TV-Event") angekündigt.

Diese TV-Movies veränderten sich in ihrer inhaltlichen Ausrichtung jedoch nach der Jahrtausendwende. Zugenommen haben vor allem familienzentrierte Geschichten (z. B. "Mutter auf der Palme", Sat.1, 2005; "Im Brautkleid meiner Schwester", Sat.1, 2011) und Dramatisierungen von historischen Ereignissen ("Die Sturmflut", RTL, 2006; "Hindenburg", RTL, 2011). TV-Movies stellen also keine eigene Gattung dar. Der Begriff bezeichnet Fernsehfilme, die von kommerziellen Fernsehsendern produziert und ausgestrahlt werden.

Fiktionale Fernsehserien

Ebenso vielfältig sind die Bezeichnungen bei den Fernsehserien. Das serielle Erzählen, also das Erzählen in Fortsetzungen, hat eine lange Tradition. Für das Fernsehen, das täglich mit neuem Programm aufwarten muss, ist die Serie eine geeignete Form der mittel- bis langfristigen Zuschauerbindung.

Grundformen seriellen Erzählens

Seit den 1950er Jahren hat es deshalb im Fernsehen zwei Grundformen des seriellen Erzählens gegeben:

Grundformen des seriellen Erzählens

  • die Serie mit abgeschlossenen Einzelhandlungen (häufig bei Kriminalfilmserien: Jede Folge ist inhaltlich in sich geschlossen, nur die Ermittler sind dieselben, beziehen sich jedoch selten auf vorangegangene Fälle) und

  • die Serie in inhaltlichen Fortsetzungen, bei der jede Folge an die vorangegangene anknüpft und die Geschichte weitererzählt.

Im Unterschied zum (mehrteiligen) Fernsehspiel bestehen Fernsehserien i. d. R. aus vielen kürzeren Sendungen (ca. 30 bis 60 Min.) und kann ein Erfolg der Serie bei den Zuschauern zur Fortsetzung in weiteren Staffeln führen. Viele der Fortsetzungsserien sind auf ein Ende hin konzipiert.

Langlaufende Serien – "Soaps" und Co.

"Gute Zeiten, schlechte Zeiten", Szenenfoto aus der 1. Folge mit Andreas Elsholz (li.), Angela Neumann und Frank-Thomas Mende (© RTL, 1992)

Davon unterscheiden sich die langlaufenden Serien (sog. Endlosserien, z. B. "Gute Zeiten, Schlechte Zeiten "), deren Dramaturgie zunächst kein Ende vorsieht, obwohl sie natürlich in der Regel irgendwann einen Schluss haben .Dies hat beispielsweise bei der seit 1992 laufenden "Lindenstraße" im März 2020 mit der 1.758sten und letzten Folge inzwischen bewahrheitet.

Von dieser Form unterscheiden sich die Telenovelas, die, ursprünglich in Lateinamerika konzipiert, ebenfalls meist melodramatische Geschichten erzählen (oftmals in 150 bis 200 Folgen). Sie kommen damit der Daily Soap nahe, sind aber dennoch auf ein Ende hin angelegt – zumeist einen glücklichen Ausgang der Geschichte. Weitere Mischformen sind dann zum Beispiel Doku Soaps und Reality Soaps. Die hier nur knapp skizzierte Begriffsentwicklung macht deutlich, wie vielfältig die Formen der Fiktion im Fernsehen sind.  

Entwicklungstendenzen der Fiktion im Fernsehen

In den 1950er Jahren bildeten die Fernsehspiele das Zentrum des Programms. Sie waren die "Krönung des Fernsehens", wie es der Publizist Gerhard Eckert 1953 formulierte . Die Darbietung ähnelte einer Theateraufführung, und die Familie versammelte sich oft noch gemeinsam vor dem Bildschirm, manchmal auch gemeinsam mit Nachbarn und Freunden – nicht zuletzt weil das Fernsehen als technischer und kultureller Vorgang insgesamt noch neu und aufregend war.

"Fernsehromane" mit politischem Anspruch

Ein Gewinn bringender TV-Abend in den 1960er und 1970er Jahren war ein Fernsehabend mit einem "Fernsehroman", einem für ein soziales Problem engagierten Themenfilm, einer aufwändigen Literaturverfilmung oder einem spannenden Kriminalspiel. Was der Gattung gelegentlich Kritik einbrachte, war der explizite Hang zur Publizistik, also zu der Tendenz, Sachverhalte umfassend darzustellen und informierend zu wirken und dabei weniger auf die Glaubwürdigkeit der Figuren und die Emotionalität der Geschichten zu achten. In beiden Teilen Deutschlands fühlten sich manche Fernsehkritiker, aber auch manche Zuschauer gelegentlich mit einer politischen Absicht konfrontiert.

In der Bundesrepublik wetterten die Politiker immer wieder gegen einen thematischen bzw. inhaltlichen Ruck des Fernsehens nach links. Damit war häufig das Fernsehspiel gemeint, das sich "linke" Themen zu eigen machte, etwa in den vom Fernsehen mitfinanzierten sogenannten Berliner Arbeiterfilmen wie Christian Ziewers/Klaus Wieses "Liebe Mutter mir geht es gut" (ARD, 1971) oder vom gleichen Team "Schneeglöckchen blühn im September" (ARD, 1974). In der DDR waren sich SED und Fernsehfunktionäre weitgehend einig darüber, dass die Fernsehdramatik zur Schaffung eines sozialistischen Bewusstseins beizutragen habe und dass der sozialistische Filmheld die Entwicklung der realsozialistischen Persönlichkeit unterstützen könne. Beispielhaft geschieht dies bei Benito Wogatzkis Meister Falk-Stücken in seinem Zyklus "Meine besten Freunde" (1968/69). Diese Stücke spielen die in einer Arbeitswelt, in der Meister Falk (gespielt von Wolf Kaiser) eine Art Wundermacher darstellt.

Suche nach neuen Formen in den 1980ern

Die 1980er Jahre brachten eine Stagnation in der Königsdisziplin des Fiktionalen, weil die Mischung aus publizistischem Auftrag und spannender Unterhaltung nicht richtig aufging und in vielen Spielen die thematisch mit allen Details eines Problems belasteten Figuren (z. B. Heroinabhängigkeit) unglaubwürdig wurden. Die öffentlich-rechtlichen Fernsehspielredakteure suchten nach neuen Formen. Mit der neuen kommerziellen Konkurrenz schien die Fernsehfiktion selbst bedroht zu sein, war sie doch in ihrer Produktion teuer und aufwändig. "Mehr Unterhaltung wagen", war deshalb die Devise in West wie Ost. Damit verloren die politischen Ambitionen, die es in den Fernsehfiktionen der 1960er Jahren gab, an Bedeutung.

Einschaltquotendruck und "Emotionalisierung"

In den 1990er Jahren erhöhte sich der Einschaltquotendruck auf den Fernsehfilm, der sich nun stärker an Kinogenres orientieren sollte. Der fiktionale, 90 Minuten dauernde Fernsehfilm büßte seine herausragende Stellung ein. Er schien in der Vielzahl der neuen kommerziellen Programme unterzugehen. Die größere Wiedererkennbarkeit von Serien zahlte sich jetzt aus. Die strenge Formatierung des Programms in Zeitfenster und Sendeleisten, die der "neuen Unübersichtlichkeit" (Habermas) entgegenwirken sollten, gab das Motto der frühen 1990er Jahre aus: Quantität vor Qualität!

Dann besannen sich die Sender im Zeichen der Konkurrenz zwischen öffentlich-rechtlichen und kommerziellen Anbietern und konzipierten neue Fernsehfilme. Sie waren nun besser fotografiert, perfektionierten ihre Dramaturgie, setzten auf Spannung, aber auch auf stimmige Psychologie, auf starke Charaktere und physisch präsente Schauspieler. Die "Emotionalisierung" des Genres war dort erfolgreich, wo die engagierten, zeitkritischen Themen nicht vergessen wurden. In großen Geschichtsdarstellungen wurden ferner die Grenzen der Fiktion zur dokumentarischen Darstellung berührt.

Auch im Kriminalfilm wurde die Mischung von Emotionalität und gesellschaftskritischer Darstellung immer wieder erprobt, so dass er sich in Reihen wie "Tatort" (ARD, ab 1970), "Polizeiruf 110" (Fernsehen der DDR, 1971–1991, danach ARD) und "Bella Block" (ZDF, 1993-2018) zum Grundpfeiler populären TV-Erzählens entwickelt hat.

Kriminalfilm-Reihen und Familienserien

Polizeiruf 110 "Der Fall Lisa Murnau"

Ausschnitt aus der ersten Folge "Der Fall Lisa Murnau" vom 27.6.1971

Polizeiruf 110 "Der Fall Lisa Murnau"

"Polizeiruf 110" war das Tatort-Pendant des DDR-Fernsehens, das aufgrund seiner großen Beliebtheit nach der Wende von den ARD-Anstalten übernommen wurde. Ähnlich wie im Tatort wurden und werden auch im "Polizeiruf 110" sozial relevante Themen wie Alkoholismus, Kindesmissbrauch oder Jugendkriminalität aufgegriffen, wobei die polizeiliche Ermittlungsarbeit in der DDR sich stärker auf Delikte wie Einbruch, Erpressung, Betrug oder Diebstahl konzentrierte. (© Stiftung Deutsches Rundfunkarchiv, 1971)

Das serielle Erzählen vertrug sich lange Jahre nicht mit den ambitionierten ästhetischen Ansprüchen der Fernsehspielmacher. Hergestellt und gesehen wurden serielle Produkte dennoch. Insbesondere die dem Fernsehspiel ästhetisch verwandten Kriminalfilm-Reihen wie "Tatort" oder "Polizeiruf 110" fesselten und fesseln noch immer die Zuschauer. Solche Fernsehspiel-Reihen sind dabei nicht durch zusammenhängende und aufeinander aufbauende Handlung gekennzeichnet, sondern durch in sich abgeschlossene Episoden.

Die andere Orientierungsmarke im Programm war die Familienserie. Sie war Wunschbild und auch Spiegel der Gesellschaft: So gab es in Serien der DDR sehr viel früher als in vergleichbaren West-Produktionen emanzipierte, arbeitende Frauen, die sich zum Beispiel nach Scheidungen auch als allein erziehende, berufstätige Mütter im Leben behaupteten. In den Serien der Bundesrepublik pflegten die Mütter dagegen lieber den Haushalt und die Kinder. Als großes Tabu galten dabei bis in die 1990er Jahre Sex und Erotik.

Die Familie war in der Familienserie Thema und gleichzeitig die Zielgruppe. Die Funktion dieses Genres übernahmen bei den jüngeren Zuschauern in den 1990er Jahren die Daily Soaps und Sitcoms. Die Familienserie alter Prägung, in denen es um 'biologisch normale' Familien mit Großeltern, Eltern und Kinder ging (wie z. B. "Familie Hesselbach" oder "Forellenhof"), verlor im dualen System, im Zuge der Ausdifferenzierung des Programms und der Segmentierung des Publikums, an Bedeutung. Zwar existier(t)en solche Serien mit beständigem Erfolg im Vorabendprogramm, z. B. "Forsthaus Falkenau" (ZDF, 1989–2012) oder "Familie Dr. Kleist" (Das Erste, 2004–2020), und auch neue, frischere Formen wie "Türkisch für Anfänger" (Das Erste, 2006–2008) oder die Miniserie "Das Pubertier" (ZDF, 2017) können sich immer wieder etablieren. Jedoch wurden andere Serienkonstruktionen, die sich um die Beziehungsprobleme von Menschen kümmern, für viele Zuschauer attraktiver.

Bewährte familiäre Grundmuster

Die Interaktionsmuster der Familie und die Grundstruktur der Familienserie, die einen weitgehend aufeinander eingestimmten Verband von Personen in Interaktion mit der Außenwelt zeigt, aber haben überlebt: Was wären "Unser Lehrer Doktor Specht" (ZDF, 1992–1999) oder "Liebling Kreuzberg" (ARD, 1986–1998) ohne das vertraute Miteinander der Protagonisten, die lieb gewonnenen Rituale, 'Macken' und 'Marotten', ohne den Kampf der Geschlechter? Besonders die Serien "Kir Royal" von Helmut Dietl (WDR, 1986) und "Irgendwie und Sowieso", eine BR-Serie von Franz Xaver Bogner aus dem Jahr 1986, setzten auf soziales "Cocooning", ein Sich-Einspinnen-ins-Private. Sogar im Kriminalfilm (und nicht nur in Krimikomödien wie "Adelheid und ihre Mörder", ARD, 1993–2007, 65 Folgen) oder selbst bei "Dr. Psycho" (ProSieben, 2007/08) vertrauen Autoren auf die bewährte familiäre Tonlage. Keine Action ohne Team, kein Polizeirevier ohne die Psychologie der Familienstruktur, kein Einsatz ohne Gefühle. Genres in Reinkultur gibt es im Fernsehen seit den 1990er Jahren kaum noch – auf die Mischung von Genreelementen kommt es an. Und nicht zufällig hat sich hier auch ein verallgemeinerter Begriff des Formats etabliert, der die anderen Begriffe wie Gattungen, Genres, Programmformen etc. abzulösen beginnt.

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